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ID1104105000

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    Plenarprotokoll 11/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 11/1051, 11/1081) 2689B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 11/1052, 11/1081) 2689B Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 11/1053, 11/1081) 2689 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 11/1054, 11/1081) Dr. Vogel SPD 2689 D Seiters CDU/CSU 2699 C Frau Rust GRÜNE 2709B Dr. Bangemann FDP 2712D Dr. Kohl, Bundeskanzler 2720 B Koschnick SPD 2729 D Austermann CDU/CSU 2732 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 2735 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 2739 C Frau Simonis SPD 2741B Vizepräsident Westphal 2740 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 11/1055, 11/1081) Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 2742 B Dr. Rose CDU/CSU 2745 A Voigt (Frankfurt) SPD 2747 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2750 D Stobbe SPD 2753 D Genscher, Bundesminister AA 2756 C Rühe CDU/CSU 2760 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 11/1064, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/1076) Walther SPD 2764B, 2774A, 2781C Dr. Friedmann CDU/CSU 2766 D Frau Schilling GRÜNE 2768 D Frau Seiler-Albring FDP 2771B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2774B Jungmann SPD 2778 D Müller (Wadern) CDU/CSU 2780 D Frau Beer GRÜNE 2381 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 11/1069, 11/1081) Esters SPD 2783 B Borchert CDU/CSU 2785 B Volmer GRÜNE 2786 D Frau Folz-Steinacker FDP 2789 A Klein, Bundesminister BMZ 2790 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksachen 11/1071 11/1081) Hiller (Lübeck) SPD 2791 D Dr. h. c. Lorenz CDU/CSU 2793 B Frau Hensel GRÜNE 2796 B Hoppe FDP 2798 B Sielaff SPD 2799 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 2801D Nächste Sitzung 2803 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2804* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 41. Sitzung Bonn, den 24. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 24. 11. Dr. Ahrens * 27. 11. Antretter * 24. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haar 24. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 24. 11. Hörster 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ibrügger 24. 11. Kiechle 25. 11. Klose 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 24. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 24. 11. Oesinghaus 24. 11. Paintner 27. 11. Paterna 24. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Reimann 24. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 24. 11. Dr. Schöfberger 24. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11.
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    Rede von Dietrich Stobbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anforderungen, die an die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in der gegenwärtigen Phase zu stellen sind, richten sich an einen Außenminister, dessen Politik immer wieder im eigenen Regierungslager auf Widerstand stößt. Die Außenpolitik der Bundesregierung wird dadurch entweder widersprüchlich oder verschwommen. Wir Sozialdemokraten müssen diese Situation kritisieren, weil sie den außenpolitischen Interessen des deutschen Volkes nicht dient.
    Wir haben deshalb Forderungen an den Außenminister: Stellen Sie sicher, Herr Außenminister Genscher, daß die Gunst der Stunde in den Weltmächtebeziehungen von der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition voll genutzt wird, um die Ost-West-Zusammenarbeit auf breitester Ebene neu zu beleben!

    (Beifall bei der SPD)

    Wir glauben, daß Sie das wollen, aber wir fordern mehr: Bringen Sie die Bundesregierung bei der Vorbereitung einer zweiten Phase der Entspannungspolitik in eine Führungsrolle, und setzen Sie sich ins-



    Stobbe
    besondere gegenüber denjenigen politischen Kräften im Regierungslager durch, deren offen zur Schau getragene Skepsis gegenüber den sich abzeichnenden positiven Veränderungen nur allzu deutlich verrät, daß sie sich in einer einseitig auf westliche Sicherheitsinteressen einigelnden Position wohler fühlen als in der zugegebenermaßen anspruchsvolleren und weitaus mühevolleren Politik der gesamteuropäischen Sicherheit und Zusammenarbeit.
    Wir Sozialdemokraten möchten gern, Herr Außenminister, daß Sie vor allen Dingen durch ein Vorantreiben der innerwestlichen Diskussion dafür sorgen, daß die konzeptionellen Grundlagen für eine zweite Phase der Entspannungspolitik in unserem eigenen Bündnis auch wirklich abgesichert werden. Wir sehen dort noch große Defizite und intellektuelles Durcheinander. Heute wurden ein paar Beispiele schon genannt. Ich will aus Zeitgründen darauf verzichten, noch weitere zu nennen.
    Es ist aber die Aufgabe der Bundesregierung, in der Frage der Vorbereitung einer zweiten Phase der Entspannungspolitik mutig voranzugehen, gerade weil der Bundesrepublik Deutschland bei den Aufgaben, die in den Ost-West-Beziehungen vor uns liegen, eine Schlüsselrolle zukommt. Sie stehen in der Verantwortung, Herr Außenminister, den europäischen Nationen und beiden Weltmächten unzweideutig klarzumachen, daß die Bundesregierung Entspannung meint, wenn sie Entspannung sagt. Sie müssen zweifelsfrei klarstellen, daß die Bundesregierung Abrüstung meint, wenn sie dieses Wort benutzt. Deshalb ist es Ihre Pflicht, jenen klar und deutlich zu widersprechen, die dieses Wort zwar auch im Munde führen, aber in Wahrheit Aufrüstung damit meinen.
    Ich denke, es ist von Ihnen auch zu fordern, daß Sie den BewuBtseinswandel in der Führung der Sowjetunion in all seinen Facetten ausloten, um herauszufinden, welche Chancen er für die gesamteuropäische Sicherheit und Zusammenarbeit konkret bedeuten kann. Ich glaube, daß wir das gemeinsam so sehen. Deshalb stehen Sie aber auch in der Pflicht, jenen im Westen klar und deutlich entgegenzutreten, welche die neue sowjetische Politik zwar verbal begrüßen, deren unüberwindbarer Argwohn aber bestenfalls zu einer Politik des tatenlosen Abwartens führt. Diese Tendenzen gibt es ja leider im Westen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn es wird darauf ankommen, die im östlichen Lager in Gang befindlichen eigenständigen Prozesse durch eine entsprechende Politik des gesamten Westens zu fördern und zu stützen.
    Das gilt vor allen Dingen für die große Aufgabe, in Europa konventionelle Stabilität und strukturelle Nichtangriffsfähigkeit herzustellen. Wir müssen die Widersprüche kritisieren, die sich zu diesem Thema innerhalb der Bundesregierung aufgetan haben. Wir fordern Sie auf, mit einer einheitlichen politischen Konzeption der Bundesregierung aufzuwarten, damit wir diese im Deutschen Bundestag diskutieren können; das ist überfällig.
    Natürlich gibt es zwischen Sicherheit und Abrüstung einen Zusammenhang, der einer ständigen Abwägung bedarf. Von der deutschen Außenpolitik ist zu erwarten, daß sie in der vor uns liegenden Zeit diejenigen Kräfte im westlichen Lager stärkt, die im Interesse des Friedens und vermehrter Sicherheit die Chance zu weiterer Abrüstung auch wirklich nutzen wollen. Das bedeutet, daß Sie als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland denen eine eindeutige Absage erteilen müssen, welche die Eliminierung bestimmter militärischer Optionen, die das INF-Abkommen erfreulicherweise mit sich bringen wird, nunmehr mit einer ganzen Batterie von Modernisierungs-, sprich Aufrüstungsvorhaben konventioneller und nuklearer Art kompensieren wollen. Ich will damit ausdrücklich nicht sagen, daß nach Herstellung von konventioneller Stabilität und struktureller Nichtangriffsfähigkeit nicht auch weiterhin Verteidigungsanstrengungen in Europa vonnöten sein werden. Es kann sich durchaus als notwendig erweisen, daß auch über neue und andere Waffen gesprochen werden muß. Aber in den vor uns liegenden Jahren darf der Abrüstung nicht dadurch die Chance verbaut werden, daß wichtige Lösungsoptionen durch die Einführung neuer oder die Modernisierung bestehender Waffensysteme verbaut werden.
    Ich glaube, Herr Außenminister, daß es auch von Anfang an notwendig ist, daß Sie dem Gerede von der Gefahr einer weiteren Denuklearisierung Europas entgegentreten, das wir jetzt überall hören. Dies ist ein Wort von bestürzender sprachlicher Ungenauigkeit. Käme es in der Zukunft zu einem weiteren oder gar vollständigen Abzug sämtlicher landgestützter amerikanischer Nuklearsysteme, wäre Westeuropa nicht nuklearfrei. Es gäbe dann immer noch die britischen, die französischen wie die seegestützten amerikanischen Nuklearsysteme mit Zielen in Europa.
    Nun ist es gewiß realistisch, bei der Herstellung von konventioneller Stabilität und struktureller Nichtangriffsfähigkeit mit einem langen Prozeß der Streitkräfteumwandlungen und -reduzierungen zu rechnen. Dabei muß unserer Auffassung nach die nukleare Komponente von Anfang an auch eine Rolle spielen; man kann sie nicht ausschließen. Deswegen steht die deutsche Außenpolitik in diesem Prozeß von Anfang an in der Pflicht, dem klar erkennbaren Versuch einer politischen Tabuisierung der weiteren nuklearen Abrüstung in Europa mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Sie müssen im westlichen Bündnis in dieser Frage offen Farbe bekennen; das fordert die SPD.
    Man kann diese Frage nicht mit einer Heute-neinmorgen-vielleicht-ja-Position angehen, weil das die Verhandlungen in viel zu starkem Maße belasten würde. Selbst wenn Sie die Position einnehmen, daß die Rolle dieser Nuklearsysteme innerhalb der westlichen Verteidigungsstrategie vernünftig ist — Sie wissen, daß die Sozialdemokraten diese Auffassung nicht teilen — , selbst wenn Sie weiterhin zu dieser nuklearen Komponente der westlichen Verteidigungsstrategie stehen, müssen Sie nach unserer Auffassung mit Blick auf die Ost-West-Verhandlungen, die anstehen, eine Haltung vertreten, der zufolge Sie bereit sind, diese nukleare Komponente unserer Verteidigungsstrategie ebenfalls zur Disposition zu stellen. Gerade wenn wir die militärische Fähigkeit des Warschauer Pakts zum Überraschungsangriff und zur raumgrei-



    Stobbe
    fenden Offensive eliminieren wollen, muß klar sein, daß auf westlicher Seite auch die Bereitschaft zu einer Verringerung und zum schließlichen Abbau der landgestützten amerikanischen Nuklearsysteme vorhanden ist. Das ergibt sich aus der Logik des Gedankens, in Europa konventionelle Stabilität herstellen zu wollen. Es kommt dabei auf das Wort „von Anfang an" an.
    Wir haben als Oppositionspartei eigene Aussagen zu diesem Thema zu einem Zeitpunkt entwickelt, als sich noch niemand in der Bundesregierung von überkommenen Bedrohungsanalysen und einseitigem westlichem Sicherheitsdenken lösen konnte. Wir wären natürlich bereit, die Bundesregierung zu unterstützen, wenn sie sich dem großen Gedanken der gemeinsamen Sicherheit in Europa verschreibt. Das ist ein Ost-West-Thema nicht nur aus dem Bereich der Sicherheitspolitik, sondern der allgemeinen Außenpolitik. Aber wir werden die Bundesregierung und auch ihren Außenminister hart kritisieren, solange die Aussagen der Bundesregierung zu diesem Thema unscharf bleiben und solange wir vermuten müssen, daß sich hinter verschwommenen Formulierungen Kompromisse verbergen, mit denen eine auf ganz andere Ziele gerichtete Politik kaschiert werden soll.
    Uns wird es dann wichtiger sein, dem deutschen Volk in unserer Rolle als Oppositionspartei klarzumachen, welche Chancen zu vermehrter Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa heute tatsächlich gegeben sind. Wir sind davon überzeugt, daß das deutsche Volk die Nutzung dieser Chancen im Interesse des europäischen Friedens will.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einige Bemerkungen zur Politik der Bundesregierung gegenüber unserem Nachbarn Frankreich machen. Gerade weil wir Sozialdemokraten selbst die Zukunft der europäischen Entspannung und Sicherheit in ganz entscheidendem Maße davon abhängig sehen, ob es den Staaten Westeuropas gelingt, ihre Rolle im Bündnis zu stärken und zunehmend selbst für ihre Verteidigung verantwortlich zu sein, versehen wir die jetzige Politik der Bundesregierung — insbesondere scheint es die des Bundeskanzlers zu sein — mit einer Reihe von Fragezeichen: Dient die jetzige Art der Annäherung in Fragen der Sicherheitspolitik zwischen der Bundesrepublik und Frankreich wirklich einer größeren europäischen Selbstbehauptung? Der Weg zu einer größeren eigenständigen Verantwortung Westeuropas gerade auch in Fragen der Sicherheit kann doch nur bedeuten, daß sich die Staaten Westeuropas so im Rahmen des westlichen Bündnisses organisieren, daß eine Neuordnung im Sinne einer eigenständigeren und gemeinsam verantworteten Sicherheitspolitik möglich ist.
    Dienen die gemeinsame Brigade und der Sicherheits- und Verteidigungsrat einem solchen Ziel, oder sind sie nicht vielmehr ein Eingehen von unserer Seite auf immer noch sehr enge Definitionen des nationalen französischen Sicherheitsdenkens? Auch der Bundeskanzler hat mit seinen Bemerkungen zu diesem Thema im Grunde genommen Fragen von erheblicher Bedeutung offengelassen. Wir vermissen ein klares Wort der Bundesregierung.
    Wohin soll die Reise gehen? Sollen auf dem Boden Westeuropas zwei Verteidigungsstrukturen nebeneinander entstehen? Welche Rolle soll die WEU spielen? Was hat die Bundesregierung der französischen Regierung zu der Existenz und der Entwicklung von prästrategischen nuklearen Waffen gesagt? Wie wird die konventionelle und die nukleare Komponente der französischen nationalen Verteidigung in die 23erVerhandlungen in Wien eingebracht? Welche Position hat die Bundesregierung dazu?
    Wir befürchten — ich sage aber nicht, daß die Sozialdemokraten schon zu der Auffassung gelangt sind, das ist bereits alles den Bach runter; wir glauben, daß dort Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind —,

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Im Gegenteil: Man kann daraus etwas machen!)

    daß weder Ziel noch Methodik unserer aktuellen deutsch-französischen Zusammenarbeit so durchdacht sind, daß die Bundesregierung im Deutschen Bundestag klar Auskunft darüber geben kann, in welcher Weise sie unseren abrüstungspolitischen Vorhaben förderlich sein werden oder wie sie die Position der westeuropäischen NATO-Mitglieder, also der Staaten Westeuropas im Bündnis im Sinne des ZweiPfeiler-Gedankens stärkt. Deshalb wäre es gut, Herr Außenminister, wenn Sie heute dem Deutschen Bundestag klarlegen würden, welche Ziele die Bundesregierung als NATO-integriertes Land hinsichtlich Frankreich in der gesamtpolitischen Zielsetzung konkret verfolgt.
    Außenpolitik ist gewiß mehr als Abrüstungspolitik. Wir Sozialdemokraten sind enttäuscht über die Europapolitik der Bundesregierung. Am 1. Januar 1988 — der Kanzler hat darauf hingewiesen — übernimmt die Bundesrepublik Deutschland die Präsidentschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Der Bundesregierung fällt dabei die Aufgabe und Verantwortung zu, entscheidende Weichen für die weitere Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu stellen. Sie ist aufgefordert, eine dem Gewicht der Bundesrepublik entsprechende Rolle in dieser für die Zukunft Europas wichtigen Phase zu übernehmen.
    Fragen: Welche Vorschläge und praktischen Initiativen wird die Bundesregierung zur Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und seiner Rechte unternehmen?
    Ist die Bundesregierung bereit, die eingeleitete Neuorientierung der Agrarpolitik der EG in Richtung auf eine stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung nachhaltig zu fördern und damit die Isolierung zu durchbrechen, in die sie durch ihren Widerstand gegen die von der EG-Kommission und dem EG-Ministerrat mehrheitlich gefaßten Reformbeschlüsse in den letzten Jahren geraten ist?
    Welche eigenen Vorschläge wird die Bundesregierung vorbringen, um die hohe Arbeitslosigkeit in der EG zu überwinden?
    Wird die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene kooperative Strategie für Wachstum und Beschäftigung unterstützen?



    Stobbe
    Wir hören wohl die allgemeinen Erklärungen der Bundesregierung, daß die Einheitliche Europäische Akte das für alle verbindliche Ziel sei, nämlich die Europäische Union, und daß das jetzt festgeschrieben ist; dies sei das vorrangige Ziel der deutschen Außenpolitik. Aber wir vermissen doch schmerzlich die konkrete Politik, und durch die Erklärung des Bundeskanzlers heute morgen sind wir auch nicht schlauer geworden.
    Wir sehen noch nicht, wie sich die Bundesregierung von den Widersprüchen befreien kann, in die sie sich gerade auch hinsichtlich der Europapolitik begeben hat. Wir müssen deshalb fordern, daß den Worten der Bundesregierung auch Taten folgen. Wir werden sie gerade im Jahr der Präsidentschaft an diesen Taten messen.

    (Repnik [CDU/CSU]: Sie wird sich messen lassen!)

    — Diesen Satz hören wir nun schon so lange, aber es passiert ja nichts, verehrter Herr Kollege, und das ist das Problem.
    Auch in ihrer Politik gegenüber den Ländern der Dritten Welt ist die Bundesregierung in vielen Punkten in einen schreienden Gegensatz zwischen Worten und Taten geraten

    (Frau Eid [GRÜNE]: Das ist richtig!)

    und hat sich darüber hinaus in vielen Fällen auch hier in eigene Widersprüche verwickelt. Nirgendwo wird das deutlicher sichtbar als in den Vereinten Nationen, wo die Bundesrepublik in den guten Jahren unmittelbar nach der Aufnahme als Mitgliedsstaat geachtet war wegen ihres Willens und wegen ihrer Fähigkeit, für den Nord-Süd-Interessenausgleich einzutreten.
    Wenn man sich jetzt das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik in der Weltorganisation anschaut, dann kann einem das Jammern kommen

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: So ist es!)

    über den Verlust an eigenständigem Profil deutscher Außenpolitik in diesen Bereichen. Wir benehmen uns dort wirklich wie ein zu eigenem Urteil unfähiges Land und schöpfen die Möglichkeiten in keiner Weise aus, die uns das Gewicht der Bundesrepublik in den Vereinten Nationen durchaus zugute kommen ließe.

    (Zuruf des Abg. Dr. Klejdzinski [SPD])

    Die jüngste Südafrikadebatte hat dies gerade wieder gezeigt, Herr Außenminister. Ich weiß nicht, ob Sie schon den Bericht über die Fragen haben, die dort zur Intensität gestellt worden sind, mit der die Bundesregierung die Untersuchung über den Verkauf von U-Boot-Blaupausen an Südafrika betreibt. Ich fand die Debatte peinlich, die es dort gegeben hat; peinlich für unser Land.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Für die Bundesregierung!)

    Der Worte gibt es natürlich viele. Die des Bundeskanzlers während seiner Afrikareise und auch seine Ausführungen heute im Bundestag zeigen, was diese Fragen angeht, sogar einen gewissen Läuterungsprozeß. Aber der kommt natürlich viel zu spät und ist in keiner Weise ein Ersatz für konkrete Maßnahmen gegenüber Südafrika, die überfällig sind und zu denen
    sich die Bundesregierung im Interesse der Menschen in diesem Land und im Interesse ihrer eigenen Glaubwürdigkeit endlich aufraffen muß.
    Jedenfalls ist das die Forderung von Sozialdemokraten an eine Bundesregierung, deren Außenpolitik wir in so vielen Bereichen — wir sagen: leider — scharf kritisieren müssen, weil sie eben nicht aus einem Guß ist, weil sie die der Regierungskoalition innewohnenden Widersprüche nicht in sinnvollen Kompromissen auflösen kann, weil sie dadurch unscharf und verworren wird und damit den Interessen des deutschen Volkes eben nicht dient.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zeitliche Enge dieser Debatte, die ich als Mitglied der Bundesregierung nicht zu kritisieren, aber als Mitglied des Deutschen Bundestages wenigstens zu bedauern habe, zwingt mich, mich auf zwei Themen zu beschränken: die Lage des auswärtigen Dienstes und die Abrüstungspolitik.
    Vorab aber: Meine verehrten Kollegen Stobbe und Voigt von der Sozialdemokratischen Partei, ich denke, daß Sie noch einmal genau überprüfen sollten, was Sie hier zur jüngsten Entwicklung im deutschfranzösischen Verhältnis gesagt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Entweder gehen die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich bei der europäischen Einigung zusammen, oder Europa wird nicht werden.

    (Zuruf von der SPD: Dafür sind wir!)

    Entweder gehen die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich in der Sicherheitspolitik zusammen,

    (Zuruf von der SPD: Es geht um das Wie!)

    oder es wird keine sicherheitspolitische Identität in Europa geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Ich möchte Ihnen zwei große Reden des französischen Staatspräsidenten Mitterrand in Erinnerung rufen, die er in Deutschland gehalten hat, die eine hier im Januar 1983; die haben Sie nicht gern gehört. Die zweite hat er bei seinem Besuch in Aachen gehalten. In keiner Rede eines verbündeten Staatsmannes habe ich so viel Verständnis für deutsche Sicherheitsinteressen entdecken können, wie in dieser Rede von Präsident Mitterrand in Aachen, gerade auch in der uns bedrückenden Frage nuklearer Kurzstreckensysteme.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)