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ID1110801700

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    Plenarprotokoll 11/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Grunenberg 7415A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksachen 11/2700, 11/2966, 11/3119) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 11/3204, 11/3231 — Dr. Vogel SPD 7415B, 7453 C Dr. Dregger CDU/CSU 7426 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7432 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7438 C Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 7443A, 7454B Jungmann SPD 7454 C Dr. Geißler CDU/CSU 7457 A Frau Wieczorek-Zeul SPD 7461 C Austermann CDU/CSU 7465 B Wüppesahl fraktionslos 7467 A Namentliche Abstimmung 7469 D Ergebnis 7471D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 11/3205, 11/3231 — Waltemathe SPD 7470 A Dr. Rose CDU/CSU 7473 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 7475 D Hoppe FDP 7477 D Wischnewski SPD 7479 C Dr. Stercken CDU/CSU 7481 C Verheugen SPD 7484 B Genscher, Bundesminister AA 7486 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 11/3207, 11/3231 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 11/3217, 11/3231 — Dr. de With SPD 7490 D von Schmude CDU/CSU 7493 B Häfner GRÜNE 7494 D Kleinert (Hannover) FDP 7496 C Diller SPD 7498 A Engelhard, Bundesminister BMJ 7499 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 11/3219, 11/3231 — Esters SPD 7501 B Borchert CDU/CSU 7503 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Frau Eid GRÜNE 7506 A Frau Folz-Steinacker FDP 7507 B Klein, Bundesminister BMZ 7508 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 11/3221, 11/3231 — Büchler (Hof) SPD 7511B Dr. Neuling CDU/CSU 7513 D Dr. Knabe GRÜNE 7516A Hoppe FDP 7517 B Hiller (Lübeck) SPD 7518 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 7519D Namentliche Abstimmung 7539 D Ergebnis 7540 A Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit — Drucksachen 11/3216, 11/3231 — Waltemathe SPD 7523 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 7525 C Frau Garbe GRÜNE 7529 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 7531A Schäfer (Offenburg) SPD 7532 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 7535C Namentliche Abstimmungen . . 7539B, 7539C Ergebnisse 7540B, C, D Nächste Sitzung 7540 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7541* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 7415 108. Sitzung Bonn, den 22. November 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 2 **) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 3 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr 22. 11. Dr. Bangemann 25. 11. von Bülow 23. 11. Dr. Dollinger 25. 11. Duve 24. 11. Dr. Ehrenberg 22. 11. Dr. Emmerlich 22. 11. Frau Fischer 24. 11. Francke (Hamburg) 24. 11. Dr. Haack 24. 11. Dr. Hauff 25. 11. Dr. Hornhues 22. 11. Graf Huyn 24. 11. Dr. Jenninger 25. 11. Frau Kelly 25. 11. Dr. Klejdzinski 24. 11. Dr. Köhler 24. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer 24. 11. Lutz 22. 11. Meyer 25. 11. Dr. Müller 25. 11. Frau Pack 25. 11. Pfuhl 24. 11. Dr. Pick 22. 11. Rappe 22. 11. Regenspurger 24. 11. Rühe 22. 11. Dr. Scheer 24. 11. Schmidt (München) 25. 11. Schröer (Mülheim) 22. 11. Spranger 24. 11. Todenhöfer 22. 11. Vosen 23. 11. Dr. von Wartenberg 24. 11. Weirich 22. 11. Weiß (München) 22. 11. Würtz 24. 11. Dr. Zimmermann 23. 11.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ist es Ihnen nicht selbst insgeheim peinlich, daß in Rheinland-Pfalz ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten zu einem Zeitpunkt vorgeschlagen worden ist, zu dem gegen ihn staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen eines schwerwiegenden Vorwurfs noch im Gange sind?

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Ich greife der Verfügung der Staatsanwaltschaft in keiner Weise vor; aber ich erkläre wahrheitsgemäß: Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß während eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts eines Delikts im Amt der betreffende Mann als Kandidat vorgeschlagen wird.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist Rechtsbewußtsein! )

    Hätte das nicht Zeit bis zum Abschluß des Verfahrens gehabt?
    Ich habe Sorge, daß die Hemmschwellen für den korrekten Umgang immer niedriger werden.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie selbst sind bei alldem entgegen dem äußeren Anschein — ich meine das in bezug auf Ihr Verhalten — dünnhäutig geworden. Das verrät insbesondere die Wortwahl, zu der Sie sich neuerdings verleiten lassen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Moralisch verkommen ist das!)

    Sie bezeichnen das Verhältnis zu den Gewerkschaften als Feindschaft. Einem Berufsverband, der nicht anders argumentiert und polemisiert als andere und weiß Gott milder polemisiert, als Sie das häufig tun, schreiben Sie, er handle infam.
    Meiner Partei, der Sie eben noch zu ihrem Jubiläum eine von uns dankbar entgegengenommene ehrende Würdigung gewidmet haben, werfen Sie in öffentlicher Rede vor, sie sei verkommen. Gerade mit diesem Ausdruck wäre ich an Ihrer Stelle als Vorsitzender einer Partei, die an nicht wenigen Stellen Schlimmes zu verantworten hat, überaus vorsichtig.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Wie sagten Sie doch, Herr Bundeskanzler, vor wenigen Tagen auf einem Parteitag in Aachen? Wörtliches Zitat:
    Wenn man das eigene Haus nicht in Ordnung hat, kann man das Land nicht regieren. Das ist eine ganz einfache Überlegung.
    Sehr wahr, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




    Dr. Vogel
    Aber welche Folgerung ziehen Sie denn aus dieser Feststellung? Das ist alles nicht gut. Worte, wie Sie sie verwenden, wählt nur, wer sich trotz aller nach außen zur Schau getragenen Zufriedenheit unsicher und in Bedrängnis fühlt. Diese Bedrängnis wird noch zunehmen, auch deshalb, weil nach dem Urteil eigener führender Mitglieder Ihrer Partei die Christlich-Demokratische Union konzeptionell erschöpft ist und ihre programmatische Kraft verloren hat.
    Frau Breuel, Wirtschaftsministerin in Niedersachsen, Ihre eigene Parteifreundin, sieht und beschreibt das in einem lesenswerten Text folgendermaßen:
    Bonn 1988 ist für mich ein schwankendes und suchendes Bonn. Es gibt Murren über die Zirkelwirtschaft des Kanzlers. Optimismus läßt sich nicht verordnen. Weil die Gesamtschau fehlt, wächst der Widerstand auch in den eigenen Reihen. Gefragt ist Überschaubarkeit, Schlüssigkeit, Solidität unserer Politik, die nicht Taktik, sondern Überzeugung ausstrahlen muß.
    Frau Breuel hat recht; genauso ist es.
    Ich füge hinzu: Das, was sie da schreibt, geht natürlich auch an die Adresse anderer Parteien. Es ist eine korrekte Beschreibung dessen, was Parteien zu leisten haben. Aber Sie sind in der Regierung, und es ist eine Stimme, die sich kritisch an Sie richtet.
    Wir lassen diese Kriterien auch für uns gelten. Wir arbeiten mit großer Anstrengung daran, ihnen gerecht zu werden.
    Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Partei haben ihren Vertrauenskredit im Bund und in den meisten Ländern nahezu aufgebraucht. Wir haben — das zeigen die Äußerungen bis in die letzten Tage hinein — neues Vertrauen gewonnen. Auch deshalb rückt der Tag näher, an dem die Rollen in diesem Hause neu verteilt werden. Bis dahin tun wir unsere Pflicht als stärkste Oppositionspartei.
    Ihren Haushalt, den Haushalt des Bundeskanzleramts, lehnen wir ab.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dregger.

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    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, zu Beginn der Debatte hatte ich die Hoffnung, daß wir eine harte, akzentuierte, aber faire Auseinandersetzung würden führen können. Als Sie dann zum Schluß Ihrer Rede auf Bundesländer eingingen, dabei Namen von Personen nannten, die hier nicht anwesend sind, die sich hier nicht äußern können — —

    (Zurufe von der SPD: Warum eigentlich nicht?)

    — Weil der Deutsche Bundestag nicht dazu da ist, die Probleme von Niedersachsen oder von RheinlandPfalz zu lösen.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD)

    Dafür sind die Parlamente von Bremen, von Hamburg,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von NordrheinWestfalen!)

    von Niedersachsen, von Nordrhein-Westfalen zuständig. Wenn Sie schon die Absicht haben, so etwas hier zur Sprache zu bringen, dann gehört es zumindest zur Fairneß, das vorher mitzuteilen,

    (Lachen bei der SPD)

    damit sich Betroffene darauf vorbereiten können.

    (Walther [SPD]: Wie naiv sind Sie eigentlich? — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Die vorbereitete Spontaneität!)

    Insgesamt war die Rede des Oppositionsführers eine Mischung von Dichtung und Wahrheit. Obwohl ich eine poetische Ader an ihm nie habe entdecken können, überwog ohne Zweifel die Dichtung. Aber die Rede enthielt auch einige Sätze, die richtig sind.

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Gott, wie gütig!)

    In der Tag, der Erdölpreisverfall ist unserer wirtschaftlichen Entwicklung entgegengekommen. Richtig!

    (Walther [SPD]: Das hat er gemerkt, Donnerwetter!)

    Auf der anderen Seite ist dadurch der Subventionsbedarf der deutschen Steinkohle gewachsen. Da wir darüber gerade verhandelt haben und verhandeln müssen, wäre es sehr angemessen gewesen, Herr Vogel — wenn Sie diesen Aspekt schon anschneiden — , die Konsequenzen für Kohlesubventionen nicht zu verschweigen. Das gilt um so mehr, als wir den Eindruck haben, daß die Revierländer im Augenblick nicht bereit sind, sich an der Lösung dieses großen Problems in angemessener Weise zu beteiligen,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Dummes Zeug!)

    das ja gerade für die Energiewirtschaft der NichtRevierländer tiefgreifende Folgen hat.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie wollen NRW kaputtmachen!)

    Herr Vogel, es gibt andere Herausforderungen als damals: den Dollarverfall und die Schuldenkrise der Dritten Welt. Daß sie gemeistert werden konnten, ist uns nicht in den Schoß gefallen. Dazu haben die Notenbanken und die Regierungen der großen Industrienationen beigetragen. Unsere Steuerentlastungspolitik z. B. hatte auch den Sinn, einen Beitrag zu leisten, nämlich zu verhindern, daß diese Entwicklungen in Protektionismus und anderen Gefahren enden würden. Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg und der Präsident der Bundesbank, Herr Pöhl, haben dazu ganz wesentliche Beiträge geleistet.
    Schlimm fand ich, Herr Vogel, daß Sie den Eindruck erwecken wollten, als ob wir soziale Gerechtigkeit als Neid diffamieren wollten.

    (Zuruf von der SPD: Das macht doch der Vorsitzende Ihrer Partei!)




    Dr. Dregger
    Soziale Gerechtigkeit gehört zu unseren Grundwerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Ich bin der Meinung, daß wir soziale Gerechtigkeit seit Ludwig Erhard in einer Weise verwirklichen, wie es Ihnen noch nicht gelungen ist, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    In den Jahren 1987 und 1988 sind die Reallöhne der Arbeitnehmer um mehr als 8 % gestiegen, und dieser Anstieg hält in dieser Zeit an.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die Schlangen vor den Sozialämtern sind viel länger geworden!)

    Während Ihrer Zeit sind die Reallöhne gesunken. Ich finde, daß Geldwertstabilität die größte soziale Errungenschaft ist. Wir haben sie geschaffen und wiederhergestellt und nicht Sie.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben auch nie den Beitrag der Gewerkschaften zu einer vernünftigen Politik herabgesetzt.

    (Zuruf von der SPD: Das ist neu! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Diese Gewerkschaften, Herr Vogel, haben langfristige Tarifverträge geschlossen. Warum konnten sie es tun? Sie konnten es tun, weil sie Vertrauen in unsere Politik der Geldwertstabilität haben konnten. Sonst wäre das ja wohl nicht möglich gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wer hat Ihnen denn den Blödsinn aufgeschrieben? — Weiterer Zuruf von der SPD: Reden Sie keinen Stuß!)

    Was die Würdigung der mittelständischen Wirtschaft angeht, brauchen Sie uns wohl keine Belehrungen zu erteilen.

    (Walther [SPD]: Was, was?)

    Meine Damen und Herren, wichtiger als Subventionen im Einzelfall ist sicherlich der Tarifverlauf, den wir durch die große Steuerreform eingeführt haben: den durchgehenden Tarif vom Eingangssteuersatz bis zum Spitzensteuersatz. Das war die beste mittelstandspolitische Maßnahme, die überhaupt möglich sein konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Walther [SPD]: Das ist aber dünner Beifall!)

    Herr Vogel, Sie haben sehr viele Details vorgetragen und kritisiert. Die Alternativen und die Zukunftsvorstellungen der SPD sind dabei allerdings nicht erkennbar geworden.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich glaube nicht, daß das ein rhetorischer Mangel war, sondern denke, daß Sie solche Zukunftsvorstellungen und Alternativen nicht besitzen.

    (Walther [SPD]: Welche haben Sie denn?)

    Das ist sehr bedauerlich, weil wir ja in der Tat vor großen Herausforderungen stehen. Ich will nur einige nennen.
    Das Ungleichgewicht der Generationen, die zu geringe Zahl an Neugeborenen, der damit drohende Verlust an Jugend, an Innovationskraft, an Zukunft —

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Alles verursacht durch Ihre Sozialpolitik!)

    Die Gefährdung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen im nationalen, vor allem im europäischen, ja im gesamteuropäischen Rahmen und in weltweiten Zusammenhängen.
    Schließlich die Vollendung des europäischen Binnenmarkts bis 1992 — eine geradezu revolutionäre Veränderung für Wirtschaft, Gesellschaft, für Unternehmen und Gewerkschaften, für die europäische Staatenwelt und für die beiden anderen großen Wirtschaftsräume in Nordamerika und Südostasien.
    All das verlangt von uns Reformbereitschaft, Wandlungsfähigkeit, Kreativität, eine große nationale und zum Teil auch internationale Kraftanstrengung.
    Zuwarten, Verharren im reinen Verbalismus, das können wir uns nicht leisten. Wer jetzt schläft, verschläft seine Zukunft. Wir müssen handeln, wir müssen die Weichen stellen. Wir müssen sie jetzt stellen, und das tun wir.
    Seit dem Regierungswechsel im Oktober 1982, in nur sechs Jahren, haben wir allein an inneren Reformen mehr auf den Weg gebracht als Sie, meine Damen und Herren der SPD, in 13 Jahren zuvor.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Die haben überhaupt nichts auf den Weg gebracht!)

    Sie haben von Reformen vor allem geredet, wir machen sie.
    Zehn Erfolgstatsachen möchte ich nennen, ehe ich mich drei großen Aufgaben zuwende, die wir noch in dieser Legislaturperiode meistern müssen.
    Erstens. Frieden und Freiheit sind nach innen und außen gesichert. Im Verteidigungsbündnis der NATO, unserer Wertegemeinschaft westlicher Demokratien, ist die Bundesrepublik Deutschland ein verläßlicher und hochangesehener Partner.
    In Europa erstreben wir über den Binnenmarkt hinaus eine Wirtschafts-, Währungs- und Sicherheitsunion, eine politische Union der freien Staaten Europas, die zunächst zum gleichgewichtigen Gesprächspartner der Weltmächte und später zur friedenserhaltenden Mitte zwischen den Weltmächten werden kann. Unter der deutschen Präsidentschaft sind die Weichen für den Binnenmarkt gestellt worden. Alle unsere europäischen Partner haben die Führungskraft Helmut Kohls, des deutschen Bundeskanzlers, bei der



    Dr. Dregger
    Verwirklichung dieser Aufgabe ausdrücklich anerkannt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Sowjetunion und den Staaten Ost-Mitteleuropas stehen wir in einem aktiven, friedenssichernden Dialog. Die Reise von Bundeskanzler Kohl nach Moskau hat den deutsch-sowjetischen Beziehungen eine neue Qualität gegeben. Das ist von allen Seiten anerkannt worden, auch von der Opposition in diesem Haus.
    Bei allen Unterschieden, die uns von der Sowjetunion trennen; eines haben unsere Völker gemeinsam: Sie haben den Krieg im eigenen Land erlebt, und sie haben dabei schreckliche Verluste erlitten,

    (Beifall des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    die größten Verluste an Gefallenen und Vermißten überhaupt, die Völker in diesen beiden Weltkriegen zugefügt worden sind. Diese Erfahrung hat unsere Völker geprägt und, wie ich glaube, auch ihre politische Führung. Angesichts des Furchtbaren, das hinter uns liegt, und angesichts der Gefahren, die es abzuwehren gilt, sollten Deutsche und Russen und die anderen Völker der Sowjetunion in der Lage sein, gemeinsam Friedenspolitik zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Zweitens. Wir schaffen Frieden mit weniger Waffen. Wir haben den INF-Vertrag zwischen den USA und der Sowjetunion unterstützt, obwohl er nicht alle unsere Wünsche erfüllt. Wir haben ihn unterstützt, weil wir hoffen, daß er nur ein erster Schritt eines Abrüstungsprozesses ist, der auch uns, das geteilte Land an der Militärgrenze, entlastet.
    Uns geht es vor allem um die Abrüstung auch der Kurzstreckensysteme auf vereinbarte niedrige Obergrenzen. Sie können den potentiellen Angreifer nicht abschrecken, weil sie nur das Land des potentiellen Opfers erreichen können. Als Teil eines nicht unterbrochenen Abschreckungsverbundes, der Nordamerika und Europa zu einer strategischen Einheit macht, bleiben sie allerdings vorerst unentbehrlich.
    Vor allem geht es uns um die Beseitigung der militärischen Übermacht der Sowjetunion im Bereich der Panzerarmeen. Diese Übermacht begründet die Invasionsfähigkeit uns gegenüber. Auch darüber haben wir in Moskau gesprochen.
    Wir hoffen, daß beide Bündnissysteme die gewonnene prinzipielle Übereinstimmung über die Notwendigkeit auch asymmetrischer Abrüstung in konkrete Vereinbarungen umsetzen können. Wir werden dazu auch in Zukunft — wie in der Vergangenheit — unseren Beitrag leisten.
    Drittens. In der Deutschlandpolitik haben wir im Hinblick auf den Reiseverkehr große Fortschritte erzielt: Über 5 Millionen Reisen aus der DDR konnten wir im vergangenen Jahr zählen. 1,2 Millionen davon waren Reisende unterhalb des Rentenalters. Diese Entwicklung setzt sich fort. Wir haben die Grenze aus Stein und Stacheldraht durchlässiger gemacht. Die geteilte Nation verliert sich nicht aus den Augen. Wir bleiben im Kontakt.
    Dabei verzichten wir nicht darauf, das Unrecht der Teilung und die Verletzung der Menschenrechte in den anderen Teilen Deutschlands beim Namen zu nennen. Wir verzichten erst recht nicht darauf, für die Einheit Deutschlands einzutreten. Der Bundeskanzler hat das in nicht zu übertreffender Klarheit in seiner Eingangsrede in Moskau getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Der Widerspruch von Gorbatschow hat uns weder überrascht noch verunsichert. Denn, meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon: Die Zeit arbeitet für uns, wenn wir standhaft bleiben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie arbeitet für uns, weil sie für die Freiheit arbeitet. Gorbatschow weiß, daß sich die Sowjetunion wandeln muß: zu mehr Freiheit hin, wenn auch nicht zu einer Freiheit in dem Ausmaße, wie wir sie kennen, daß sich die Sowjetunion wandeln muß zu mehr Freiheit hin, wenn sie wirtschaftlich nicht weiter verarmen, wenn sie ihren Menschen Hoffnung geben, wenn sie Weltmacht bleiben will. Wenn sich aber die Sowjetunion zu mehr Freiheit hin wandelt, dann werden auch die Honeckers und Ceauçescus diesen Wandel nicht stoppen können, auch wenn sie jetzt sowjetische Zeitschriften in ihren Ländern verbieten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn sich aber die kommunistische Welt zu mehr Freiheit hin wandelt, dann wird sie auch uns Deutschen das Freiheitsrecht auf nationale Einheit nicht vorenthalten können.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Deswegen, lieber Kollege Brandt und lieber Kollege Bahr, unterstützen wir nicht Ihre Vorstellungen von zwei Friedensverträgen mit zwei Deutschlands. Es gibt nur ein Deutschland, und es kann nur einen Friedensvertrag für Deutschland als Ganzes geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wissen, meine Damen und Herren, daß wir unser Ziel nicht in einem Schritt, sondern nur in einem Prozeß erreichen können, der die Interessen aller Beteiligten, auch die der Sowjetunion, berücksichtigt. Dafür gibt es Lösungen; wir arbeiten daran.
    Viertens: offene Herzen und Solidarität. Herr Vogel hat dieses Thema schon angeschnitten. Über 200 000 Deutsche aus Polen, Rumänien und der Sowjetunion werden 1988 zu uns in die Bundesrepublik Deutschland kommen. In Moskau hat der Bundeskanzler Deutsche empfangen, die in ihrer Heimat bleiben wollen, was wir begrüßen und was wir unterstützen. Er hat auch einige empfangen, die jetzt auf dem Wege zu uns sind. Von beiden waren wir sehr beeindruckt. Meine Damen und Herren, alle Bundesregierungen haben sich dafür seit langem eingesetzt. Wir nehmen die Deutschen, die zu uns kommen, herzlich auf und bieten ihnen bei uns eine beständige Heimat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Das verlangt von uns offene Herzen und Solidarität.
    Wir werben um diese Solidarität bei unseren Mitbür-



    Dr. Dregger
    gern. Sie haben ähnliches und Größeres bei der Aufnahme von Millionen von deutschen Heimatvertriebenen am Ende des Krieges schon einmal geleistet.
    Meine Damen und Herren, ich muß leider ein Wort zu Herrn Lafontaine sagen, dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten des Saarlandes. Ich fürchte, er wird in dieser Hinsicht als abschreckendes Beispiel in die Geschichte eingehen. Seine Einschätzung der Deutschen, die jetzt zu uns kommen, war herzlos. Sie übersieht die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland für die Deutschen eine ähnliche Funktion hat wie Israel für die Juden. Wie Israel die Heimat aller verfolgten und unterdrückten Juden ist, so ist die Bundesrepublik Deutschland die Heimat aller verfolgten

    (Schily [GRÜNE]: Herr Dregger, was reden Sie denn da! Das ist ja grausam, was Sie da erzählen!)

    und unterdrückten Deutschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sattheit und Wohlstand bei uns dürfen uns nicht verführen,

    (Schily [GRÜNE]: Ein Glück, daß Sie nicht Bundestagspräsident geworden sind!)

    rücksichtslos gegenüber den Deutschen zu sein, die unter Not und nationaler Unterdrückung zu leiden hatten. Auf diese Deutschen können wir im übrigen stolz sein. Sie haben durch Jahrhunderte hindurch — bei den Siebenbürger Sachsen waren es über 800 Jahre — ihre deutsche Sprache und Kultur bewahrt. Sie haben Einzigartiges für ihre Heimatgebiete und Gastländer geleistet. Sie waren in all diesen Jahrhunderten eine wertvolle Brücke zwischen diesen und uns.

    (Schily [GRÜNE]: Da können einem die Haare zu Berge stehen!)

    Herr Kollege Vogel, Sie haben die Äußerungen von Herrn Lafontaine korrigiert. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich bin wie Sie der Meinung, daß Bund, Länder und Gemeinden mit den Bürgern diese Aufgabe zu erfüllen haben. Der Bund hat für den Wohnungsbau 750 Millionen DM zur Verfügung gestellt,

    (Zurufe von der SPD: Zuwenig!)

    mit dem Bemerken, daß wir weitere Mittel zur Verfügung stellen werden, wenn die Lage es erfordert.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wann? — Jetzt schon!)

    Fünfte Erfolgstatsache: Europa hat wieder an Dynamik gewonnen. Brüssel im Februar, Hannover im Juni 1988 — unter deutscher Präsidentschaft, d. h. unter der Präsidentschaft von Helmut Kohl, ist der Durchbruch gelungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Die Europäische Gemeinschaft wird 1992 zum größten Binnenmarkt der Erde, mit 320 Millionen Einwohnern, mit neuen Wachstums- und Beschäftigungschancen, mit guten wirtschaftlichen und politischen Perspektiven. Wir müssen sie nutzen. Und das heißt auch hier wieder: Wir müssen handeln.
    Sechstens. Seit sechs Jahren, d. h. seit der Regierungsübernahme von Helmut Kohl, haben wir wieder eine florierende Wirtschaft.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das reale Wachstum erreichte im ersten Halbjahr 1988 mit fast 4 % ein stolzes Ergebnis. Seit 1982 summiert sich dieses Plus auf rund 12 % real. Und die Preise sind stabil.
    Die solide und erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik kommt allen Bürgern zugute, den Arbeitnehmern ebenso wie den Unternehmern, den Rentnern ebenso wie den Sparern. Allein in den beiden Jahren 1986 und 1987 stieg das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte um real 8,5 %.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Im ersten Halbjahr dieses Jahres hielt der Anstieg mit real 4 % an.
    Seit 1983 — auf dieses Thema sind Sie eingegangen, Herr Vogel, Sie haben das aber nicht gesagt —, seit dem Tiefpunkt, sind weit über 850 000, fast 900 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden, nicht neue — neue waren es viel mehr — sondern zusätzliche Arbeitsplätze, über die alte Zahl hinaus, davon ein großer Teil in Zukunftsindustrien.
    Die Kurzarbeit ist drastisch zurückgegangen, die Jugendarbeitslosigkeit erheblich gesunken.

    (Zuruf von der SPD: Nicht wahr!)

    Nahezu alle Jugendlichen finden wieder eine Lehrstelle.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Was ist mit denen, die in den letzten Jahren keine gefunden haben?)

    Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte im September 1988 mit über 26,4 Millionen einen neuen Höchststand. Aller Voraussicht nach werden wir im nächsten Jahr die Arbeitsplatzverluste ausgeglichen haben, die Anfang der 80er Jahre unter der Regierungsverantwortung der SPD entstanden waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist dann gewiß ein großer Erfolg, mit dem wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir müssen die Zahl der Arbeitsplätze weiter vermehren, da die Nachfrage in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist: mehr junge Menschen, mehr Frauen, mehr Ausländer und jetzt die Deutschen, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen. Wir arbeiten daher mit Nachdruck daran, die Zahl der Arbeitsplätze über die von uns zusätzlich geschaffenen fast 900 000 hinaus zu vermehren. Das geht nicht wie in einer Planwirtschaft mit staatlichen Maßnahmen. Und auch Planwirtschaften haben dabei ja keine Erfolge, sondern allenfalls Scheinerfolge.

    (Jungmann [SPD]: Was soll das?)

    Mehr Arbeitsplätze, das heißt mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das aber heißt mehr Qualifizierung, mehr Ausbildung in Berufen, die nachgefragt werden, mehr Forschung und Entwicklung,

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)




    Dr. Dregger
    engere Zusammenarbeit von Universitäten und Wirtschaft, wie es z. B. in der neuen Universität in Ulm in vorbildlicher Weise geschieht.

    (Jungmann [SPD]: Da waren Sie gerade?)

    Ausbildung, Qualifizierung, Forschung und Entwicklung, das sind die guten Karten, die wir haben und die wir einsetzen müssen.
    Siebter Punkt: Solidarität mit unseren Bauern. Unsere Bauern haben unter der Überproduktion zu leiden, die alle fortschrittlichen Agrarnationen heimsucht. Die Bauern sind für uns nicht nur Agrarproduzenten, sondern auch Landschaftspfleger und mittelständischer Kern der ländlichen Räume.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb lassen wir sie nicht im Stich.

    Nicht von allen EG-Ländern unterstützt, teilweise im Gegenteil behindert, kämpfen wir für auskömmliche Preise durch Produktionsbegrenzung, durch Anpassung der Produktion an den Bedarf. Flächenstilllegung, Produktionsaufgaberente, Extensivierung der Produktion, d. h. weniger Dünger, Quotenregelung bei der Milchproduktion, all das sind deutsche Ideen und Erfolge in der EG. Das Strukturgesetz in dessen Mitte die flächenmäßige Verteilung von über 1,1 Milliarden DM und die Einführung der Förderobergrenze gegenüber Agrarfabriken stehen, ist ein weiterer Schritt.
    Der Agraretat liegt heute 60 % über dem Stand vor der Regierungsübernahme. Er hat sich damit völlig anders entwickelt als die anderen Haushalte, deren Ausweitung zum Zwecke der Konsolidierung stark begrenzt wurde.
    Achtens. Familien haben bei uns wieder Zukunft. Mit einer Reihe von Maßnahmen — beispielsweise Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, steuerlicher Familienlastenausgleich und Baukindergeld — wird die wirtschaftliche Situation der Familien spürbar erleichtert. Nach dem jetzigen Stand betragen die familienpolitischen Entlastungen, für die sich vor allem die CDU und die CSU eingesetzt haben, im Zeitraum 1985 bis 1990 rund 16,6 Milliarden DM jährlich. Leistungen für Kinder sind die wichtigste und die beste Zukunftsinvestition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wichtiger als alle materiellen Dinge, kostbarer als alles andere sind die Menschen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Hört sich auch gut an! — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Wirtschaftsinteressen!)

    Neuntens: für gesunde Umwelt. Während die SPD über Umweltschutz über ein Jahrzehnt vor allem redete, haben CDU und CSU zusammen mit der FDP im Interesse unserer natürlichen Lebensgrundlagen gehandelt: Einführung des Katalysatorautos,

    (Zuruf von der SPD: Siehe Wald!)

    strenge Gesetze für die Luftreinhaltung, für Boden- und Gewässerschutz, Reaktorsicherheit — und nun als große Aufgabe: Schutz der Ozonschicht.
    Einige Ergebnisse unserer erfolgreichen Umweltpolitik: jährlich 2 000 Tonnen weniger Bleiemissionen, Verminderung des Schwefeldioxidausstoßes bis 1995 auf ein Drittel des Standes von 1982, 15 000 Tonnen weniger Phosphor in Wasch- und Reinigungsmitteln in den beiden letzten Jahren.
    Viel bleibt zu tun, insbesondere an der europäischen Front. Wir sind die Vorreiter des Umweltschutzes in Europa.

    (Kolbow [SPD]: Die Herrenreiter seit ihr!)

    Im Rahmen der EG werden wir weiterhin nichts unterlassen, was möglich ist, um unsere Partner für weitere Umweltinitiativen zu gewinnen, wenn möglich, auch unsere osteuropäischen Partner; denn der Wind weht, wohin er will.
    Was uns der Umweltschutz bedeutet, zeigt aber auch seine ressortmäßige Verselbständigung. Wie die CSU den ersten Landesminister für Umwelt — es war der heutige bayerische Ministerpräsident Max Streibl — stellte, so hat die Union auch den ersten Bundesminister für Umweltschutz gestellt; es ist der heutige hessische Ministerpräsident Walter Wallmann.
    Zehntens. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt heute wieder einen Spitzenplatz unter den großen Industrienationen der Welt ein. Wir sind zur Zeit die Exportnation Nummer eins mit einer breiten Angebotspalette von Maschinen und Anlagen, Autos und Elektronik, Technik und Konsumgütern. Unsere außenwirtschaftliche Leistungsbilanz ist positiv. Für Forschung und Entwicklung werden 1988 rund 60 Milliarden DM von Staat und Wirtschaft ausgegeben, ein Rekordergebnis für unsere Zukunftssicherung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Ein Rekordergebnis von Sozialhilfeempfängern!)

    Die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmendaten für diese Erfolge unserer Bundesrepublik Deutschland haben wir gesetzt, und zwar insbesondere durch die große Steuerreform, die wir in drei Stufen 1986, 1988 und 1990 verwirklichen. Die Steuerreform ist ein großes, kühnes und sozial ausgewogenes Werk.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wir entlasten vor allem die kleinen und mittleren Steuerzahler um netto über 40 Milliarden DM jährlich. Dabei sind die geringfügigen Verbrauchsteuererhöhungen abgezogen, die wir, wie angekündigt, beschlossen haben.
    Die Opposition hat diese Steuerentlastung, die vor allem den kleinen und mittleren Steuerzahlern zugute kommt, erbittert bekämpft.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Mit Recht!)

    Inzwischen hat sie ihre eigenen Pläne zurückgenommen.
    Alle Voraussagen der Opposition haben sich als falsch erwiesen, auch im Hinblick auf die Finanzen der Gemeinden, die ja angeblich vor dem Ruin standen. Die Steuereinnahmen der Gemeinden sind trotz der Steuerentlastung nicht zurückgegangen. Sie haben sich in diesem Jahr weiter erhöht, im ersten Halbjahr 1988 um 8,9 %, bei der Gewerbesteuer sogar um mehr als 11 %. Das Haushaltsdefizit der Gemeinden



    Dr. Dregger
    wird in diesem Jahre etwa 2 Milliarden DM betragen. 1981 lag es ohne Steuerentlastung der Bürger bei 10 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, Sie haben sich auf allen Feldern so geirrt, daß Sie wirklich nachdenklicher werden sollten.
    Drei große Aufgaben stehen in den nächsten Monaten vor uns: Am Freitag wollen wir die Gesundheitsstrukturreform verabschieden. Es geht um die Sicherung unseres freien Gesundheitswesens. Seit 1960 sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung von 9 Milliarden DM auf 125 Milliarden DM gestiegen; sie haben sich vervierzehnfacht. Die Belastungen mußten von den Beitragszahlern und der Wirtschaft je zur Hälfte getragen werden. Der Durchschnittsbeitrag zur Krankenkasse ist von 1970 bis heute von 74 DM auf 360 DM pro Monat gestiegen. Diese Kostenexplosion zu Lasten der Beitragszahler und der Wirtschaft muß gebremst werden, wenn wir unser freiheitliches und leistungsfähiges Gesundheitswesen erhalten wollen. Das wollen wir. Deshalb haben wir den Mut und die Kraft zur Reform.
    Unser Strukturgesetz verfolgt vier zentrale Ziele:
    Erstes Ziel: Die Leistungen der Solidargemeinschaft „Krankenversicherung" sollen überall dort, wo es geht, durch Festbeträge auf das medizinisch Notwendige konzentriert werden. Das medizinisch Notwendige soll zu 100 % erstattet werden. Wer anderes oder mehr will, muß das selbst finanzieren.
    Zweites Ziel: Durch den Abbau der vorhandenen Überversorgung wird der Spielraum für neue Aufgaben gewonnen. Es soll mehr für die Vorsorge und die Bekämpfung der großen Volkskrankheiten getan werden. Insbesondere soll denen geholfen werden, die zu Hause aufopferungsvolle Pflegearbeit leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Hilfe zur Pflege der Angehörigen zu Hause: Das ist wichtiger, sozialer und notwendiger als die Erstattung jeder Ausgabe für Zwecke, die über das medizinisch Notwendige hinausgehen.
    Drittes Ziel: Die Beiträge sollen auf niedrigerem Niveau langfristig stabilisiert werden, damit die Beitragszahler — Versicherte und Unternehmen — nicht überfordert werden, denn steigende Sozialbeiträge und zu hohe Steuern behindern die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
    Viertes Ziel: Solidarität und Eigenverantwortung sollen stärker miteinander verbunden werden. Nach hundert Jahren punktueller gesetzgeberischer Eingriffe in die Krankenversicherung wird das neue Recht der Krankenversicherung jetzt im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches zusammengefaßt. Es soll am 1. Januar 1989 in Kraft treten. Meinen herzlichen Glückwunsch allen Kolleginnen und Kollegen, die sich dieser Aufgabe gewidmet haben, insbesondere Norbert Blüm, dem zuständigen Ressortminister.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Rentenreform für Sicherheit im Alter,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Oh Gott!) das ist eine der großen und schwierigen Reformaufgaben, schwierig vor allem deshalb, weil das Verhältnis zwischen künftigen Beitragszahlern und künftigen Rentnern aufs schwerste gestört ist.


    (Frau Unruh [GRÜNE]: Reformieren Sie es doch!)

    Inzwischen hat der Bundesarbeitsminister den Reformentwurf vorgelegt.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Der nichts taugt!)

    Durch die von uns vorgesehenen Maßnahmen wird das gegenwärtige System ohne gravierende Mehrbelastungen für Beitragszahler und Wirtschaft und ohne unzumutbare Eingriffe für die Rentner bis weit über die Jahrhundertwende hinaus gesichert.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nehmen Sie die Beamten mit rein!)

    Das von uns reformierte System ist auch in der Lage, sich künftigen Veränderungen und Belastungen anzupassen. Der Staat wird in fairer Weise in die Mitverantwortung genommen. Seine Leistungen an die Rentenversicherung sollen sich nicht mehr allein an dem Anstieg der Bruttoverdienste ausrichten, sondern zusätzlich an der Veränderung des Beitragssatzes.
    Für uns Christliche Demokraten und Christlich-Soziale ist ein Reformschritt der wichtigste: Für nach 1986 geborene Kinder soll ein zweites und drittes Kindererziehungsjahr rentenbegründend und rentensteigernd anerkannt werden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: In 30 bis 40 Jahren!)

    Alle Kindererziehungsjahre sollen künftig aus der Rentenversicherung finanziert werden. Meine Damen und Herren, nicht unsere heutigen Beiträge, sondern die künftigen Beiträge der künftigen Beitragszahler, also der heutigen Kinder, sichern unsere künftigen Renten. Wer Kinder zur Welt bringt und sie erzieht, leistet den entscheidenden Beitrag zur Rentenversicherung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FPD — Frau Unruh [GRÜNE]: Wer bezahlt denn Ihre Pension? — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das gilt nur für die, die einen Arbeitsplatz finden, Herr Kollege!)

    Deshalb ist es notwendig, die Kinderkosten neben den Beitragskosten als Grundlage der Rentenleistungen anzuerkennen.
    Wir haben das erste Kindererziehungsjahr durchgesetzt, wir setzen jetzt das zweite und dritte durch. Unser Ziel ist es, Frauen, die Mütterarbeit leisten, den Frauen gleichzustellen, die Erwerbsarbeit leisten. Ich danke der FDP, daß sie diese unsere Anliegen aufgenommen hat. Wir suchen den Konsens auch mit der Opposition.

    (Zuruf von der SPD: Wird schwierig!)

    Es wäre schön, wenn wir uns in dieser wichtigen Zukunftsfrage der deutschen Nation in einer gemeinsamen Lösung finden könnten.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr schwierig, Herr Kollege!)




    Dr. Dregger
    Zur Postreform: Wir sind stolz auf die Bundespost. Damit wir es bleiben können, müssen wir sie den Herausforderungen der Zukunft anpassen. Die Bundespost ist das größte öffentliche Unternehmen Europas. Sie erbringt die unterschiedlichsten Leistungen, von der Briefbeförderung bis zur Informations- und Kommunikationstechnik. Wir wollen diese Bundespost in leistungsfähige staatliche Unternehmen mit eigenen Vorständen aufgliedern, damit sie fähig bleibt, kundennah der Entwicklung entsprechend zu handeln. Wir wollen vor allem dafür sorgen, daß die Deutsche Bundespost und die deutsche Wirtschaft insgesamt in der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik nicht zurückfallen, sondern sich im internationalen Wettbewerb behaupten.
    Wir haben unsere Reform durch eine Regierungskommission, in der auch die Opposition vertreten war, vorbereiten lassen, in der aller Sachverstand zur Sprache kam. Der Postminister hat seine Vorstellungen mit allen Beteiligten — das sind sehr viele — erörtert und abgestimmt. Das bedeutet nicht, daß wir diese Reform als einzige im allgemeinen Einvernehmen verabschieden können. Aber wir sind zum Handeln verpflichtet, und wir werden handeln, auch in dieser dritten großen Reformaufgabe, die in dieser Legislaturperiode noch vor uns steht.
    Meine Damen und Herren, in meiner Erwiderung auf den Oppositionsführer habe ich zehn Erfolgstatsachen unserer Bilanz und drei der Zukunftsaufgaben, die wir in dieser Legislaturperiode noch lösen werden, vorgetragen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das werden wir in der nächsten Legislaturperiode ändern!)

    Wer diese Bilanz unvoreingenommen prüft, wird sie unabhängig davon, wie er die eine oder andere politische Frage beurteilen mag, eindrucksvoll finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesrepublik Deutschland ist heute das europäische Erfolgsland schlechthin. Unsere Partner in Europa und in der Welt sehen in uns in vielen Bereichen die Nummer eins. Diese Einschätzung kann unsere Mitbürger und auch uns mit Genugtuung erfüllen. Wir wollen das in unseren Kräften Stehende tun und wollen alle, die bereit sind, daran mitzuwirken, beteiligen, damit es so bleibt.
    Im Namen der CDU/CSU-Fraktion bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen von der FDP für die gute Zusammenarbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Helmut Kohl, dem Bundeskanzler, und seinen Ministern spreche ich Dank und Anerkennung für die herausragenden Leistungen aus, die sie in den letzten sechs Jahren für das Wohl unseres Volkes erbracht haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)