Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hämmerle, wir werden sicherlich noch einmal Gelegenheit haben, uns sachlich und intensiver mit dem Thema Aussiedler zu beschäftigen. Es würde uns allen aber leichter fallen, wenn Sie Ihre Redezeit um zehn Sekunden überzogen hätten und dabei gesagt hätten: Deswegen bedauern wir das, was der Ministerpräsident des Saarlandes gesagt hat.
Herr Ministerpräsident, ich bedaure, daß Sie nicht die Kraft und Stärke gezeigt haben, hier die Souveränität an den Tag zu legen, klarzustellen und zu bedauern, was Sie losgetreten haben.
Aussiedler, Asylanten und Ausländer in einen Topf zu schmeißen oder in einen Vergleich zu bringen ist für alle so schädlich, daß wir alle das nur mit Nachdruck und Entschiedenheit zurückweisen können. Es ist falsch und es ist unzutreffend; es ist verleumderisch zu Lasten der Ausländer; es ist beleidigend für diejenigen, die berechtigten Anspruch auf Asyl haben; es ist belastend für die Aussiedler und beschämend für den, der diesen Vergleich gebraucht, wo auch immer er steht.
Aussiedlerpolitik kann man wirklich nur machen, wenn man sich mit den Menschen, um die es geht, einmal befaßt hat.
Wer je mit Aussiedlern gesprochen hat, kann den Begriff „Deutschtümelei" nicht mehr in den Mund nehmen.
Wer weiß, was es bedeutet, die kulturelle, sprachliche und traditionelle Identität 40 Jahre lang nicht ausüben oder nicht uneingeschränkt ausüben zu können, der weiß auch, was es bedeutet, wenn diese Leute zu uns kommen wollen. Und wenn sie kommen wollen, dann haben sie einen Anspruch darauf.
Wir werden uns mit dem, was Frau Olms gesagt hat, noch einmal beschäftigen müssen. Sie hat hier als Abgeordnete gesagt, daß sie das Grundgesetz an dieser Stelle in Frage stellt. Das ist eine Grundsatzfrage; sie geht über die Thematik, die wir hier angesprochen haben, hinaus, wie vieles, was zu dieser Diskussion gesagt worden ist — vom Oberbürgermeister Schmalstieg bis zum Oberbürgermeister Rommel —, von dem weggeht, was sachlich vertretbar und politisch geboten ist.
Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, klarzustellen, daß Aussiedlerpolitik gleichberechtigt zwei Zielen dienen muß: Einerseits muß sie den deutschen Mitbürgern, die ihr bisheriges Heimatland verlassen und die die Bundesrepublik Deutschland als Heimat wählen, einen Anspruch zu gewähren, und dieser Anspruch muß sich auch real erfüllen lassen, damit ihre Entscheidung respektiert wird. Dazu müssen wir sie wirklich schnell und umfassend in unsere Gesellschaft integrieren. Da sind Kommunen gleichermaßen wie Bund und Land gefordert mitzuwirken.
Andererseits: Wir müssen auch die Politik der Bundesregierung unterstützen, in den Aussiedlerländern den Minderheitenschutz für nationale Minderheiten zu verstärken, um so den deutschen Bürgern, die in ihrer angestammten Heimat bleiben wollen, die Möglichkeit zum Bleiben zu geben und um keinen Druck auf Aussiedlung entstehen zu lassen. Wir werben keinen Aussiedler in die Bundesrepublik, aber wir respektieren und akzeptieren die Entscheidung jedes einzelnen Menschen, hierherzukommen, wenn er meint, hier bei uns leben zu wollen.
Lassen Sie mich noch eins für diejenigen sagen, die meinen, Asyl und Aussiedler in einen Topf oder in einen Vergleich bringen zu können: Die Bundesrepublik Deutschland hat in 20 Monaten mehr Aussiedler als in 40 Jahren Asylbewerber aufgenommen. Mit beidem müssen wir fertig werden. Das humanitäre Recht auf Asyl steht jedem Bürger zu, aber das Recht, zu uns zu kommen, steht jedem Deutschen zu, ob er in Aussiedlergebieten gelebt hat oder bei uns. Die Freizügigkeit und das Grundgesetz lassen wir nicht antasten. Wir wollen es bewahren und stärken.