Rede von
Heinz
Westphal
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN „Kein Tourismusverkehr mit dem Apartheid-Staat" an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe Zustimmung. Es ist so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 11/2998. Der Ausschuß empfiehlt, den
Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2313 abzulehnen. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 11/2999 ab. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2311 abzulehnen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen. Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 11/3000 ab. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2312 abzulehnen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen. Diese Empfehlung ist damit angenommen.
Ich rufe den Tagesordungspunkt 20 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 11/2383 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 11/3656 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Heistermann Frau Olms
Richter
Dr. Kappes
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 11/3674 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Deres Kühbacher
Frau Seiler-Albring Frau Rust
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 11/2212 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 11/3656 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Kappes Richter
Frau Olms
Heistermann
8500 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988
Vizepräsident Westphal
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 11/3675 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Deres Kühbacher
Frau Seiler-Albring Frau Rust
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine Stunde Aussprache vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ganz.
Ganz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig und notwendig, sich bietende Gelegenheiten dazu zu nutzen, darauf hinzuweisen, daß sich diese Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen in den zurückliegenden Jahren stetig und, wie ich meine, auch erfolgreich bemüht haben, die soziale Lage der Soldaten zu verbessern.
Ich erinnere nur an die Absicherung Längerdienender gegen Arbeitslosigkeit, an die Anhebung der Leistungen nach dem Unterhaltsicherungsgesetz um 30 % , an die Ausweitung der Berufsförderung, der Erhöhung der Stellenzahl für Längerdiener um 15 000 und die damit verbundene Entlastung ihrer Kameraden, an das Personalstrukturgesetz, an die Erhöhung des Wehrsoldes, des Weihnachts- und des Entlassungsgeldes und an die Erhöhungen der Stellenzulagen, um nur einige zu nennen.
Deshalb bin ich froh darüber, daß wir heute auf dem Wege der Gesetzgebung ein weiteres Problem bewältigen, das uns seit Jahren in zunehmendem Maße beschäftigt und dessen Lösung sich der Bundesminister der Verteidigung und der Verteidigungsausschuß zur Aufgabe gestellt haben.
Es geht um das Problem der Dienstzeitbelastung, oder besser gesagt, der Dienstzeitentlastung der Soldaten. Schon bei der Beschreibung des Umfangs des Problems gibt es mittlerweile unterschiedliche Auffassungen und Meinungen.
Während die SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf — basierend auf Erhebungen aus dem Jahre 1981 des Ministeriums — noch davon ausgeht, daß 70 % der Soldaten des Heeres im Jahresdurchschnitt mehr als 56 Wochenstunden Dienst leisten, vertritt die militärische Führung im Ministerium und auf Verbandsebene die Auffassung, daß sich das Problem in den letzten Jahren entschärft habe.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß sich ein Streit darüber nicht lohnt; denn festzustellen ist, daß in der Tat auf der einen Seite durch die Weisung des Generalinspekteurs vom 14. März 1986 und durch die Weisungen der Inspekteure der Teilstreitkräfte nicht nur das Problembewußtsein zum Faktor Zeit bei den Vorgesetzten aller Ebenen mehr geschärft wurde, sondern es auch deutliche Entlastungen bei der Dienstzeit und Verbesserungen bei planbarer Freizeit gibt.
Auf der anderen Seite ist aber ebenso unbestritten, daß immer noch viele Soldaten und Einheiten, insbesondere im Heer, weit über das normale Maß hinaus dienstlich in Anspruch genommen werden. In der Hauptsache sind davon Unteroffiziere und Mannschaften betroffen, aber auch Kommandeure auf der Einheitsebene. Auch ein Streit darüber, in welchem Umfang diese Mehrbelastungen durch Anordnung von Sonderdiensten sozusagen hausgemacht sind, lohnt nicht, weil selbst bei deren Wegfall immer noch ein Handlungsbedarf bliebe.
Der Verteidigungsausschuß war sich bereits mit Bundesminister Wörner einig, daß die von der Vorgängerregierung im Jahre 1980 eingeführte Pauschalregelung zur Milderung des Problems durch ein anderes Verfahren abgelöst werden muß, weil sich dieses Verfahren nicht bewährt hat, und zwar deswegen nicht, weil damit keine Rahmendienstzeit, kein Zwang zum Freizeitausgleich vorgegeben war und Ungerechtigkeiten beim finanziellen Ausgleich eingetreten sind.
Allenfalls war die 56-Stunden-Woche als Berechnungsgrundlage für die auf Einheiten bezogene Pauschalabgeltung eine vage Dienstzeitorientierung.
Ebenfalls einig war sich der Verteidigungsausschuß mit dem Verteidigungsminister darüber, daß das neu zu erarbeitende Konzept zur Beseitigung dieser Mängel folgende Ziele verfolgen und im Ergebnis erbringen muß, nämlich: erstens die hohe Dienstzeitbelastung durch Verringerung, Straffung und Zusammenfassung von Aufgaben sowie durch vermehrten Einsatz zusätzlicher Technik und Infrastruktur zu verringern, nur Dienst zu befehlen, der sich aus militärischen Erfordernissen wie Ausbildung und Einsatzbereitschaft ergibt, sowie den Dienst vorausschauend zu planen und zeitlich zu begrenzen; zweitens überhöhte zeitliche Belastungen durch planbare Freistellungen vom Dienst, soweit möglich, auszugleichen; drittens überall dort, wo beides nicht möglich ist, die besonders hohen Belastungen künftig nicht mehr durch eine Pauschalvergütung, sondern individuell leistungsbezogen und damit gerechter als bisher finanziell anzuerkennen.
Nicht einig waren wir uns dabei über den einzuschlagenden Weg. Der Bundesverteidigungsminister hat, nachdem, wie bereits dargestellt, der Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte durch Weisungen an die Truppe eine größere Ausschöpfung der Möglichkeiten der Dienstzeitentlastung und des Freizeitausgleichs angeordnet haben, als Regierungsentwurf das sogenannte Streitkräftemodell vorgelegt. Die SPD-Fraktion legte dazu einen eigenen Gesetzentwurf vor. Die Koalitionsfraktionen im Verteidigungsausschuß waren sich schon im Vor-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8501
Ganz
feld der Beratungen darüber einig, daß beide Entwürfe unseren Intentionen nicht entsprechen. Den SPD-Entwurf lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen ab; Gründe dafür habe ich in meinem Beitrag zur ersten Lesung von dieser Stelle aus schon aufgezeigt.
Ich nenne die wichtigsten noch einmal, lieber Kollege Kolbow. Eine gesetzliche Dienstzeit, verbunden mit einer Mehrarbeitsvergütung, wie im Beamtenrecht, hätte zur Folge, daß jede soldatische Tätigkeit danach hinterfragt würde, ob und in welchem Umfange sie als Dienst im Sinne des Dienstrechts zu bewerten ist. Ebenfalls zur Debatte stünden die auf dem Soldatenberuf beruhenden Abweichungen vom allgemeinen Beamtenrecht, wie Lebensarbeitszeit der Soldaten, Freistellung der Soldaten im Rahmen der Berufsförderung, Soldatenurlaubsverordnung usw.; ich brauche das nicht zu wiederholen.
Kurz: nach unserer Überzeugung vertragen sich Dienst nach Stechuhr, Dienst nach Kassenlage nicht mit dem Auftrag, der der Bundeswehr vom Grundgesetz gestellt ist.
Den Regierungsentwurf haben wir als Basis für die Fortentwicklung des Dienstzeitrechts begrüßt, aber auch als änderungsbedürftig erkannt, weil die darin vorgesehenen Bestimmungen zwar die Fehler des bisher geltenden Rechts nicht wiederholt, dessen Schwächen aber auch nicht ganz beseitigt haben, die darin liegen, daß auch im Regierungsentwurf keine Rahmendienstzeit vorgegeben ist, kein Zwang zum Freizeitausgleich vorgesehen war und Ungerechtigkeiten beim finanziellen Ausgleich nicht auszuschließen waren.
Ich hätte mir allerdings — das gestehe ich ehrlich — nicht träumen lassen, daß die, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, vorzunehmenden Änderungen so viel Aufwand und Zeit erfordern würden. Details zu regeln, eindeutige Formulierungen zu finden, gesetzestechnische Verfahrensfragen zu lösen war ein äußerst schwieriger Prozeß.
An dieser Stelle möchte ich meinen Kollegen, insbesondere Willy Wimmer, Bernd Wilz, Herrn Ronneburger und Günther Nolting herzlich Dank sagen für ihre engagierte Unterstützung und Mitberatung. Dank sagen möchte ich aber auch Herrn Bundesverteidigungsminister Scholz für seinen ganz persönlichen Einsatz in dieser Sache und für sein kooperatives und kollegiales Mitwirken.
Dies gilt auch für Frau Staatssekretärin Hürland-Büning
und für die Offiziere der Abteilung FüS I.
Die von uns gemeinsam erarbeiteten Änderungen des Regierungsentwurfs müssen allerdings im Zusammenhang mit anderen Vorschriften gesehen werden. Die vorgenommenen Änderungen des § 50 a des Bundesbesoldungsgesetzes bzw. die Änderung des Wehrpflichtgesetzes, für sich allein betrachtet, lassen nur insoweit eine Verbesserung erkennen, als hier erstmals von einer täglichen bzw. wöchentlichen Rahmendienstzeit im Gesetz die Rede ist und als Grundlage für die individuell zu vergütende Mehrarbeit Dienstzeiten in Stunden angegeben sind.
Aber Herzstück der Neuregelung wird die auf dieser Basis ebenfalls zu ändernde Zentrale Dienstvorschrift 10/5 sein, die — darauf haben wir besonderen Wert gelegt — im Entwurf vorliegt. In ihr werden in Kasernen und Standorten als tägliche Rahmendienstzeit von Montag bis Donnerstag 10 Stunden und freitags 6 Stunden festgelegt. Das entspricht einer wöchentlichen Rahmendienstzeit von 46 Stunden, einschließlich der Pausen. Sie beinhaltet weiter einen Zwang zum Freizeitausgleich dann, wenn bis zu zwei Stunden mehr Dienst erbracht wird. Darüber hinausgehende Dienstzeiten sollen vorrangig in zusammenhängender und damit planbarer Freizeit ausgeglichen werden.
Abgerundet wird unser Lösungsvorschlag durch die ebenfalls bereits erstellte Vergütungsverordnung, die eine leistungsbezogene und damit gerechtere finanzielle Abgeltung für nicht durch Freizeit ausgleichbaren Wehrdienst vorsieht. Danach haben Berufs- und Zeitsoldaten einen Anspruch von 15 DM für die 12. bis 16. Stunde und von 30 DM für die 16. bis 24. Stunde. Bei den Wehrpflichtigen, weil nicht zu versteuern, sind die Sätze 6 DM bzw. 11 DM.
Dieses Verfahren, Details nicht durch Gesetz, sondern über Verordnungen zu regeln, haben wir bewußt gewählt, weil es flexibler ist. Weitere eventuell mögliche Dienstzeitreduzierungen bzw. Steigerungen der Vergütungssätze bedürfen nicht der Gesetzesänderung; sie können auf dem Verordnungswege den jeweiligen Veränderungen angepaßt werden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, derjenige, der sich ernsthaft und im Detail mit dem Problem befaßt hat, kann mit mir feststellen, daß wir mit dieser Lösung einen bedeutenden Schritt hin zur sachlichen und rechtlichen Fortentwicklung des Dienstzeitrechts der Soldaten getan haben.
Die gleichgewichtigen Schritte unseres Konzepts — Rahmendienstzeit, Freizeitausgleich, Vergütung — sichern dem Disziplinarvorgesetzten einen Handlungsspielraum, den die Truppe zur Erfüllung ihres Auftrages braucht und der mit sinngebender Dienstgestaltung durch sachgerechte und motivierende Menschenführung ausgefüllt werden kann.
Der Innenausschuß hat unserem Vorschlag mit Mehrheit zugestimmt. Auch dafür danke ich.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zuzustimmen.
Ich bedanke mich.
8502 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988