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ID1105008300

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    Vokabeln: 8
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    8. Lippelt.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Inhalt: Eintritt des Abg. Dr. Mahlo in den Deutschen Bundestag 3545 C Erweiterung der Tagesordnung 3545 C Begrüßung einer Delegation aus der Volksrepublik Angola 3572 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. Einhaltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages für den Betrieb des Kraftwerks Buschhaus Reuter SPD 3531 B Dr. Laufs CDU/CSU 3532 C Brauer GRÜNE 3533C, 3539 B Baum FDP 3534 C Dr. Remmers, Minister des Landes Nieder- sachsen 3535 D Seidenthal SPD 3537 B Schmidbauer CDU/CSU 3538 B Harries CDU/CSU 3540 A Stahl (Kempen) SPD 3540 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 3541D Schäfer (Offenburg) SPD 3543 B Lattmann CDU/CSU 3544 B Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Lage der deutschen Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in den Stahlregionen (Drucksachen 11/402, 11/123, 11/398, 11/1305) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Stahl-Arbeitsplätze: Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen (Drucksache 11/1477) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie (Drucksache 11/1504) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkte: Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1522) Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1524) Roth SPD 3546 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3548 C Frau Hillerich GRÜNE 3552D, 3569 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3554 A Einert, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3554 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 3558 A Stratmann GRÜNE 3560C, 3569 C Dr. Vondran CDU/CSU 3562 B Schreiner SPD 3564 B Müller (Wadern) CDU/CSU 3566 A Kraus CDU/CSU 3567 C Dr. Lammert CDU/CSU 3569 A Tagesordnungspunkt 23: Aussprache zu Afghanistan in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: 8 Jahre Krieg in Afghanistan (Drucksache 11/1500) Dr. Todenhöfer CDU/CSU 3570 B Bindig SPD 3571A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3572 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 3574 B Schäfer, Staatsminister AA 3575 C Dr. Holtz SPD 3577 A Nächste Sitzung 3578 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3579* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3579* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3531 50. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1987 Beginn: 8.31 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Antretter 11. 12. Bahr 11, 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Bernrath 11. 12. Bindig 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Catenhusen 11. 12. Doss 11. 12. Ebermann 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. Geißler 11. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Dr. Grünewald 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Dr. Hauchler 11. 12. Dr. Haussmann 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. Frau Hürland-Büning 11. 12. Kalb 11. 12. Kastning 11. 12. Frau Kelly 11. 12. Kiechle 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Koschnick 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Lowack 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Frau Matthäus-Maier 11. 12. Dr. Mechtersheimer 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Rappe (Hildesheim) 11. 12. Rauen 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 12. Roth 11. 12. Scharrenbroich 11. 12. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 11. 12. Schütz 11. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Dr. Spöri 11. 12. Dr, Struck 11. 12. Tietjen 11. 12. Tillmann 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Uldall 11. 12. Vahlberg 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Frau Wieczorek-Zeul 11. 12. Wissmann 11. 12. Würtz 11. 12. Dr. Zimmermann 11. 12. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Gesetzentwurf - Änderung strafrechtlicher und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen - Drucksache 11/1040 - und ihren Antrag - Nahrungsmittelhilfe an Äthiopien - Drucksache 11/1155 - zurückgezogen hat. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.3, 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/138 lfd. Nr. 3.52 bis 3.131 Drucksache 11/779 lfd. Nr. 2.24 bis 2.51 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/253 Nr. 2.27 Drucksache 11/439 Nr. 2.9 Drucksache 11/561 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/779 Nr. 2.52 Drucksache 11/883 Nr. 103 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/883 Nr. 112 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.157
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hildegard Hamm-Brücher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Überfall sowjetischer Truppen auf Afghanistan, seit der Besetzung und der grausamen Kämpfe sind fast acht Jahre vergangen. Fast die Hälfte der leidgeprüften Bevölkerung Afghanistans ist geflohen, tot, verwundet, entwurzelt. Ich habe die Protokolle des Bundestages, die Debatten der letzten acht Jahre, noch einmal nachgelesen, und es ist sehr erfreulich, festzustellen, daß dies durchweg Dokumente eines zähen gemeinsamen Engagements aller Bundestagsfraktionen sind. Herr Kollege Todenhöfer, ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß sich aus allen Fraktionen Kolleginnen und Kollegen um die humanitären Probleme der Opfer dieses Bürgerkrieges, dieses schrecklichen Besatzerkrieges, vor allem der Kinder, angenommen haben.
    Ich finde, daß es wichtig ist, daran zu erinnern und zu danken. Ich gucke Herrn Bindig an; wir sitzen zusammen im Vorstand einer Afghanistan-Organisation. Der ehemalige Kollege Neumann (Bramsche) hat sich ganz große Verdienste um die humanitäre Hilfe für Afghanistan-Flüchtlinge erworben.

    (Beifall des Abg. Becker [Nienberge] [SPD])

    Bei uns war es Frau Adam-Schwaetzer, und jetzt ist es
    unsere neue Kollegin Uta Würfel. Ich meine, es ist
    schon wichtig, hier, Herr Kollege Todenhöfer, bitte
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3573
    Frau Dr. Hamm-Brücher
    nicht so zu tun, als sei dieses Engagement nur einem einzigen Kollegen zugute zu halten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Doch. Ich habe Sie so verstanden, daß Sie ungefähr gesagt haben: Niemand tut etwas, die westlichen Politiker schweigen.

    (Rühe [CDU/CSU]: Da hat er nur einige bestimmte gemeint!)

    Der Deutsche Bundestag hat jedenfalls in diesen acht Jahren nicht geschwiegen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir haben mit Ihrer Hilfe und Unterstützung überfraktionell eine wichtige, eine bahnbrechende Anhörung zu den Problemen durchgeführt, und ich glaube nicht, daß es richtig ist, auf andere mit Fingern zu zeigen — vielleicht habe ich Sie auch falsch verstanden — —

    (Bindig [SPD] und Repnik [CDU/CSU]: Das wollte er nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das wollte er nicht. Ich akzeptiere das.
    Ich wollte sagen, daß gerade die Gemeinsamkeit, Herr Kollege Repnik, die Stärke unseres Engagements hier im Deutschen Bundestag war.

    (Seiters [CDU/CSU]: Völlig falscher Ton in dieser Debatte!)

    — Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich ihn falsch verstanden habe. Aber so ist es nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Kollegen hier angekommen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Bei wem denn noch? — Dr. Wulff [CDU/CSU]: Geben Sie doch mal zu, daß Sie auch mal unrecht haben! Sie haben auch nicht immer recht!)

    Ich wollte nur noch einmal erwähnen, daß es auch andere waren, die das getan haben. Denn ohne dieses Engagement, Herr Kollege Todenhöfer, ohne die unermüdlichen Bemühungen in den Vereinten Nationen, in der UN-Menschenrechtskommission — Stichwort: Ermacora — , ohne die regelmäßigen Besuche in Flüchtlingslagern wäre das Schicksal Afghanistans, glaube ich, längst besiegelt worden. Dazu, daß dies nicht geschehen ist, hat der Deutsche Bundestag mit seinen Entschließungen und mit seinem Engagement sein Scherflein ebenso beigetragen wie die Bundesregierung, die in den Vereinten Nationen unermüdlich tätig war.
    Nachdem seit unserer letzten Debatte nun eineinhalb Jahre vergangen sind, muß man doch, Herr Kollege Todenhöfer, wenigstens sehen: Der Durchbruch ist nicht erzielt, der Friedenswille der Sowjetunion ist noch lange nicht unter Beweis gestellt. Aber dennoch zeigen sich einige — wenn auch noch verschwommene — Silberstreifen; Herr Kollege Bindig hat einige davon auch erwähnt.
    Wir werden sehen, was aus den Washingtoner Gesprächen an Fortschritten schließlich herauskommen wird. Wir können die Sowjetunion nur auffordern
    — und hoffen, daß sie es tut — , mit dem Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan nun so bald wie möglich zu
    beginnen und ihn so schnell wie möglich — vielleicht in kürzerer Zeit als in 12 Monaten — zu beenden.
    Wir blicken aber auch auf die Genfer Vermittlungsgespräche des stellvertretenden UN-Generalsekretärs, die wohl im Februar fortgesetzt werden sollen. Wir hoffen, daß auch auf dieser Ebene der indirekten Gespräche weiter Fortschritte erzielt werden können.
    Wir sind auch erleichtert, daß das Internationale Rote Kreuz endlich wieder nach Afghanistan einreisen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Hilfe für die notleidende Bevölkerung, der Zivilbevölkerung, die ja nun die Leidtragende dieser schrecklichen, grausamen kriegerischen Auseinandersetzungen ist.
    Wir hoffen auch, daß die Menschenrechtskommission der UN unter Leitung des Österreichers Ermacora wieder einreisen kann. Denn dieser Kommission haben wir es zu verdanken, daß wir vor einigen Jahren erstmals einen Bericht über die grauenhaften Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan bekommen haben.
    Wir als Freie Demokratische Partei hoffen dann endlich auf Fortschritte bei der Lösung des Afghanistan-Problems mit folgenden Zielen: Abzug aller sowjetischen Truppen und Zustimmung der Sowjetunion zu einer politischen Lösung. Ich glaube, wir müssen hier auch die islamischen Staaten und die Gruppe der Blockfreien nennen, die sich in den letzten Jahren für den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan immer wieder sehr nachdrücklich eingesetzt haben.
    Wir unterstützen nachdrücklich die vier Forderungen aus der letzten UN-Resolution — Herr Bindig hat gesagt, daß der Anteil an Zustimmung von Jahr zu Jahr gewachsen ist und daß der Prestigeverlust der Sowjetunion gegenüber den Ländern der Dritten Welt in all den Jahren ungeheuer zugenommen hat — : Rückzug, Wiederherstellung der Unabhängigkeit Afghanistans mit dem Status eines neutralen und blockfreien Landes, Rückkehr der Millionen afghanischer Flüchtlinge in Ehren und in Sicherheit — das möchte ich ausdrücklich betonen. Es bedarf vieler Geduld und sehr vieler Hilfe, um diese Millionen entwurzelter Menschen, die man in den Flüchtlingslagern sieht, in ihrer eigentlichen Heimat überhaupt wieder heimisch machen zu können — und schließlich und vor allem die Selbstbestimmung des afghanischen Volkes. Es ist tatsächlich angebracht, Herr Kollege Bindig, hier doch einige besorgte Worte zu diesem weiteren Prozeß zu sagen.
    Wie wird sich der Übergang zur eigenen Souveränität vollziehen können? Welche Sicherheiten müssen die Vereinten Nationen dort zweifellos bieten, damit es nicht zu einem bürgerkriegsähnlichen Massaker unter den verschiedenen Gruppen der Widerstandskämpfer kommt, die sich ja gottlob geeinigt haben und seit einigen Jahren zusammenarbeiten? Aber wenn der Konsens einmal beendet wird, dann besteht doch die Gefahr, daß diese Allianz in frühere Rivalitäten und Feindschaften zurückfällt. Deshalb ist es so wichtig, daß es nach dem Abzug der sowjetischen Truppen keinesfalls eine Politik des „Alles oder
    3574 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
    Frau Dr. Hamm-Brücher
    nichts" der Widerstandsgruppen geben darf — ich unterstütze, was Sie gesagt haben, Herr Bindig — und daß es zu einer nationalen Aussöhnung in diesem leidgeprüften Land kommen muß. Dazu müssen wahrscheinlich auch wir einen entscheidenden Beitrag leisten. Aber bis dahin ist es ein weiter, ein sehr weiter Weg. Da gebe ich Herrn Kollegen Todenhöfer völlig recht. Bis die blutende Wunde Afghanistans endlich geschlossen und verheilt sein wird, werden sicher Jahrzehnte ins Land ziehen.
    Wir hoffen am Ende dieses Jahres, das doch einige Ängste von uns genommen und einige Fortschritte in der Friedenssicherung in der Welt gebracht hat, daß auch dieses wohl schlimmste Kapitel von Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen in den letzten Jahrzehnten nun abgeschlossen werden wird.
    Der Deutsche Bundestag wird wie bisher mit großer Aufmerksamkeit diese Entwicklung verfolgen und alles tun, um von diesem Haus aus zur Unterstützung einer friedlichen Beendigung des Krieges, einer Aussöhnung und endlich auch wieder menschenwürdiger Verhältnisse in diesem Land unseren Beitrag zu leisten.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lippelt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge meiner Vorrednerin und meiner Vorredner haben mir schmerzhaft bewußt gemacht, wie schwer es für einen hier neu eingetretenen Abgeordneten ist, persönliche Erfahrung durch eine Durchdringung des Problems auf Grund von Lektüre zu ersetzen. Insofern stelle ich mich in die Tradition meiner Fraktion, die von Anfang an den Krieg der Sowjetunion gegen die Völker Afghanistans verurteilt hat und deren Mitglieder Milan Horacek und Uli Fischer zu den wenigen gehörten, die sich auch persönlich einen Eindruck vom Leiden der afghanischen Völker verschafft haben.
    Der Auswärtige Ausschuß des Bundestages hat ein Hearing durchgeführt, das uns allen, auch denen, die es nachlesen, für das ganze Ausmaß des Sterbens und der Verwüstung in Afghanistan die Augen geöffnet hat.
    Als jemand, der nicht so tief damit vertraut ist, mag man den Hoffnungsschimmer vielleicht etwas deutlicher sehen, so daß man sagt: Vielleicht deutet sich nach so vielen Toten und so vielen Millionen Flüchtlingen inzwischen eine Änderung der Lage an.
    Herr Todenhöfer, ich meine, das Problem der sowjetischen Intervention ist auch ein Problem der großen militärischen Apparate und vielleicht nicht ganz in diesem Sinn auf den neuen Generalsekretär zu personalisieren, obwohl er die Verantwortung hat, denn es geschieht unter ihm; das ist ganz klar.
    Trotzdem möchte man die Nachrichten aufgreifen, die zeigen, daß die Sowjetunion vielleicht auch hier — und sei es nur im Sinn einer Kosten-Nutzen-Analyse — eine neue Rechnung aufgemacht hat. Der von dem UN-Vermittler Diego Cordovez in indirekten Gesprächen zwischen Pakistan und dem Regime in Kabul ausgehandelte 35seitige Rückzugsvertrag jedenfalls ist bis auf die zwei entscheidenden Punkte fertig: die Zusammensetzung einer Interimsregierung und den Terminplan für den Rückzug der Sowjettruppen.
    Die ursprüngliche Forderung nach erst einigen Jahren, dann 16 Monaten Zeit ist inzwischen auf 12 Monate reduziert worden Vor einigen Wochen hat der Pressesprecher Gerassimov durchblicken lassen, die Sowjetunion könne auch noch tiefer gehen. Das ist allerdings von Gorbatschow jetzt nicht bestätigt worden. Pakistan hat sich auf acht Monate angenähert. Die Forderungen können also nicht mehr so weit auseinanderliegen.
    Was die Interimsregierung angeht: Der Versuch Nadjibullahs, eine Regierung der nationalen Versöhnung zu bilden, ist gescheitert. Die Sowjetunion wird ihrem Satrapen klarzumachen haben, daß in einer Interimsregierung die kommunistische Partei nicht mehr die führende Rolle spielen kann.
    Was kann in einem solchen Moment der Deutsche Bundestag sinnvollerweise sagen?
    Erstens. Er hat auf einem sofortigen Rückzug der sowjetischen Truppen ohne Wenn und Aber zu bestehen und diesen nachdrücklich zu fordern.
    Zweitens. Er sollte darüber hinaus die internationale Anerkennung des afghanischen Widerstands fordern.
    Daraus folgt, drittens, die für den gegenwärtigen Augenblick vielleicht zentrale Forderung nach direkten Gesprächen zwischen den direkten Kontrahenten, nämlich der Sowjetunion und dem afghanischen Widerstand. Diese Forderung hilft vielleicht aus einigen Sackgassen heraus.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Für diese dritte Forderung sprechen zwei gute Gründe und eine wichtige indirekte Wirkung. Erstens. Letztlich können nur die direkten Kontrahenten einander die für eine Wendung der Lage zum Besseren notwendigen Garantien, über die wir gerade gesprochen haben, geben.
    Zweitens würde hierdurch der nur lose assoziierte und vor allem durch den gemeinsamen Gegner zusammengehaltene Widerstand in die Pflicht gemeinsamer Zukunftsgestaltung genommen werden.
    Die günstige indirekte Wirkung wäre, daß Pakistan seine Rolle als Frontstaat verlieren würde, die das Regime des Präsidenten Zia ul-Haq doch sehr stark stabilisiert und ihm jede demokratische Konzession erspart hat.
    Doch zurück zu Afghanistan. Hier sind aus unserer Sicht vor allem noch drei Problemfelder zu bedenken.
    Erstens. Acht Jahre Krieg haben die Sozialstruktur des Landes zerstört. Die Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan ist die größte, wenn wir einmal von der direkten Nachkriegszeit absehen. Millionen haben sich in die relative Sicherheit Kabuls geflüchtet.
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3575
    Dr. Lippelt (Hannover)

    Wie soll das Werk der Rekonstruktion dieser einstmals agrarischen Gesellschaft geleistet werden? Sind nicht gerade die Lager in und um Kabul ein Nährboden für die Propaganda des islamischen Fundamentalismus?
    Die verschiedenen Widerstandsorganisationen sind nicht geeinigt. Geeinigt ist nur das Volk im Leiden. Welche Möglichkeiten bestehen, welche Möglichkeiten sieht diese Bundesregierung, die Führer der Befreiungsbewegungen und die Kommandanten im Lande dazu zu veranlassen, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen überhaupt erst einmal diskutierbar zu machen?
    Zweitens. Der Krieg ist nicht nur eine Katastrophe für das afghanische Volk; zerstört hat er auch die komplizierten und in Jahrhunderten intensivster Arbeit erbauten Bewässerungsanlagen. Der kostbare Ackerboden ist zu großen Teilen der Erosion preisgegeben worden. Die Wälder sind in großem Maße abgeholzt worden. Die ökologischen Schäden sind unermeßlich.
    Allein die Wiederherstellung der Bewässungsanlagen wird 100 Jahre dauern und Milliarden kosten. Ihre Rekonstruktion hat die Rekonstruktion der Gesellschaft zur Voraussetzung, einer Gesellschaft, die aber nicht automatisch wieder in die traditionellen Formen ihres früheren Lebens zurückkehren kann.
    Ist die Bundesregierung bereit, hier allein — oder besser noch: im Rahmen der UNO — Programme zu entwickeln, die helfend eingreifen können? Ich meine keine Industrialisierungsprogramme, sondern Programme, die es den Menschen ermöglichen, wieder im Lande zu leben.
    Drittens schließlich — auch wenn diese Überlegung vor dem Hintergrund der Nachrichten über das Gespräch Gorbatschow-Reagan vielleicht verfrüht erscheint — : Viele Afghanen leben hier in unserem Lande, teils als anerkannte, mehr noch als geduldete Flüchtlinge. Sollte es zu einem Frieden kommen, so werden die meisten von ihnen in ihre Heimat zurückkehren wollen. Wieviel Rückkehrhilfe zu geben ist die Bundesregierung bereit, echte, gewünschte Rückkehrhilfe, nicht verbrämte Abschiebehilfe?

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Und weiter: Ist die Bundesregierung bereit, ganz ohne Druck den Afghanen hier im Lande die Entscheidung zu überlassen, ob sie mit unserer Hilfe zurückkehren wollen oder ob sie — egal ob als Flüchtlinge anerkannt oder nur geduldet — hier im Lande bleiben wollen? Ist sie bereit, diejenigen, die jetzt hierbleiben wollen, auch auf Dauer im Land zu lassen?
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe schon Minuszeit.