Rede von
Dr.
Reinhard
Göhner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Man kann über die Frage einer Nuklearerklärung im Rahmen der Ratifizierung dieser Zusatzprotokolle sicher unterschiedlicher Meinung sein. Aber dem Petitionsausschuß vorzuwerfen, er täusche die Öffentlichkeit, das weise ich hier als unerhört zurück.
Herr Kollege Peter, das Votum, das der Petitionsausschuß zur Beschlußfassung vorgeschlagen hat, ist in dieser Frage völlig eindeutig. Es sagt: Wir überweisen die Petition zur Berücksichtigung im Hinblick auf die Ratifizierung der Zusatzprotokolle. Soweit ein Verzicht auf die Abgabe einer Nuklearerklärung gefordert wird, schlägt der Petitionsausschuß vor, diese Petition für erledigt zu erklären, also diesen Teil klar abzulehnen. Daran ist keine Täuschung, da haben wir gegensätzliche Auffassungen. Wir vertreten hier die Auffassung, die alle früheren Bundesregierungen vertreten haben und die seit 1980 auf Beschluß des Bundessicherheitsrates unter Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Schmidt vereinbart wurde.
Der Beschluß des Petitionsausschusses enthält in der Begründung allerdings — Herr Staatsminister Schäfer ist darauf eingegangen — einen neuen Akzent, einen neuen Vorschlag, von dem Sie, Herr Staatsminister, gesagt haben, die Bundesregierung wolle das prüfen. Lassen Sie mich in aller Offenheit sagen, daß mir das etwas wenig ist. Denn die Auffassung des Petitionsausschusses zu diesem Punkt ist seit geraumer Zeit bekannt. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten hier klar erklären können, ob Sie dem mehrheitlichen Votum des Petitionsausschusses in diesem Punkte folgen möchten oder nicht.
Ich finde, daß der Vorschlag des Petitionsausschusses vernünftig ist: Ratifizierung hier einleiten, Ratifizierungsurkunde aber erst hinterlegen, wenn auch eine Nuklearmacht die Ratifizierung vollzogen hat.
Der Standpunkt, daß wir hier nicht vorangehen wollen, hat seine Begründung eigentlich in der Entstehungsgeschichte dieser Zusatzprotokolle ; das wird von den Oppositionsfraktionen schlicht und einfach übersehen oder negiert. Zur Entstehungsgeschichte gehörte nämlich ausdrücklich, daß die Geltung dieser Zusatzprotokolle auf den Bereich konventioneller Waffen beschränkt sein sollte. Sonst wären diese Verhandlungen seinerzeit gar nicht zustandegekommen. Das Internationale Rote Kreuz hat das damals natürlich in Kenntnis der NATO-Strategie, in Kenntnis auch der Strategie des Warschauer Paktes auf konventionelle Waffen beschränkt.
Niemand sollte uns unterstellen, daß wir mit dieser
von uns erstrebten Ratifizierung der Zusatzprotokolle
sozusagen einen konventionellen Krieg in Europa für
wahrscheinlich halten oder damit rechnen. Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß es während der 40jährigen Friedenszeit in Westeuropa über 100 blutige konventionelle Kriege gegeben hat. Gerade deshalb ist die Ratifizierung dieses zusätzlichen Stücks humanitären Kriegsvölkerrechts dringend erforderlich.
Mir persönlich leuchtet eigentlich die Haltung der Bundesregierung in diesem Punkte nicht vollständig ein.
Wenn wir sagen: Nach der Entstehungsgeschichte ist klargestellt, daß es nur für den konventionellen Bereich gelten kann, dann müßte durch die Abgabe einer zusätzlichen Nuklearerklärung, wie vorgesehen, auch klargestellt werden, daß die Bundesregierung das in diesem Sinne versteht. Daß die WarschauerPakt-Staaten dieses noch nicht unterzeichnet haben, kann nun für uns kein Hinderungsgrund sein. Im Gegenteil: Die Warschauer-Pakt-Staaten — Sowjetunion — waren an Kriegen beteiligt — Stichwort: Afghanistan — , wodurch sie bereits zutiefst gegen diese Zusatzprotokolle verstoßen haben. Insofern wäre die Ratifizierung dieser Zusatzprotokolle durch den Warschauer Pakt geradezu das Gegenteil ihrer Handlungen während der letzten Jahre.
Kollege Peter, den Vorwurf, die Öffentlichkeit würde getäuscht, möchte ich mindestens mit einer Frage zu Ihrem Antrag zurückgeben. Sie schreiben in der Begründung Ihres Antrages nämlich etwas anderes als das, was Sie hier vorgetragen haben. Sie sagen am Schluß, daß die Nuklearstrategie des westlichen Bündnisses nicht im Vordergrund stehen dürfe. Was Sie hier aber vorgetragen haben, ist die vollständige Ablehnung dieser Nuklearstrategie. Deshalb kann ich nur an Sie appellieren, Ihren Standpunkt hier zu klären. Wenn man Ihren Standpunkt zugrunde legt, nämlich daß die Nuklearstrategie nicht nur nicht im Vordergrund steht, sondern vollständig abzulehnen ist, ist das natürlich das Gegenteil der Politik von Helmut Schmidt und damit auch das Gegenteil des Beschlusses des Bundessicherheitsrates von 1980. Ich denke, daß dies auch die große Streitfrage in der Auseinandersetzung um nukleare Abrüstung war, um den Weg einer schrittweisen Abrüstung, der auf beiden Seiten eingeschlagen worden ist. Ich würde es für eine konsequente Ergänzung unserer Abrüstungspolitik halten, wenn wir die Ratifizierung unserer Zusatzprotokolle des Internationalen Roten Kreuzes einleiten würden.
Vielen Dank.