Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir beschließen heute hier über die Ausgleichsabgabe für das Jahr 1988. Eigentlich müßte der Abgabensatz, gemessen an dem Finanzbedarf des Fonds, über der 9 %-Grenze liegen. Das ist hier eben auch schon angedeutet worden. Jeder weiß aber, daß damit der Sprengsatz der gemeinsamen Kohlepolitik gezündet wäre. Dies wäre auch sicherlich der Fall, wenn wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen würden.
Die FDP-Fraktion begrüßt, daß die Bundesregierung ein Konzept zur mittelfristigen Rückführung der Abgabe entwickelt hat. Ich appelliere an dieser Stelle an die Revier- und revierfernen Länder, das Mögliche zu tun, um die gemeinsame Kohlepolitik fortzuführen. Auch die Elektrizitätswirtschaft muß noch deutlicher erkennen, daß nur Kohle mit Kernenergie und nicht Kernenergie mit ein klein wenig Kohle der politisch getragene Konsens für eine gemeinsame Energiepolitik sein kann.
Wir stehen vor einer Kohlerunde, die morgen stattfindet, die bei den Beteiligten ein Höchstmaß an Konsensbereitschaft voraussetzt. Die Lage der Kohle ist nicht nur auf Grund der veränderten weltwirtschaftlichen Energiesituation, sondern auch vor dem Hintergrund der Probleme in der deutschen Stahlindustrie wirtschaftlich außerordentlich schwierig. Nur wenn alle Beteiligten bereit sind, jetzt Opfer zu bringen, kann es zu einer einvernehmlichen Lösung und zu Verabredungen über die notwendigen Anpassungsmaßnahmen, begleitet durch soziale Flankierung, kommen.
Ich will ein Wort zur IG Bergbau und Energie sagen. Sie hat sich in den vergangenen Wochen, wie in der Vergangenheit überhaupt, sehr konstruktiv an dem Dialog beteiligt. Ich möchte ihr hierfür ausdrücklich meine Anerkennung aussprechen.
Die Diskussion der letzten Wochen hat uns, so glaube ich, weitergebracht. Der Sicherheitsbeitrag der deutschen Steinkohle zur Energieversorgung ist politisch nach wie vor nicht umstritten. Wir wollen an dem Mengengerüst des Jahrhundertvertrages festhalten. Allerdings wollen wir auch, nicht nur im Interesse des Steuerzahlers, auch im Interesse des Stromkunden, insbesondere in den revierfernen Ländern, die hohen Belastungen, die der deutsche Steinkohlenbergbau allen auferlegt, schrittweise vermindern.
Das Kampfgeschrei der SPD im Revier gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister hat der Diskussion allerdings nicht genutzt.
Niemand will ein Aus für den deutschen Steinkohlenbergbau. Wir stehen aber doch alle unter dem Druck
der revierfernen Länder. Sie sind nicht bereit, eine immer teurere Kohlepolitik mitzufinanzieren. Es muß deswegen eine gesamtwirtschaftlich tragbare Linie zwischen Bund, Ländern und Kohlewirtschaft gefunden werden. Andernfalls steht nämlich die Zukunft des gesamten deutschen Steinkohlenbergbaus auf dem Spiel. Meine Damen und Herren, keiner kann annehmen, daß allein die Kohleländer die Lasten der Finanzierung der Kohle tragen könnten. Sie brauchen Hilfe von allen Ländern und vom Bund.
Damit aber komme ich auch zu einer entscheidenden Voraussetzung für die gemeinsame Energiepolitik. Ohne den vertraglich gesicherten Konsens hinsichtlich des Einsatzes von Kohle und Kernenergie in der Stromproduktion stößt das System an seine finanziellen Belastungsgrenzen und droht dann zu implodieren — mit allen schlimmen sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Reviere.
Die Kostenbelastung unserer Volkswirtschaft durch die Finanzierung der deutschen Steinkohle hat Größenordnungen erreicht, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr unberührt läßt. Dies stellt z. B. die IG Chemie in einer Analyse der Wettbewerbsbedingungen zweifelsfrei fest. Auch der BDI hat es in den letzten Tagen noch einmal betont.
Es muß uns deswegen also im Interesse aller mittelfristig an einer Begrenzung der Belastungen gelegen sein. Die Auswirkungen der in der Kohlerunde zu verabredenden unvermeidlichen Anpassung sind in der Tat schwerwiegend. Sie konzentrieren sich auf Bundesländer, die bereits seit Jahren hinter der Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung des übrigen Bundesgebietes zurückbleiben. Angelpunkt des Anpassungsprozesses ist nicht allein die soziale Flankierung durch staatliche Maßnahmen, sondern die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Revieren. Sonst wird es keine Zukunftsperspektive für die betroffenen Menschen geben können.
Dabei liegt der Schlüssel allerdings zuallererst bei den Landesregierungen. Sie müssen endlich auf investitions- und ansiedlungsfreundliche Politik umschalten und ihre Arbeitsplatzverhinderungspolitik aufgeben.
In diesem Zusammenhang stelle ich erfreut fest, daß z. B. Herr Ministerpräsident Lafontaine die Steuerpolitik als eine Schlüsselgröße unternehmerischen Investitionsverhaltens ausgemacht hat. Eine gute Erkenntnis. Er hat damit den richtigen Weg betreten.
— Frau Kollegin Traupe, Sie lachen ein wenig ungläubig. Ich konnte es auch nicht fassen, als ich es gehört habe. Ich freue mich aber darüber.
Es bleibt aber noch ein weiter Weg, den er zurücklegen muß, bis er die investitions- und mittelstandsfreundliche Politik der Koalition eingeholt hat. Wir heißen Sie dann herzlich willkommen, Herr Ministerpräsident.
Für die Problemregionen der Kohle- und Stahlreviere — ich nenne insbesondere den Aachener Raum
3464 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Beckmann
und die Stahlstandorte — hat der Bund entsprechende Sonderprogramme zur regionalen Wirtschaftsförderung aufgelegt und inzwischen verlängert. Für das Aachener Revier ist ein neues Programm vorgesehen, mit dem das Auslaufen der Zeche „Emil Mayrisch" aus Gründen der Lagerstätte durch Schaffung neuer Arbeitsplätze aufgefangen werden soll. Für den verbleibenden Teil des EBV wird hoffentlich in der anstehenden Kohlerunde eine konstruktive Lösung im Sinne eines übergreifenden Konzeptes gefunden werden können.
Das vom Lande Nordrhein-Westfalen geforderte Zukunftsinvestitionenprogramm mit dem Volumen von 2 Milliarden DM ist allerdings eine weitere Fortsetzung der bekannten Beschäftigungsprogrammtherapie, deren wir reichlich genug und mit nur mäßigem Erfolg in den 70er Jahren gehabt haben. Wir haben nichts gegen öffentliche Investitionen, aber sie müssen in dieser Größenordnung mittelfristig aus dem konsumtiven Bereich erwirtschaftet anstatt bei der Bank finanziert werden.
Dabei stellt sich allerdings auch die Frage, wie das finanziell angeschlagene Land Nordrhein-Westfalen diese erforderlichen Mittel überhaupt bereitstellen will. Finanzielle Solidität wäre im Moment der beste wirtschaftspolitische Investitionsmultiplikator, jedenfalls besser als zusätzliche Staatsmittel, aufgenommen in Form von unrückzahlbaren Krediten.
Die Bundesregierung sollte sich jetzt dafür einsetzen, die Regionalmaßnahmen in Aachen und Jülich bereits 1988 anlaufen zu lassen. Ferner sollte die Bundesregierung auf der Basis eines konkreten, realistischen und Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft Nordrhein-Westfalens weckenden Gesamtkonzepts ihre Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung des Modernisierungsprozesses in Nordrhein-Westfalen prüfen. Ich sage dabei ausdrücklich, daß das ZIP nicht die Qualifikation für ein solches Gesamtkonzept besitzt.
Ohne die Mitwirkung der Tarifpartner, also der Unternehmer und Gewerkschaften, an einer vorwärtsgerichteten Anpassungspolitik und den Verzicht auf die Durchsetzung höchster Lohnforderungen werden politische Maßnahmen alleine nicht weiterhelfen. Wir müssen vielmehr alle Anstrengungen und die Produktivitätsreserven darauf lenken, frei werdende Arbeitskräfte umzuschulen, unqualifizierte Arbeitskräfte besser auszubilden, Industrieregionen zu sanieren, die Förderung der technologischen Möglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern und die Investitionsbedingungen in den Revieren insgesamt maßgeblich zu verbessern.
Vielen Dank.