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    Plenarprotokoll 11/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Inhalt: Eintritt des Abg. Dr. Mahlo in den Deutschen Bundestag 3545 C Erweiterung der Tagesordnung 3545 C Begrüßung einer Delegation aus der Volksrepublik Angola 3572 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. Einhaltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages für den Betrieb des Kraftwerks Buschhaus Reuter SPD 3531 B Dr. Laufs CDU/CSU 3532 C Brauer GRÜNE 3533C, 3539 B Baum FDP 3534 C Dr. Remmers, Minister des Landes Nieder- sachsen 3535 D Seidenthal SPD 3537 B Schmidbauer CDU/CSU 3538 B Harries CDU/CSU 3540 A Stahl (Kempen) SPD 3540 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 3541D Schäfer (Offenburg) SPD 3543 B Lattmann CDU/CSU 3544 B Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Lage der deutschen Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in den Stahlregionen (Drucksachen 11/402, 11/123, 11/398, 11/1305) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Stahl-Arbeitsplätze: Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen (Drucksache 11/1477) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie (Drucksache 11/1504) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkte: Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1522) Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1524) Roth SPD 3546 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3548 C Frau Hillerich GRÜNE 3552D, 3569 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3554 A Einert, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3554 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 3558 A Stratmann GRÜNE 3560C, 3569 C Dr. Vondran CDU/CSU 3562 B Schreiner SPD 3564 B Müller (Wadern) CDU/CSU 3566 A Kraus CDU/CSU 3567 C Dr. Lammert CDU/CSU 3569 A Tagesordnungspunkt 23: Aussprache zu Afghanistan in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: 8 Jahre Krieg in Afghanistan (Drucksache 11/1500) Dr. Todenhöfer CDU/CSU 3570 B Bindig SPD 3571A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3572 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 3574 B Schäfer, Staatsminister AA 3575 C Dr. Holtz SPD 3577 A Nächste Sitzung 3578 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3579* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3579* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3531 50. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1987 Beginn: 8.31 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Antretter 11. 12. Bahr 11, 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Bernrath 11. 12. Bindig 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Catenhusen 11. 12. Doss 11. 12. Ebermann 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. Geißler 11. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Dr. Grünewald 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Dr. Hauchler 11. 12. Dr. Haussmann 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. Frau Hürland-Büning 11. 12. Kalb 11. 12. Kastning 11. 12. Frau Kelly 11. 12. Kiechle 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Koschnick 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Lowack 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Frau Matthäus-Maier 11. 12. Dr. Mechtersheimer 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Rappe (Hildesheim) 11. 12. Rauen 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 12. Roth 11. 12. Scharrenbroich 11. 12. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 11. 12. Schütz 11. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Dr. Spöri 11. 12. Dr, Struck 11. 12. Tietjen 11. 12. Tillmann 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Uldall 11. 12. Vahlberg 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Frau Wieczorek-Zeul 11. 12. Wissmann 11. 12. Würtz 11. 12. Dr. Zimmermann 11. 12. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Gesetzentwurf - Änderung strafrechtlicher und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen - Drucksache 11/1040 - und ihren Antrag - Nahrungsmittelhilfe an Äthiopien - Drucksache 11/1155 - zurückgezogen hat. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.3, 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/138 lfd. Nr. 3.52 bis 3.131 Drucksache 11/779 lfd. Nr. 2.24 bis 2.51 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/253 Nr. 2.27 Drucksache 11/439 Nr. 2.9 Drucksache 11/561 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/779 Nr. 2.52 Drucksache 11/883 Nr. 103 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/883 Nr. 112 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.157
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Todenhöfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als am 27. Dezember 1979 die sowjetische Armee Afghanistan überfiel, begann einer der blutigsten und erbarmungslosesten Ausrottungs- und Vertreibungskriege nach dem Zweiten Weltkrieg. Nirgendwo auf der Welt wurde häufiger und brutaler gefoltert als in Afghanistan; nirgendwo wurde der Krieg gezielter gegen die Zivilbevölkerung geführt, und nirgendwo gab es einen vergleichbaren Krieg gegen Kinder wie in Afghanistan.
    Daran hat sich auch nach der Machtübernahme durch Generalsekretär Michail Gorbatschow nichts geändert. Während Gorbatschow täglich von Frieden redet, führt er einen immer brutaler werdenden Krieg in Afghanistan. Seit zwei Jahren kündigt er immer wieder den unmittelbaren bevorstehenden Abzug der sowjetischen Invasionstruppen aus Afghanistan an. Die Menschen in Afghanistan jedoch sterben weiter auf seinen Befehl hin unter dem Bombenhagel sowjetischer Luftangriffe. Solange sich daran nichts ändert, ist Michail Gorbatschow kein Mann des Friedens, sondern ein Mann des Krieges.
    Gorbatschow hat beim Gipfeltreffen in Washington in seiner Rede nach der Unterzeichnung des INF-Abkommens wörtlich erklärt: „Die Menschen wollen in einer Welt leben, in der jeder das Recht auf Leben, Freiheit und Glück genießt." So Gorbatschow in Washington vor zwei Tagen. Aber niemand hat dieses Recht des afghanischen Volkes in den vergangenen Jahren so sehr mit Füßen getreten wie die sowjetische Führung unter Gorbatschow.
    Auch nach dem Gipfeltreffen in Washington läßt Gorbatschow in Afghanistan weiter töten. Daran ändern auch seine vagen Ankündigungen bei diesem Gipfeltreffen nichts. Meine Damen und Herren, von Frieden zu reden, reicht nicht; Frieden muß man praktizieren. Den Worten vom Truppenabzug aus Afghanistan müssen jetzt endlich Taten folgen.
    Die Sowjetunion setzt in Afghanistan u. a. gegen Kinder gezielt sogenannte Schmetterlingsbomben ein, die wegen ihrer geringen Größe und wegen ihres langsamen Herabschwebens vom Himmel von den Kindern als Spielzeuge angesehen werden. Diese Spielzeugbomben explodieren nicht beim Aufschlagen, sondern erst, wenn man sie berührt oder mit ihnen herumspielt. Tausenden afghanischer Kinder wurden durch diese Schmetterlingsbomben, die sie strahlend und fröhlich aufsammeln wollten, die Beine abgerissen und die Arme zerfetzt. Sie wurden zu Krüppeln.
    Dieser sowjetische Krieg gegen Kinder ist eine Schande im doppelten Sinne: eine Schande für die sowjetische Führung, die in großem Maßstab bewußt und gewollt afghanische Kinder ermorden und verstümmeln läßt, um die afghanische Bevölkerung und ihre Widerstandskraft zu demoralisieren, aber auch eine Schande für viele westliche Politiker, die schweigend, desinteressiert und untätig diesem Krieg gegen Kinder in Afghanistan zusehen.
    Die „Afghanistan-Nothilfe" in Mönchengladbach hat sich dieser Kinder in besonders anerkennenswerter Weise angenommen. Sie hat in der Zeit von März 1986 bis heute 56 schwerverletzte Kinder in deutschen Krankenhäusern untergebracht, versorgen lassen und betreut. Ich möchte Ihnen von diesen 56 Kindern stellvertretend für die vielen tausend afghanischen Kinder, die von sowjetischen Schmetterlingsbomben verstümmelt wurden, einige kurz vorstellen; sie sind teilweise erst vor sieben Wochen, am 23. Oktober 1987, zu uns in die Bundesrepublik Deutschland gebracht worden:
    Den Jungen Ismael, acht Jahre alt, Kniegelenk-Amputation und Amputation der rechten und linken Hand; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Hayatullah, zehn Jahre alt, Amputation des rechten Schulterarmgelenkes ; Ursache : Spielzeugbomben; den Jungen Hayat Khan, neun Jahre alt, Amputation beider Hände; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Bas Mohammad, elf Jahre alt, Amputation beider Oberschenkel; Ursache: Spielzeugbomben; das Mädchen Sabera, vier Jahre alt, Napalmverbrennungen, Verkrüppelung des linken Beines, Erblindung beider Augen; Ursache: Napalmbomben; das Mädchen Scharifa, neun Jahre alt, Amputation des rechten Fußes; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Zahir Khan, zehn Jahre alt, Amputation beider Füße; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Shir Ahmad, elf Jahre alt; Amputation beider Arme; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Rafiullah, vier Jahre alt, Beckenbeinamputation links; Ursache: Spielzeugbomben; und schließlich Mohammad Quassem, ganze drei Jahre alt, beidseitige Unterschenkelamputation; Ursache: Spielzeugbomben; usw., usw.
    Die Krankenhäuser in Peshawar, die Krankenhäuser in Pakistan sind voll mit diesen verstümmelten
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3571
    Dr. Todenhöfer
    Kindern. Sie sind heute genauso voll wie vor zwei Jahren, vor vier Jahren, vor sechs Jahren. Alle diese Kinder, deren Namen ich eben genannt habe und die die Afghanistan-Nothilfe in deutschen Krankenhäusern untergebracht hat, wurden nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow zu Krüppeln gemacht.
    Meine Damen und Herren, dies hier in meiner Hand sind die Schmetterlingsbomben, mit denen die Sowjetunion ihren Krieg gegen afghanische Kinder führt. Ich gestehe Ihnen, daß ich keine Worte habe, um den sowjetischen Krieg gegen die afghanischen Kinder ausreichend zu charakterisieren. Ich habe nur die Bitte, den Appell und die dringende Aufforderung an Generalsekretär Gorbatschow: „Rüsten Sie endlich Ihre Spielzeugbomben ab, beenden sie Ihren mörderischen Krieg gegen die afghanischen Kinder, und ziehen Sie unverzüglich und bedingungslos Ihre Truppen aus Afghanistan zurück!

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Auch die Menschen, auch die Kinder in Afghanistan haben ein Recht auf Frieden. "
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Bindig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Bindig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten acht Jahren seit der Invasion der sowjetischen Truppen in Afghanistan haben wir hier mehrmals über die Lage in Afghanistan gesprochen. Wenn wir hier mit Betroffenheit über diesen Krieg reden, dann denken wir daran, wieviel schwerer es für die Afghanen ist, in diesem Krieg und mit diesem Krieg zu leben.
    Wenn wir in die Perspektive die Lebenssituation der Afghanen nehmen, so hat sich in diesen acht Jahren nichts verbessert, sondern die Lage hat sich eher verschlechtert. Im Lande läuft der Krieg, Menschen werden geötet, Menschen fliehen. Sie fliehen in die Provinzstädte, weil sich der Krieg gegen die Lebensgrundlagen der Bevölkerung richtet, sie fliehen ins Ausland, und sie leben seit vielen Jahren unter schwierigen Bedingungen in den Flüchtlingslagern.
    Geändert hat sich eigentlich nur etwas in der sprachlichen Taktik der kleinen Revolutionsgruppe in Kabul und der Sowjets. In der theoretisch-propagandistischen Kampagne versucht man, Veränderungen aufzuzeigen. Da wird gesprochen von einem angeblichen Waffenstillstand. Da wird geredet von einer Politik der nationalen Versöhnung. Man bemüht sich zu versichern, es handele sich um eine nationale demokratische Revolution und keine proletarisch-sozialistische Umgestaltung Afghanistans. Man versucht, die traditionellen Unruheherde in der Region zu schüren. Man spielt wieder die Karte des selbständigen Landes Paschtunistan, des Kalistan, des Balutschistan aus. Man versucht, den traditionellen Tribalismus in Afghanistan zu mobilisieren, um dort in den Grenzgebieten Instabilität zu schaffen.
    Allein durch Angriffe auf die Flüchtlingslager in Pakistan hat es dort bereits rund 700 Tote gegeben. Wir sehen übrigens mit Respekt, welche großen Leistungen Pakistan auf sich nimmt, um diesen vielen Millionen Menschen dort zu helfen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Es handelt sich um die größte Flüchtlingsbewegung der jüngeren Geschichte. Es gibt dort in der NordWest-Grenzprovinz Regionen, wo 2,2 Millionen Flüchtlinge mit einer fast gleichen Zahl der einheimischen Bevölkerung zusammenleben. Das ist sehr anerkennenswert.
    Die taktisch-theoretischen Bemühungen der afghanischen Revolutionsgruppe haben bisher deshalb wenig erreichen können, weil der afghanische Widerstand ungebrochen ist. Auch die Völkergemeinschaft in der UN hat bisher darauf bestanden, daß der Völkermord in Afghanistan auf der Tagesordnung bleibt. Er muß und soll auch so lange auf der Tagesordnung bleiben, wie die Sowjetunion mit ihren Truppen noch in Afghanistan steht.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die Kernforderungen bleiben: Sofortiger bedingungsloser Abzug der sowjetischen Truppen, Beendigung der Aufzwingung eines Systems, welches die Afghanen nicht wollen, Respektierung der Menschenrechte, Anerkennung der Selbstbestimmung für einen blockfreien, neutralen islamischen Staat.
    Wenn sich trotzdem einige erste Konturen einer Veränderung, einer neuen Entwicklung abzeichnen, so geschieht dies mehr im Hintergrund als schon in der praktischen Politik. Es ist erschreckend, daß diese gewissen Veränderungen, die in ersten Kontruen erkennbar sind, nicht dadurch erreicht werden konnten, daß die Sowjetunion Einsicht zeigt in ihr völkerrechtswidriges Verhalten, sondern daß dies im wesentlichen durch den Waffendruck und den Widerstand der Freiheitskämpfer erreicht werden konnte.
    In Afghanistan ist eine Veränderung durch die amerikanischen Stinger-Raketen und die britischen Blowpipe-Raketen erreicht worden. Die Mudjahedin, die unter schwierigsten Bedingungen gekämpft haben, haben durch diese neuen Waffen eine gewisse Veränderung erreichen können.
    Gewisse Veränderungen sind auch durch den diplomatischen Druck erreicht worden, weil eben die Bemühungen der Sowjetunion und der Kabuler Revolutionsgruppe bei der UN keinen Erfolg gehabt haben, den Eindruck zu erwecken, daß dort eine Politik der Versöhnung stattfinde. Die Zahl der Staaten, die die Invasion der sowjetischen Truppen in Afghanistan verurteilt, hat von Abstimmung zu Abstimmung zugenommen. Mit 123 Stimmen ist jetzt die höchste Zahl erreicht worden.
    In der Sowjetunion gibt es aus dem Hintergrund einige Hinweise, daß man dort nach neuen Wegen suche, um in irgendeiner Weise aus Afghanistan herauszukommen. So soll unter Gorbatschow eine gründliche Revision der Einschätzung der Invasion stattgefunden haben. So soll Gorbatschow das Kabuler Revolutionsregime aufgefordert haben, einem Abzug der Sowjettruppen aus Afghanistan so schnell wie möglich zuzustimmen.
    Es gibt auch wissenschaftlich-theoretische Erörterungen — z. B. am Moskauer Orientinstitut — über
    3572 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
    Bindig
    die Tatsache, daß die Invasion der Sowjettruppen und der Versuch gescheitert sind, mit einer kleinen Gruppe von Menschen dem afghanischen Volk eine bestimmte Staats- und Gesellschaftsordnung aufzudrücken: weil eben in diesem Land feudale und traditionalistische Strukturen keine Basis für eine Veränderung geboten hätten.
    Alle diese Hintergrundüberlegungen sind aber letztlich für die betroffenen Menschen bisher irrelevant. Relevant werden sie erst, wenn sie in der operativen Außenpolitik der Sowjetunion umgesetzt werden, wenn die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abziehen werden.
    Zum erstenmal allerdings rückt jetzt die Überlegung stärker in den Blickpunkt, welche Regierung es nach dem sowjetischen Rückzug in Kabul geben könnte. Es sind Überlegungen anzustellen, welche Möglichkeiten dort durch eine neu zu bildende Regierung, eine Koalitionsregierung, geschaffen werden können, ob internationale Beobachter der Vereinten Nationen den Abzug der sowjetischen Streitkräfte kontrollieren, überwachen sollen, und ob in Afghanistan eventuell eine UN-Friedenstruppe den Übergang organisieren und begleiten könnte.
    Hier ist auch ein Appell an die Widerstandsgruppen zu richten. Wenn in Peshawar schon das Wort von den 30 000 durchschnittenen Hälsen der afghanischen Kommunisten nach einem Abzug der sowjetischen Truppen umgeht, dann fördert das die Zitadellenmentalität der Afghanen in Kabul, dort zu bleiben, bis zum letzten zu kämpfen und Widerstand zu leisten. Es muß die Bereitschaft erklärt werden, die Vielzahl der normalen Aktivisten und Mitläufer nicht mit einem Rachefeldzug zu überziehen. Wenn insoweit klare Äußerungen der Mudjahedin vorlägen, wäre das sicherlich ebenfalls ein wichtiger Impuls, der den Übergang ermöglichen könnte.
    Bei dem Treffen von Gorbatschow und Reagan jetzt in den Vereinigten Staaten hat Michail Gorbatschow im State Department eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er hat dort folgendes wörtlich ausgeführt:
    Die Menschheit beginnt zu erkennen, daß sie ausgekämpft hat, daß den Kriegen für immer ein Ende gemacht werden muß. Zwei Weltkriege und der aufreibende ,Kalte Krieg' sind zusammen mit den ,kleinen Kriegen', die bislang Millionen von Menschenleben gekostet haben, mehr als ein ausreichender Preis für ein Abenteuertum, Ehrgeiz, Mißachtung der Interessen und Rechte der anderen, für die Abneigung und das Unvermögen, den Realitäten, dem legitimen Recht aller Völker auf ihre Wahl, auf ihren Platz unter der Sonne Rechnung zu tragen.
    Ich zitiere noch weiter:
    Dies bedeutet, daß die hohen Ideale der Humanisten aller Zeiten, die Ideale des Friedens, der Freiheit, das Wissen um den Wert jedes menschlichen Lebens der praktischen Politik zugrunde gelegt werden müssen.
    Ich kann jeden Satz, der dort gesprochen worden ist,
    unterstreichen. Aber es kommt nicht darauf an, nur
    solche Worte zu reden, es kommt darauf an, daß gehandelt wird.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Machen Sie den Weg frei, Herr Gorbatschow, für den Abzug der sowjetischen Truppen, machen Sie den Weg frei für ein blockfreies, neutrales, islamisches Afghanistan, wie es Afghanistan früher gewesen war und wie Afghanistan es wieder werden will!

    (Beifall bei allen Fraktionen)