Rede von
Werner
Schreiber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es ist sicher richtig — und, wie ich glaube, auch wichtig — , daß der Ministerpräsident des Saarlandes in einer Kohledebatte das Wort ergreift,
in einer Kohledebatte, die ja auch für das Saarland mit seinen strukturellen Problemen von großer Wichtigkeit ist. Ich sage Ihnen aber, Herr Ministerpräsident: Bei dem Stil, in dem Sie hier am heutigen Nachmittag geredet haben, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie den Interessen des Saarlandes eher schaden als nützen.
Ich füge eines hinzu: Als Abgeordneter aus diesem Lande bin ich geneigt, mich hier in diesem Hohen Hause für meinen Ministerpräsidenten zu entschuldigen
für die Art und Weise, in der hier diskutiert wird.
Meine Damen und Herren, ich denke auch — —
— Herr Kollege, wenn Sie nach der Qualität Ihrer Zwischenrufe bezahlt würden, lägen Sie weit unter dem Sozialhilfeniveau. Das darf ich Ihnen bei dieser Gelegenheit vielleicht einmal sagen.
Klarstellen wollte ich dies: Wenn man sich hier schon hinstellt und mit Zahlen jongliert, wenn man hier mit Vermutungen jongliert,
sollte man sich, so denke ich, in den einzelnen Fragen auch wirklich an die Tatsachen halten. Herr Ministerpräsident, wenn ich mir Ihre Passagen mit der rechtlichen Würdigung in bezug auf die EVUs einmal kritisch ansehe, muß ich sagen: Sie fordern ja die EVUs geradezu dazu heraus,
Ihre rechtliche Sicht in praktische Wirklichkeit umzusetzen.
Ich habe in Ihren Ausführungen auch nicht einen einzigen Satz dazu gehört, wie wir beispielsweise nach 1992 der Herausforderung begegnen, die darin bestehen wird, daß der gemeinsame Binnenmarkt uns in volle Konkurrenz mit dem billigen Atomstrom aus Frankreich treten läßt. Auch das sind doch Fakten, die wir ehrlicherweise miteinander diskutieren müssen.
Meine Damen und Herren, natürlich begrüße ich vor diesem Hintergrund und angesichts der Schwierigkeiten der Kohle nachdrücklich, daß die saarländische Landesregierung am vergangenen Montag einen Weg aus der Sackgasse gefunden hat, in die sie sich selbst hineinmanövriert hatte; denn wie bekannt hat die saarländische Kohlerunde am Montag dieser Woche einen Konsens gefunden. Ich füge aber eines hinzu — und ich sage das genauso kritisch, meine sehr verehrten. Damen und Herren — : Es nützt den Kumpels nichts, aber auch überhaupt nichts, wenn parteitaktische Überlegungen auf ihrem Rücken ausgetragen werden.
Und es nützt ihnen auch nichts, wenn die Situation der Kohle nicht nüchtern und klar analysiert wird. Nur vor dem Hintergrund solcher Analysen, nüchterner Analysen, Herr Kollege, können energiepolitische Entscheidungen reifen und mit sozialen Überlegungen verknüpft werden.
Ich füge noch eines hinzu in bezug auf das, was der Ministerpräsident hier gesagt hat, und auch in bezug auf das, was er gegenüber dem Kollegen Blüm, wie ich meine in einer unmöglichen Art und Weise gesagt hat:
Wir haben im Saarland in der Zeit vor 1985 in Sachen Stahl erlebt, wie es ist, wenn unrealistische Lösungsvorschläge vorgegaukelt werden. Die Enttäuschung ist hinterher um so größer. Oder will irgend jemand hier behaupten, daß die Stahlkrise im Saarland durch die neue Regierung Lafontaine gelöst worden sei?
Meine Damen und Herren, es nützt den Kumpels auch nichts — wenn ich auch das noch an die Adresse des Ministerpräsidenten sagen darf — , wenn in einer Art Verschiebebahnhof die Schuld immer wieder nach Bonn geschoben wird. Dadurch wird nicht ein einziger Arbeitsplatz gesichert. Dadurch gibt es keine
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3473
Schreiber
Perspektive für den Kohlebergbau, auch nicht im Saarland.
Ich habe natürlich auch einiges gehört, was ich mittragen kann. — Lassen Sie mich die Frage des Föderalismus ansprechen. Föderalismus bedeutet natürlich auch Solidarität der Länder und der Regionen untereinander. Es ist für mich eine Tatsache, daß Energiepolitik, daß Kohlepolitik eine nationale Aufgabe ist und daß auch die revierfernen Länder — da sind wir uns einig — einen Beitrag zur Solidarität leisten müssen, wie auch — das darf ich vielleicht hier einmal mit einbringen — die airbusfernen Länder bei der Subvention des Airbus einbezogen werden müssen.
Ich denke, daß es aber auch darum geht, den Konsens wiederherzustellen. Das ist doch entscheidend. Die Festsetzung des Kohlepfennigs, über den wir heute nachmittag debattieren, ist eben im wesentlichen deshalb notwendig — der Kollege Gerstein hat darauf hingewiesen — , um die politische Akzeptanz zwischen den Ländern aufrechtzuerhalten. Das bedeutet aber — so schön die Durchsetzung der sogenannten reinen Lehre ist — , daß man aufeinander zugehen muß. Und um nichts anderes geht es am heutigen Nachmittag. Deshalb erwarte ich von allen Beteiligten, daß ernsthafte Bemühungen um die Wiederherstellung einer breiten Übereinstimmung bei der Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland angestellt werden, einer Übereinstimmung, die der deutschen Kohle eine langfristige und verläßliche Perspektive sichert. Und es geht eben nicht, daß im Saarland nach dem Motto gehandelt wird: Am saarländischen Wesen soll die Welt genesen.
Wir wissen, daß die Situation der heimischen Steinkohle durch die Veränderungen auf dem Stahlsektor, die Auswirkungen des Energiesparens, die Verbrauchsrückgänge im Wärmemarkt und die gegenwärtig extreme Preisdifferenz zu den übrigen Primärenergieträgern in außergewöhnlicher Weise belastet worden ist. Dies erfordert eben eine — schwierige — Anpassung der Förderkapazität an die veränderten nationalen und internationalen Verhältnisse.
Unser Ziel muß daher sein — ich bekenne mich dazu — , die notwendige Anpassung politisch und sozial beherrschbar zu machen. Das bedeutet für das Saarland, daß eine sozialpolitische und regionalpolitische Flankierung notwendig ist. Hinzu kommen sicher Grundsatzüberlegungen wie: Zugang zu den Lagerstätten, Verbundlösungen und Produktionsflexibilität, aber eben auch — und deshalb brauchen wir den Konsens — eine effektive Interessenvertretung gerade auch im Hinblick auf die einzige noch verbliebene verläßliche Säule, den Jahrhundertvertrag.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß die IG Bergbau und Energie ein realistisches Konzept in die Diskussion eingebracht hat. Es ist den Kolleginnen und Kollegen sicher nicht leichtgefallen, die Situation realistisch einzuschätzen und entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Insofern stehen wir von der saarländischen CDU — das gilt auch für die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion — diesen Überlegungen näher als die SPD-geführte Landesregierung des Saarlandes.
Lassen Sie mich auch im Namen der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammenfassend feststellen:
Erstens. Der Abbau der Überkapazitäten und der Rückgang der Belegschaften im Steinkohlenbergbau ist unter den betroffenen Belegschaften und Regionen zumutbaren Bedingungen nur in einem längeren Überbrückungszeitraum möglich.
Zweitens. Die Anpassung muß für die betroffenen Bergleute zumutbar sein und in Revieren und Arbeitsmarktregionen verkraftet werden können. Das ist nur in einem Gesamtkonzept möglich, das nicht durch Einzelfallentscheidungen an bestimmten Standorten den Anpassungsbedarf im deutschen Bergbau im ganzen präjudiziert.
Drittens. Die im Jahrhundertvertrag garantierten Absatzmengen der deutschen Steinkohle für die Verstromung stehen für den geltenden Vertragszeitraum nicht zur Debatte. Sie sind im Interesse der Sicherung unserer Energieversorgung auch für die angestrebte Verlängerung dieses Vertragswerkes den dafür erforderlichen Verhandlungen zugrundezulegen.
Ich sehe, das Lämpchen blinkt. Ich darf zum Abschluß vielleicht noch auf etwas hinweisen. Sie haben den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorliegen. Ich möchte hier eine redaktionelle Änderung bekanntgeben. Es muß im vierten Absatz statt „Die Meldungen über die Freisetzungen in der Stahlindustrie ... " heißen: „Die Meldungen über den Arbeitsplatzabbau in der Stahlindustrie ... "
Das weitere bleibt wie angeführt. Sie können davon ausgehen, daß wir diesen Antrag so eingebracht haben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, daß wir in der Tat zu einem Konsens kommen für die Kohle und vor allen Dingen für die Kumpels.