Rede:
ID1104905900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Frau: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Würfel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dora Flinner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der EG-Gipfel in Kopenhagen ist ohne Einigung über die Agrar- und Finanzreform zu Ende gegangen. Herr Kohl sagt: Von einem Scheitern des Gipfels kann man nicht sprechen. Was ist es denn sonst?; so frage ich.
    Ich möchte mit dem Agrarbereich beginnen, der für die meisten Schwierigkeiten, die höchsten Ausgaben und die dicksten Schlagzeilen sorgt. Ich finde es aber schade, daß weder Herr Kiechle noch einer seiner Staatssekretäre anwesend sind.

    (Lintner [CDU/CSU]: Vielleicht hat er anderes zu tun!)

    — Ja, die Bauern zu verkaufen; das ist richtig.
    Hier ist eine Neuordnung schon lange dringend notwendig. Aber schon wieder ist sie durch eine gegenseitige Blockadepolitik verschoben. Dabei kostet jede Verzögerung wieder riesige Geldsummen. Die hohen Summen werden nicht für uns Bauern verbraucht — bei uns kommt nur ein geringer Prozentsatz an —, sondern für die Erzeugung riesiger Überschüsse, die nirgendwo abgesetzt werden können, nicht bei uns, nicht innerhalb der EG und auch nicht auf dem Weltmarkt.
    Das Geld fließt überwiegend in die Agro-Industrie. Lagerhaus- und Kühlhausbetreiber sowie Transportunternehmen kassieren ab. Es sieht aber so aus, als ob wir Bauern von den Milliarden profitierten.
    Erst kürzlich hieß es aus SPD-Kreisen, wenn man die Stahlarbeiter so hoch subventionierte wie uns Bauern, dann drohten keine Massenentlassungen. Hier liegt der große Irrtum. Wofür werden denn die Millionen ausgegeben? Dienen sie wirklich dem Erhalt von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft? Nein; denn die ganzen Programme der Regierung, die sie auch EG-weit durchsetzen will, haben nur das eine Ziel: die bäuerliche Landwirtschaft abzubauen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Politik des Herrn Kiechle hat das Sterben von 100 000 Betrieben schon fest ins Agrarkonzept einprogrammiert. Das ist der sogenannte Strukturwandel. Wenn Herr Kiechle beklagt, daß es eine in Jahrhunderten gewachsene Landwirtschaftsstruktur ist, die er nicht nach dem Krieg aus dem Boden stampfen konnte, dann verrät sich sein Ziel, den Strukturwandel zu Lasten der Kleinen zu beschleunigen.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Sehr richtig)

    Die Programme zur Flächen- und Betriebsstillegung sowie zur Vorruhestandsregelung, die die Bundesregierung EG-weit durchsetzen will, sind eine gewaltige Aktion zur Vernichtung von Arbeitsplätzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Paintner [FDP]: Sowas Dummes!)

    Aber nicht nur das; gestern wurde im Agrarausschuß ganz deutlich: Die Überschüsse und deren Finanzierung bekommen wir durch diese Programme nicht weg. — Auch Sie waren im Ausschuß dabei. — Denn ertragreiche Flächen werden nicht stillgelegt, da hierfür 1 200 DM/ha zuwenig sind; das macht kein Bauer mit. Somit ist doch offenkundig, daß hier auch wieder Preissenkungen und Einkommensverluste durch die Hintertür uns Bauern abverlangt werden wie die Mitverantwortungsabgabe und die Stabilisatoren.
    Da sagt der Landwirtschaftsminister: Uns Agrarpolitikern stehen weiterhin schwierige Zeiten bevor. Er meint in Wirklichkeit: Den Bauern stehen schwierige Zeiten bevor. Er versüßt diesen Satz mit dem völlig unpassenden Leitspruch — den hat er unlängst, letzte Woche, gesagt — : „Um Honig zu essen, muß man auch einmal in den Bienenstock klettern. " Aber von Honigessen kann bei uns Bauern keine Rede sein. Diejenigen, die den Honig essen, sind nicht dieselben
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3445
    Frau Flinner
    wie diejenigen, die in den Bienenstock klettern müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Da sollten mal die GRÜNEN hineinklettern!)

    Es heißt: — Wir Deutsche sind in der EG die größten Nettobeitragszahler, aber gleichzeitig auch die größten Nutznießer. — Im großen und ganzen stimmt das auch, angesichts dessen, daß der deutsche Exportüberschuß im wesentlichen innerhalb der EG verbleibt. Aber die Vorteile und die Nachteile sind ungerecht verteilt. Während die deutsche Industrie vom Export kräftig profitiert, leidet unsere deutsche Landwirtschaft. Weil die Regierung der Industrie gegenüber immer nachgibt, müssen wir Bauern die Folgen tragen. Das heißt für Tausende: Aufgabe ihrer Höfe, ihrer Existenzen, ich möchte sogar behaupten: auch das Aufgeben ihrer Heimat.
    Mit solcher EG-Agrarpolitik kann man den zur Zeit vielzitierten ländlichen Raum nicht erhalten.
    Wie soll es in der EG weitergehen, wenn demnächst Deutschland, der sogenannte Zahlmeister, die Präsidentschaft übernehmen wird?

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Noch schlimmer!)

    Um erfolgreich zu sein, damit es unter Herrn Kohls Präsidentschaft keinen Zusammenbruch gibt, muß er Herrn Kiechle zu weiteren Bauernopfern drängen. 10 bis 15 % Einkommenseinbußen sind einkalkuliert. Es ist ein aussichtsloses Rückzugsgefecht.
    Für uns deutsche Bauern hat die EG das Aus gebracht. Aber wie sollte es anders sein, wenn in der Hauptsache die Interessen der Industrie berücksichtigt werden? Solange die EG nur nach ökonomischen Gesichtspunkten geführt wird, kann es keine befriedigenden Ergebnisse geben. Zwar gibt es als Alibi Umweltprogramme sozusagen nebenbei, als Bonbon oder Trostpflaster, aber in Wirklichkeit bleibt der Umweltschutz doch auf der Strecke. Von einer ökologischen Gemeinschaft sind wir leider weit entfernt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit eines EG-weiten Vorgehens werden sinnvolle und notwendige Maßnahmen zum Umweltschutz blockiert, abgeschwächt oder verzögert. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Katalysator, die Schadstoff- und Grenzwertdiskussionen und ähnliches. Gerade in diesen Bereichen wären nationale Alleingänge zwingend notwendig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ein weiterer Punkt sind die Infrastrukturen, die ausgeglichen werden sollen. Aber mit diesen Angleichungen sind auch wieder Umweltprobleme verbunden. Mit europäischer Gleichmacherei werden nicht nur die regionalen Eigenheiten zerstört, sondern gewachsene Strukturen und ländliche Räume der anderen EG-Länder sind in Gefahr. Die einzigen, die dabei verdienen, sind wieder die Großindustrien.
    Nun war das Scheitern des Gipfels in Kopenhagen keine große Überraschung. Schließlich hatten dort die Regierungen ganz unterschiedlicher Länder eine Einigung zu finden. Wenn man dagegen betrachtet, daß
    sich hier nicht einmal die Parteien dieses Hauses auf eine kurze Empfehlung an die Regierung einigen konnten, ist das Versagen in Kopenhagen nur logisch.
    Was wir brauchen, ist eine ganz andere Politik: eine ökologische Ausrichtung der EG. Ökonomische Nutzen fallen dabei von alleine an. Ein ökologischer Umbau der EG-Agrarpolitik fordert die Abkehr von der Industrialisierung und der Chemisierung, vom Abbau der bäuerlichen Landwirtschaft, der so schön neutral immer „Strukturwandel des ländlichen Raumes" genannt wird.
    Nicht die Förderung der Alternativen zur Landwirtschaft, sondern die Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft ist notwendig zum Erhalt des ländlichen Raums. Dazu gehört auch ein dringend notwendiges Programm gegen die EG-weite Massenarbeitslosigkeit.
    Wir GRÜNEN sind der Auffassung, daß Arbeitsplätze neu geschaffen werden könnten. Einige Beispiele möchte ich aufzeigen: im ökologischen Landbau, in der Forstwirtschaft und bei der Herstellung technischer Geräte für die ökologische Landwirtschaft. Im gesamten Umweltbereich könnte man vielen einen Arbeitsplatz verschaffen. Ich denke weiterhin an einen umfassenden Überstundenabbau. Wir GRÜNEN haben schon oft in unseren Beiträgen Ideen und Vorschläge entwickelt, neue Wege für eine EG-Politik, die gangbar sind.
    Wir fordern Sie auf, endlich den Weg einzuschlagen, der uns alle aus der europäischen Katastrophe führt.
    Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Würfel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uta Würfel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren! Sehr geehrte Damen! Der Gründer von Amnesty International, Peter Benenson, schrieb 1961:
    Schlagen Sie Ihre Zeitung an irgendeinem beliebigen Tag auf, und Sie werden eine Meldung aus irgendeinem Teil dieser Welt lesen, die folgendermaßen lautet: Ein Mensch ist eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden, weil seine Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Machthaber übereinstimmten.
    Leider gilt dies heute noch. Millionen solcher Menschen sitzen in Gefängnissen, keineswegs nur hinter dem Eisernen oder dem Bambusvorhang; und ihre Zahl wächst.
    Die Unterzeichnung des Vertrages über den Abbau atomarer Mittelstreckenraketen durch Präsident Reagan und Parteichef Gorbatschow war für die Weltöffentlichkeit ein Signal von besonderer Tragweite. Wer könnte sich angesichts dieses historischen Ereignisses nicht des persönlichen Gefühls erwehren, daß hiermit ein Weg beschritten worden ist, durch den wir womöglich alle eine neue, eine andere Lebenschance, ja, Lebensqualität erhalten können?
    3446 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Würfel
    Heißt aber die Unterzeichnung dieses ersten wirklichen Abrüstungsabkommens, daß die Völker unserer Erde von nun an ohne Angst leben werden? Ganz bestimmt heißt es das nicht.
    In unserem Jahrzehnt finden in jedem dritten Staat der Erde brutale Folter- und Mißhandlungspraktiken Anwendung.
    In etwa 130 Staaten ist die Todesstrafe nach wie vor gesetzlich verankert, und nach wie vor nehmen Regierungen ihren Bürgern das Leben, sei es in Form von Hinrichtungen, sei es durch politische Morde.
    In unzähligen Gefängnissen sitzen Menschen ein, weil sie dafür bestraft wurden, daß sie sich zu ihren politischen oder religiösen Überzeugungen bekannt haben.
    In zahlreichen Staaten der Erde sind Menschen wegen politischer Vergehen in Haft, ohne daß ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich in einem fairen Gerichtsverfahren zu verteidigen.
    In unzähligen Haftzentren, Gefängnissen und Militärlagern werden Menschen brutal mißhandelt und gefoltert.
    Selbstverständlich sind von Menschenrechtsverletzungen Männer und Frauen gleichermaßen betroffen, so wie die Menschenrechte für Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen zu gelten haben.
    Dennoch gibt es besondere Formen von Menschenrechtsverletzungen, die ausschließlich an Frauen verübt werden. Frauen werden verfolgt und inhaftiert, weil sie gegen kulturelle jahrtausendealte Normen und Sitten aufbegehren und gegen die ihnen von der Gesellschaft zudiktierte Rolle opponieren. Frauen werden als Geiseln genommen, inhaftiert und gefoltert, um ihre Männer oder Familienangehörigen zu zwingen, sich zu stellen. Frauen sind in ihren Verfolgungssituationen einem Polizei- und Militärapparat ausgeliefert, der oft ausschließlich aus Männern besteht. Vergewaltigungen und sexueller Mißbrauch weiblicher Häftlinge in Verhör- und Haftsituationen sind an der Tagesordnung. Sexuelle Gewalt wird häufig als ein überlegtes Mittel eingesetzt, um Persönlichkeit und Menschenwürde der Frauen zu zerstören.
    Es besteht eine große Kluft zwischen den Verpflichtungen von Regierungen zur Achtung der Menschenrechte und ihren tatsächlichen Praktiken.
    Die Realisierbarkeit der Menschenrechte hängt vielfach nicht nur von schriftlichen Garantien eines Staates oder einer Staatengruppe ab, sondern auch von einer Menschenrechtspolitik, mit der andere Länder sowie Organisationen und Publizisten die Bewahrung und Einlösung solcher geschriebener Rechtsgarantien wirkungsvoll unterstützen können. Keine Regierung der Welt darf für sich in Anspruch nehmen, das Recht zu haben, ihre Bürger willkürlich zu verhaften, zu foltern, zu töten oder derartige Praktiken auch nur zu dulden.

    (Beifall bei allen Fraktionen — Abg. Dr. Knabe [GRÜNE]: Keine!)

    — Keine!
    Eine ganz besondere Mahnung, den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen fortzusetzen, ist der
    nicht enden wollende Strom von Flüchtlingen, die auf der Suche nach Sicherheit schon fast jede Staatsgrenze dieser Welt überschritten haben. Während die einen ihre Heimat auf Grund von Hungersnöten oder kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen mußten, wurden viele andere zur Flucht gezwungen, weil sie von Menschenrechtsverletzungen betroffen waren. Verletzungen der Menschenrechte sind nicht symptomatisch für bestimmte Regionen oder politische Systeme. Herr Lintner hat auf die Menschenrechtsverletzungen im östlichen Teil unseres Vaterlandes hingewiesen.
    Ich hatte im November dieses Jahres Gelegenheit, pakistanische Flüchtlingslager an der Grenze zu Afghanistan zu besichtigen. Ich möchte Ihnen kurz davon berichten.
    Im Januar geht der Krieg von Afghanistan ins neunte Jahr. Die Auswirkungen dieses Krieges auf die zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Zivilbevölkerung sind groß. Die wichtigste und sichtbarste Folge des Krieges ist die größte zusammenhängende Flüchtlingsbewegung der Welt. Der Flüchtlingsstrom aus Afghanistan ergießt sich in die Nachbarländer. Die Zahl der Flüchtlinge ist inzwischen auf viereinhalb Millionen angestiegen. Von einem 15 Millionen Menschen umfassenden Volk hat bereits ein Drittel — als Folge der Gewalt, des Unrechts und der Leiden — seine Heimat verlassen. Dies ist ein Faktum, meine Damen und Herren, das bereits an sich ein Menschenrechtsproblem darstellt.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Afghanistan blutet aus. Die Strategie der Sowjetunion zielt offensichtlich darauf ab, die Bevölkerung durch nicht nachlassende Bombardierung der Dörfer, der Städte und der Ernten zum Verlassen des Landes zu zwingen. Diese Entvölkerungspolitik zeigt deutliche Erfolge. Wie gesagt, jeder dritte Afghane hat sein Land bereits verlassen und ist geflohen. Besonders die Kinder, die älteren und schwachen Menschen sind den Strapazen der Flucht in der Regel nicht gewachsen. Die Kindersterblichkeit lag im Winter 1985 beinahe bei 85 %.
    Ich habe Flüchtlingslager in Belutchistan angetroffen, in denen die Menschen Mangel an Nahrung, an Kleidung, an Schutz vor Kälte und vor allem an Hygiene haben. Ein einziger künstlich angelegter Wassergraben läuft durch ein riesiges Wüstengebiet, in dem das Wasser stundenweise morgens und abends angestellt wird. Diesem Wassergraben wird das Trinkwasser ebenso entnommen, wie man sich gleichzeitig darin wäscht. Sie können sich vorstellen, wie Krankheiten durch diesen Mangel an Hygiene im Flüchtlingslager begünstigt werden. Auf der anderen Seite gibt es nicht die geringste medizinische Versorgung.
    Die Registrierung der Flüchtlinge durch die pakistanischen Behörden in Belutchistan erfolgt durch die Vielzahl der angekommenen Flüchtlinge so schleppend, daß wir Flüchtlinge angetroffen haben, die seit Monaten nicht registriert worden sind und die, um nicht zu verhungern, weil nur registrierte Flüchtlinge Nahrung erhalten, tagelange Fußmärsche in Kauf
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3447
    Frau Würfel
    nehmen, um beim pakistanischen Straßenbau ein paar Rupien verdienen zu können.
    Meine Damen und Herren, meine Zeit reicht nicht aus, um weiteres zu schildern. Wir beschäftigen uns ja auch morgen noch einmal mit Afghanistan. Deshalb möchte ich zusammenfassen:
    Die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge ist zweifellos eine wichtige Aufgabe, die von vielen Hilfsorganisationen zu leisten versucht wird. Humanitäre Hilfe kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn Menschenrechtsverletzungen, die so viele Flüchtlingsbewegungen erst auslösen, begegnet und ein Ende bereitet wird.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Richtig!)

    Die internationale Staatengemeinschaft, aber auch wir in der Bundesrepublik sind aufgerufen, allen vor Krieg oder staatlichen Repressionen fliehenden Menschen zu helfen. Aber wir müssen auch daran arbeiten, den Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten, die so viele Menschen in unfreiwilliges Exil zwingen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)