Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Mitbürger! Dies ist heute ein wichtiger Tag für die strukturschwachen Bundesländer, für die Länder, die besondere Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Zukunft benötigen. Wir hatten gestern mit verschiedenen Kollegen ein Gespräch mit Vertretern der Bundesländer, aller Bundesländer, bei dem allgemeine Einmütigkeit darüber bestand, daß es Gründe und Anlaß gibt, daß die Strukturnachteile in den einzelnen Bundesländern ausgeglichen werden müssen, daß es eine große Zahl von Ländern gibt, die Hilfe auf dem Weg in die Zukunft brauchen. Ich meine, es ist uns gemeinsam gelungen, mit ganz großer Mehrheit — gegen die Stimmen der GRÜNEN — eine Lösung zu finden, die diesen strukturschwachen Ländern auch wirklich nachdrücklich hilft.
Ich möchte gleich zu Beginn sagen, daß das jetzt vorgelegte Gesetz auf die verdienstvolle Initiative des niedersächsischen Ministerpräsidenten zurückgeht, dem ich hier von dieser Stelle aus sehr herzlich dafür danken möchte.
Wenn man davon ausgeht, daß wir alle, Opposition und Regierungsparteien, eigentlich seit Mitte der 70er Jahre darüber geredet haben, daß dem Norden stärker geholfen werden muß, dann ist es Ernst Albrecht zu verdanken, daß aus diesem konkreten Wunsch auch ein konkreter gesetzmäßiger Ansatz geworden ist. Deswegen, meine ich, gebietet es einfach der Anstand, die Höflichkeit, dies hier so deutlich zu sagen.
Der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, macht deutlich, daß wir als Bund den Bundesländern, die Strukturschwäche haben, in den nächsten 10 Jahren mit
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8413
Austermann
25 Milliarden DM Hilfe leisten wollen. Davon entfallen etwa 2 Milliarden DM auf die Länder nördlich des Mains, also ein ganz wesentlicher Anteil, der in diese Regionen fließt. Wir wollen die Länder voranbringen. Sie sollen die technologische Entwicklung im Süden aufnehmen, sie sollen in die Lage versetzt werden, ihre Wirtschaftsstruktur nachdrücklich zu verändern, ihre Wirtschaftsstrukturen zu entkalken, sie sollen die Forschungsinfrastruktur verbessern und Arbeitsplätze für die Zukunft bauen. Ich glaube, dies ist ein Wunsch, den jeder Bürger in diesem Hause, aber auch außerhalb dieses Hauses mit Nachdruck unterstützen kann. Jetzt ist es an den Bundesländern, daraus etwas zu machen, und ich fordere alle Bundesländer auf, in Wettbewerb einzutreten, mit dieser Strukturhilfe zu zeigen, was die jeweilige Landesregierung leisten kann. Ich bin ziemlich sicher, wie dieser Wettbewerb ausgehen wird.
Je nach dem politischen Ansatz hatten in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes einzelne die ausgestreckte Hand des Bundes unter Umständen für falsche Zwecke nutzen können. Wir haben in der Beratung des Haushaltsausschusses deshalb bei dem Gesetz gewisse Korrekturen angebracht, die mir sehr wichtig erscheinen. Es steht jetzt fest, daß die in den Ländern vorgesehenen Investitionen auch wirklich der Verbesserung der Struktur dienen. Wir machen also kein Konjunkturankurbelungsgesetz sozialistischer Prägung, etwa nach dem Motto „Arbeit und Umwelt" ,
sondern wir machen ein Gesetz, das der Strukturverbesserung dienen soll. Konjunkturprogramme blähen die Haushalte pauschal auf, Problemlösungen werden verhindert. Das ZIP-Programm der Vergangenheit ist ein deutliches Beispiel dafür, denn das Nord-SüdGefälle ist nicht geringer geworden, sondern ist verschärft worden.
Da dies unsere Absicht ist, haben wir dies auch an anderer Stelle im Gesetz deutlich gemacht. Wir haben darauf hingewiesen, daß zusätzliche Investitionen gefördert werden sollen, und hier gibt es eine noch breitere Übereinstimmung. Sogar der DGB hat diesen Ansatz begrüßt und unterstützt. Ich glaube, daß damit ausgeschlossen ist, daß wir einen Mitnahmeeffekt haben, wie er von Hessen und Baden-Württemberg befürchtet wird. Ich meine deshalb, daß diese Länder nach der Schlußberatung des Gesetzes heute noch einmal gewissenhaft und wohlwollend prüfen sollen, ob sie tatsächlich den Schritt zum Verfassungsgericht tun. Ich denke, daß man mit dieser Fassung des Gesetzes leben kann, daß es verfassungsfest ist. Ich fordere diese Länder auf, ihre Haltung noch einmal zu überprüfen.
Mit der Entschließung des Haushaltsausschusses, auf die Unterstützung des Bundes jeweils an den einzelnen Objekten hinzuweisen, das vor Ort deutlich zu machen, wollen wir gleichzeitig anstreben, daß die Bürger auch tatsächlich wissen, wo diese Hilfe ankommt, und in anderen Fällen, in bestimmten Ländern vielleicht, wo die Hilfe nicht ankommt. Wir wollen damit die Verantwortungsbereitschaft des Bundes unterstreichen. Wir wollen zeigen, daß der Bund seine Verpflichtung nach dem Grundgesetz wahrnimmt. Wenn der Bund den Bürgern 1989 eine maßvolle Anhebung der Verbrauchsteuern zumutet — in dem Begriff „maßvoll" und in der Definition unterscheiden wir uns hier von den GRÜNEN und der SPD, die die Verbrauchsteuern im nächsten Jahr wesentlich stärker anheben wollen — , dann sollten die Bürger wissen, daß dieses Geld u. a. auch für diese Strukturhilfe ausgegeben wird. Wir sind der Meinung, darauf soll hingewiesen werden.
Der Bund will gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse im Norden und Süden in den Bundesländern. Die einzelnen Bundesländer haben jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß es nach dem Ablauf des Gesetzeszeitraums, in 10 Jahren, das Süd-Nord-Gefälle nicht mehr gibt.
Ich meine, daß dies auch ein Schritt ist, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern auf eine neue Grundlage zu stellen. Kohlepfennig — man sollte ihn mit der Ausweitung heute eher „ Kohlegroschen " nennen — , Strukturhilfen für Kohle und Stahl, Werfthilfen, Hilfen für den Schiffbau zeigen, daß der Bund seine Verantwortung für den Norden wahrnimmt, für die Länder wahrnimmt, die den Strukturwandel brauchen. Ich glaube, damit steigt auch die Verantwortung der einzelnen Länder, sich bundesfreundlich zu verhalten, was nicht heißt, zum Bund nett zu sein, sondern diese gemeinsame Zielsetzung in die Richtung, die Strukturen auszugleichen, besser zu erfüllen. Der Ausstieg aus der gemeinsamen Energiepolitik, die Verzögerung der notwendigen Verkehrserschließung im Norden, Technologiestopp, die Verweigerung von Entscheidungen für Entsorgungsvorhaben oder das Unterlassen notwendiger Maßnahmen im Gewässerschutz zugunsten von Nord- und Ostsee passen nicht zu einer gemeinsamen Politik. Und deshalb sollten diese Länder genau prüfen, inwieweit sie sich auch bundesfreundlich verhalten.
Ich möchte hier eine Debatte aufgreifen, die gestern abend stattgefunden hat zum Thema Nordsee- und Gewässerschutz. Da hat hier der schleswig-holsteinische Umweltminister behauptet, er gäbe neu 1989 30 Millionen Mark aus für den Gewässerschutz, insbesondere für Nord- und Ostsee.
Ich habe mir daraufhin den Entwurf des Landeshaushalts für das kommende Jahr für Schleswig-Holstein — insbesondere den Einzelplan des Herrn Heydemann — angeguckt und habe dort was ganz Interessantes gefunden. Zunächst einmal habe ich gefunden, daß die Ansätze insgesamt abgesenkt werden, daß 10 Millionen Mark weniger für Abwasserbeseitigung und Gewässerschutz ausgegeben werden
und daß der Betrag von 8 Millionen Mark zwar für die Minderung des Phosphat-Eintrags vorgesehen ist, aber insgesamt in einem Gesamtansatz, der von 27 Millionen Mark auf 16 Millionen Mark heruntergefahren wurde. Dabei ist festgelegt worden, daß dies vor allen Dingen alte Ansätze sind, die dort mit Geld bedacht werden. So ernst nehmen es manche mit den
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Vokabeln. So ernst nehmen es manche auch mit der Wahrheit, aber auch mit der Frage Gewässerschutz.
Ich glaube auch, daß ich deutlich genug darauf hingewiesen habe, Herr Kollege Struck, daß wir dieses Ziel einvernehmlich im Auge haben und daß es jetzt darum geht, Vernünftiges daraus zu machen.
Mit der Entschließung, die wir heute zusätzlich zu diesem Gesetz zur Beschlußfassung vorlegen, empfehlen wir die Verlagerung eines wesentlichen Teils der Investitionshilfe auf die Kommunen und in den Umweltschutzbereich, also insbesondere bei Nord- und Ostsee.
Wenn auch die anderen Länder — zum Beispiel Herr Heydemann — das täten, was Niedersachsen gemacht hat — nämlich zu sagen, wir geben 20 % der Strukturhilfe für Niedersachsen für den Gewässerschutz aus — , stünden etwa 500 Millionen Mark im Jahr zur Verfügung, Nord- und Ostsee zu retten. Ich möchte auch die anderen Länder bitten, das gleiche zu tun, was Niedersachsen hier getan hat und Schleswig-Holstein offensichtlich zu tun nicht bereit ist.
Zu überlegen war in den letzten Tagen, wieweit die veränderten Daten der Volkszählung berücksichtigt werden müssen. Wir konnten dies nicht einbeziehen — ganz einfach deshalb, weil diese Strukturhilfe kein neuer Finanzausgleich oder keine Erweiterung des Finanzausgleichs ist. Aber die Länderfinanzminister sollten sich mit der endgültigen Abwicklung verständnisvoll befassen.
In keinem Fall heißt aber auch die neue Volkszählung, daß einzelne Länder weniger haben als bisher. Ich will zum Schluß nur ein kurzes Beispiel bringen. Schleswig-Holstein wird zwar für 1987 in der Summe von Umsatzsteueranteil, Ausgleichszuweisungen und Bundesergänzungszuweisungen etwa 30 Millionen Mark weniger haben als 1986. 1988 steigt der Betrag aber schon wieder um 200 Millionen Mark an.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft brummt, die Steuereinnahmen der Länder sprudeln, die Arbeitslosigkeit geht langsam zurück: Wir sind der Meinung, daß dies verstärkt auch im Norden wirksam werden soll. Die Strukturhilfe wird einen wesentlichen Anteil dabei leisten.
Herzlichen Dank.