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    Plenarprotokoll 11/47 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 47. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 3253 A Seiters CDU/CSU 3253 C Jahn (Marburg) SPD 3253 D Tagesordnungspunkt 23: Aussprache über die Reform des Gesundheitswesens Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3254 A Dreßler SPD 3256 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 3259 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 3262 A Seehofer CDU/CSU 3263 C Kirschner SPD 3264 D Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/789, 11/1404, 11/1405) b) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/1038, 11/1404, 11/1406) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/805, 11/1404) Dr. Grünewald CDU/CSU 3266 B Poß SPD 3270 C Rind FDP 3272 C Hüser GRÜNE 3275 D Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . . . 3278 D Frau Breuel, Minister des Landes Nieder- sachsen 3281C Dr. Struck SPD 3283 B Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3284 A Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU . . . . 3287 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3289 A Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3291 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 3294 A Dr. Apel SPD 3298 B Jung (Lörrach) CDU/CSU 3299 C Dr. Graf Lambsdorff FDP (Erklärung nach § 31 GO) 3300B Namentliche Abstimmungen 3301 A, C Ergebnisse 3301D, 3304 A Vizepräsident Cronenberg 3274 C Nächste Sitzung 3305 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 330* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abg. Funke (FDP) zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 24 (Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern) 3307* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3307* D Anlage 4 Mittel für den Ausbau und die Entwicklung der Universitätsklinik in Regensburg MdlAnfr 6 27.11.87 Drs 11/1381 Stiegler SPD SchrAntw StSekr Dr. Boning BMBW . . . 3308* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3253 47. Sitzung Bonn, den 4. Dezember 1987 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 12. Antretter ** 4. 12. Frau Beck-Oberdorf 4. 12. Frau Blunck ** 4. 12. Böhm (Melsungen) ** 4. 12. Frau Brahmst-Rock 4. 12. Dr. Briefs 4. 12. Büchner (Speyer) ** 4. 12. Catenhusen 4. 12. Bühler (Bruchsal) ** 4. 12. Duve ** 4. 12. Ehrbar 4. 12. Engelhard 4. 12. Dr. Feldmann ** 4. 12. Frau Fischer 4. 12. Gattermann 4. 12. Glos 4. 12. Dr. Götz 4. 12. Graf 4. 12. Dr. Häfele 4. 12. Dr. Hauff 4. 12. Dr. Haussmann 4. 12. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 4. 12. Heimann 4. 12. Helmrich 4. 12. Frau Dr. Hellwig 4. 12. Dr. Hennig 4. 12. Höpfinger 4. 12. Hoppe 4. 12. Frau Hürland-Büning 4. 12. Irmer ** 4. 12. Jansen 4. 12. Jaunich 4. 12. Frau Karwatzki 4. 12. Kiechle 4. 12. Kittelmann ** 4. 12. Dr. Klejdzinski * 4. 12. Klose 4. 12. Dr. Köhler (Wolfsburg) 4. 12. Kreuzeder 4. 12. Leidinger 4. 12. Lemmrich** 4. 12. Lenzer ** 4. 12. Dr. Lippelt (Hannover) 4. 12. Frau Luuk ** 4. 12. Dr. Möller 4. 12. Dr. Müller * 4. 12. Müller (Schweinfurt) 4. 12. Dr. Neuling 4. 12. Niegel** 4. 12. Frau Pack** 4. 12. Petersen 4. 12. Reddemann ** 4. 12. Regenspurger 4. 12. Reuschenbach 4. 12. Ronneburger 4. 12. Sauter (Epfendorf) 4. 12. Dr. Scheer * 4. 12. Schily 4. 12. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmidt (München) ** 4. 12. Frau Schmidt-Bott 4. 12. Schmitz (Baesweiler) 4. 12. Dr. Schmude 4. 12. von Schmude ** 4. 12. Sellin 4. 12. Dr. Soell ** 4. 12. Spranger 4. 12. Dr. Stavenhagen 4. 12. Stobbe 4. 12. Dr. Todenhöfer 4. 12. Uldall 4. 12. Frau Vennegerts 4. 12. Frau Dr. Vollmer 4. 12. Dr. Waigel 4. 12. Dr. Warnke 4. 12. Weisskirchen (Wiesloch) 4. 12. Wieczorek (Duisburg) 4. 12. Frau Wieczorek-Zeul 4. 12. Wissmann 4. 12. Dr. Wulff ** 4. 12. Zierer ** 4. 12. Dr. Zimmermann ** 4. 12. Zywietz ** 4. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abg. Funke (FDP) zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 24 (Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern): Ich habe gegen das obige Gesetz gestimmt. Ich halte es für verfassungswidrig. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist in nicht angemessener Weise im Hinblick auf die Einwohnerwertung und die Hafenlasten berücksichtigt worden. Insbesondere die zum Teil kritiklose Übernahme des Ifo-Gutachtens und die ständig für Hamburg nachteilige Ausübung von Schwankungsbreiten bei der Beurteilung sind in meinen Augen verfassungswidrig. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. November 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch (Achtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes) 3308* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhof s Siebtes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Erdölbevorratungsgesetzes Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß er gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beratung nachstehender Vorlagen abgesehen hat: Drucksache 11/147 Drucksache 11/883 Nr. 24, 25, 29 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/929 Nr. 2.7, 2.8, 2.9, 2.10, 2.11 Drucksache 11/973 Nr. 2.5 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/561 Nr. 2.13 Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Dr. Böning auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/1381 Frage 6): Welche Mittel stehen nach den gegenwärtigen Beschlüssen im Rahmen des Zeitraumes der mittelfristigen Finanzplanung für den Ausbau und die Entwicklung der Universitätsklinik in Regensburg bereit, und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß die Mittel über die vom Wissenschaftsrat empfohlenen Größenordnungen hinaus aufgestockt werden, um dem ostbayerischen Raum endlich ein Krankenhaus der Versorgungsstufe III komplett zu sichern? Für das Universitätsklinikum Regensburg sind bisher folgende Vorhaben in den Rahmenplan mit der höchsten Kategorie aufgenommen worden: — 1. Bauabschnitt mit Gesamtkosten von gut 73 Millionen DM, — 2. Bauabschnitt mit Gesamtkosten von ca. 405 Millionen DM, — Planungs- und Erschließungskosten in Höhe von ca. 40 Millionen DM. Vom 1. Bauabschnitt sind hiervon bisher 65,7 Millionen DM realisiert worden, vom 2. knapp 104 Millionen DM und von den Planungs- und Erschließungskosten 36 Millionen DM. Insgesamt sind für das Universitätsklinikum Regensburg damit bisher ca. 206 Millionen DM ausgegeben worden. Der Bund wird auch die noch nicht in Anspruch genommenen 312 Millionen DM für die oben genannten Vorhaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau mitfinanzieren. Der Bund wird sich seine Meinung zu dem Antrag des Freistaates Bayern vom 2. März 1987 zur Mitfinanzierung eines 3. Bauabschnittes für das Klinikum Regensburg im Lichte des Ergebnisses der Prüfung durch den Wissenschaftsrat bilden. Bestimmend für diesen Meinungsbildungsprozeß des Bundes wird zum einen das Fachvotum des Wissenschaftsrates sein. Zu berücksichtigen ist aber auch die finanzielle Situation der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau. Sie wird nicht nur von den verfügbaren Bundesmitteln bestimmt, über die im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für das Haushaltsjahr 1989 beraten werden wird, sondern auch von weiteren großen Vorhaben unter anderem des Freistaates Bayern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe. Bayern hat ebenfalls im Frühjahr 1987 auch die Grundsanierung des Klinikums Erlangen-Nürnberg mit einem Kostenvolumen von insgesamt 750 Millionen DM beantragt. So sehr ich Verständnis dafür habe, daß regionalpolitische Erwägungen dafür sprechen mögen, im ostbayerischen Raum ein Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe zu etablieren, so sehr bitte ich um Verständnis dafür, daß dies kein Argument für den Bau einer Hochschulklinik sein kann. Bei dieser muß der Wissenschaftsrat und der Bund sich allein von den Notwendigkeiten für Forschung und Lehre leiten lassen. Ginge es nur oder im Wesentlichen um Fragen der Krankenversorgung, so wäre hierfür allein der Freistaat Bayern zuständig.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Gut, ich bedanke mich für die Richtigstellung. Es gibt einen Entschließungsantrag, es gibt aber auch konkrete Anträge Ihrer Fraktion. Das sind wieder zwei Dinge, nicht wahr; darauf hatte ich mich bezogen.
    Nun will ich, weil der Herr von Dohnanyi hier so als der große Anwalt von Norddeutschland aufgetreten ist, Sie darauf hinweisen, daß nach einer Berechnung meiner sachkundigen Mitarbeiter die zur Abstimmung gestellten Anträge folgendes bedeuten. Sie bedeuten eine Verschlechterung gegenüber der Vorlage des Finanzausschusses für Niedersachsen dauerhaft um 208 Millionen DM im Jahr, im Jahr 1987 einmalig um 608 Millionen DM, und sie bedeuten eine dauerhafte Verschlechterung für Schleswig-Holstein von 56 Millionen DM, woraus man erkennen kann, daß die Sozialdemokraten wirklich nicht die Anwälte Norddeutschlands sind, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will es kurz und deutlich sagen: Die Strukturprobleme Hamburgs und Bremens haben sicherlich allgemeine Ursachen; sie sind aber auch das Ergebnis einer verfehlten Politik des sozialdemokratischen Se-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3297
    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    nats, insbesondere in Hamburg und auch in Bremen; das ist meine Überzeugung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es hat keinen Sinn, Herr Bürgermeister von Dohnanyi,

    (Roth [SPD]: Sie haben's nötig!)

    durch persönliche Attacken oder zugespitzten Verbalradikalismus diesen Sachverhalt Ihrer Verantwortung für schwere Fehlentwicklungen in Hamburg hier vertuschen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Auch das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
    Im übrigen möchte ich unterstreichen, daß sich die Bundesregierung in allen ihren Gesprächen

    (Poß [SPD]: Gucken Sie sich Ihren Bundeshaushalt an!)

    vom vergangenen September bis in die letzten Wochen hinein bei der Beteiligung an der Suche nach Ausgleichs- und Kompromißlösungen immer an die Grenzen gehalten hat, die das Urteil des Bundesverfassunsgerichts gesetzt hat. Für uns war hier nach unserem Verfassungsverständnis und Rechtsverständnis in der Auslegung des Urteils die deutliche Grenze gegeben.
    Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß einzelne Länder ankündigen, sie wollten bei einer entsprechenden Entscheidung im Bundestag und im Bundesrat erneut zum Bundesverfassungsgericht gehen. Das hat natürlich auch die Gespräche schon im letzten Jahr erschwert. Nach der ersten Erörterung, die ich im September des vergangenen Jahres in Braunschweig mit der Finanzministerkonferenz der Länder hatte, wurde anschließend auf der Pressekonferenz vor den Fernsehkameras von dem Repräsentanten eines Bundeslandes gesagt: Wenn die drei Forderungen nicht erfüllt werden, die wir gestellt haben, gehen wir zum Verfassungsgericht. Und die Antwort eines anderen Kollegen war: Wenn diese drei Forderungen erfüllt werden, gehen w i r zum Verfassungsgericht.
    Ich gebe einmal zu bedenken, ob jetzt nicht doch der Zeitpunkt gekommen ist, in dem politische Entscheidungen, die, wie ich hier dargestellt habe, für alle Länder gegenüber geltendem Recht — mit Ausnahme der Sondersituation Bayerns — einen finanziellen Vorteil bringen, als befriedigend anerkannt werden könnten. Ich gebe zu bedenken, ob es nicht richtiger wäre, bestimmte Punkte, die man ändern möchte, nach einer gewissen Zeit als Novelle in die Gesetzgebung hier einzubringen,

    (Dr. Apel [SPD]: Das könnte Ihnen so passen!)

    weil es, Herr Kollege Apel, im Grunde doch ein erheblicher Pluspunkt war, daß die Länder und auch der Gesetzgeber über 40 Jahre lang die Fragen des Länderfinanzausgleichs im Kompromißwege regeln konnten, ohne das höchste Gericht zu bemühen. Es wäre gut, wenn diese Tradition in der Entwicklung der Länderbeziehungen oder des Bundesgesetzes über den Länderfinanzausgleich mit Zustimmung der Länder wieder entstehen könnte. Aber das ist eine
    Erwägung, bei der ich selbstverständlich die verfassungsmäßigen Rechte eines jeden respektiere.
    Ich möchte zum Schluß noch einmal auf Ihren Punkt, Herr Kollege Posser, die Kohlelasten, eingehen. Wir haben das im Bundesrat diskutiert, aber ich will hier noch einige Sätze dazu sagen.
    Die sorgfältige Analyse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ergibt zunächst einmal, daß bei den Bundesergänzungszuweisungen Sonderlasten über die hervorgehobene Berücksichtigung der Kosten politischer Führung hinaus nur dann geltend gemacht werden können, wenn alle vergleichbaren Sonderlasten einbezogen werden. Dies hat uns veranlaßt, mit Zustimmung des Deutschen Bundestages zu sagen: Eine objektive Bewertung aller regionalen Sonderlasten in zehn Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist praktisch nicht möglich. Wir haben dafür bei den meisten Ländern, auch bei sozialdemokratisch regierten Ländern, Verständnis gefunden. Deshalb wählen wir den Weg der Orientierung an der Finanzkraft als den anderen Weg, den das Verfassungsgericht vorgegeben hat.
    Deswegen ist in diesem Zusammenhang das Thema der Sonderlasten Kohle für Nordrhein-Westfalen — aus Ihrer Sicht verständlicherweise leider — nicht zu entschieden. Der Versuch freilich, Herr Posser, erneut durch einen Entschließungsantrag, diesmal der sozialdemokratischen Fraktion, dem Bund — das ist die Tendenz, auch wenn es „verhandeln" heißt — weitere erhebliche Belastungen aus der Kohlepolitik zusprechen zu wollen und das Land zu entlasten, begegnet zwei grundsätzlichen Bedenken.
    Das eine: Dies ist die Gefährdung der Kohlevorrangpolitik. Der Bund hat seine Ausgaben für die Kohle in den letzten Jahren um Milliarden gesteigert. Er geht an den äußersten Rand des Vertretbaren, auch im Hinblick auf andere regionale Belange, Sorgen und Probleme in vielen Teilen der Bundesrepublik. Wenn ernsthaft versucht wird, ein Ergebnis zu erzielen, bei dem vom Bund weitgehend oder ganz die Kohlelasten Nordrhein-Westfalens übernommen werden sollen, ist die Kohlepolitik in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr finanzierbar.
    Das zweite: Der energie- und kohlepolitische Konsens, den wir erhalten und wieder festigen wollen, setzt voraus, daß die sozialdemokratische Partei eine Energiepolitik konzeptionell entwickelt und bejaht, die ein vertretbares Maß an friedlicher Nutzung der Kernenergie einbezieht,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) weil wir sonst keine Preise mehr erreichen,


    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist dummes Zeug!)

    die den Standort Bundesrepublik Deutschland für Investitionen und Arbeitsplätze attraktiv erhalten. Wir können vor allem in Norddeutschland — das ist ein Punkt, Herr von Dohnanyi, wo Sie Ihre Haltung ändern müssen, wenn Sie norddeutsche Interessen vertreten wollen — nicht allein auf der Basis immer teurer werdender Kohle unsere Energie-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme lösen. Wir brauchen eine Kombination von Kohle und Kernenergie vor allem in
    3298 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    den revierfernen Gebieten, wenn wir erträgliche Energiepreise und Standortentscheidungen für arbeitsplatzschaffenden Investitionen sichern sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Posser, wer den Bund — das gilt auch für viele andere Wünsche, auch außerhalb Nordrhein-Westfalens —

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Die verschwenderischste Energie, die es gibt!)

    stärker in die Mitfinanzierung bestimmter Aufgaben hineinbringen will, wer die Ausgleichsfunktion des Bundes stärken will, muß dem auch bei Entscheidungen über die Finanzausstattung und die Steuerverteilung Rechnung tragen. Die Steueranteile des Bundes sind seit 1982 deutlich zurückgegangen, und zwar vor allem auf Drängen der Länder. Ich muß hier sagen: aller Länder, gerade auch der finanzschwachen Länder. Ob das eine kluge Politik war, weiß ich nicht. Aber es geht nicht an, daß der Bund heute noch einen Steueranteil von 45 % unseres gesamten Steueraufkommens hat und dann gleichzeitig alle regionalen Probleme entscheidend mitgestalten soll. Auch darauf möchte ich Sie aufmerksam machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wer wie die Länder — wir haben Ihnen hier in dem einen oder anderen Punkt Konzessionen gemacht — mehr von den Gesamteinnahmen haben will, muß auch eine größere regionale Mitverantwortung bejahen. Wir leisten hier für das Zustandekommen eines Ergebnisses zum Länderfinanzausgleich über höhere Bundesergänzungszuweisungen noch einmal einen Beitrag eigentlich mehr im Interesse der Befriedung unter den Ländern. Ich glaube deshalb, daß man dem Deutschen Bundestag die Annahme dieses Gesetzes empfehlen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie eine, wie ich zugebe, lebhafte Debatte — es geht schließlich auch um etwas — als Exzeß bezeichnen, dann macht das für mich nur deutlich, daß, je schwächer Sie politisch werden, um so mieser Ihr verbaler Stil im Deutschen Bundestag wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ihr Exzeß besteht in dem Wort „mies"!)

    Wenn wir über Exzesse reden, dann sollten Sie dieses Wort dann benutzen, wenn Sie als Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holsteins mit Ihren Kollegen vor Ort reden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unter Ihrem Niveau!)

    Das inzwischen vorliegende Protokoll des Finanzausschusses sagt zweierlei aus.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Ein ungeheuer mieser Stil ist das!)

    Erstens. Der Abgeordnete Glos erklärt: Beim Zustandekommen des Koalitionskompromisses ist hinter den Kulissen „hart gerungen worden".
    Zweitens. Der Abgeordnete Dr. Grünewald wird in diesem Protokoll zitiert, daß man insofern „ergebnisorientiert" verhandelt und auch beschlossen habe.

    (Dr. Spöri [SPD]: Oh Grünewald! Überführt! Gestehe!)

    Damit ist doch wohl eindeutig klar, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß das, was hier vorgelegt wird, das Ergebnis von Parteienschacher ist und in der Tat nichts mit dem zu tun hat, was das Verfassungsgericht von uns verlangt.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Verfassungsgericht hat den Gesetzgeber, d. h. den Bundesrat und den Bundestag, aufgefordert, eine konstruktive, eine aktive Rolle zu spielen. Wir werden durch Ihren Parteienschacher und nach Ablehnung unserer Anträge zu Statisten degradiert. Das wollen Sie für verfassungsfest halten? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Zweites: Das Verfassungsgericht hat von uns als dem Gesetzgeber gefordert, daß es objektive, nachvollziehbare Kriterien gibt, nach denen die Neuordnung des Finanzausgleiches stattfinden soll. Es kann doch überhaupt nicht die Rede davon sein, daß das, was Sie hinter verschlossenen Türen beschlossen haben, objektiv und nachvollziehbar ist. Nein, Sie haben bewußt und gewollt in Kauf genommen, daß einige der Bundesländer, die obendrein auch noch sozialdemokratisch regiert sind, benachteiligt werden. Das ist Ihre Strategie.
    Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie hier vorlesen, daß neun von zehn Bundesländern Vorteile aus dieser Regelung bekämen, so kann ich Ihnen nur sagen: Sie verfahren einmal mehr nach Gutsherrenart. — Es geht nicht darum, ob hier irgendwo kleine Millionenbeträge verteilt werden, es geht um die Frage, ob dieses Haus dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts genügt. Das ist doch die Frage.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)