Rede von
Wolfgang
Mischnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und
Herren! Der Begriff „historischer Augenblick" wird oft verwendet, selten hat er jedoch geschichtlichen Bestand. Die Unterzeichnung des Abkommens über die Vernichtung der Mittelstreckenraketen durch Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow war aber mit Sicherheit ein solcher historischer Augenblick, der geschichtliche Bedeutung haben wird. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch ihren Einsatz und ihre geradlinige Haltung entscheidend dazu beigetragen, daß dieses Ziel erreicht wurde; ich möchte hier ausdrücklich dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister für ihre Aktivität zur Erreichung dieses Ziels danken.
Meine Damen und Herren, die Linie der Freien Demokraten in der Außen- und Sicherheitspolitik hat sich als richtig, als erfolgreich erwiesen, nämlich Aufrechterhaltung einer gesicherten Verteidigungsfähigkeit auf der einen Seite und Wille zum Dialog, zur Kooperation und zur Abrüstung, wo immer möglich, auf der anderen Seite. Beides gehört zusammen, und dies haben wir ständig zum Leitmotiv unserer Politik gemacht.
Meine Damen und Herren, der Wille zur Kooperation manifestiert sich nun im ersten wirklichen Abrüstungsabkommen, durch das die völlige Vernichtung von Waffensystemen hochmoderner Bauart auf beiden Seiten erfolgen wird. Für uns Deutsche, für die Europäer ist dies von besonderer Bedeutung, da ja diese Waffen in Europa stationiert sind und für uns die größte Bedrohung auf beiden Seiten darstellen.
Die Beseitigung der Mittelstreckenraketen mit Reichweiten von 500 bis 5 500 km ist nicht nur ein Zeichen guten Willens auf beiden Seiten, sondern vor allen Dingen das Ergebnis einer konsequenten Politik, die mit dem NATO-Doppelbeschluß 1979 begann. Wir, die Freien Demokraten, standen allem Widerstand zum Trotz zum NATO-Doppelbeschluß und haben dafür in der Öffentlichkeit manches auf uns nehmen müssen.
Wenn Sie, Herr Kollege Vogel, heute zu diesen Dingen Stellung nehmen, dann sage ich: Wir — ich sage das selten — können ein wenig stolz sein auf dieses Ergebnis, weil wir von Anbeginn bis zum Schluß den Kurs durchgehalten haben und nicht schwankend geworden sind, wie es in Ihren Reihen geschehen ist.
Meine Damen und Herren, natürlich hat es, als der NATO-Doppelbeschluß geboren wurde, Bedenken, Vorbehalte auf vielen Seiten gegeben. Natürlich ist darüber diskutiert worden. Wenn Sie, Herr Kollege Vogel, davon sprechen, wieso wir auf die Idee kommen, einen Parteitag über Vermummung zu machen, muß ich Sie daran erinnern, daß wir zu einer Zeit über den NATO-Doppelbeschluß Parteitage durchgeführt und die Linie festgelegt haben, mit heftigen Diskussionen, aber mit klaren Entscheidungen, die bis heute ihre Gültigkeit haben, während Sie auf Ihrem Partei-
3422 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Mischnick
tag den Weg vom NATO-Doppelbeschluß weg gegangen sind.
Wenn Sie sagen, wir sollten Parteitage durchführen, um die drängenden politischen Fragen unserer Zeit zu behandeln, so sage ich Ihnen: Unsere Kollegen in Nordrhein-Westfalen haben am vergangenen Wochenende über Strukturmaßnahmen, über Energiepolitik, über Bildungspolitik, sie haben in dem Land über Sachfragen gesprochen, um das es hier in erster Linie geht. Diese Mahnungen an unsere Adresse können Sie also ruhig sein lassen. Wir wissen schon selber, was wir parteipolitisch richtig und notwendig zu tun haben.