Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hat er beim europäischen Gipfel in Kopenhagen das Thema Stahl zur Sprache gebracht, in einer Situation, wo wir im Ruhrgebiet bereits Zustände haben, wie in der Bundesrepublik seit der Kohle-Krise von 1966 nicht mehr?
Ist das Thema Stahl eine Erörterung auf dem Gipfel nicht wert?
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung von 1983 versprochen — ich zitiere: „Wir verlangen von den deutschen Unternehmen ein überzeugendes Konzept zur Neuordnung der Kapazitätsanpassung. " Das war 1983. Was hat der Bundeskanzler wann zur Durchsetzung eines derartigen Konzepts bei der Stahlindustrie getan, und was hat er eingefordert?
Warum ergreift er nicht die Initiative,
wenn die deutsche Stahlindustrie von sich aus zu einer Lösung der Krise nicht imstande ist? Die Betriebsräte von Krupp-Stahl waren zu Gesprächen beim Bundeswirtschaftsminister und beim Arbeitsminister. Ich höre, der Oberbürgermeister von Duisburg spricht heute mit dem Chef des Bundeskanzleramtes. Was sind die Ergebnisse dieser Gespräche? Wir sehen bei den Betroffenen nur Enttäuschung und zunehmende Verbitterung. Außer vollmundigen Reden und Versprechungen hat die Bundesregierung bis zum heutigen Tage nichts, aber auch gar nichts, bezogen auf die betroffenen Stahlstandorte, getan. Das ist die Wahrheit.
Wir sehen nur Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und — was noch schlimmer ist — beim Bundeswirtschaftsminister vor allem Tatenlosigkeit.
Wir werfen der Bundesregierung und den Vorständen in den Stahlkonzernen vor, daß sie die Zeiten der guten Konjunktur überhaupt nicht genutzt haben, um eine Lösung der Problematik vorzubereiten, obwohl die konjunkturelle Atempause für die meisten Konzerne Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe erbracht haben. Diese Chancen der letzten Jahre wurden verspielt. Der Bundeswirtschaftsminister hat sich für keine Lösung ernsthaft interessiert.
Wir, die SPD-Fraktion, stellen dieser konzeptionslosen Politik unser Konzept gegenüber. Wir fordern die sofortige Einberufung eines nationalen Stahlausschusses, in dem ein koordiniertes nationales Stahlkonzept verbindlich vereinbart wird.
Nur so kann die Position der Stahlindustrie abgesichert werden, und nur so können den betroffenen Arbeitnehmern Zukunftsperspektiven eröffnet werden.
Wir fordern darüber hinaus, daß sich der Bundeskanzler an seine Regierungserklärung erinnert und mit dem ganzen Gewicht der Bundesrepublik das Thema Stahl und die Wettbewerbsbedingungen beim Stahl zum Thema eines europäischen Gipfels macht. Nachdem Ende November dieses Jahres auch der Bundesrat einen entsprechenden Beschluß gefaßt hat, kann der Bundeskanzler mit der vollen Rückendekkung beider Häuser endlich die Stahlkrise zum Thema eines europäischen Gipfels machen.
Mit dem von uns verfolgten Konzept Zukunftsinitiative Montanregionen sollen vor allem die dringend benötigten neuen Arbeitsplätze im von Strukturwandel besonders benachteiligten Montanbereich geschaffen werden. Wir brauchen ein Revierprogramm, das der Bund mitträgt. Dazu gehören vor allem Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur, Ersatzarbeitsplätze, Erschließung neuer Gewerbeflächen, Wiederbelebung von Industriebrachen, Sanierung von Altlasten und Verbesserung der Umwelt- und der Energiesituation.
Meine Damen und Herren, wir fordern Sie auf, dieses Programm zu einer überparteilichen Initiative zu machen, so wie es in NRW im Landtag überparteilich gefordert ist.
Wir fordern Sie, falls Ihr kleinerer Koalitonspartner nicht bereit ist, da mitzumachen, auf: Lassen Sie ihn mit seinen marktradikalen Rezepten an der Seite stehen, und bekennen Sie sich zu einer sozialen Marktwirtschaft auch in der Handlung auf diesem Gebiet!
Ich erinnere die Damen und Herren der CDU daran, daß sie an Rhein und Ruhr auch das historische Erbe von Karl Arnold zu verwalten haben. Vielleicht können wir daraus eine Gemeinsamkeit für die Zukunftsinitiative Montanregionen herleiten. Es wäre gut, wenn sich der neue Landesvorsitzende der CDU, Norbert Blüm, endlich dieser Aufgabe einer gemeinsamen Initiative für den Ruhrraum konzentriert zuwenden und uns in unserer Zukunftsinitiative Montanregionen unterstützen würde.
Meine Damen und Herren, wenn Sie von den Regierungsfraktionen in Ihrem Entschließungsantrag nur von der Verlängerung des Stahlstandorteprogramms reden, vergessen Sie, zu sagen, daß primär Nord-
3548 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
Roth
rhein-Westfalen dieses Programm finanziert. Wenn Sie sich beispielsweise rühmen, die Bundesregierung habe für Montan- und Schuhregion zusätzlich dreimal 60 Millionen DM ausgegeben, so möchte ich darauf hinweisen, daß Sie für die Küste für denselben Zeitraum 420 Millionen DM ausgegeben haben. Die Beschäftigten in den Montanregionen können mindestens Gleichbehandlung mit anderen Regionen erwarten.
Diese Politik wird ja auch in Ihren eigenen Reihen kräftig kritisiert. Zitieren möchte ich Herrn Strauß: Angesichts der Zusagen — sagt er — müsse das finanzielle Zugeständnis des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe als geradezu armselig bezeichnet werden. — Armselig! Dieses vernichtende Urteil, ist, wie gesagt, das Urteil Ihres Ministerpräsidenten in Bayern,
und zwar in einer Region, wo die Abhängigkeit vom Stahl weiß Gott nicht so groß ist wie an Rhein und Ruhr und an der Saar. Wir haben seinem Urteil nichts hinzuzufügen.
Am Schluß meiner Rede wende ich mich noch einmal an Sie von der CDU/CSU: Wollen Sie wirklich, daß 5 300 Beschäftigte in Duisburg-Rheinhausen, 5 050 in Bochum, Hattingen und Hagen, 3 600 in Dortmund, 9 250 in Duisburg, 2 400 in Düsseldorf, 4 270 in Mülheim und in Oberhausen, 1 800 in Siegen, 600 in Troisdorf, 600 in Bremen, 1 200 in Osnabrück und 2 800 in Salzgitter ihren Arbeitsplatz verlieren, ohne daß es ein Konzept Montanregionen für die Zukunft gibt? Das ist die heutige Situation.
Wollen Sie tatsächlich den Kahlschlag der Montanregionen?
Ich wende mich noch einmal ganz besonders an die 58 CDU-Mitglieder aus NRW. Sie wissen doch, was auf das Revier zukommt. Wollen Sie tatsächlich, daß in den nächsten Jahren, ohne eine neue Initiative des Bundes zu bekommen, 200 000 Arbeitsplätze im Ruhrgebiet und in den übrigen Montanregionen vernichtet werden? Wollen Sie das wirklich akzeptieren? Wollen Sie ihre Landespartei, jedenfalls Ihre Kollegen im Landtag, weiterhin im Regen stehen lassen?
Wir fordern hier eine gemeinsame Initiative der beiden großen Parteien.
Meine Damen und Herren, jetzt gleich spricht der Bundeswirtschaftminister, der interessiert mich heute nur sekundär. Mich interessiert der Bundeskanzler, und mich interessiert die CDU/CSU-Fraktion bezogen auf die heutige Situation in Rheinhausen, im Ruhrgebiet insgesamt. Sie wissen, was dort auf den Straßen geschieht. Eine Beruhigung wird erst eintreten, wenn Sie die Initiative Montanregionen übernehmen, wenn Sie uns unterstützen.