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ID1104931200

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    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sigrid Folz-Steinacker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer erinnert sich nicht an die schockierenden Bilder und Berichte von Hunger und Elend, die uns während der Dürrekatastrophe in Äthiopien und den übrigen afrikanischen Ländern der Sahelzone 1984, 1985 über die Medien erreichten? Diese Berichterstattung löste weltweit einen Schock aus, ermöglichte aber auch eine gewaltige internationale Hilfsaktion. Dadurch konnten Millionen von Menschen vor dem Hungertod gerettet werden.
    3524 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Folz-Steinacker
    Dennoch kam für viele Hungernde jede Hilfe zu spät. Das konnte geschehen, weil insbesondere die äthiopische Regierung zunächst die sich anbahnende Katastrophe nicht eingestehen wollte. Aber auch die internationale Gebergemeinschaft hatte die Situation unterschätzt, obwohl es frühzeitig Hinweise auf die Auswirkungen der Dürreperiode gab. Als dann die massive Hilfsaktion einsetzte, waren erhebliche Transportprobleme und Koordinierungsschwierigkeiten zu überwinden.
    Angesichts dieser Erfahrungen sind sich heute alle Verantwortlichen darin einig, daß künftig durch rechtzeitiges Handeln und eine umfassende Vorbereitung und Koordinierung der Hilfsprogramme derartige Gefahren vermieden werden müssen.
    Die Welternährungslage hatte sich 1986 insgesamt verbessert, wobei die Entwicklungsländer ihre Agrarproduktion deutlich steigern konnten. Besonders erfreulich war dabei das positive Abschneiden Afrikas, das neben dem Nahen Osten erhebliche Zuwächse erzielen konnte. Statistisch gesehen müßten alle Menschen auf der Erde satt werden können, da weltweit heute mehr Nahrung produziert wird, als die Menschheit zur Mindestversorgung benötigt.

    (Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Holtz [SPD])

    Dieser positiven Entwicklung stehen jedoch auch weiterhin strukturelle Nahrungsmitteldefizite vieler Entwicklungsländer und eine wachsende Zahl unterernährter Menschen in diesen Ländern gegenüber. Die Zahl der Hungernden und Unterernährten auf der Welt beträgt laut FAO gegenwärtig zirka 512 Millionen. Meine Damen und Herren, das sind 512 Millionen Menschen zuviel.
    Nach den vorliegenden Berichten aus Äthiopien hatte sich Ende 1987 die Ernährungslage in diesem Land, besonders in den nördlichen und den östlichen Provinzen, infolge des fast vollständigen Ernteausfalls ganz dramatisch verschlechtert. Es muß befürchtet werden, daß hier erneut eine Hungerkatastrophe droht, die noch größere Ausmaße als in den Jahren 1984, 1985 erreichen könnte. Und Hunger tut weh. Das haben wir hoffentlich bis heute noch nicht vergessen.
    Nach inoffiziellen Angaben beträgt die Zahl der vom Hungertod bedrohten Menschen sogar 7 bis 8 Millionen. Bei diesen Meldungen stellt sich ganz zwangsläufig die Frage nach den Gründen dieser erneuten Katastrophe. Fehlende Niederschläge, aber auch die von der äthiopischen Regierung vorgenommene Kollektivierung des bäuerlichen Besitzes sowie gewaltsame Umsiedlungs- und Verdorfungsprogramme spielen hierbei eine ganz, ganz große Rolle.
    Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP haben mit ihrem Antrag Ernährungssicherung in Hungerregionen vom 14. Oktober 1987 auf Grund sich abzeichnender Ernährungskrisen in Äthiopien und in den anderen Regionen dieser Welt, wie ich hoffe, frühzeitig die Initiative ergriffen. Auf Grund der besonders dringlichen und sich fast dramatisch zuspitzenden Situation in Äthiopien haben sich alle vier — ich betone: alle vier — im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen darüber hinaus auf einen
    interfraktionellen Antrag Ernährungssituation in Äthiopien geeinigt, in dem die Bundesregierung zur Durchführung eines umfangreichen Sofortprogramms sowie längerfristiger Maßnahmen zur Ernährungssicherung in Äthiopien aufgefordert wird.
    Die damit deutlich gewordene Gemeinsamkeit aller Fraktionen in dieser entscheidenden humanitären Frage, in der es um das Überleben von Millionen Menschen geht, möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich begrüßen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Bemerkenswert sind an diesem Antrag auch die darin festgelegten politischen und organisatorischen Grundsätze für das Hilfsprogramm. Ich habe versprochen zu kürzen. Deswegen lese ich das nicht vor; Sie finden es in dem Antrag.
    Meine Damen und Herren, immer dann, wenn in den Ländern der Dritten Welt Notsituationen in der Ernährung auftreten, spielen dabei Naturereignisse eine ganz große Rolle. Es wäre jedoch falsch, wenn wir nur darin die Hauptursachen für Hunger und Armut in den Entwicklungsländern sehen würden.
    Lassen Sie mich daher einmal die aus meiner Sicht häufigsten Ursachen aufführen.
    Erstens. Zu den klimatischen Ursachen gehören und gehörten natürlich die wiederholt auftretenden Dürreperioden, z. B. in der Sahel-Zone. Eine Ausdehnung der Wüsten und damit die Verringerung landwirtschaftlich nutzbarer Fläche beruht jedoch nicht nur auf einer anhaltenden Dürre, sondern vor allem auf der extremen Ausbeutung des Bodens, seiner Überlastung mit Vieh, schlechter Bewässerung und der, wie man sagen kann, unkontrollierten Abholzung.
    Zweitens. Hohes Bevölkerungswachstum frißt das wirtschaftliche Wachstum auf, verhindert Entwicklung und macht Armut und Hunger zum Dauerzustand.
    Drittens. Eine verfehlte Landwirtschaftspolitik ist außerdem in vielen Entwicklungsländern für die anhaltende Produktionskrise in der Landwirtschaft verantwortlich. Die Ausschöpfung des natürlichen Produktionspotentials wird häufig durch unzureichende preisliche Produktionsanreize, leistungshemmende Agrarverfassungen, schwache Markt-, Finanzierungs- und Infrastrukturen, die Vernachlässigung und vielfach Benachteiligung der Landwirtschaft — insbesondere der Kleinbauern — sowie durch eine einseitige Begünstigung des industriellen Sektors und durch überbewertete Wechselkurse verhindert.
    Viertens. Ungünstige Betriebsstrukturen — ich kann Ihnen das leider nicht ersparen; es ist sehr wichtig, daß ich das hier vortrage —

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    durch eine sozial und wirtschaftlich ungerechte Verteilung der Produktionsfaktoren und Produktionsergebnisse.
    Fünftens. Politische Krisen, die sich in bewaffneten Auseinandersetzungen äußern, riesige Flüchtlingsströme verursachen und zu Hungersituationen führen. Das hat meine Kollegin schon richtig ausgeführt.
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3525
    Frau Folz-Steinacker
    Sie sehen: Wir haben wirklich einen Antrag zusammengestellt, der von allen vier Fraktionen getragen wird.
    Sechstens. In vielen Entwicklungsländern geht ein großer Teil der erzeugten Nahrungsmittel durch falsche Behandlung, unsachgemäße Lagerung sowie Schädlinge verloren. Es ist daher auch eine Notwendigkeit, Maßnahmen zur Verringerung dieser vermeidbaren Verluste zu unterstützen. Diese Verluste sind wirklich vermeidbar; nur müßten wir da etwas tun.
    Die FDP-Fraktion, meine Damen und Herren, begrüßt die Hilfe der Bevölkerung, das Engagement der nichtstaatlichen Trägerorganisationen sowie die Anstrengungen von Bundesregierung und multilateralen Institutionen bei der Bekämpfung des Hungers in Afrika und natürlich auch in anderen Regionen dieser Welt.
    Nahrungsmittelhilfe ist jedoch nur zur kurzfristigen Bekämpfung extremer Notsituationen geeignet.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wir müssen darauf achten, daß Nahrungsmittelhilfe nicht zur Dauereinrichtung wird. Vor allem darf Nahrungsmittelhilfe nicht die einheimischen landwirtschaftlichen Anstrengungen unterlaufen, und sie sollte auch nicht an Überschüssen der Geberländer orientiert sein.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    — Ich freue mich, daß Sie alle mit mir zufrieden sind.
    Wir wissen, daß die Mehrzahl der armen und an chronischer Unterernährung leidenden Menschen in den Entwicklungsländern auf dem Land lebt. Daher kommt der Förderung der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raumes in den Ländern der Dritten Welt eine ganz besondere Bedeutung zu.
    Für uns Liberale steht fest: Nur wenn wir die Selbsthilfekräfte aller am Entwicklungsprozeß Beteiligten mobilisieren, günstige Rahmenbedingungen für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft schaffen, den Abbau staatlicher Eingriffe in die Preisbildung und Funktionsweise der Märkte und einen Abbau ineffizienter wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates erreichen, werden wir Fortschritte bei der Beseitigung von Hunger und Armut in den Ländern der Dritten Welt erzielen.
    Wir müssen unsere Partner in der Dritten Welt in einem ganz sachlichen Dialog von den Notwendigkeiten dieser unserer Politik überzeugen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat bei der Verfolgung dieser Ziele unsere ganze Unterstützung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD — Dr. Holtz [SPD]: Und unseren Druck!)

    — Um den Kollegen Holtz noch einmal zu verstärken: und unseren Druck. Wir passen da sehr genau auf.
    Meine Damen und Herren, die FDP-Bundestagsfraktion bittet die Mitglieder dieses Hohen Hauses,
    den vorliegenden Anträgen der Koalitionsfraktion „Ernährungssicherung in Hungerregionen" sowie dem interfraktionellen Antrag „Ernährungssituation in Äthiopien" zuzustimmen.
    Danke.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Großmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Achim Großmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir haben — dies ist schon mehrfach erwähnt worden — zwei Anträge heute abend auf der Tagesordnung. Da man in zehn Minuten nicht einen Parforceritt durch die ganze Welt machen kann, möchte ich mich in meinem Redebeitrag auf die Situation in Äthiopien beschränken und diesem Land die ganze Aufmerksamkeit widmen.
    Als ich im September dieses Jahres in Äthiopien war, war die drohende Hungerkatastrophe bereits vorherzusehen. In einem Gespräch mit Berhanu Jembere, dem Vorsitzenden der Relief & Rehabilitation Commission Äthiopiens konnte man bereits die Dimensionen der Katastrophe erahnen. Es wurden Zahlen genannt, die sich jetzt nicht nur bestätigen, sondern die wahrscheinlich sogar schlimmer werden. Damals wurde bereits gesagt, daß man eine Million Tonnen Nahrungsmittelhilfe brauchen würde, um die Ernteausfälle zu kompensieren. Damals bestand noch einiges an Hoffnung: Die Bauern hatten teilweise zum zweitenmal eingesät, und im September hoffte man auf weitere Regenfälle, die dann aber ausblieben.
    Seit mehreren hundert Jahren lassen sich in Äthiopien im Durchschnitt alle elf Jahre Dürreperioden nachweisen. Das Land ist geradezu verdammt, mit diesem Phänomen zu leben. Trotzdem müssen wir uns fragen, warum die Abstände der Dürreperioden immer kürzer werden und warum das Ausmaß der Katastrophen immer größer wird.
    In Äthiopien leben derzeit etwa 46 Millionen Menschen. Bei einem Bevölkerungswachstum von etwa 2,8 % pro Jahr kann man leicht errechnen, daß es im Jahr 2000 etwa 68 Millionen Menschen sein werden. Das sind 50% mehr als heute.
    Bereits heute wird es jedoch immer schwieriger, diese Menschen zu ernähren. Das hat auch schwerwiegende ökologische Folgen: Nur noch 2,5 % des Landes sind bewaldet. Eine systematische Überweidung läßt vielerorts nichts mehr wachsen. Die Erosion des Mutterbodens nimmt dramatische Formen an: 50% des Hochlandes sind bereits stark erodiert, 10 % sind so stark erodiert,. daß dort überhaupt nichts mehr wächst. An vielen Stellen verwandelt sich ehemals fruchtbares Land in Wüste.
    Ein Beispiel aus diesem Szenario: Weil Holz fehlt und Brennholz zunehmend durch andere Materialien, z. B. getrockneten Mist und Ernterückstände, ersetzt wird, die auf der anderen Seite als potentieller Dünger dem Boden dann nicht mehr zugute kommen können, kommt es nach Schätzungen der Weltbank zu Ernteausfällen in Höhe von einer Million Tonnen Getreide und Nahrungsmitteln. Das heißt, es kommt zu Ernte-
    3526 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Großmann
    ausfällen in genau der gleichen Höhe, wie wir jetzt Hilfe leisten müssen.
    Der zweite Grund sind sicherlich die seit Jahrzehnten in einigen Landesteilen wütenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie führen dazu, daß Heuschreckenplagen nicht mehr systematisch bekämpft werden, daß vielerorts Felder nicht mehr richtig bestellt werden können und daß oft an sehr unzugänglichen Stellen, die man dann auch nicht erreichen kann, Felder angelegt werden, etwa an steilen Hängen, was die Bodenerosion natürlich noch beschleunigt.
    Fatal ist auch, daß alle an diesem Bürgerkrieg Beteiligten in der Gefahr sind, die Hungerkatastrophe für sich auszunutzen, wie es schon einmal passiert ist, sie für sich quasi zu instrumentalisieren. Da werden Lebensmitteltransporte überfallen, da findet ein Vertragspoker statt, um vielleicht auf diesem Wege eine Art von offizieller Anerkennung zu bekommen. Da öffnet sich natürlich auch plötzlich eine Weltöffentlichkeit, die geradezu herausfordert, eigene Ziele, Programme und Appelle öffentlich zu machen. Auf all das reagiert die äthiopische Regierung, und so folgt der Subversion die Repression, ein Teufelskreis gewaltsamer Auseinandersetzungen.
    Man muß dies wissen, um unseren gemeinsamen Antrag zu verstehen. Schon einmal haben die Europäische Gemeinschaft, westeuropäische Länder, die Bundesrepublik, viele Bürger unseres Landes dazu mitgeholfen und dazu beigetragen, daß Hunger in Äthiopien beseitigt wird. Damals kam die Hilfe für viele zu spät, auch deshalb, weil die äthiopische Regierung zu spät die Weltöffentlichkeit alarmierte. Etwa eine Million Menschen starben.
    Heute wissen wir früher Bescheid, schon seit einigen Monaten. Die Hilfe wird wieder dringend gebraucht, denn schon gibt es die ersten erschreckenden Nachrichten, daß die Menschen in den betroffenen Gebieten Äthiopiens nicht warten, bis die Hilfe kommt, sondern daß sich viele Tausende schon auf den Weg gemacht haben, aus ihren Dörfern und Gebieten weggezogen sind und vor den Städten lagern, wo sie bereits 1984/85 Hilfe bekamen. Rechnete man zunächst damit, etwa im Januar/Februar 1988 werde es den Höhepunkt der Not geben, so erkennen wir jetzt, daß sich der Hunger nicht an Fristen hält. Deshalb ist schnelle und gezielte Hilfe unaufschiebbar.
    Unser gemeinsamer Antrag fordert daher die Bundesregierung auf, sofort alles Nötige zu veranlassen, um eine solche Hilfe sicherzustellen.
    Dazu zählt die Nahrungshilfe selbst, aber vor allem die Möglichkeit, die Lebensmittel in die betroffenen Landesteile zu bringen, das heißt, dafür zu sorgen, daß die Nahrungsmittelhilfe die Betroffenen erreicht.
    Mit großer Dankbarkeit stellen wir fest, daß auch viele Nichtregierungsorganisationen sich wieder an der Hilfe beteiligen, wie es schon vor drei, vier Jahren der Fall war.
    Die Hilfe muß jedoch noch stärker werden. Wir müssen sicherstellen, daß uns nicht erneut erst die Bilder verhungerter Kinder aufrütteln.
    Wenn wir diesen ersten Schritt, ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen, geschafft haben, kommt das zweite große Problem, nämlich, wie gesagt, sicherzustellen, daß die Betroffenen erreicht werden. Diesem humanitären Ziel müssen alle anderen Ziele untergeordnet werden.
    Das heißt konkret: Die äthiopische Regierung muß Nahrungsmitteltransporte in umkämpfte Gebiete durchlassen, also auch nach Eritrea und Tigre. Die dort tätigen humanitären Organisationen müssen ihre Arbeit ungehindert leisten können. Befreiungsbewegungen aus Tigre und Eritrea dürfen ebenso wie die äthiopische Regierung die drohende Hungersnot nicht für politische und militärische Ziele mißbrauchen. Keine am Bürgerkrieg beteiligte Seite darf Hilfslieferungen beschlagnahmen oder zerstören. Die Transportmittel, die Äthiopien erneut zur Verfügung gestellt werden, dürfen weder jetzt noch später zu militärischen Zwecken eingesetzt werden. Das sind drei zentrale Forderungen an die Nahrungsmittelhilfe.
    Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Forderungen durchzusetzen.
    Diese kurze Debatte sollte aber auch den Anstoß geben, uns mit Äthiopien intensiver zu beschäftigen, vielleicht nicht heute, aber in naher Zukunft. Es wäre nicht gut, wenn wir uns nur von Katastrophe zu Katastrophe mit diesem Land beschäftigten.
    Deshalb enthält der Antrag die weitere Forderung, durch eine mittel- und langfristige Politik sicherzustellen, daß die Ursachen des Hungers bekämpft werden; das heißt — das ist hier schon mehrmals gesagt worden — erstens bei der friedlichen Lösung der Konflikte in diesem Land verstärkt mitzuhelfen und zweitens Äthiopien bei der ökologischen Offensive zu helfen, die das Ziel hat, den Boden zu rehabilitieren und aufzuforsten, seine Erosion zu stoppen, seine Fruchtbarkeit zu vermehren und seine Überbelastung zu vermeiden. Es gibt eine Menge Anstrengungen der äthiopischen Regierung in dieser Richtung, die man unterstützen kann.
    Die Lösung der Probleme kann jedoch nicht nur von außen erfolgen. Hier ist die äthiopische' Regierung selber gefordert. Die neue Verfassung, seit September 1987 in Kraft, gibt Anzeichen dafür, daß die Politik der äthiopischen Regierung berechenbarer wird. Es ist Zeit, die Urteile und Vorurteile über die äthiopische Regierung und die äthiopische Politik zu überprüfen. Wir werden das aber kritisch und mit großer Aufmerksamkeit tun.
    Wir appellieren an die äthiopische Regierung gerade heute am Tag der Menschenrechte, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Aus dem Verfassungstext muß die Regierung eine nachprüfbare Verfassungswirklichkeit werden lassen.
    Wir hoffen, daß die Tatsache, daß erneut eine große Welle der Hilfsbereitschaft, des menschlichen Mitfühlens und der Solidarität mit den Hungernden in Äthiopien erkennbar ist, auch die äthiopische Regierung nachdenklich macht und dazu bringt, diese Hilfsbereitschaft, dieses Mitgefühl und diese Solidarität auch in die eigene Politik einfließen zu lassen.
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3527
    Großmann
    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei allen Fraktionen)