Rede von
Klaus
Beckmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jung, das einzige, was ich zu Ihren Ausführungen sagen möchte, ist, daß der Herr Kollege Haussmann am morgigen Tag keinen Scherbenhaufen, sondern einen Haldenbestand in zweistelliger Millionenhöhe übernehmen wird.
Meine Damen und Herren, die FDP stimmt dem Vorschlag der Bundesregierung zur Erhöhung der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1989 auf 8,5 % zu. Auch uns fällt diese erneute Erhöhung der Belastungen der deutschen Stromverbraucher nicht leicht. Sie ist jedoch im Interesse der Sicherung der Energieversorgung notwendig. Wir lassen uns dabei von zwei Grundüberlegungen leiten.
Erstens. Der Jahrhundertvertrag ist ein langfristig angelegtes privatwirtschaftliches Vertragswerk mit energiepolitischer Bedeutung. Er wird daher vom Dritten Verstromungsgesetz flankierend unterstützt. Die Bundesregierung und die FDP stehen zu dieser vertraglichen Regelung.
Zweitens. Der Jahrhundertvertrag und das Dritte Verstromungsgesetz sind als eine Versicherung gegen Energieknappheiten auf dem Weltmarkt angelegt. Das bedeutet umgekehrt aber auch, daß in Zeiten des Energieüberflusses die Kosten überproportional ansteigen.
Trotzdem ist festzuhalten, daß die Bundesrepublik Deutschland angesichts des immensen Rückgangs unserer gesamten Öl- und Gaspreise und durch den Energiepreisverfall auf den Weltmärkten unter dem Strich noch immer beachtlich entlastet wird. Dies rechtfertigt auch wirtschaftlich, eine vertretbare Versicherungsprämie für unsere einzige nationale Energiereserve auch in Zukunft zu leisten.
Dreh- und Angelpunkt des Jahrhundertvertrages bleibt freilich der bundesweite energiepolitische Konsens. Der Einsatz der teuren deutschen Steinkohle kann nach wie vor in der Stromrechnung nur dann aufgefangen werden, wenn preisgünstige andere Energiearten wie Kernenergie oder Braunkohle in der Grundlast für einen insgesamt vertretbaren Mischpreis sorgen.
Erschwert wird dieser politische Kurs allerdings durch das ständige Störfeuer — diese Bemerkung kann ich der Opposition nicht ersparen —, mit dem die SPD-regierten Länder die im Jahrhundertvertrag festgelegte Linie des politischen Konsenses unterlaufen.
Meine Damen und Herren, ein kurzfristiger Ausstieg aus der Kohle ist ebensowenig möglich wie ein solcher aus der Kernenergie.
Kohle und Kernenergie, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben in den vergangenen Jahren ihren Anteil an der Stromerzeugung ausgeweitet. Immerhin ist der Anteil der Steinkohle in der Verstromung in den letzten zehn Jahren von knapp 24 % auf knapp 30 % gestiegen. Eine Verdrängung der Kohle durch
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8459
Beckmann
die Kernenergie findet also nicht statt und wird von uns politisch auch nicht zugelassen. Alles Gerede, diese Koalition lasse den Ausbau der Kernenergie auf Kosten der Kohle zu, ist unverantwortlich und vollständig unfundiert. Im Gegenteil, wir haben mit unserer Energiepolitik erreicht, daß die Importenergien Öl und Gas aus der Verstromung zurückgedrängt werden konnten. Das war ein vorrangiges energiepolitisches Ziel. Die deutsche Kohle hat offensichtlich und unwiderlegbar von dieser Verdrängung profitiert.
Meine Damen und Herren, in den nächsten Jahren wird der Bergbau wegen der Absatzrückgänge im Wärmemarkt und im Stahlbereich noch über das bisherige Ausmaß hinaus einem erheblichen und tiefgreifenden Anpassungsprozeß unterworfen werden.
In der Kohlerunde 1987 ist der Abbau von weiteren 30 000 Arbeitsplätzen mit allen Beteiligten vereinbart worden. Es gibt keinen Anlaß, bereits jetzt in eine neuerliche Kohlerunde zur nachträglichen Verschärfung dieses Ergebnisses einzutreten. Damit würden wir den Weg des Konsenses und der sozialen Verträglichkeit ohne Not verlassen. Unsere Linie bleibt es, den Bergleuten wie bisher ehrlich und ohne Illusion zu sagen, wohin der Weg gehen wird, andererseits aber auch Augenmaß und soziale Verantwortung gegenüber den Kumpeln zu zeigen, indem wir die Anpassung weiterhin sozial flankieren.
Nun, meine Damen und Herren, die Signale, die der Aufsichtsratvorsitzende der Ruhrkohle ausgesandt hat, haben wir mit Erstaunen empfangen.
Die Erklärung der IGBE vom 6. Dezember dazu zeigt aber, daß es sich bei diesen Vorschlägen durchaus nicht um die einvernehmliche Haltung aller im Bergbau Beteiligten handelt. Zwar verstehen wir das Begehren des Bergbaus, endlich Investitions- und Planungssicherheit bis zum Jahr 2000 zu erlangen, dies ist aber mit einem solchen einsamen Vorstoß nicht zu erreichen. Wir fordern daher Unternehmen und Gewerkschaften auf, weiterhin über die Situation der Kohle nachzudenken und realistische Vorschläge zu machen.
Meine Damen und Herren, unsere Stromrechnung ist im Vergleich zu anderen Ländern erheblich angestiegen und wird auch im nächsten Jahr mit der Anhebung des Kohlepfennigs noch einmal teurer.
Klipp und klar muß festgehalten werden: Das Ende der Fahnenstange ist damit erreicht. Weitere Belastungen können Bund, Länder und Stromverbraucher nicht mehr tragen. Die revierfernen Länder — darauf ist schon hingewiesen worden — haben schon jetzt erhebliche Probleme, ihren Bürgern klarzumachen, warum die Belastungen noch weiter steigen, ohne daß dort heimische Kohle verstromt würde.
Wir müssen somit gemeinsame Wege gehen und gemeinsame Wege suchen, um die Belastungen in Zukunft einzugrenzen. Darum unterstützen wir auch den Versuch der Bundesregierung, den Ölausgleich nach dem Dritten Verstromungsgesetz zu plafondieren. Dazu bedarf es natürlich der Zustimmung der Elektrizitätswirtschaft.
Nun appellieren wir, die FDP-Fraktion, an die Energieversorgungsunternehmen, die in diesem Jahr begonnenen und bisher leider erfolglosen Verhandlungen im Interesse der gemeinsamen energiepolitischen Verantwortung zu einem vernünftigen Ende zu bringen. Ich warne davor, zu glauben, daß die staatlichen Kassen auf Dauer dort einspringen müßten, wo der Verstromungsfonds nicht mehr ausreicht.
Bei Abschluß des Jahrhundertvertrags ist von keiner Seite vorausgesehen worden, daß sich die Anforderungen an den Fonds jemals in dieser Höhe entwikkeln konnten. Das Beharren auf den Ansprüchen mag zwar durch eine streng formale Auslegung des Vertrages gedeckt sein, aber eine solche Position widerspricht dem Geist des Vertrages, der Vorteile und Lasten gerecht zu verteilen versucht. Sie verträgt sich aber auch nicht — darauf weise ich mit allem Ernst hin — mit der Aufgabenstellung einer öffentlichen Energieversorgung auf der Grundlage von Gebietsmonopolen.
Wenn es uns beim besten Willen nicht gelingen sollte, zu einem gütigen Einvernehmen insgesamt zu gelangen,
wird uns die Suche nach Mitteln und Wegen geradezu aufgezwungen, die öffentliche Energiewirtschaft in die Verantwortung zu nehmen oder, noch genauer, in der Verantwortung zu halten. Ich brauche nicht eigens hervorzuheben, daß eine derartige Entwicklung nicht unser politischer Wunsch sein kann.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion begrüßt insbesondere, daß die Bundesregierung unmißverständliche Erklärungen abgegeben hat, daß die Existenz derjenigen Zechen, die niederflüchtige Kohle fördern, nicht durch die einschränkenden Maßnahmen in Gefahr geraten wird.
Wir wollen nicht zulassen, daß die notwendige Entlastung des Verstromungsfonds zu Lasten bestimmter einzelner Zechen und deren Belegschaften geht.
Die jetzt zu beschließende Erhöhung der Verstromungsabgabe reicht nur für das Jahr 1989. Sie erreicht nicht annähernd die Höhe, die notwendig wäre, um alle Ansprüche gegen den Fonds abzudecken. Eine Anhebung über die 8,5 % hinaus wäre aber nicht durchsetzbar und ebensowenig vertretbar.
Zusätzliche Maßnahmen sind unumgänglich. Wir sollten daher jetzt alles tun, insbesondere aber auch alles Abträgliche, wie etwa die in Frage gestellte Entsorgung der Kernkraftwerke, unterlassen, damit der Kohleabsatz im Strombereich gesichert und mittelfristig wieder auf finanziell solide Beine gestellt wird. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe ist daher der erste wichtige Schritte zu diesem Ziel auf einem sehr steinigen Wege.
Vielen Dank.
8460 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988