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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Schreiber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es ist sicher richtig — und, wie ich glaube, auch wichtig — , daß der Ministerpräsident des Saarlandes in einer Kohledebatte das Wort ergreift,

    (Dr. Unland [CDU/CSU]: Aber doch nicht so!)

    in einer Kohledebatte, die ja auch für das Saarland mit seinen strukturellen Problemen von großer Wichtigkeit ist. Ich sage Ihnen aber, Herr Ministerpräsident: Bei dem Stil, in dem Sie hier am heutigen Nachmittag geredet haben, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie den Interessen des Saarlandes eher schaden als nützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD: Na! Na!)

    Ich füge eines hinzu: Als Abgeordneter aus diesem Lande bin ich geneigt, mich hier in diesem Hohen Hause für meinen Ministerpräsidenten zu entschuldigen

    (Unruhe bei der SPD)

    für die Art und Weise, in der hier diskutiert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD — Zuruf von den GRÜNEN: Übernehmen Sie sich nicht!)

    Meine Damen und Herren, ich denke auch — —

    (Schily [GRÜNE]: Das ist ja fein!)

    — Herr Kollege, wenn Sie nach der Qualität Ihrer Zwischenrufe bezahlt würden, lägen Sie weit unter dem Sozialhilfeniveau. Das darf ich Ihnen bei dieser Gelegenheit vielleicht einmal sagen.
    Klarstellen wollte ich dies: Wenn man sich hier schon hinstellt und mit Zahlen jongliert, wenn man hier mit Vermutungen jongliert,

    (Dr. Vogel [SPD]: Wollen Sie sich nicht wieder entschuldigen?)

    sollte man sich, so denke ich, in den einzelnen Fragen auch wirklich an die Tatsachen halten. Herr Ministerpräsident, wenn ich mir Ihre Passagen mit der rechtlichen Würdigung in bezug auf die EVUs einmal kritisch ansehe, muß ich sagen: Sie fordern ja die EVUs geradezu dazu heraus,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ihre rechtliche Sicht in praktische Wirklichkeit umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe in Ihren Ausführungen auch nicht einen einzigen Satz dazu gehört, wie wir beispielsweise nach 1992 der Herausforderung begegnen, die darin bestehen wird, daß der gemeinsame Binnenmarkt uns in volle Konkurrenz mit dem billigen Atomstrom aus Frankreich treten läßt. Auch das sind doch Fakten, die wir ehrlicherweise miteinander diskutieren müssen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das sind keine Fakten!)

    Meine Damen und Herren, natürlich begrüße ich vor diesem Hintergrund und angesichts der Schwierigkeiten der Kohle nachdrücklich, daß die saarländische Landesregierung am vergangenen Montag einen Weg aus der Sackgasse gefunden hat, in die sie sich selbst hineinmanövriert hatte; denn wie bekannt hat die saarländische Kohlerunde am Montag dieser Woche einen Konsens gefunden. Ich füge aber eines hinzu — und ich sage das genauso kritisch, meine sehr verehrten. Damen und Herren — : Es nützt den Kumpels nichts, aber auch überhaupt nichts, wenn parteitaktische Überlegungen auf ihrem Rücken ausgetragen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und es nützt ihnen auch nichts, wenn die Situation der Kohle nicht nüchtern und klar analysiert wird. Nur vor dem Hintergrund solcher Analysen, nüchterner Analysen, Herr Kollege, können energiepolitische Entscheidungen reifen und mit sozialen Überlegungen verknüpft werden.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Man muß die Wahrheit sagen!)

    Ich füge noch eines hinzu in bezug auf das, was der Ministerpräsident hier gesagt hat, und auch in bezug auf das, was er gegenüber dem Kollegen Blüm, wie ich meine in einer unmöglichen Art und Weise gesagt hat:

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Flegelhaft war das!)

    Wir haben im Saarland in der Zeit vor 1985 in Sachen Stahl erlebt, wie es ist, wenn unrealistische Lösungsvorschläge vorgegaukelt werden. Die Enttäuschung ist hinterher um so größer. Oder will irgend jemand hier behaupten, daß die Stahlkrise im Saarland durch die neue Regierung Lafontaine gelöst worden sei?
    Meine Damen und Herren, es nützt den Kumpels auch nichts — wenn ich auch das noch an die Adresse des Ministerpräsidenten sagen darf — , wenn in einer Art Verschiebebahnhof die Schuld immer wieder nach Bonn geschoben wird. Dadurch wird nicht ein einziger Arbeitsplatz gesichert. Dadurch gibt es keine
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3473
    Schreiber
    Perspektive für den Kohlebergbau, auch nicht im Saarland.
    Ich habe natürlich auch einiges gehört, was ich mittragen kann. — Lassen Sie mich die Frage des Föderalismus ansprechen. Föderalismus bedeutet natürlich auch Solidarität der Länder und der Regionen untereinander. Es ist für mich eine Tatsache, daß Energiepolitik, daß Kohlepolitik eine nationale Aufgabe ist und daß auch die revierfernen Länder — da sind wir uns einig — einen Beitrag zur Solidarität leisten müssen, wie auch — das darf ich vielleicht hier einmal mit einbringen — die airbusfernen Länder bei der Subvention des Airbus einbezogen werden müssen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Ich denke, daß es aber auch darum geht, den Konsens wiederherzustellen. Das ist doch entscheidend. Die Festsetzung des Kohlepfennigs, über den wir heute nachmittag debattieren, ist eben im wesentlichen deshalb notwendig — der Kollege Gerstein hat darauf hingewiesen — , um die politische Akzeptanz zwischen den Ländern aufrechtzuerhalten. Das bedeutet aber — so schön die Durchsetzung der sogenannten reinen Lehre ist — , daß man aufeinander zugehen muß. Und um nichts anderes geht es am heutigen Nachmittag. Deshalb erwarte ich von allen Beteiligten, daß ernsthafte Bemühungen um die Wiederherstellung einer breiten Übereinstimmung bei der Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland angestellt werden, einer Übereinstimmung, die der deutschen Kohle eine langfristige und verläßliche Perspektive sichert. Und es geht eben nicht, daß im Saarland nach dem Motto gehandelt wird: Am saarländischen Wesen soll die Welt genesen.
    Wir wissen, daß die Situation der heimischen Steinkohle durch die Veränderungen auf dem Stahlsektor, die Auswirkungen des Energiesparens, die Verbrauchsrückgänge im Wärmemarkt und die gegenwärtig extreme Preisdifferenz zu den übrigen Primärenergieträgern in außergewöhnlicher Weise belastet worden ist. Dies erfordert eben eine — schwierige — Anpassung der Förderkapazität an die veränderten nationalen und internationalen Verhältnisse.
    Unser Ziel muß daher sein — ich bekenne mich dazu — , die notwendige Anpassung politisch und sozial beherrschbar zu machen. Das bedeutet für das Saarland, daß eine sozialpolitische und regionalpolitische Flankierung notwendig ist. Hinzu kommen sicher Grundsatzüberlegungen wie: Zugang zu den Lagerstätten, Verbundlösungen und Produktionsflexibilität, aber eben auch — und deshalb brauchen wir den Konsens — eine effektive Interessenvertretung gerade auch im Hinblick auf die einzige noch verbliebene verläßliche Säule, den Jahrhundertvertrag.
    Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß die IG Bergbau und Energie ein realistisches Konzept in die Diskussion eingebracht hat. Es ist den Kolleginnen und Kollegen sicher nicht leichtgefallen, die Situation realistisch einzuschätzen und entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Insofern stehen wir von der saarländischen CDU — das gilt auch für die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion — diesen Überlegungen näher als die SPD-geführte Landesregierung des Saarlandes.
    Lassen Sie mich auch im Namen der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammenfassend feststellen:
    Erstens. Der Abbau der Überkapazitäten und der Rückgang der Belegschaften im Steinkohlenbergbau ist unter den betroffenen Belegschaften und Regionen zumutbaren Bedingungen nur in einem längeren Überbrückungszeitraum möglich.
    Zweitens. Die Anpassung muß für die betroffenen Bergleute zumutbar sein und in Revieren und Arbeitsmarktregionen verkraftet werden können. Das ist nur in einem Gesamtkonzept möglich, das nicht durch Einzelfallentscheidungen an bestimmten Standorten den Anpassungsbedarf im deutschen Bergbau im ganzen präjudiziert.
    Drittens. Die im Jahrhundertvertrag garantierten Absatzmengen der deutschen Steinkohle für die Verstromung stehen für den geltenden Vertragszeitraum nicht zur Debatte. Sie sind im Interesse der Sicherung unserer Energieversorgung auch für die angestrebte Verlängerung dieses Vertragswerkes den dafür erforderlichen Verhandlungen zugrundezulegen.
    Ich sehe, das Lämpchen blinkt. Ich darf zum Abschluß vielleicht noch auf etwas hinweisen. Sie haben den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorliegen. Ich möchte hier eine redaktionelle Änderung bekanntgeben. Es muß im vierten Absatz statt „Die Meldungen über die Freisetzungen in der Stahlindustrie ... " heißen: „Die Meldungen über den Arbeitsplatzabbau in der Stahlindustrie ... "

    (Dr. Hauff [SPD]: Habt ihr es gemerkt?)

    Das weitere bleibt wie angeführt. Sie können davon ausgehen, daß wir diesen Antrag so eingebracht haben.
    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, daß wir in der Tat zu einem Konsens kommen für die Kohle und vor allen Dingen für die Kumpels.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Jung (Düsseldorf).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Jung


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es eine durchaus bemerkenswerte Übereinstimmung in dieser kohlepolitischen Diskussion gibt, dann liegt sie in der Übereinstimmung der Fundamentalisten bei den GRÜNEN und der Fundamentalisten in der Bundesregierung. Beide wollen nämlich eine Aufgabe der Kohlevorrangpolitik.

    (Beifall bei der SPD — Stratmann [GRÜNE]: Aber auch die grünen Realos! Sie irren sich!)

    Nur sagen es die einen sehr offen. Sie schreiben es in ihren Antrag. Dabei bringen die GRÜNEN das Kunststück fertig, auf der einen Seite die Aufgabe der Kohlevorrangpolitik zu betreiben und auf der anderen
    3474 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Jung (Düsseldorf)

    Seite die Erhöhung des Kohlepfennigs auf 9,3 % vorzuschlagen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Kurzfristig — langfristig!)

    Die anderen machen das verdeckt. Sie sprechen davon, daß das Mengengerüst des Jahrhundertvertrags erhalten bleiben soll. Aber im Prinzip werden alle kohlepolitischen Instrumente nacheinander zur Disposition gestellt und damit die eigentliche Verunsicherung des Steinkohlenbergbaus, auch die Verunsicherung der Elektrizitätswirtschaft und der industriellen Kraftwirtschaft bewirkt.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Teil ist die krisenhafte Entwicklung, die durch die Entwicklung der Weltenergiemarktpreise hervorgerufen worden ist, die nicht ohne Wirkung auf die Situation der deutschen Steinkohle sein konnte. Der andere Teil ist aber die Krise der Kohlepolitik selbst, die dadurch verursacht worden ist, daß in der Tat die einzelnen Instrumente nacheinander zur Disposition gestellt worden sind.
    Herr Bangemann spricht hier von Absatzverlusten wegen der krisenhaften Entwicklung in der Stahlindustrie. Er meint, daß wir einen strukturellen Kapazitätsüberhang haben.

    (Bundesminister Dr. Bangemann: Richtig!)

    Dieser Gesichtspunkt muß ernst genommen werden, wenn aber auch hier die Frage zu stellen ist: Was hat die Bundesregierung in Brüssel getan, um diese Situation wenigstens nicht in dieser Schärfe heute hervortreten zu lassen? Man muß weiterhin die Frage stellen, warum zum gleichen Zeitpunkt der Steinkohlenbergbau gedrängt wird, den Verzicht auf die Kokskohlenbeihilfe nicht erst ab 1991, so wie es bei der Verlängerung der Hüttenverträge vereinbart worden ist, sozial verträglich und beschäftigungspolitisch möglich anzupassen, sondern bereits ab 1988 einzuleiten. Da gehen der Steinkohle weitere 6 Millionen Tonnen an Absatz verloren.
    Man muß auch die Frage stellen, welche Wirkung das Auslaufen des Fernwärmeprogramms für die Kohle im Wärmemarkt hat, man muß fragen, welche Wirkung es haben wird, wenn auch noch der Verdrängungsnachweis abgeschafft wird, so wie das von der Bundesregierung zur Diskussion gestellt worden ist. Dann haben wir hier politisch bedingte Absatzeinbrüche von ganz erheblichem Umfang. Dann ist es richtig, wenn die IG Bergbau darauf hinweist, daß das eigentliche Standbein in der Kohlepolitik die Verstromungsfrage ist und daß hier der Absatz erheblich ausgeweitet werden muß.
    Wenn Sie in dieser Situation die Senkung des Kohlepfennigs vorschlagen und hier im Bundestag durchsetzen werden, dann gefährden Sie damit in der Tat den Jahrhundertvertrag. Herr Bangemann hat selbst davon gesprochen, daß die Bugwelle nicht gedeckter Ausgleichsansprüche bei den Kraftwerksbetreibern, die Kohle verstromen, in diesem Jahr erheblich anwachsen wird. Wenn der Kohlepfennig weiter abgesenkt wird, wird diese Bugwelle noch erheblich zunehmen und zu einer erheblichen Hypothek für die Zukunft werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Man muß auch darauf hinweisen, daß die Haldenproblematik von Jahr zu Jahr zunimmt. Der Vorsitzende des Gesamtverbandes des Steinkohlenbergbaus hat auf dem Steinkohlentag darauf hingewiesen, daß die Halden beim Steinkohlenbergbau heute auf 18 Millionen Tonnen angewachsen sind. Man muß die nationale Kohlereserve von 10 Millionen Tonnen und jetzt auch noch die Halden von 15 Millionen Tonnen hinzurechnen, die sich bei den Energieversorgungsunternehmen angesammelt haben, die zwar die kontrahierten Mengen an Steinkohle abnehmen, aber sie offensichtlich nur zum Teil verstromen, weil betriebswirtschaftlich die Stromerzeugung auf Kernenergiebasis kostengünstiger ist. Das macht zusammen 43 Millionen Tonnen aus. Das ist genau die Menge, die in einem Jahr gemäß dem Jahrhundertvertrag verstromt werden soll.
    Wenn diese Hypothek in der Zukunft auch noch dazukommt, dann kann ich nicht sehen, wie dort noch eine vernünftige Anschlußregelung für den Jahrhundertvertrag gefunden werden kann. Dann ist dies eine ganz erhebliche Hypothek für die Zukunft, und diesen Scherbenhaufen, den wir dann zu beklagen haben, haben Sie angerichtet, Herr Bundeswirtschaftsminister.

    (Beifall bei der SPD)

    Insofern ist die Absenkung des Kohlepfennigs von 7,5 auf 7,25 % im nächsten Jahr ein falsches Signal; es stellt die Weichen in eine falsche Richtung. Ich meine, daß sich bei allen Beteiligten inzwischen der Eindruck eingestellt hat, daß der Bundeswirtschaftsminister eine drastische Einschränkung der Kohleförderung haben will. Wenn aber heute die CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen und aus dem Saarland dieses Signal mit beschließen wollen, dann geraten sie in einen erheblichen Widerspruch zu dem, was sie bislang öffentlich zum Ausdruck gebracht haben,

    (Beifall bei der SPD)

    und insbesondere zu dem, was in den beiden Landtagen beschlossen worden ist.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Dann schreibt Herr Posser einen Brief!)

    Dieses Signal in die falsche Richtung werden wir nicht mittragen, sondern wir werden dieser Verordnung nicht zustimmen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Warum denn nicht 9,3 %?)

    Sie ist nach unserer Auffassung das Signal für den Einstieg in den Ausstieg. Wir wollen es bei der derzeitigen Regelung von 7,5 % Kohlepfennig belassen, und zwar mindestens so lange, bis in einer gemeinsamen, in einer nationalen Kohlerunde ein Konzept für die Zukunft der Steinkohle gefunden wird, das dann von allen einvernehmlich getragen werden kann.
    Dabei stehen natürlich ein paar sehr schwierige branchenspezifische, regionalpolitische und finanzpolitische Fragen zur Diskussion, und ich sage hier — Oskar Lafontaine hat das vor mir gesagt — : Bei uns
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3475
    Jung (Düsseldorf)

    gibt es in diesen Fragen kein Tabu. Aber das ist nicht eigentliches Problem. Das eigentliche Problem ist die Sicherung des Mengengerüstes des Jahrhundertvertrages, damit :vir eine langfristige Planungsgrundlage für den Steinkohlenbergbau, für die Elektrizitätswirtschaft bekommen und damit wir vor allem wieder die Zukunft der Menschen in den Revieren sichern.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)