Rede von
Dr.
Heinz Günther
Hüsch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind, wenn ich das jetzt richtig sehe, bei der Diskussion der Debatte über den Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Einführung der Verbandsklage. Der Redner hat dazu vorher wenig vorgetragen.
Dieser Wunsch, eine allgemeine Verbandsklage einzuführen, ist ein ganz alter Hut. Er wird durch erneutes Aufsetzen auch nicht prachtvoller.
— Der Bundestag hat sich damit mehrfach befaßt, auch in der Zeit, als Sie, Herr Baum, damals noch in der Koalition saßen. Bei der Beratung des Verwaltungsverfahrensgesetzes 1976 wurde die Verbandsklage einhellig abgelehnt. Eine auf das Atomrecht beschränkte Verbandsklage wurde 1978/79 ebenfalls unter SPD/FDP-Mehrheit nach anfänglicher Unterstützung abgelehnt. Und die Gesetzentwürfe von SPD und GRÜNEN in der vergangenen Legislaturperiode fanden 1986 weder im Rechtsausschuß noch im Ausschuß für Umwelt eine Mehrheit. Es gibt auch keinen Grund, diese Entscheidung zu ändern.
Der Nutzen der Verbandsklage ist zweifelhaft; in der juristischen Literatur ist dies deutlich beschrieben. In der Tat: die Bundesrepublik ist ein ausgeprägter Rechtsstaat. Er steht in der Gefahr, ein Rechtsmittelstaat zu werden. Die Verbandsklage kommt einem solchen weiteren Rechtsmittel nicht gleich, aber doch sehr nahe. Daran besteht nach unserer Auffassung kein Bedarf.
Die Antragsteller werden mit einer Verbandsklage die Zahl der Prozesse erhöhen. Der Bürger verlangt aber nicht nach mehr Prozessen, sondern nach klarem Recht. Niemand wird die guten Absichten und auch die beachtlichen Leistungen der seriösen Umweltverbände in Zweifel ziehen dürfen — ich will das auch nicht tun —,
aber sie kommen ohne Verbandsklage zurecht.
Der Gesetzgeber steht in der Pflicht, ein rechtliches Instrument nicht nur daraufhin zu prüfen, ob es den einen oder anderen zusätzlichen Rechtsschutz bringen kann, sondern auch daraufhin, ob ein Mißbrauch möglich ist, ob der Umfang und die Intensität des Mißbrauchs erheblich sind und ob eine Absicht zum Mißbrauch erkennbar wird.
Wenn es so ist, dann wiegen die Bedenken schwerer als die denkbare Nützlichkeit. Eine solche Gefahr des Mißbrauchs drängt sich auf. Die bisherigen Erfahrungen mit den Landesgesetzgebungen ermutigen nicht, auch wenn man das eine oder andere positiv sieht. Soweit das Bundesrecht solche Einrichtungen wie die Verbandsklage kennt, überwiegen die negativen Erfahrungen, etwa bei den sogenannten Abmahnvereinen im Wettbewerbsrecht.
Unklar bleibt auch, wer nach dem Willen der Antragsteller Verbandscharakter erlangen soll. Manche Bürgerinitiative, die sich zum Verband entwickelt und sehr leicht entwickeln kann, verfolgt nicht das Gemeinwohl, sondern sie ist in Wirklichkeit der Zusammenschluß krasser eigener Interessen im Gewande der Initiative. Maßgeblich für den Gesetzgeber sollte jedoch das Gemeinwohl sein und bleiben. Deshalb darf man einer auf Egozentrik steuernden Entwicklung keinen Raum geben.
Unser Rechtssystem setzt bei der Zulässigkeit einer Klage die eigene Betroffenheit voraus. Das ist in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes normiert. Das Rechtsprinzip hat sich bewährt. Es gibt keine Rechtfertigung, ein bewährtes Prinzip aufzulösen.
Unsere Verfassung beruht auf der Gewaltenteilung. Die Ausführung der Gesetze obliegt der Verwaltung, die an Gesetz und Recht gebunden ist und der politischen, parlamentarischen Kontrolle unterliegt.