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    Plenarprotokoll 11/25 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1987 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dreßler SPD 1667 B Fuchtel CDU/CSU 1671 C Frau Unruh GRÜNE 1673 B Mischnick FDP 1675 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 1678 D Jaunich SPD 1685 A Dr. Hoffacker CDU/CSU 1687 D Frau Krieger GRÜNE 1690D Frau Dr. Niehuis SPD 1693 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 1695 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 1699 C Dr. Spöri SPD 1700D Frau Vennegerts GRÜNE 1702 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 1704 B Frau Simonis SPD 1708 C Nächste Sitzung 1712 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1713* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1713* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1987 1667 25. Sitzung Bonn, den 11. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter * 11. 9. Bahr 11. 9. Bamberg 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Dr. Biedenkopf 11. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Brandt 11. 9. Büchner (Speyer) ' 11. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Duve 11. 9. Eigen 11. 9. Erler 11. 9. Dr. Feldmann * 11. 9. Gattermann 11. 9. Frau Dr. Götte 11. 9. Dr. Götz 11. 9. Großmann 11. 9. Dr. Hauchler 11. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hiller (Lübeck) 11. 9. Hoppe 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Kiechle 11. 9. Kirschner 11. 9. Kroll-Schlüter 11. 9. Dr. Kunz (Weiden) 11. 9. Lohmann (Witten) 11. 9. Frau Luuk * 11. 9. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 9. Meyer 11. 9. Mitzscherling 11. 9. Müller (Düsseldorf) 11. 9. Müller (Wesseling) 11. 9. Niegel * 11. 9. Niggemeier 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Frau Renger 11. 9. Repnik 11. 9. Reuschenbach 11. 9. Rixe 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Frau Schilling 11. 9. Schluckebier 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Volmer 11. 9. Vosen 11. 9. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Warrikoff 11. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. Frau Wieczorek-Zeul 11. 9. Wissmann 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat m seiner 578. Sitzung am 26. Juni 1987 gemäß Artikel 94 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit §§ 5 und 7 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht zum Richter des Bundesverfassungsgerichts Herr Professor Dr. Dieter Grimm, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld, als Nachfolger für den Richter des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Konrad Hesse in den Ersten Senat gewählt. Der Bundesrat hat in seiner 578. Sitzung am 26. Juni 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die sechzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Sechzehntes Anpassungsgesetz-KOV - 16. AnpG-KOV) Gesetz zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat begrüßt die Verlängerung der Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld in der Stahlindustrie. Er bedauert jedoch, daß der Bundestag der Forderung des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 3. April 1987 zur Einbeziehung der Schiffbauindustrie nicht gefolgt ist. Die Lage in der Schiffbauindustrie gleicht der in der Stahlindustrie. Mit Sorge beobachtet der Bundesrat, daß die mangelhafte Absatzlage sowie wettbewerbsverzerrende Subventionen in anderen Staaten Tausende von Arbeitsplätzen in der Schiffbauindustrie gefährden. Er bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß der Geltungsbereich der Ausnahmeregelung über einen verlängerten Bezug von Kurzarbeitergeld auf die Betriebe der Schiffbauindustrie im Sinne der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über Beihilfen für den Schiffbau im 8. Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ausgeweitet wird. Die Einbeziehung ist weiterhin erforderlich, um den strukturellen Anpassungsprozeß im Schiffbau mit den Mitteln des Arbeitsförderungsgesetzes sozialpolitisch wirksam unterstützen zu können. Die Dringlichkeit derartiger Anpassungshilfen für die Schiffbauindustrie wie für die Stahlindustrie ist auch durch das Gesetz über die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes an die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Freie Hansestadt Bremen und Freie und Hansestadt Hamburg zum Ausdruck gebracht worden. Der Bundesrat hat in seiner 579. Sitzung vom 10. Juli 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 1714* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1987 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen Gesetz über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz — KLG) Gesetz zur Verlängerung von Auslaufzeiten in der Montan-Mitbestimmung Gesetz zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin Achtes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und sechstes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1987 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1987 — BBVAnpG 87) Achtes Gesetz zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 30. April 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ungarischen Volksrepublik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA-Übereinkommen) Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 — StSenkErwG 1988) Gesetz zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: a) Zum Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 — StSenkErwG 1988) Der Bundesrat bedauert, daß die Bundesregierung die Ergänzungsvorschläge des Bundesrates im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens nicht aufgegriffen hat. Der Bundesrat hatte bereits im Zusammenhang mit dem Steuersenkungsgesetz 1986/88 den Wunsch geäußert, die Lebensaltersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern von 16 auf 18 Jahre anzuheben. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, daß zumindest dieser Vorschlag hätte realisiert werden können, ohne die notwendigen steuersystematischen und haushaltspolitischen Gesichtspunkte zu vernachlässigen. Der Bundesrat erwartet, daß die Bundesregierung die angekündigte Prüfung nunmehr unverzüglich vorantreibt und von sich aus eine entsprechende gesetzliche Regelung vorlegt. b) Zum Gesetz zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes Der Bundesrat billigt die in dem Gesetz vorgesehene Erhöhung des Kreditrahmens für den Ausgleichsfonds, um in Verbindung mit der zum 1. Juni 1987 vorgenommenen Erhöhung der Ausgleichsabgabe 1987 auf 7,5 % die Erfüllung bestehender Rechtsansprüche an den Fonds zu gewährleisten. Der Bundesrat hält allerdings die Entwicklung des Mittelbedarfs des Fonds, wie sie sich aufgrund der derzeitigen Zuschußregelung des Dritten Verstromungsgesetzes seit 1986 als Folge des Ölpreisverfalls ergeben hat, und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Mehrbelastungen für die Stromverbraucher sachlich für nicht vertretbar. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei der Neuregelung der Strukturelemente des Kohlepfennigs einschließlich seiner Berechnungsmethode zu gewährleisten, daß einerseits die Hilfen in wirtschaftlich vertretbaren Grenzen gehalten werden, zum anderen zugleich regional einseitige Belastungen abgebaut werden. Er sieht dabei einen unverzichtbaren Zusammenhang mit einer Anschlußregelung für den Jahrhundertvertrag ab 1995. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die entsprechenden Verhandlungen mit den Betroffenen so zu führen, daß die Neuregelung ab 1988 in Kraft treten kann. Der Bundesrat weist außerdem darauf hin, daß die längerfristige Sicherung des Einsatzes deutscher Steinkohle nur bei Wiederherstellung des länderübergreifenden energiepolitischen Grundkonsenses über die gleichzeitige Nutzung von Kohle und Kernenergie möglich ist. Die hohen Kosten für die Erhaltung des deutschen Steinkohlebergbaus sind volkswirtschaftlich nur tragbar, wenn zum Ausgleich die Kostenvorteile der Kernenergie genutzt werden können. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 30. Juli 1987 mitgeteilt, daß sie den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Umwelt-Grundrechts, Drucksache 11/604, zurückzieht. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den zweiten Teil der 32. ordentlichen Sitzungsperiode der Westeuropäischen Union vom 1. bis 4. Dezember 1986 in Pans (Drucksachen 10/6756, 11/138 Nr. 1.12) Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Plenarsitzungen der Nordatlantischen Versammlung am 17. und 18. November 1986 in Istanbul (Türkei) (Drucksache 10/6758, 11/138 Nr. 1.13) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung nachstehender Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) Nr. 300/76 zur Festlegung der Gruppen der Empfänger, der Bedingungen für die Gewährung und der Sätze der Vergütungen, die den im Schichtdienst arbeitenden Beamten gewährt werden können (Drucksache 11/138 Nr. 3.4) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung nachstehender EG-Vorlagen, die ihm mit Sammeldrucksache 11/138 überwiesen wurden, abgesehen hat: Drucksache 11/138 Nummern 3.132, 3.133, 3.134, 3.135
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Joachim Fuchtel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Nach dieser Vorrede möchte ich zunächst feststellen: Diese Regierung hat es in der Vergangenheit erheblich besser verstanden, mit den schwierigen Problemen der Sozialpolitik fertig zu werden, als alle Chefskeptiker von A wie Apel bis V wie Vogel hier prognostiziert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Erfahrung zeigt dem Bürger, mit welchen Horrorgemälden Sie hier vorgehen. Für uns ergibt sich darauf Zuversicht für die künftige Arbeit.
    Das von der Koalition vereinbarte Sozialprogramm wird Schritt für Schritt umgesetzt. Zusagen vor der Wahl wurden umgehend eingehalten: die Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose, die rentenrechtliche Anerkennung von Erziehungsleistungen älterer Frauen, die erste Stufe der Sicherung der Montan-Mitbestimmung, das Soldatenversorgungsgesetz und die Anpassung der Renten- und Kriegsopferversorgung. Alles in wenigen Wochen. Die Sozialpolitik befindet sich völlig im Zeitplan der Koalitionsvereinbarungen. Dafür gebührt vor allem Norbert Blüm unser herzlicher Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Von der SPD wurde uns in den letzten Tagen immer wieder der Vorwurf einer zu hohen Verschuldung gemacht. Wenn wir Ihnen gefolgt wären, hätten wir bereits für Ihre Forderungen in der jetzigen Legislaturperiode im Rahmen der eben genannten Gesetzgebungsverfahren viele Milliarden DM mehr aufbringen müssen, allein für Ihre Alternative zur 7. Novelle des AFG über 4,5 Milliarden DM mehr.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Warum denn nicht!)

    Sie kommen mir wie jemand vor, der in einen Supermarkt geht, um einzukaufen, und der überhaupt nicht weiß, daß er nicht genug Geld dabei hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    So kann man keine Sozialpolitik machen. Es müssen Prioritäten gesetzt werden.
    So werden wir die grundlegenden Fragen des Gesundheitswesens und der Rentenversicherung noch in diesem Herbst mit zwei Zielsetzungen angehen:



    Fuchtel
    Erstens. Die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme bei veränderter demographischer Entwicklung muß über dieses Jahrhundert hinweg für die nächste Generation gesichert werden.
    Zweitens. Die Lohnnebenkosten müssen begrenzt werden.
    Der Sozialhaushalt bietet dafür eine gute Grundlage. 39,5 Milliarden DM sind im Entwurf des Bundeshaushaltes 1988 für die Sozialversicherung vorgesehen. Dies ist mehr als jemals zuvor.
    Ich kann, nachdem Sie vorhin so giftig angefangen haben, nicht auf einen Rückblick verzichten. Wie war es denn z. B. bei der Rente? Die Rentenanpassung wurde von 1978 auf 1979 verschoben,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Schnee von gestern!)

    dann wurden die Rentenanpassungssätze 1979, 1980 und 1981 um insgesamt 12,2 % gekürzt. Dies gibt es in unserer Politik nicht.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Abwarten!)

    Wenn wir schon über Kindererziehungszeiten reden: Wie war es da eigentlich? Sie haben nur geredet, nie gehandelt. Die benötigten 1,9 Milliarden DM für das Jahr 1988 stehen bei uns ganz solide im Sozialhaushalt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die SPD hat in dieser Debatte moniert, daß in der mittelfristigen Finanzplanung keine Mittel für die Anhebung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung eingestellt worden seien. Zweifellos wird dies auf uns zukommen. Wenn die Ergebnisse der Verhandlungen vorliegen, wird auch gehandelt. Sie aber nehmen den Kaffee bereits am Abend und kochen ihn für den nächsten Tag. Man erledigt Dinge immer dann, wenn es Zeit dafür ist.
    Ein Wort zur Kriegsopferversorgung: Unrichtig ist, wenn behauptet wird, es sei nichts geschehen. Richtig ist, daß es weitergehende Forderungen seitens der Verbände gibt, die noch nicht erfüllt werden konnten. Die Kriegsopferversorgung gehört zu den Aufgabenbereichen, die noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden. Auf jeden Fall ist aber ab 1. Juli 1988 wiederum mit einer Erhöhung der Renten- und Kriegsopferleistungen entsprechend der Lohnentwicklung zu rechnen.
    Bei den Renten ist der gesetzliche Höchststand des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages erreicht. Die nächste Anpassung erfolgt also an der Bruttolohnentwicklung, dies bei Preisstabilität. Das heißt: Das Nettoeinkommen für die Rentner wird abermals steigen. Das ist solide Sozialpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist nach wie vor die größte sozialpolitische Herausforderung. Die Probleme des Arbeitsmarktes lösen wir nicht mit neuen bürokratiegeschwängerten Beschäftigungsprogrammen. Unser Konzept wurde in den letzten Tagen immer wieder vorgestellt. Wenn unsere Politik so schlecht wäre, wie Sie sie hier machen, dann dürfte es keine 650 000 zusätzlichen Arbeitsplätze geben. Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Verlorene Arbeitsplätze sind hier schon abgezogen; die Leistungsbilanz weist ein Plus von 650 000 Arbeitsplätzen und nicht ein Minus wie in früheren Zeiten aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Arbeitsmarktpolitik muß mit außergewöhnlichen Zuwächsen an Erwerbspersonen fertig werden. Es sind nicht nur die starken Jugendjahrgänge. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß von den Neuanmeldungen nicht weniger als über 31 % Personen ohne vorherige Erwerbstätigkeit waren. Da sind auch Auswirkungen einer stärkeren Erwerbstätigkeit der Frauen zu spüren. Die Zahlen steigen und zeigen: Unsere Politik der Wahlfreiheit für die Frau wird wirksam und wirksamer, und dies schafft natürlich auch zusätzliche Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Aber wir nehmen dies in Kauf, weil wir davon überzeugt sind, daß wir die Wahlfreiheit der Frau in der heutigen Zeit verwirklichen müssen, und wir nehmen auch Ihre Kritik dafür in Kauf, daß dadurch die Arbeitslosenzahlen nicht so konsequent zurückgeführt werden können.
    Noch eine Differenzierung ist notwendig. Von den 2,164 Millionen Arbeitslosen im August waren 1,344 Millionen Leistungsempfänger; über 820 000 hatten überhaupt keinen Anspruch auf Leistungen. Nur ein sehr geringer Teil davon ist auf Sozialhilfe angewiesen. Arbeitslosmelden kann aber in bestimmten Fällen zur Erhaltung und zur Erhöhung von Rentenanwartschaften führen. Dies ist gerechtfertigt, solange eine tatsächliche Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme besteht. Wo dies nicht der Fall ist, ist es auch nicht gerechtfertigt, den Leistungskatalog des Arbeitsförderungsgesetzes in Anspruch zu nehmen. Noch in diesem Jahr werden wir deswegen dafür eine klärende Regelung schaffen. In dieser achten Novelle werden wir dann auch die mißbräuchliche Inanspruchnahme des Leistungskatalogs weiter verhindern. Wir werden Verwaltungsvereinfachungen vornehmen, und wir werden die Benachteiligtenprogramme des Bundes in die Zuständigkeit der Bundesanstalt übertragen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Noch eine Drohung!)

    Vorgestern wurde hier von Herrn Apel gesagt, daß wir bei der Bundesanstalt für Arbeit mit Defiziten zu rechnen hätten. Dazu möchte ich Ihnen zu bedenken geben: Es wäre schon gut, wenn Sie von der SPD auf diesem Gebiet etwas sensibler würden, sich an Ihre früheren Sünden erinnern würden. Das Minus betrug bei der Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 1981 nicht weniger als 8,2 Milliarden DM; 1982 waren es rund 7 Milliarden DM. Jetzt haben wir einen Überschuß.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Wir haben die Kastanien aus dem Feuer geholt, und wir werden auch dafür sorgen, daß nichts wieder anbrennt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reimann [SPD]: Sie haben keine Kastanien aus dem Feuer genommen, Sie haben den Leuten das Geld weggenommen! — Kolb [CDU/CSU]: Wem haben wir es weggenommen?)




    Fuchtel
    Die Arbeitsmarktpolitik ist ein Bestandteil einer Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Von großer Bedeutung ist das Verhalten der Tarifpartner selbst. Ich appelliere, die Möglichkeiten zur flexibleren Arbeitszeitgestaltung stärker zu nützen. Ich appelliere an alle Seiten: Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut; Autonomie verpflichtet aber auch die Vertragsparteien zu Abschlüssen, die tatsächlich zur Zunahme von Beschäftigungszahlen und dem Abbau der Arbeitslosigkeit führen. Maßhalten, das bewährte Rezept von Ludwig Erhard, ist heute so aktuell wie damals.
    Meine Damen und Herren, eine gute Wirtschaftspolitik ist Voraussetzung für eine gute Sozialpolitik, die allerdings bezahlbar sein muß. Bei dem, was Sie uns vorher hier vorgegeben haben, Herr Dreßler, haben Sie ganz bewußt keine Zahlen genannt, weil Sie uns natürlich wie immer den Beweis schuldig bleiben, was die Dinge kosten, die Sie uns hier vortragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Aber erst Ihr Finanzminister! Das ist doch unverschämt!)

    Auf einer Glatze kann man keine Locken wickeln. Das ist doch ganz einfach, und das müßten Sie genauso wissen wie wir.
    Meine Damen und Herren, es fehlt uns nicht an weiteren wichtigen Aufgaben. Ich nenne z. B. die Absicherung des Risikos der Pflege im Alter. Die aktuelle Situation verlangt eine Konzentration. Dies wird in diesem Haushalt geleistet.
    Die CDU/CSU ist daran interessiert, daß in diesen wichtigen Punkten dieser reformerischen Phase der Gesellschaftspolitik ein möglichst breiter Konsens erzielt wird. Voraussetzung ist allerdings, daß man aufhört, diese Neidparolen weiter zu benutzen, um Politik in unserem Land zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Geht das schon wieder los?)

    Neid schafft sozialen Unfrieden und

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sie schaffen den doch!)

    bringt die Leute auseinander. Wer ständig vom Frieden redet, der sollte dran denken, daß der Friede im Kleinen anfängt. Wer Frieden will, der sollte nicht den Neid anstacheln. Dies möchte ich Ihnen zum Schluß sagen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Unruh.

(Kolb [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Kauffrau!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gertrud Unruh


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Volksvertreter und Volksvertreterinnen! Nach
    diesem Herrn hier reden zu müssen ist für mich eine Zumutung.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Seiters [CDU/ CSU]: Sie brauchen ja nicht! — Kolb [CDU/ CSU]: Umgekehrt ist das auch so!)

    Ich rede gerne. Ich gehe auch von meinem Konzept ab.

    (Kolb [CDU/CSU]: Als Kauffrau oder als was?)

    Was Sie als Christen geleistet haben, das hat seinen Niederschlag in 350 Milliarden DM mehr an Ertrag der Wirtschaft gefunden aber nicht gleichzeitig eine Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit gebracht.

    (Kolb [CDU/CSU]: Entschuldigen Sie, in welcher Welt leben Sie?)

    Sie haben es zu verantworten, daß Millionen Menschen in Not sind. Natürlich geht es zig Millionen gut und mehr als gut, nämlich denen mit einem Durchschnittslohn von 65 000 DM im Jahr. Das sind doch Wahnsinnsvorstellungen dies zu verallgemeinern. Ich weiß nicht, auf welcher Welt Sie leben.
    Die Gewerkschaften sind Gott sei Dank dabei, sich zu ändern. Sie sind beim Denken,

    (Lachen bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    daß es andere Lohnersatzzeiten geben muß. Ihre ehemaligen Kumpel fallen in Ihr christliches umgekehrtes soziales Netz. Sie müssen sich doch in Grund und Boden schämen, daß ehemalige Meister und Facharbeiter mit 800 DM Arbeitslosenhilfe ihre Familien ernähren sollen. Wissen Sie das alles nicht? In welchem Elfenbeinturm leben Sie eigentlich?

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Herr Blüm hat in seinem Haushalt eine Steigerung von 2,1 %. Was ist draußen los? Familien, Menschen sind in so große Not geraten, daß sie sich aufhängen, daß sie sich in Pkw vergasen. Die Trümmerfrau in Berlin, Herr Blüm — bitte nicht zu weit reisen — , hat sich an der Türklinke aufgehängt. Wir müssen ein Notstandsprogramm haben.
    Sie verfluchen nach wie vor die Arbeitslosen. Ich fordere die Arbeitssuchenden auf, mit mir zusammen endlich eine bundesweite Organisation zu gründen, damit wir diesem Mißstand pari bieten. Sie als Regierungsfraktion verteufeln doch die Arbeitslosenzentren. Die Menschen schämen sich nach wie vor, arbeitslos oder — wie ich sage — arbeitssuchend zu sein. Sie haben doch die Verteufelungsparolen in die Welt gesetzt: Gib dir Mühe, kriegst du Arbeit. — Sie setzen doch zig Milliarden falsch ein, anstatt — wie die GRÜNEN es schon 1983 wollten, nicht erst 1984, Freund Dreßler —

    (allgemeine Heiterkeit)

    ein Grundsicherungsprogramm, das die Würde der
    Menschen absichert, zu schaffen. Ist das Wort Menschenwürde überhaupt in Ihrem Kopf drin? Wissen Sie



    Frau Unruh
    überhaupt, was Sie in diesem sozial verpflichteten Rechtsstaat anrichten?

    (Seiters [CDU/CSU]: Keine Polemik! — Zuruf von der CDU/CSU: Sie reden mal wieder Unfug!)

    — Das ist keine Polemik. Wenn Sie wirklich Volksvertreter wären,

    (Kolb [CDU/CSU]: Wenn Sie Kauffrau wären, würden Sie von Soll und Haben etwas verstehen!)

    dann wüßten Sie, was in unserer Bundesrepublik Deutschland los ist.
    Nur die GRÜNEN zusammen mit den Grauen Panthern als Symbol für Kampf um Menschenwürde haben Ihnen doch beigebracht, daß es in unseren Alten- und Pflegeheimen nicht so weitergehen kann. Sie kündigen jetzt groß an, Sie wollten eine Pflegeversicherung einführen. Nein, keine Versicherung, nehmen Sie die 12,4 Milliarden DM für Kriegsopferversorgung aus dem Etat Blüm heraus, und stecken Sie sie, weil es ja Kriegsfolgelasten sind, bitte schön in den Verteidigungshaushalt, denn da gehören sie hin! Mit diesen 12,4 Milliarden DM machen Sie bitte ein Bundespflegegeldgesetz, das die GRÜNEN schon im Dezember 1984 diesem Hohen Haus eingereicht haben, allerdings ist es überhaupt nicht zur Sprache gekommen.
    Gelernt haben Sie alle, auch die SPD. Aber Sie von der Regierungskoalition sind überhaupt nicht lernfähig. Sozialpolitik ist Vertrauenspolitik, und da strömt der Herr Dr. Vogel hundertmal mehr Vertrauen aus, als Sie es jemals erreichen können.

    (Beifall bei der SPD — Fuchtel [CDU/CSU]: Sie fallen aber auf jeden herein!)

    Ich fordere aber genausogut die Wähler und Wählerinnen auf — Sie alle haben hier natürlich wunderbar Parteipolitik betrieben, und ich tue das auch — , solch eine SPD, die sehr reformfähig ist, nicht allein zu lassen,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    um Gottes willen nicht mit der FDP — das ist nämlich die Wirtschaftspartei — , sondern letztlich mit den GRÜNEN zusammenzuarbeiten. Die haben Phantasie entwickelt, die Sie mit Ihren „Betonköpfen" wohl im Leben nicht entwickeln können.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kolb [CDU/ CSU]: Betreiben Sie Ihre Buchführung so, wie Sie reden?)

    Damit die Christen und damit auch Herr Blüm einmal zur Kenntnis nehmen, wie es in diesem Staat wirklich aussieht, darf ich die „WAZ" vom 4. September dieses Jahres zitieren.

    (Seiters [CDU/CSU]: Besser die „WAZ" als die „taz"! — Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Die „Kieler Nachrichten" sind besser!)

    — Die „Kieler Nachrichten" sind sehr gut. Dort können Sie nämlich nachlesen, was die Trude Unruh letztlich geleistet hat, um in 12 Jahren eine Organisation ohne einen Pfennig öffentlicher Unterstützung
    aufzubauen. Diese Miesmacherei kenne ich von den Christen.
    Jetzt aber zurück zu dem, was die „WAZ" schreibt: „Andauernder Skandal". Jetzt hören Sie einmal zu! Vielleicht haben Sie auch Söhne und Töchter, die anders denken als Sie und die innerlich denken: Mensch, was habe ich für einen miesen Vater, was habe ich für eine miese Mutter? —

    (Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN) Ich zitiere:

    Die Massenarbeitslosigkeit und ihre materiellen und psychischen Folgen haben anders, als vor Jahren noch befürchtet, nicht zur großen Radikalisierung und Erschütterung des politischen Systems geführt. Arbeitslose und in Not geratene Bundesbürger sind nicht aggressiv; sie neigen eher dazu, sich vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit zu verbergen.
    Schämen Sie sich nicht in Grund und Boden,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    daß Menschen, die — das gilt für Millionen — in Not geraten sind, nicht Ihre Unterstützung finden, damit sie in der Würde eines sozial verpflichteten Rechtsstaats unter uns leben können, sondern klammheimlich in ihren Wohnungen sitzen und nicht wissen, wie sie den Tag überleben sollen?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Auf der anderen Seite steht wahnsinniger Reichtum. Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht: Was haben Sie für eine Moral in diesem Haus? Wir GRÜNE verstehen diese Doppel- und Dreifachmoral nicht.

    (Seiters [CDU/CSU]: O heilige Selbstgerechtigkeit!)

    Wir werden verteufelt, daß wir z. B. zu radikal sind. Jawohl, radikal heißt von der Wurzel her. Wir brauchen endlich eine Grundversorgung für die armen Rentner.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Machen Sie sich doch einmal schlau, wo die Durchschnittsrente liegt!

    (Kolb [CDU/CSU]: Machen Sie sich einmal schlau, wo es herkommt!)

    Millionen Menschen erreichen 1 200 DM nicht. Warum dann nicht das Aufstockungsprogramm der GRÜNEN nehmen? Warum zieren Sie sich?

    (Kolb [CDU/CSU]: Weil es nicht finanzierbar ist!)

    — Mister Kolb, Sie sagen: nicht finanzierbar. Was haben Sie denn für einen schändlichen Finanzminister?

    (Beifall bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ohne Deckung! Oder ist das vielleicht nicht schändlich: Die Erbärmlichkeit des Denkens, die der Herr Bundeskanzler mir unterstellt hat, ist doch letztlich auf der Regierungsbank zu finden. Ihr Bundesfinanzmini-



    Frau Unruh
    ster macht uns doch Vorlagen, bei denen doch tatsächlich 20 Milliarden DM nicht gedeckt sind,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    anstatt umgekehrt zu denken, Herr Kolb — Sie gehören ja vielleicht auch dazu — : gewisse Steuern zu erhöhen, damit es den Armen in dieser Gesellschaft möglich ist, in Menschenwürde, ohne sich zu schämen, unter uns zu leben.
    Ich wünsche Ihnen, besonders Herrn Blüm und der Regierung, ein neues Denken für eine Zukunft im Jahr 2000 und nicht einen Rückfall ins Jahr 1800. Gute Besserung!

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)