Rede:
ID1103705300

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    Plenarprotokoll 11/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Aktuelle Stunde betr. Ergebnisse des Waldschadenberichts 1987 Dr. Knabe GRÜNE 2497B, 2486 C Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 2480 B Lennartz SPD 2481 A Heinrich FDP 2481 D Vahlberg SPD 2482 D Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 2483 D Baum FDP 2484 D Kiechle, Bundesminister BML 2485 C Bayha CDU/CSU 2487 A Stahl (Kempen) SPD 2487 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 2489 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2490 C Schmidbauer CDU/CSU 2491 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 2492 C Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Schmidt-Bott, Ebermann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiges Moratorium für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (Drucksache 11/695) Frau Schmidt-Bott GRÜNE 2493 D Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 2495 B Catenhusen SPD 2497 C Kohn FDP 2499 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2501 B Tagesordnungspunkt 22: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/118) und b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/860) und c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Männle, Frau Verhülsdonk, Frau Dempwolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Geschlechtsbezogene Formulierungen in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Drucksache 11/1043) Frau Dr. Dobberthien SPD 2502 D Frau Männle CDU/CSU 2503 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 2504 D Richter FDP 2506 B Engelhard, Bundesminister BMJ 2507 C Helmrich CDU/CSU 2508 B Frau Becker-Inglau SPD 2509 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2510A Vizepräsident Cronenberg 2511 B Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksache 11/474) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Dr. de With SPD 2511 D Eylmann CDU/CSU 2513 C Frau Schoppe GRÜNE 2515 B Lüder FDP 2516B Engelhard, Bundesminister BMJ 2517 A Frau Bulmahn SPD 2517 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2519C Nächste Sitzung 2520 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2521* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2521* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 2479 37. Sitzung Bonn, den 6. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 11. Frau Beck-Oberdorf 6. 11. Bernrath 6. 11. Frau Blunck 6. 11. Dr. Briefs 6. 11. Böhm (Melsungen) ** 6. 11. Brauer 6. 11. Frau Brahmst-Rock 6. 11. Clemens 6. 11. Conradi 6. 11. Dollinger 6. 11. Doss 6. 11. Dr. Ehmke (Bonn) 6. 11. Ewen 6. 11. Dr. Feldmann 6. 11. Dr. Fell 6. 11. Gattermann 6. 11. Geis 6. 11. Gerstein 6. 11. Dr. Götz 6. 11. Dr. Haack 6. 11. Haack (Extertal) 6. 11. Heistermann 6. 11. Frau Dr. Hellwig 6. 11. Dr. Jobst 6. 11. Dr. Klejdzinski * 6. 11. Kolbow 6. 11. Kretkowski 6. 11. Lenzer * 6. 11. Leonhart 6. 11. Linsmeier 6. 11. Louven 6. 11. Lowack 6. 11. Frau Dr. Martiny 6. 11. Meyer 6. 11. Michels 6. 11. Mischnick 6. 11. Dr. Möller 6. 11. Müller (Schweinfurt) 6. 11. Frau Pack * 6. 11. Paintner 6. 11. Pfeifer 6. 11. Reuschenbach 6. 11. Frau Schilling 6. 11. Schmidt (München) * 6. 11. Schmidt (Salzgitter) 6. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmitz (Baesweiler) 6. 11. Dr. Schmude 6. 11. Dr. Schneider 6. 11. Schroer 6. 11. Sielaff 6. 11. Dr. Sperling 6. 11. Schwarz 6. 11. Wieczorek (Duisburg) 6. 11. Wischnewski 6. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Oktober 1987 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/803) zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/779 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/779 Nummern 2.5, 2.6 Haushaltsausschuß Drucksache 11/883 Nummern 64, 68 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/253 Nummern 2.5, 2.6, 2.7, 2.8 Drucksache 11/339 Nummern 2.1, 2.2 Drucksache 11/439 Nummern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5 Drucksache 11/561 Nummern 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/779 Nummern 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19, 2.22, 2.23 Drucksache 11/883 Nummern 73, 74, 75, 76, 77 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/253 Nr. 2.26 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/253 Nr. 2.29 Drucksache 11/883 Nr. 116 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/883 Nr. 120 Drucksache 11/883 Nr. 121 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 3.159 Drucksache 11/138 Nr. 3.160 Drucksache 11/138 Nr. 3.161 Drucksache 11/561 Nr. 2.17
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    Rede von Prof. Ursula Männle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Jeder normal gebildete Sprachverwender vermag zu unterscheiden zwischen der Funktions- und Organbezeichnung und



    Frau Männle
    der Person, die eine solche Funktion ausübt oder ein Amt innehat. " So äußerte sich der ehemalige hessische Staatssekretär der Justiz Suchan in einer ähnlichen Debatte.
    Grundsätzlich ist diesem Satz eigentlich zuzustimmen. Dennoch sollten wir im Sinne unseres heute eingebrachten Antrages kurz einige Überlegungen anstellen. Was bewirkt eigentlich Sprache? Manifestiert sich in Sprache unser Denken? Ist nicht Sprache Ausdruck unserer Einstellung, und beeinflußt nicht umgekehrt Sprache unser Handeln? Immer wieder wird besonders in der letzten Zeit davon gesprochen, wie wichtig es sei, Begriffe zu prägen und zu besetzen, Worte bewußt zu verwenden. Unpräzise, verwaschene Formulierungen können häufig Tatbestände verschleiern. Wenn Sprache so wichtig ist, wieso beschleicht uns eigentlich Unbehagen bei der Forderung nach korrektem Einsatz der Sprache, wenn es um Frauen geht? Warum wird dieses Problem als nebensächlich vom Tisch gewischt?
    Solange Ämter und Positionen in unserer Gesellschaft von Männern besetzt waren, war es nur folgerichtig, daß sich die Bezeichnungen maskulin bildeten. Sprache war Abbild der Realität, die männlich geprägt war. Frauen kamen im gesellschaftlichen und politischen Leben nicht vor. Deshalb war ihre Erwähnung natürlich auch überflüssig. Unsere gesellschaftliche Realität hat sich entscheidend verändert. Inzwischen haben Frauen Zugang zu Positionen, kommen aber sprachlich leider noch nicht vor. Die Bezeichnung „Wahlmännergremium" war so lange richtig, solange Frauen keine Delegierten waren. Jedoch: Müssen wir den Begriff eigentlich noch mitschleppen? Bei vielen anderen Amtsbezeichnungen wird argumentiert, die maskuline Bezeichnung sei sowohl für Frauen wie auch Männer zutreffend, also neutral. Ein Minister kann durchaus eine Frau sein. Das kennen wir ja, und sie sind sogar sehr gute Minister. Sprachlich stimmt dies natürlich, bei vielen Berufsbezeichnungen trifft dies ebenfalls zu. Aber häufig ist die männliche Bewertung dieser Titel so dominant, daß es nicht alltäglich ist, eine Einladung zu erhalten, die an „Frau Professor ... mit Gattin" gerichtet ist.
    Ich denke, die Öffentlichkeit ist heute sensibler für diese Probleme geworden. Der Sprachgebrauch hat sich langsam verändert. Nur die juristische Sprache hinkt etwas hinterher, ja manchmal ist sie so absurd, daß, wie Frau Ministerin Süssmuth dies sicherlich ausdrücken wird, im Gesetz der Arzt auftauchte der schwanger ist.
    Was soll nun geändert werden, was darf nicht geschehen? Wir sind eindeutig gegen die Entwürfe von SPD und GRÜNEN, weil sie uns die ganzen nächsten Monate und Jahre nur damit beschäftigen würden, die bisherigen Gesetze zu ändern. Dies wollen wir nicht. Wir sind jedoch dafür, daß in zukünftigen Gesetzen sprachlich zu kontrollieren ist, ob nicht geschlechtsneutrale Formulierungen oder solche Formulierungen, die sich auf beide Geschlechter beziehen, verwandt werden können.
    Wir sind nicht dafür, daß bei der männlichen Form immer auch die weibliche Form erscheint. Ich meine, daß die deutsche Sprache wegen ihres Pronominalsystems so kompliziert ist, daß hieraus häufig nur Satzungetüme entstehen würden. Ich bin sicher, daß mein Herr Kollege Helmrich darauf noch eingehen wird. Eine Schrägstrichstilistik ist verheerend und wird von uns abgelehnt.
    Wir sollten jedoch überlegen, welche Umschreibungen wir wählen können und ob vielleicht Pluralbildungen Diskriminierungen vermeiden können. Überlegen wir neu, ohne die Sprache zu vergewaltigen! Ich darf ein Beispiel aus dem Bayerischen bringen. Bei uns ist die Amtsbezeichnung selbstverständlich "Das Bayerische Staatsministerium für ...", im Bund heißt es „Der Bundesminister für ... ".
    Interessant ist auch, wie Frau Kollegin Dobberthien schon gesagt hat, daß überall dort, wo Männer in neue Berufe eindrangen, die Berufsbezeichnungen durchaus geändert wurden. Es ist also den Männern nicht zumutbar, weibliche Bezeichnungen zu führen. Die Hebamme ist das typische Beispiel. Ich brauche darauf nicht mehr extra einzugehen.
    Lassen Sie mich jedoch noch ein Beispiel bringen, mit dem ich auch abgrenzen möchte, was wir nicht wollen. Wir wollen die Sprache nicht revolutionieren, wir wollen unser Sprachsystem nicht auf den Kopf stellen. Wir lehnen Vorschläge ab, nur noch die weibliche Form oder nur die sächliche Form zu verwenden. Wir lehnen auch die Gleichsetzung von grammatikalischem und natürlichem Geschlecht ab. Lassen Sie mich ein bißchen drastisch sagen: Der Busen ist zweifellos ein weibliches Geschlechtsorgan, aber vom Genus her maskulin. Die Brustbehaarung ist ein Ausdruck des Männlichen, aber vom grammatikalischen Geschlecht her sicherlich weiblich. Ohne Berücksichtigung des Sprachsystems, dürfen wir Sprache nicht verändern. Wir fordern die Bundesregierung auf, zukünftig in der Gesetzessprache die Auswirkungen der Sprache zu bedenken. Wir wollen aber eine Gesetzessprache, die der gesellschaftlichen Realität entspricht.

    (Schily [GRÜNE]: Dann müssen Sie „der Sonne" und „die Mond" sagen!)

    Nein, wir wollen keineswegs so weit gehen, daß ich meinen schönen männlichen Namen in „ Weible " ändern muß oder zukünftig sogar als „Personle" durch die Welt marschieren muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Oesterle-Schwerin.

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    Rede von Jutta Oesterle-Schwerin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginen! Die anwesenden Kollegen sind selbstverständlich mit eingeschlossen und mögen sich bitte mit angesprochen fühlen. Der Herr Präsident — ich habe schon gesehen, wer hier sitzt — wird sich hoffentlich auch nicht viel schlechter fühlen als jede Frau, die mit „Herr" angesprochen wird. Das ist eine Mißachtung der Persönlichkeit, die jeder Frau in diesem Hause mit Sicherheit schon mindestens einmal widerfahren ist.
    Eine frauenfeindliche Sprache liegt immer dann vor, wenn Frauen ignoriert, einfach nicht genannt, nicht beachtet und übersehen werden und dann gesagt wird: Sie sind selbstverständlich mit gemeint.



    Frau Oesterle-Schwerin
    Ein ganz hervorragendes Beispiel dafür bildet ausgerechnet der Art. 3 unseres Grundgesetzes. Während nämlich in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels versprochen wird „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" und „Männer und Frauen sind gleichberechtigt", ist der Abs. 3 des gleichen Artikels schon viel realistischer. Dort heißt es nämlich: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung . . . seiner Sprache" etc. benachteiligt werden. Das ist ja auch sehr wahr, denn es wird ja auch niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt, aber jede einzelne von uns wegen ihres Geschlechtes.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bei uns völlig anders!)

    Richtig müßte der Artikel natürlich heißen: Keine Person darf wegen des Geschlechtes, der Abstammung, der Rasse etc. benachteiligt oder bevorzugt werden. Insofern kann man sagen, daß die jetzige Fassung des Abs. 3 einen Widerspruch in sich selber darstellt. Man kann sogar sagen, daß dieser Absatz grundgesetzwidrig ist, weil er dem Abs. 2 des gleichen Artikels widerspricht.
    Das ist aber keineswegs die einzige Stelle, an der das Grundgesetz grundgesetzwidrig ist. Im Grundgesetz kommen Frauen im ganzen nur dreimal vor: einmal in dem besagten Art. 3, einmal im Art. 6 als Mütter und einmal im Art. 12 a als potentielle Reservearmee für den Zivilschutz. Ansonsten kennt das Grundgesetz nur Männer, Menschen und Deutsche.

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

    Der Illusion, daß wir Frauen mit dem Wort „Männer" automatisch mitgemeint sind, können wir uns nicht ohne weiteres hingeben, denn Frauen können mit dem Wort „Mensch" mitgemeint werden, aber es ist keineswegs immer so. Menschen, die von „Menschen" reden, denken dabei manchmal an Frauen, aber nicht immer.
    Oder können Sie sich z. B. den Satz vorstellen: Es waren viele Menschen versammelt; sie trugen bunte Röcke und stillten ihre Kinder? Das können Sie sich nicht vorstellen. „Alle Menschen werden Brüder". Das klingt sehr erhebend, aber schließt uns Frauen rigoros aus.

    (Schily [GRÜNE]: Aber „Brüder, zur Sonne ... " auch! — Heiterkeit)

    — Ja, richtig. Die sozialdemokratische Bewegung ist eben auch noch nicht sehr viel weiter.

    (Zuruf von der SPD: Heute ja!)

    Oder würde sich irgend jemand von den männlichen Mitgliedern dieses Hauses angesprochen fühlen, wenn es heißen würde: „Alle Menschen werden Schwestern" ? Ich glaube, ebenfalls kaum. Der Mensch ißt, der Mensch schläft, aber wird der Mensch mit der Geschlechtsreife auch gebärfähig? Die Antwort liegt doch auf der Hand.

    (Schily [GRÜNE]: Also Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit!)

    Es ist also so, daß wir uns durch das Wort „Mensch" keineswegs automatisch angesprochen fühlen. Ebenso verhält es sich mit dem Wort „Deutsche". Sie können sagen: Die Deutschen sind fleißige Arbeiter. Wenn Sie aber Frauen meinen, dann werden Sie immer sagen: Die deutschen Frauen sind fleißige Arbeiterinnen und nicht: „Die Deutschen sind fleißige Arbeiterinnen" . Das sagen Sie nicht.
    Genauso wenig fühlen sich nämlich die Arbeitgeber und die Arbeitgeberinnen von dem § 611 a und b BGB angesprochen, in dem das Verbot, Menschen wegen ihres Geschlechtes am Arbeitsplatz zu diskriminieren, ausschließlich in männlicher Form abgefaßt ist. Ein Gesetz, das geschaffen worden ist, um die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz abzuschaffen, das dann aber in seiner sprachlichen Abfassung nur von „Arbeitgebern" und „Arbeitnehmern" spricht, und in dem es dann heißt: „Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt werden" , so ein Gesetz kann nicht sehr ernst gemeint sein, und es wird auch nicht sehr ernstgenommen.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Denjenigen, die jetzt meinen, die Erwähnung beider Geschlechter wäre zu umständlich oder zu lang und würde die Gesetze unnötig verkomplizieren, möchte ich doch empfehlen, daß sie sich dafür entscheiden, ab heute ausschließlich die weibliche Form zu benutzen. Da würde ich doch empfehlen, benutzen Sie ausschließlich die weibliche Form. Da es sich nach Ihrer Meinung wahrscheinlich um eine Nebensächlichkeit handelt, werden sich auch alle männlichen Vertreter dieses Hauses angesprochen fühlen, wenn von der Beamtin, von der Juristin und von den Politikerinnen die Rede ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN) Oder gibt es da Zweifel?


    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Nein!)

    Es geht uns darum, hier zu verdeutlichen, daß Sprache einerseits die Realität und den jeweiligen Bewußtseinsstand widerspiegelt, andererseits aber auch Realität neu schafft und Bewußtsein verändert. Daß wir stets nur von „dem" Ingenieur und von „dem" Richter reden, hat seine Ursache darin, daß Frauen jahrhundertelang aus den meisten Berufen ausgeschlossen waren und von dem öffentlichen Leben ebenfalls.
    Die Realität hat sich heute etwas geändert, und dem wurde auch in der Sprache schon teilweise, wenn auch nur sehr langsam und zögerlich, Rechnung getragen. Das wollen wir durchaus zugestehen. Wir wollen uns aber nicht mehr damit begnügen, daß Sprache langsam der Realität hinterherhinkt, sondern wir wollen Realität verändern, und dazu ist die Veränderung der Sprache ein Mittel. Erst wenn wir immer, wenn auch nur eine Frau mitgemeint ist, sagen: „Stadträtinnen und Stadträte", „Ministerinnen und Minister" , „Politikerinnen und Politiker" ,

    (Schily [GRÜNE]: „Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler" ! )

    erst wenn wir „Ingenieurinnen und Ingenieure", „Planerinnen und Planer", „Lehrerinnen und Lehrer" sagen, erst dann werden unsere Töchter ihre Möglich-



    Frau Oesterle-Schwerin
    keiten erkennen und endlich die Plätze einnehmen, die ihnen in dieser Gesellschaft zustehen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

    Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist doch eigentlich gar nicht so schwierig, was wir heute von Ihnen verlangen. Wir verlangen ja nicht, daß Sie ab morgen alle von „Aktenordnern" und ,,Aktenordnerinnen" reden. Wir sind ja noch vernünftig. Aber wozu wir nicht mehr bereit sind: wir sind nicht mehr dazu bereit, Briefe zu beantworten, die an „Herren" gerichtet sind. Erst gestern kam in meinem Büro wieder so ein Brief an. „An den Herrn Oesterle-Schwerin". Da schreibe ich doch ganz groß darüber: „Adressat unbekannt" und stecke ihn wieder in den Briefkasten.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sind nicht mehr dazu bereit, Pässe und Personalausweise mit uns herumzutragen, die für Männer bestimmt sind. Wir fühlen uns nicht beschützt durch Gesetze, in denen wir nicht erwähnt werden, und wir sind auch auf Dauer nicht mehr bereit, solche Gesetze zu befolgen. Wir wollen nicht mehr die Vertreter des ganzen deutschen Volkes sein, sondern seine Vertreterinnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)