Rede:
ID1103414100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Detlef: 1
    7. Kleinert: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/34 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 34. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Oktober 1987 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Absturzes eines italienischen Flugzeuges am 15. Oktober 1987 2273 A Tagesordnungspunkt 19: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur sozialen Flankierung des Strukturwandels in der Stahlindustrie in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Stahlpolitik der Bundesregierung (Drucksache 11/947) Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 2273B, 2294 D Roth SPD 2278A Dr. Sprung CDU/CSU 2281 B Stratmann GRÜNE 2282 D Beckmann FDP 2285 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 2287 C Urbaniak SPD 2291 C Hinsken CDU/CSU 2292 D Frau Weyel SPD 2294 B Schreiner SPD 2294 D Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Schmidbauer, Fellner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Knabe, Wetzel und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Langfristiger Klimaschutz" (Drucksachen 11/533, 11/787, 11/971) 2296D Zusatztagesordnungspunkt 17: Aktuelle Stunde betr. Entsendung von Marine-Einheiten der Bundeswehr ins Mittelmeer Dr. Mechtersheimer GRÜNE 2297 B Kossendey CDU/CSU 2298 B Dr. Scheer SPD 2299 D Dr. Hoyer FDP 2300 D Frau Beer GRÜNE 2301 D Dr. Uelhoff CDU/CSU 2302 C Jungmann SPD 2303 C Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2304 C Zumkley SPD 2305 D Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 2306 C Lowack CDU/CSU 2307 B Kolbow SPD 2308 D Schwarz CDU/CSU 2309 B Tagesordnungspunkt 20: a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Beendigung der Arbeiten am Endlager Gorleben (Drucksache 11/511) und b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Entsorgung — Endlager (Gorleben) (Drucksache 11/581) Frau Wollny GRÜNE 2310B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 2312A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Oktober 1987 Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 11/73) Frau Nickels GRÜNE 2312 B Geis CDU/CSU 2313D, 2322A Dr. de With SPD 2316B Kleinert (Hannover) FDP 2318 D Engelhard, Bundesminister BMJ 2321 A Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU (zur GO) 2322 A Nächste Sitzung 2322 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2323* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Oktober 1987 2273 34. Sitzung Bonn, den 16. Oktober 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 16. 10. Frau Beck-Oberdorf 16. 10. Frau Berger 16. 10. Bohlsen 16. 10. Brandt 16. 10. Bredehorn 16. 10. Dr. Briefs 16. 10. Büchner (Speyer) * 16. 10. Dr. von Bülow 16. 10. Carstensen (Nordstrand) 16. 10. Dr. Daniels (Bonn) 16. 10. Daubertshäuser 16. 10. Echternach 16. 10. Dr. Ehmke (Bonn) 16. 10. Dr. Ehrenberg 16. 10. Engelsberger 16. 10. Frau Fischer ** 16. 10. Gattermann 16. 10. Gerstein 16. 10. Dr. Götz 16. 10. Gries 16. 10. Grünbeck 16. 10. Grüner 16. 10. Grunenberg 16. 10. Haar 16. 10. Frau Hämmerle 16. 10. Hedrich 16. 10. Heimann 16. 10. Heistermann 16. 10. Hillerich 16. 10. Frau Hoffmann (Soltau) 16. 10. Hoss 16. 10. Ibrügger 16. 10. Irmer ** 16. 10. Jansen 16. 10. Jaunich 16. 10. Jung (Lörrach) 16. 10. Kirschner 16. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an der 78. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kittelmann * 16. 10. Koschnick 16. 10. Frau Krieger 16. 10. Dr. Lammert 16. 10. Leidinger 16. 10. Frau Luuck 16. 10. Maaß 16. 10. Frau Dr. Martiny 16. 10. Frau Matthäus-Maier 16. 10. Dr. Mertens (Bottrop) 16. 10. Meyer 16. 10. Dr. Müller ** 16. 10. Müller (Schweinfurt) 16. 10. Frau Olms ** 16. 10. Paintner 16. 10. Paterna 16. 10. Petersen 16. 10. Reddemann * 16. 10. Repnik 16. 10. Reschke 16. 10. Reuschenbach 16. 10. Schäfer (Offenburg) 16. 10. Scharrenbroich 16. 10. Freiherr von Schorlemer ** 16. 10. Schröer (Mülheim) 16. 10. Frau Dr. Segall 16. 10. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 16. 10. Dr. Soell ** 16. 10. Dr. Stercken ** 16. 10. Stobbe 16. 10. Straßmeir 16. 10. Tietjen 16. 10. Frau Dr. Timm ** 16. 10. Toetemeyer 16. 10. Verheugen 16. 10. Dr. Vondran 16. 10. Dr. Waigel 16. 10. Weirich 16. 10. Wieczorek (Duisburg) 16. 10. Wischnewski 16. 10. Wissmann 16. 10. Wittich 16. 10. Wüppesahl 16. 10. Zierer 16. 10. Dr. Zimmermann 16. 10. Zywietz 16. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Schily, Sie wissen genau so gut wie ich, daß bei einer Zweidrittelmehrheit zur Wahl der Richter — so daß die Regierungskoalition nicht die Opposition überstimmen kann — Gespräche zwischen beiden Lagern notwendig sind. Das wird auch so bleiben, wenn wir ein Anhörungsverfahren im Wahlmännergremium einschalten und durch das Plenum wählen lassen. Wenn das aber so ist, sind Vorabsprachen unumgänglich. Diese Gespräche werden durch bestimmte Leute geführt, die die Fraktionen bestellen. Deswegen ist dieses Vorgremium nicht ominös, sondern notwendig; es ergibt sich aus der Zweidrittelmehrheit, die auch Sie in keiner Weise in Frage stellen.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Er antwortet nicht! Er will nicht antworten!)

    Meine Damen und Herren, zwei Punkte aus dem Entwurf der GRÜNEN sind indessen nach wie vor diskussionswürdig. Der eine Punkt ist die Wahl durch das Plenum, nicht durch den Ausschuß, der andere Punkt ist das Verfahren zur Anhörung der Richter vor dem Ausschuß. Beides soll der größeren Transparenz dienen und offenbar auch der Erprobung — ich darf das einmal so formulieren — der Öffentlichkeitsfestigkeit der Richter. Das sind — das betone ich — Eigenschaften des Wahlverfahrens bzw. der Richter, die auch wir wünschen. Der Streit, ob Art. 94 des Grundgesetzes das Bundestagsplenum meint, wenn dort statuiert wird:
    Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt,
    oder aber die Wahl auch durch einen Ausschuß offenläßt, ist so alt — das ist schon erwähnt worden — wie das Verfassungsgerichtsgesetz.



    Dr. de With
    Ich darf noch einmal daran erinnern: Es war Adolf Arndt — der hier gerne zitiert wird und an dessen Demokratieverständnis wohl kein Zweifel besteht —, der letztlich den Vorschlag gemacht hat, dem wir hier bei der Wahl bis heute folgen. Er war nämlich der Auffassung, daß Art. 94 des Grundgesetzes nur meint, daß es eine hälftige Teilung zwischen Bundestag und zwischen Bundesrat geben sollte, nicht aber, daß damit die Unmittelbarkeit der Wahl angesprochen ist. Denn das Grundgesetz unterscheidet durchaus zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit der Wahl. In den Art. 28 und 38 ist nämlich der Ausdruck „unmittelbar" erwähnt, so daß die Väter, die den Art. 94 konzipierten, durchaus zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit der Wahl unterscheiden konnten.
    Dennoch sage ich: Bei einer Wahl durch das Bundestagsplenum würde die Gewichtigkeit der Wahl des Bundesverfassungsgerichts im Bewußtsein der Öffentlichkeit sicher stärker werden.
    Nur — ich sage auch das noch einmal — , das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit müßte beibehalten werden, eben um zu verhindern, daß eine Regierungsmehrheit sich durchsetzt und damit einen ihr genehmen Verfassungsgerichtskörper wählt. Wenn das aber so ist — und ich betone es wiederholt —, dann muß es bei Absprachen bleiben und natürlich auch beim Schnüren von Paketen. Die Zweidrittelmehrheit erfordert eben einen Kompromiß.
    Was wir allerdings überlegen sollten — und das sage ich auch ganz ernst — , ist ob wir nicht eine Zweidrittelmehrheit bei der Wahl unserer obersten Richter einführen sollten; denn in der letzten Legislaturperiode gab es zwei Sitzungen des entsprechenden Ausschusses, wo die Regierungskoalition nicht nur einen Durchmarsch versucht, sondern auch geprobt hat — ich meine, sehr zum Ärger nicht nur einiger, sondern auch zu Lasten dessen, was man Gerechtigkeit bei der Ernennung von Bundesrichtern nennt. Sie sind deswegen mit Recht harsch kritisiert worden.
    Es hat sich bisher auch erwiesen — das sage ich —, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichts auch außerhalb des Judizierens durchaus der von ihnen erwarteten Rolle, öffentliche Personen zu sein, gerecht geworden sind. Ich meine, daß das sonst häufig beklagte Im-Elfenbeinturm-Leben im Kern jedenfalls auf die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht angewandt werden kann.
    Die Frage nach der Öffentlichkeitswertigkeit eines Kandidaten für das Amt des Richters am Bundesverfassungsgericht kann — und ich stehe nicht an, das zu verschweigen — durch ein Anhörungsverfahren ganz sicher leichter beantwortet werden. Wir sollten aber auch wissen, ob dadurch wirklich die Transparenz der Findung — und das sind zwei unterschiedliche Dinge — größer wird. Sehr wahrscheinlich kaum. Ich will aber nicht ausschließen — das sage ich auch —, daß durch ein Anhörungsverfahren möglicherweise vorangegangene Fehlentscheidungen offenkundig werden und deswegen korrigiert werden können.
    Auf der anderen Seite — es ist schon erwähnt worden — dürfen auch Sie nicht übersehen, daß ein Anhörungsverfahren durchaus zum Verhör ausarten kann. Ich bin dagegen, daß man schlicht und einfach überträgt, was in Amerika postuliert wurde und die
    Praxis ist; denn in Amerika ist die Situation ganz anders. Dort ernennt der Präsident, und er kann über seine Amtsperiode hinaus einen Verfassungsgerichtskörper bestimmen, der imstande ist, über Jahrzehnte hinaus in eine Richtung zu judizieren, die niemand will. Und deswegen wurde nach dem Begriff „Checks und Balances" dort ein Anhörungsverfahren durchgesetzt, um die Macht des Präsidenten zu konterkarieren. Das heißt, das Motiv in den Vereinigten Staaten für Anhörungsverfahren ist ein ganz anderes als bei uns.

    (Dr. Struck [SPD]: Sehr richtig!)

    Im übrigen darf auch ein Weiteres nicht übersehen werden: Auch in Amerika unterliegt das Anhörungsverfahren herber Kritik.
    Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Es gibt — das verschweigen wir nicht — positive Dinge, aber auch Gefahren, die niemand übersehen sollte. Ich sagte eingangs, daß wir mit Offenheit an die Beratungen dieser Vorlage herangehen.

    (Schily [GRÜNE]: Das ist erfreulich!)

    Es geht einmal darum — um das noch einmal zum Schluß zu statuieren — , die bewährten Findungs- und Wahlprinzipien nicht zu zerschlagen, die im wesentlichen durch das Zweidrittelprinzip bestimmt werden. Auf der anderen Seite müssen wir aber mit Nachdruck darauf bedacht, sein, diesen Findungsprozeß durchschaubarer, für die Öffentlichkeit verständlicher zu machen und auch die Öffentlichkeitswertigkeit der Richter mehr ins Rampenlicht zu rücken.

    (Schily [GRÜNE]: Das ist doch schon ein Ansatz!)

    Ich kann nur sagen und hoffen und wünschen, daß die Beratungen ernst genug sein werden, dem Thema entsprechend, und die Entscheidung erst gefällt werden wird, nachdem wir uns gründlich umgeschaut haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Unsere Verfassungsgerichtsbarkeit ist noch sehr jung, und deswegen können wir mit Recht sagen: Auf Grund dieser jungen Erfahrung ist durchaus eine Korrektur möglich.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Detlef Kleinert (Hannover).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige wesentliche Dinge sind hier schon zu bedenken gegeben worden. Wir sind der Meinung, daß die besondere Bedeutung der Institution des Bundesverfassungsgerichts uns allen ständig die Aufgabe gibt, darüber nachzudenken, ob wir irgend etwas an seiner Zusammensetzung, an der Art seiner Wahl, seines Zustandekommens noch verbessern können. Dieser Aufgabe werden wir uns nicht entziehen. Wir sind für jede Anregung dankbar, die hier zu erneutem Nachdenken führt.

    (Dr. Struck [SPD]: Sehr gut!)




    Kleinert (Hannover)

    Deshalb nehmen wir auch das, was heute hier von den GRÜNEN auf den Tisch gelegt worden ist, in diesem Sinne ernst. Das ist das eine.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das nächste ist: Sie haben, Frau Nickels, hier immer von dem „Wahlmännergremium" gesprochen und sich verzweifelt bemüht, bei dem Wort „Männer" den Ton besonders deutlich herauszubringen.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Es sollte „ Wahlleutegremium " heißen!)

    Ich kann Ihnen sagen: Sowohl Frau Däubler-Gmelin als auch Frau Fuchs, beide von der SPD in dieses Gremium entsandt, gehören meines Wissens zu den Damen, die mit der Bezeichnung ihrer Eigenschaft überhaupt keine Probleme haben, wenn sie nur mitbestimmen können. Da bin ich ganz sicher. Wenn wir noch einige mehr hätten, wäre es noch besser. Die GRÜNEN haben natürlich das gleiche Problem wie die Freien Demokraten: Wir können uns immer nur so oder so entscheiden, weil nach dem System von Hare-Niemeyer auf die beiden Fraktionen nur einer entfällt.
    Sie haben sich — ich weiß gar nicht, ob Ihnen das schon einmal in den Sinn gekommen ist — dieser Peinlichkeit, die bei Ihnen vielleicht besonders peinlich sein könnte, dadurch entzogen, daß Sie sich die Möglichkeit, überhaupt teilzunehmen, durch Nichtteilnahme an der Sitzung versagt haben. Aber vielleicht wechseln wir uns einmal ab.
    Jetzt komme ich zu einer anderen Sache, die nicht nur etwas mit dem Bundesverfassungsgericht, sondern mit allen Vorschlägen betreffend mehr Transparenz zu tun hat. Sie sind nun auch schon so lange hier und, wie ich glaube, zum größeren Teil auch leidvoll hier vertreten, daß Sie wissen, daß die GRÜNEN die längsten und kompliziertesten — teilweise auch öffentlichen — Sitzungen von allen Fraktionen haben und daß Sie sich für eine friedfertige Vereinigung dabei verhältnismäßig unfriedlich miteinander beschäftigen. Auch das dürfte inzwischen allgemein bekannt sein; darin liegt ein tiefer Widerspruch,

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Machen Sie öffentliche Fraktionssitzungen? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    der mir auch weh täte, wenn ich dabei wäre, noch dazu mit so hohem Anspruch.
    Aber deshalb wissen Sie auch: Je transparenter Sie ein Verfahren gestalten, um so untransparenter werden die Vorgespräche.

    (Frau Renger [SPD]: Hinter den Türen!)

    Bei Ihnen gibt es genauso Vorgespräche vor allen noch so öffentlichen Wahlen wie in allen anderen Gremien, übrigens auch im außerpolitischen Raum. Das haben Sie selbst in Gesangvereinen und in ganz harmlosen kulturellen Vereinigungen, daß sich vorher einige wenige überlegen, wer der nächste Vorsitzende werden soll und daß sie mit kunstvollen Argumenten in der Mitgliederversammlung vortragen, was sie vorher unter sich ausgeguckt haben. Dieser Vorgang findet überall statt. Er sollte so weit eingeschränkt werden wie möglich, er sollte so transparent gemacht werden wie möglich, und man sollte die Entscheidung für ein so wichtiges Gremium wie das Bundesverfassungsgericht auch auf möglichst viele Verantwortliche legen.
    Aber man sollte bei der Gelegenheit nicht in schlichte Heuchelei verfallen — das wäre dem Gegenstand unangemessen — und so tun, als ob man durch irgendeine Gestaltung des Verfahrens die Prozesse, die sich nun einmal aus der Natur der Menschen, der Gesellschaft und ihrer Umstände ergeben, durch irgend etwas Formales aufheben könnte. Dieser Versuch wird mit Ihrem Vorschlag natürlich gemacht.

    (Schily [GRÜNE]: Herr Kleinert, es steht doch in unserem Gesetzentwurf drin, daß wir das auch anerkennen!)

    Das hindert uns überhaupt nicht, darüber nachzudenken. Wir werden im Rechtsausschuß Gelegenheit haben, etwas ausführlicher und dann hoffentlich noch verständlicher und deutlicher, als das jetzt hier bei der ersten Lesung der Fall sein kann, über die Dinge zu sprechen.
    Ich wiederhole mich in diesem Punkt, weil er mir so wichtig erscheint: Niemandem soll man vormachen, daß man die tatsächliche Handhabung solcher Dinge durch irgendwelche formellen Änderungen aus der Welt schaffen könnte. Diejenigen, die das schlechteste Gewissen haben, tun sich normalerweise am meisten damit hervor, solche Dinge formell in Ordnung zu bringen, während sie hinter den Kulissen so wie eh und je laufen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist eine Zweidrittelmehrheit. Ich bin mit Herrn de With der Meinung, daß diese Zweidrittelmehrheit an dieser Stelle gebraucht wird. Aber ich sehe auch die Schwierigkeiten. Würden wir z. B. im Richterwahlausschuß im Gegensatz zum Wahlmännergremium eine solche Zwei-Drittel-Mehrheit ebenfalls einführen, dann wäre ich sehr energisch dagegen, weil mir eine Kampfabstimmung mit mal dieser und mal jener Mehrheit oder das Gegeneinanderstellen von unterschiedlichen Kandidaten, die dann von beiden Seiten akzeptiert werden — das ist der normale Fall — , viel lieber ist als die bei der Zwei-Drittel-Mehrheit angelegte Entscheidung auf den gemeinsamen Nenner. Ich bleibe bei der Bezeichnung „gemeinsamer Nenner" . Das andere kann sich jeder hinzudenken.

    (Zurufe von der SPD: Sie meinen den größten! — Den kleinsten!)

    Deshalb, meine ich, sollten wir hier zusätzliche Komplikationen vermeiden, und wir sollten ganz ehrlich miteinander umgehen, was Transparenz angeht. Sie sind längst aus dem Stadium der chaotischen Unschuld heraus, in dem Sie sagen könnten, Sie würden Ihre Leute transparent wählen und bestimmen oder Ihre Gremien transparent besetzen. So etwas gibt es nicht auf dieser Welt.

    (Zurufe von den GRÜNEN — Abg. Schily [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Man kann nur versuchen, sich diesem Zustand zu
    nähern, aber man soll nicht hergehen und irgend jemandem in unserer Öffentlichkeit vortäuschen wol-



    Kleinert (Hannover)

    len, daß man diesen Zustand etwa erreichen könnte, noch dazu durch formale Änderungen.
    Im übrigen meine ich: Das Wichtigste, was dieses Haus innerhalb der 40 Jahre, von denen Vorredner gesprochen haben, entschieden hat, war die 70er Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes mit der Bestimmung, daß die Richter nur einmal und dann auf zwölf Jahre zu wählen sind. Darin lag eine tiefe Weisheit; denn nur der, der nicht auf seine Wiederwahl schielt, hat die höhere Wahrscheinlichkeit und die höhere Erwartung der Öffentlichkeit für sich, daß er wirklich unabhängig ist. Damit relativiert sich allerdings auch, und zwar richtig schön normal, praktisch und gesund, die Bedeutung des Wahlverfahrens. Denn wenn die Leute das taugen, was sie ja offensichtlich taugen,

    (Schily [GRÜNE]: Er hat die Begabung, einen Satz auf fünf Minuten auszudehnen!)

    dann sind sie uns mit zwölf Jahren ohne Wiederwahlmöglichkeit natürlich sehr viel lieber und sehr viel sicherer, als das früher der Fall war.