Rede von
Uwe
Hüser
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Besonders begrüße ich die Kommunalpolitiker, die dieser Debatte eventuell zuhören.
— Warten Sie aber noch ab, was ich zu sagen habe. Ob Sie sich dann immer noch bedanken, wird sich ja herausstellen.
Nicht unerwartet hat sich nach den Beratungen in den Ausschüssen an den Zustimmungsverhältnissen zu den vorliegenden Gesetzentwürfen nichts geändert. Die Albrecht-Initiative, vom Bundesrat im Sommer noch einmütig über Parteigrenzen hinweg angenommen, wird von den Koalitionsfraktionen nach wie vor als verfehlt abgelehnt.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8417
Hüser
Die SPD stimmt dem Anliegen zwar zu, wie Herr Struck vorhin noch einmal erklärt hat, politisch hängen Sie sich aber an das Strukturhilfegesetz der Bundesregierung. Anscheinend ist hier das Feilschen um ein paar Millionen Mark doch wichtiger als das Festhalten an einer klaren politischen Linie.
— Anders kann ich es nicht verstehen. Sie haben vorhin mit guten Gründen dargelegt, wo die Fehler dieses Strukturhilfegesetzes sind. Daß Sie dann aber trotzdem zustimmen, das wundert mich doch ein wenig.
Die Bundesregierung behauptet, ihr Strukturhilfegesetz sei besser geeignet, die Unterschiede in der Bundesrepublik auszugleichen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, daß ein gutes Investitionshilfegesetz durchaus dazu beitragen kann, diese Unterschiede zugunsten der Problemregionen — u. a. des Ruhrgebiets, der Küstenregionen und auch des Saarlandes — abzubauen. Allerdings ging es bei der Albrecht-Initiative nicht nur um diesen Punkt. Deshalb kann auch das vorliegende Strukturhilfegesetz kein Ersatz für unseren Antrag und den des Bundesrats sein, sondern bestenfalls eine Ergänzung mit zweiter Priorität.
Wir erinnern uns, daß im Rahmen der Diskussion um die Steuerausfälle, die die Länder durch die Steuerreform zu tragen haben, viele Gemeinden mit Sorge festgestellt haben, daß ihr finanzieller Spielraum total eingeengt wird und daß für sie das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Das betrifft vor allem die Länder und Gemeinden, die von hoher Arbeitslosigkeit und infolgedessen von stetig überproportional steigenden Sozialhilfekosten belastet sind, eben jene Länder, die die Albrecht-Initiative unterstützt haben.
Das Positive an dem Vorschlag, daß der Bund die Hälfte der Sozialhilfekosten übernimmt, ist erstens die Tatsache, daß hiermit erkannt wird, daß die Sozialhilfe heute einen ganz anderen Stellenwert gegenüber dem Zeitpunkt ihrer Einführung bekommen hat und die Gemeinden eben nicht allein auf den steigenden Lasten sitzenbleiben dürfen. Zweitens wird hier ein finanzieller Spielraum direkt bei den Kommunen frei, der es den kommunalen Selbstverwaltungsorganen ermöglicht, in eigener Regie zu bestimmen, für welche Bereiche sie diesen Spielraum nutzen wollen,
ob sie im Sozialbereich dringend notwendige Stellen finanzieren, ob sie sich im kulturellen Bereich engagieren, ob sie Umweltschutzinvestitionen tätigen oder ein Mix von alledem anstreben wollen. Es gilt, gerade mehr Entscheidungsspielräume auf der Ebene zu eröffnen, die noch am ehesten von den Bürgern und Bürgerinnen kontrolliert wird und wo ihr Einfluß auf die Entscheidungen noch am größten ist. Diesen positiven Ansatz haben die GRÜNEN begrüßt und deshalb diese Initiative übernommen. Wir befürchten, daß sie zurückgezogen wird und damit aus der Diskussion herausgenommen würde.
Das Strukturhilfegesetz der Bundesregierung leistet in diesem Sinne für die Gemeinden nichts. Deshalb
lehnen es die GRÜNEN ab. Die Kommunen können sogar froh sein, wenn sie überhaupt Gelder im Rahmen dieses Gesetzes erhalten. Daran ändert Ihr Entschließungsantrag überhaupt nichts, den Sie hier vorlegen, der nur irgendwelche Soll-Bestimmungen enthält, aber keinerlei bindende Möglichkeiten. Da hätte man sich andere Möglichkeiten ausdenken müssen.
Da wir davon ausgehen, daß das Gesetz hier beschlossen wird, können wir die Kommunen und auch Organisationen wie den Deutschen Städtetag nur noch einmal eindringlich auffordern, daß sie wirklich darauf drängen, daß diese Investitionsmittel in den Gemeinden ankommen. Eine positive Initiative in dieser Richtung haben die niedersächsischen GRÜNEN im Landtag schon unternommen. Gerade hier ist es besonders wichtig, da Herr Albrecht schon einen Großteil dieser Mittel für die Sanierung seines maroden Landeshaushalts eingeplant hat.
Das Strukturhilfegesetz hat aber auch sonst noch erhebliche Schwachstellen. Die Kriterien, nach denen sich die Empfängerländer definieren und das Geld verteilt wird, sind offensichtlich vom politisch gewünschten Ergebnis her und durch die Parteibrille gerechnet worden. So konterkarieren sich z. B. die Merkmale Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsentwicklung. Der Investitionskatalog ist so weit gefaßt, daß die Mittel in vielen Einzelprojekten und Bereichen wirkungslos versickern werden. Den meisten in dieser Republik ist auch offensichtlich, daß die Verschärfung der Umweltprobleme den Seifenblasenerklärungen der Bundesregierung immer um Längen vorauseilt. Die Bundesregierung hat wieder einmal dort, wo es in Sachen Umwelt konkret wird und über Sprechblasen und Sonntagsreden hinausgeht, versagt. Hier kann ich wieder nur auf Ihren Entschließungsantrag hinweisen, der nichts als unverbindliche Erklärungen enthält und dem Problem in keiner Weise gerecht wird. Mich wundert nur, daß die SPD dem zustimmt. Allerdings schadet das bei dieser Wischiwaschierklärung auch nicht.
Eine verbindliche Konzentrierung der Mittel z. B. auf den Ausbau von Kläranlagen, für die Minister Töpfer noch vor kurzem Milliardenbeträge gefordert hat, hätte sowohl dem Schutz des Grundlebensmittels Wasser gedient als auch die Investitionen zum großen Teil in die Kommunen gelenkt. Die Investitionen hätten für den Energiesparbereich, den Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs usw. verwandt werden können. Statt dessen wird nun alles gefördert, egal, ob dadurch zusätzliche Flächen durch den Straßenbau versiegelt werden, ob Technologie Arbeitsplätze vernichtet oder ob es Investitionen sind, die von den Ländern schon geplant sind und deren Förderung nur der Refinanzierung der Landeshaushalte dient.
Zum Schluß möchte ich noch einen Punkt ansprechen, die 40 Millionen DM, die Rheinland-Pfalz auf Grund der angeblich stärkeren Belastung durch die ausländischen Stationierungsstreitkräfte jährlich zusätzlich bekommen soll. Wenn diese 40 Millionen DM dazu beitragen, daß in diesen Regionen in der Westpfalz, der Eifel und dem Hunsrück Förderungsgebiete und Strukturen geschaffen werden, die die Abhängigkeit vom Militär mindern oder ganz abschaffen, dann wäre das ein sinnvoller Beitrag. Positive Anregungen
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für das, was da zu tun wäre, können Sie sich z. B. bei dem Konversionsbüro der GRÜNEN in Kaiserslautern holen.
Als Fazit kann ich hier nur feststellen, daß Sie mit diesem Gesetz zwar Gelder zur Verfügung stellen, daß Sie allerdings die Probleme damit nicht lösen werden.