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    Plenarprotokoll 11/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksache 11/1389) Müntefering SPD ......................4627 B Dr. -Ing. Kansy CDU/CSU................4629 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE..........4633 A Grünbeck FDP..........................4634 D Jahn (Marburg) SPD....................4636 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau.. 4638 D Conradi SPD ..........................4641B Schulhoff CDU/CSU ....................4643 C Mischnick FDP (Erklärung nach § 30 GO) 4645 C Conradi SPD (Erklärung nach § 30 GO). 4645 D Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 8: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Drucksachen 11/1611, 11/1951).............4646 A Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, Frau Olms und der Fraktion DIE GRÜNEN: Übernahme des Berliner Document Centers für NS-Akten durch die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/1926) Frau Olms GRÜNE......................4646 B Neumann (Bremen) CDU/CSU ..........4648 A Frau Hämmerle SPD....................4650 A Lüder FDP ............................4651C Dr. Waffenschmidt, Pari. Staatssekretär BMI ................. 4652 C Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Teubner, Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen zur Einpassung der Einzelhandelsnutzung in das übergeordnete Gesamtsystem der städtischen Entwicklung (Drucksache 11/1645) Frau Teubner GRÜNE ..................4654 A Oswald CDU/CSU......................4655 D Scherrer SPD ..........................4657 C Grünbeck FDP..........................4659 B Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi... 4660 C Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Bachmaier, Klein (Dieburg), Dr. Pick, Schmidt (München), Schütz, Singer, Stiegler, Wiefelspütz, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (§140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) (Drucksachen 11/816, 11/1933)II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Zwangsverteidiger für Blinde (Drucksachen 11/624, 11/1933) Singer SPD .............. 4662 C Eylmann CDU/CSU .......... 4663 C Frau Nickels GRÜNE.......... 4663 D Kleinert (Hannover) FDP ................4664 C Engelhard, Bundesminister BMJ..........4665 A Nächste Sitzung........................4665 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten.. 4666* ADeutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 4627 68. Sitzung Bonn, den 10. März 1988 Beginn: 17. 30 Uhr
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    4666* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 11. 3. Andres 10. 3. Antretter * 10. 3. Bahr 11. 3. Becker (Nienberge) 11. 3. Dr. Blank 10. 3. Böhm (Melsungen) * * 10. 3. Frau Brahmst-Rock 11. 3. Buschhom 11. 3. Buschfort 11. 3. Dr. Dregger 10. 3. Frau Fuchs (Köln) 11. 3. Dr. Glotz 11. 3. Dr. Hauff 11. 3. Dr. Haussmann 11. 3. Frau Hensel 11. 3. Ibrügger 11. 3. Frau Karwatzki 10. 3. Frau Kelly 11. 3. Kiechle 11. 3. Klein (Dieburg) 11. 3. Klein (München) 11. 3. Koschnick * * * 11. 3. Lenzer * * 10. 3. Lintner 11. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 10. 3. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Meyer 11. 3. Möllemann 10. 3. Müller (Schweinfurt) 11. 3. Oostergetelo 11. 3. Reddemann * 10. 3. Reimann 11. 3. Repnik 11. 3. Sauer (Salzgitter) * * * 11. 3. Seehofer 11. 3. Frau Schilling 11. 3. Schmidt (München) * * 10. 3. von Schmude 11. 3. Schreiber * * * 11. 3. Frau Simonis 11. 3. Dr. Spöri 11. 3. Frau Trenz 11. 3. Dr. Voss 10. 3. Dr. Waigel 11. 3. Wieczorek (Duisburg) 11. 3. Wilz 11. 3. Wischnewski 11. 3. Dr. de With 11. 3. Frau Wollny 11. 3. Dr. Zimmermann 11. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eduard Oswald


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überlegung, mit gesetzlichen und anderen staatlichen Maßnahmen


    Oswald

    die Existenz und die Rentabilität kleiner Dienstleistungsbetriebe und Einzelhandelsläden insbesondere im ländlichen Raum zu sichern, ist nicht neu, Dahinter steht die Hoffnung, auf diese Weise die wohnungsnahe Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Dieser Gedanke mag ohne Zweifel vordergründig bestechen. Bei näherer Betrachtung begegnet ein solches Vorhaben aber einer ganzen Reihe von Fragezeichen, die man bei einer solchen Diskussion nicht außer acht lassen darf.

    Sicher ist es ein ganz wichtiges Anliegen, in Stadt und Land, gut strukturierte Einkaufsmöglichkeiten mit einem vielfältigen Warenangebot zu erhalten und eine möglichst verbrauchernahe Versorgung zu sichern.

    Aber das Einkaufsverhalten der Verbraucher

    — das kann man einfach nicht wegwischen — hat sich geändert. Die Bürger in unserem Lande sind mobiler geworden und nutzen diese Mobilität gerne, um Einkaufsgelegenheiten mit einem breitgefächerten preiswerten Angebot von Waren aufzusuchen. Für die kleinen örtlichen Geschäfte bleibt oft nur die Deckung des Restbedarfs.

    Wir können das Einkaufsverhalten der Verbraucher auch auf dem Lande nicht kanalisieren. Wir können die Kaufleute nicht verpflichten, unrentable Läden offenzuhalten. Es kommt auf verbrauchergerechte Lösungen im Rahmen unserer sozialen Marktwirtschaft an und nicht auf ein Ansteuern gegen die Marktkräfte. Aus der Tatsache, daß „der tiefgreifende Strukturwandel im Einzelhandel auch heute noch nicht zu Ende gekommen ist" — diese Formulierung steht so in Ihrem Antrag —, ergibt sich weder eine politische Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung, um so schwerwiegend — ich zitiere aus Ihrem Antrag — mit

    differenzierten Instrumenten steuernd in diesen Entwicklungsprozeß mit seinen vielfältigen gesellschaftlichen Implikationen einzugreifen.

    — So Ihr Zitat.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Strukturwandel muß und wird in der Marktwirtschaft ständig stattfinden. Strukturkonservierende Maßnahmen schlagen letztlich auf die Erzeuger und die Verbraucher gleichermaßen negativ zurück. Bester Steuerungsmechanismus ist und bleibt der Wettbewerb im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft.

    Die Koalition hat zur Sicherung des Wettbewerbs und der Wettbewerbsfähigkeit auch der kleinen und mittleren Betriebe eine Überprüfung der kartellrechtlichen Vorschriften beschlossen. Das haben Sie hier auch zur Kenntnis genommen. CDU und CSU haben Ihre Forderungen — auch der Kollege Wissmann, den Sie zitiert haben — hierzu auf den Tisch gelegt.

    Meine Damen und Herren, es geht uns nicht darum, einen Schutzzaun um den Einzelhandel zu bauen oder den Strukturwandel zu steuern, sondern darum, Wettbewerbsmißbräuche — das scheint mir das Entscheidende zu sein — einzudämmen und den Wettbewerb zu sichern. Wir erwarten ja in Kürze aus dem Bundeswirtschaftsministerium eine konkrete Vorlage zur Novellierung des Kartellrechtes. Der Herr Staatssekretär

    ist ja anwesend und wird sicher auch dazu etwas sagen.


    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Schön!)


    Der Vorschlag der GRÜNEN zur Änderung der Baunutzungsverordnung schießt über das Ziel hinaus

    — wie manches natürlich, was Sie gesagt haben. Mit dem neuen Baugesetzbuch sind für die Kommunen bereits die planungsrechtlichen Voraussetzungen verbessert worden.


    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Richtig! - Conradi [SPD]: Na, na!)


    — Das ist doch so.

    Das Baugesetzbuch betont jetzt die Aufgaben der Gemeinden, beim Einsatz ihrer bauleitplanerischen Mittel auch die möglichen negativen Folgen großer Einzelhandelsbetriebe für die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung zu bedenken.

    Der Antrag — so steht es darin — auf Streichung des § 11 Abs, 3 der Baunutzungsverordnung würde in der Konsequenz bedeuten, daß großflächige Einzelhandelsbetriebe wieder wie vor 1968 in den meisten Baugebieten sogar einen Rechtsanspruch auf Zulassung hätten. Die bisherigen baurechtlichen Restriktionen, die zu einer deutlichen Verlangsamung des Wachstums dieser Betriebsformen geführt haben

    — das wird wohl niemand bezweifeln —, würden entfallen.

    Ich darf in diesem Zusammenhang natürlich auch an die in unserem föderativen Staatswesen zuständigen Ländern und ihre Verantwortung erinnern. Sie haben gerade im Rahmen ihrer Landesplanung Verantwortung und Verpflichtung,


    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr gut!)


    der Versorgung des ländlichen Raumes Rechnung zu tragen, und sie tun dies natürlich auch.

    Die Forderung der Antragsteller nach einem verbesserten Mieter- und Kündigungsschutz — als nächstes Thema — ist nicht neu.


    (Müntefering [SPD]: Aber gut!)


    Durch eine sehr vage Formulierung — wenn man das nachliest —


    (Grünbeck [FDP]: Wer sagt das?)


    werden die Risiken verschleiert, die mit solchen Forderungen verbunden sind. Verschärfter Mieterschutz kann allenfalls zu einer insgesamt geringfügigen Verzögerung eines solchen Prozesses im Einzelfall, nicht aber zu einer Verhinderung — wie man sagt: des „Ausmietens" alteingesessener Geschäftsinhaber — führen,

    Ein Widerspruchsrecht — auch das taucht auf — der gewerblichen Mieter und eine zwingend ausgestaltete Verlängerung der Kündigungsfristen wäre ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Vertragsfreiheit. Dies begegnet rechtspolitischen Bedenken und widerspricht dem Bemühen, staatliche Reglementierungen für die Wirtschaft abzubauen. Das ist ja unser gemeinsames Ziel.

    Wie die Erfahrungen im Wohnungsbau gezeigt haben, könnte ein überzogener Mieterschutz längerfri-


    Oswald

    stig die notwendige Flexibilität im Mietmarkt hemmen und die notwendige Neubau- und Sanierungstätigkeit beeinträchtigen. Die dann eintretende allgemeine Verknappung und Verteuerung geeigneter Geschäftsräume würde letztlich zu Lasten der Geschäftsleute und damit auch wieder der Verbraucher gehen. Nach meinen Informationen hat auch keiner der interessierten Verbände einen materiellen Kündigungsschutz im Sinne eines Widerspruchsrechts des Mieters oder gar einer Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf bestimmte Fallgruppen gefordert.

    Auch für einen verbesserten Schutz der Mieter bei der Vollstreckung von Räumungstiteln über Geschäftsräume wollten sich die angehörten Verbände nicht aussprechen, daß sich der Einzelhändler im Ernstfall — diese Frage muß man einfach bedenken — auf einen für ihn unter Umständen kostspieligen und arbeitsaufwendigen Prozeß einlassen müßte. Deshalb halte ich persönlich derzeit Initiativen für eine Änderung des geltenden Geschäftsraummietrechts nicht für dringlich. Aber ich schließe nicht aus, daß sich auf Grund eingehender Erhebungen, die ja bundesweit durch den Bundesminister der Justiz in Abstimmung mit den Verbänden durchzuführen sind, weiterführende Gesichtspunkte ergeben.


    (Müntefering [SPD]: Ja, man kann ja klüger werden!)


    — Immer. Das sollte grundsätzlich gelten.


    (Beifall des Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU])


    Auch der Vorschlag, Kleinläden auf dem Land dadurch zu halten, daß zusätzliche private oder staatliche Dienste angeboten werden — z. B. Rezepte sammeln, Post aufgeben usw. —, wird kleine ländliche Geschäfte mit unzureichendem Lebensmittelumsatz nur schwerlich betriebswirtschaftlich rentabel machen. Solche Zusatzdienste werden bei hoher Nachfrage personal- und kostenintensiv, andernfalls aber kaum ertragreich.

    Meine Damen und Herren, diese Skepsis soll uns nicht daran hindern, alle in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung sinnvollen staatlichen Einflußmöglichkeiten zugunsten der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe und zur Sicherung der Versorgung des ländlichen Raumes auszuschöpfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Dazu zählt auch die heute schon angebotene staatliche Hilfe zur Selbsthilfe durch die Förderung von Existenzgründungen oder von Investitionen zur Erweiterung, Rationalisierung und Modernisierung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die eine betriebswirtschaftliche Rentabilität erwarten lassen. Der Erfolg hängt meines Erachtens sehr von der persönlichen Eignung und von der persönlichen Einsatzbereitschaft der Ladenbetreiber auch mit ab.

    Die ortsnahe Versorgung aller Bevölkerungsschichten, auch der älteren und sozial schwachen Mitbürger, mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs ist ganz sicher ein unverzichtbares Element der Lebensqualität im ländlichen Raum. Ergänzende Versorgungsfunktionen zum stationären Handel kön-

    nen auch mobile Verkaufsstellen mit übernehmen. Man sollte die Bedeutung dieses Bereichs nicht unterschätzen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


    Daneben gibt es glücklicherweise auch in unseren Dörfern immer noch eine gut funktionierende Familien- und Nachbarschaftshilfe. Es gehört auch dazu, daß man dies erwähnt.

    Meine Damen und Herren, weder die Politik noch die Wirtschaft sind aber letztlich in der Lage, dort, wo die notwendige Nachfrage fehlt, defizitäre Kleinstläden mit staatlicher Hilfe aufrechtzuerhalten. Dies wäre ein teurer Irrweg. Nutzen wir jetzt also die kommenden detaillierten Ausschußberatungen, um den Dialog in dieser Frage weiter zu vertiefen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scherrer.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manfred Scherrer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute zum Antrag betreffend Maßnahmen zur Einpassung der Einzelhandelsnutzung in das übergeordnete Gesamtsystem der städtischen Entwicklung der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE GRÜNEN sprechen zu können. Ich tue dies aus zwei Gründen. Einmal bestätigt der Antrag die Vermutung, daß Menschen doch lernfähige Wesen sind. Zum anderen gibt dieser Antrag der SPD-Fraktion Gelegenheit, noch einmal ausführlich unsere Vorstellungen zum Wettbewerb im Handel darzustellen, Vorstellungen und Forderungen hier vorzutragen, denen sich z. B. auch die Kollegen von der Mittelstandsvereinigung der CDU inzwischen angeschlossen haben, die gleichwohl von den Koalitionsfraktionen dieses Hauses, wie ich meine, um des lieben Koalitionsfriedens willen bislang aber abgeblockt worden sind.

    Ich möchte zunächst einmal festhalten, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der Analyse, die dem Antrag der GRÜNEN zugrunde liegt, voll und ganz zustimmt. Der Verdrängungswettbewerb im Handel hat mittlerweile Ausmaße erreicht, die unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen. Die anhaltende Konzentration wirtschaftlicher Macht im Einzelhandel vernichtet selbständige Existenzen und Arbeitsplätze, sie gefährdet funktionsfähige wettbewerbliche Marktstrukturen und damit auf längere Sicht auch Verbraucherinteressen.

    Die Verdrängung selbständiger Einzelhändler beeinträchtigt darüber hinaus die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, vor allem in ländlichen Gebieten. Betroffen davon sind insbesondere alte und sozial schwache Bürger. Die Auswirkungen dieses Vernichtungswettbewerbs sind nicht nur im Einzelhandel spürbar, sondern sie verstärken auch auf der Herstellerstufe den Trend zur Konzentration mit der Folge, daß auch hier selbständige Existenzen und weitere Arbeitsplätze vernichtet werden.

    Dies, meine Damen und Herren, steht in einem Antrag meiner Fraktion, der überschrieben war „Zum Wettbewerb und Verbraucherschutz im Einzelhandel" und vom 4. Februar 1986 datiert. Nach Angaben


    Scherrer

    des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels vom Juli vergangenen Jahres hat sich daran nichts gebessert. Immer noch macht 1 % der Unternehmen des Einzelhandels bereits 51, 2% des Umsatzes, die 0, 1% größten Unternehmen gar 36, 6% des Umsatzes.

    Besonders dramatisch ist die Situation im Lebensmitteleinzelhandel. 1 % der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels hielten 1984 insgesamt 65, 3% des Umsatzes der gesamten Branche, und die 10 größten Konzerne des Lebensmitteleinzelhandels vereinigten 1986 48, 6% des Umsatzes auf sich. Die Zahl der Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel nahm von 1968 bis 1985 um 88 000 ab, die der Arbeitsstätten um 85 000, die Zahl der Beschäftigten um 40 000. Die Liste ließe sich fast durch alle Branchen des Handels fortsetzen. Die Machtkonzentration in diesem Bereich setzt sich aber ungebrochen fort. Der Zusammenschluß — Frau Kollegin Teubner hat darauf hingewiesen — der Handelsgiganten Asko und der Verbrauchermarktkette Massa, die Übernahme von Wandmaker und Werhahn durch Coop, der BLV, Bayerische Lagerversorgung, durch Metro, dies sind nur die herausragendsten Beispiele der jüngsten Zeit.

    Die Fraktion DIE GRÜNEN stellt in ihrem Antrag einige Forderungen, die geeignet sein können, diesen Prozeß in Zukunft zu steuern. Sie fordert einen Gesetzentwurf zum verbesserten Mieterschutz von Gewerbetreibenden im Handel, Handwerk und Gewerbe, eine Forderung — das muß ich hier sagen —, die die SPD-Fraktion bereits vor zwei Jahren in ihrem Antrag erhoben hat. Die GRÜNEN fordern weiter eine Novellierung der Baunutzungsverordnung, die die Fraktionen ebenfalls in dem eben erwähnten Antrag bereits angesprochen haben, und das Saarland hat auch dazu im Bundesrat schon eine Initiative ergriffen.

    Ihnen, meine Damen und Herren, dürfte ebenfalls bekannt sein, daß wir eine Novellierung des Kartellrechts bereits Anfang Februar 1985 in unserem Antrag „Wettbewerb und Verbraucherschutz im Einzelhandel" vertreten haben.

    Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, haben es gegenüber dem Einzelhandel bei Sonntagsreden und wohlfeilen Deklarationen bisher bewenden lassen.


    (Beifall bei der SPD)


    Wenn es zum Schwur kam — es gilt, das hier mit aller Deutlichkeit herauszustellen —, wenn es galt, konkrete Verbesserungen an der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelhandel vorzunehmen, dann beschränkten Sie sich auf Unverbindlichkeiten.

    Mittlerweile scheinen aber auch Sie zu spüren, daß es fünf vor zwölf ist. Hohe Wahlverluste gerade im mittelständischen Bereich scheinen Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hier offensichtlich jetzt Beine zu machen. Ich befürchte allerdings, daß sich in der Sache wenig bewegen wird. Es ist typisch, daß die Mittelstandsvereinigung der CDU z. B. in Nordrhein-Westfalen großspurig Initiativen zur Novellierung des Kartellrechts mit Blick auf die kleinen

    und mittleren Einzelhändler und Handwerker ankündigt,


    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nicht nur in Nordrhein-Westfalen!)


    während gleichzeitig der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen — immerhin ist dies ja der Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm — in einem „Handelsblatt"-Interview praktisch die nächste Kartellnovelle, die die Wettbewerbschancen kleiner und mittlerer Unternehmen stärken soll, sie praktisch bereits abschreibt. Die Kartellnovelle sei dermaßen in Gefahr, daß man eigentlich SOS funken müßte. Bedenkenträger komplizierten das Gesetzesvorhaben immer mehr, um es am Ende ganz zu verhindern. Das gehe nach dem Motto: Zwar grundsätzlich ja sagen, im Detail aber dann emsig neue Schwierigkeiten aufbauen. So Norbert Blüm im „Handelsblatt" vom 8. Februar 1988.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Bundestagsfraktion wird in der nächsten Zeit ihrerseits einen Antrag zur Novellierung des Kartellrechts einbringen. Lassen Sie mich dazu einige wenige Schwerpunkte nennen. Wir wollen Einkaufskooperationen sichern und stärken.


    (Grünbeck [FDP]: Ach was!)


    Für dringend erforderlich halten wir eine Änderung des § 37 a Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wonach ein Unternehmen, das gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern über eine überlegene Marktmacht verfügt, diese Wettbewerber nicht durch Einsatz seiner Marktmacht unmittelbar oder mittelbar unbillig behindern darf.


    (Grünbeck [FDP]: Da müßt ihr aber auf Coop aufpassen!)


    Die Gesetzespraxis dazu hat gezeigt, daß diese Regelung auf Grund der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe und der schwierigen Beweislage nicht greift. Wir wollen deshalb klare Bestimmungen und eine Beweislastumkehr im Zusammenhang mit nicht gerechtfertigtem Rabatt und mit Konditionsdiskriminierungen, wenn der Beschwerdeführer zuvor alle zumutbaren Beweisanstrengungen unternommen hat. Wir halten auch eine Stärkung der Befugnisse der Kartellbehörden, die sicherstellen soll, daß die Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörden nicht am Geheimhaltungsgebot scheitern, für zwingend.

    Lassen Sie mich aber dies hinzufügen: Es genügt nicht, eine Erkrankung zu kurieren, wenn man dabei den Gesamtzustand des Patienten außer acht läßt. Wir Sozialdemokraten halten es dafür für dringend geboten, daß im Handel wieder faire Wettbewerbsbedingungen eintreten, daß Machtmißbrauch und Konzentration ein Ende finden. Lassen Sie mich auch das sagen: Nur eine Fülle selbständiger Existenzen gerade im Handel sorgen doch für einen funktionierenden Wettbewerb, machen die Attraktivität unserer Innenstädte aus.

    Meine Damen und Herren, wir müssen aber weiter sehen, daß durch gezielte Maßnahmen die Leistungskraft der kleinen und mittleren Selbständigen in Handel und Handwerk erhalten und verbessert wird. Wir brauchen dazu — das haben wir heute morgen


    Scherrer

    schon vorgetragen — eine steuerstundende Investitionsrücklage, um mittlere Betriebe zu fördern, damit sie existieren und Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten können. Wir brauchen gezielte finanzielle Hilfeleistungen, um Nachteile ausgleichen zu können. Ich halte es jedenfalls für verheerend, daß die Bundesregierung die Mittelstandsförderung über die Hälfte bis 1991 — konkret: von 1, 1 Milliarden DM auf 485 Millionen DM — kürzen will. Das führt zu einem Kahlschlag gerade in der Forschungsförderung und bei der Existenzförderung.


    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Da habe ich einen Antrag gestellt!)