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ID1102308200

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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Matthias Wissmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU/CSU und FDP werden bei dem wirtschafts- und steuerpolitischen Kurs bleiben, der heute vom Finanzminister umschrieben wurde und der bei allen Problemen, die wir nicht verschweigen, dazu geführt hat, daß es in der zweiten Hälfte des Jahres 1987 Grund gibt, in die kommenden Monate und in das kommende Jahr mit Optimismus hineinzugehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Herr Franke nicht!)

    Der Präsident der Bundesbank, der wohl ein unverdächtiger Zeuge auch für Sozialdemokraten ist, hat im „Spiegel" am 31. August 1987 gesagt, daß die Stagnationsphase, die wir im vierten Quartal des vorigen und im ersten Quartal dieses Jahres hatten, offenbar überwunden ist und daß wir uns jetzt wieder auf einem Wachstumspfad befinden. Die Zahlen sprechen ja auch eine deutliche Sprache, meine Damen und Herren.
    Die übereinstimmende Meinung der Mehrheit der Wirtschaftsforschungsinstitute ist, daß wir ein reales Wachstum im Jahre 1987 von etwa 1,5 % bis 2 % haben werden und daß die Chancen gut sind, daß im Jahre 1988, im sechsten Jahr eines maßvollen Aufschwungs, die Wachstumschancen eher größer sind als 1987. Wichtig ist: Dieses moderate Wachstum vollzieht sich bei stabilen Preisen. Wir hatten in der ersten Hälfte 1987 in der Bundesrepublik eine Inflationsrate von minus 0,1 %. Ich nenne als Vergleichszahlen: Frankreich: 3,3 %, Großbritannien: 4 %, Italien: 4,3 %, selbst die Schweiz: 1%, USA: 2,9 %.
    Meine Damen und Herren, wir können uns auch im internationalen Vergleich sehen lassen. Ein Gegenstück zu dem Zitat, das Herr Roth aus der „Financial Times" gebracht hat, ist ein Zitat des „Economist" vom Anfang dieses Jahres. Die bedeutende britische wöchentlich erscheinende Wirtschaftszeitung sagt: In Deutschland sind die Verhältnisse besser als in anderen europäischen Ländern, bei allen Problemen, die bleiben.

    (Roth [SPD]: Das ist richtig!)

    Sie fragt dann — Herr Roth, wenn ich Sie manchmal sehe, könnte ich das eigentlich auch auf Sie münzen — : Warum sind die Deutschen eigentlich so mürrisch und so pessimistisch? Ihre Lage ist besser, als sie es selbst glauben.

    (Dr. Haussmann [FDP]: Wegen der schlechten Opposition!)

    Meine Damen und Herren, wir sollten die Probleme nicht leugnen, aber wir sollten auch die Chancen sehen, die wir haben. Herr Kollege Roth, es gibt durchaus Themen, in denen wir gemeinsam, CDU/CSU, FDP und SPD, im Interesse der Mehrheit der Bürger ohne kleinkarierte Parteilichkeit etwas bewegen sollten. Ich nehme das naheliegendste wirtschaftspolitische Thema, das sich für diesen Konsens anbietet, im Interesse der Menschen an der Ruhr, im Interesse der Menschen an der Saar, im Interesse der Bergleute. Lassen Sie uns doch endlich wieder den Konsens in der Energiepolitik, Kohle und Kernenergie, zusammen entwickeln, den wir im Interesse dieser Menschen brauchen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir von Konsens reden, wäre das ein gutes Beispiel, wenn Sie hier den Ratschlägen Ihrer Genossen in der IG Bergbau folgen würden.
    Meine Damen und Herren, der Kollege Roth hat davon gesprochen, die Einkommensentwicklung und -verteilung sei heute so wie Anfang der 50er Jahre. Herr Kollege Roth, ich hoffe nur eines nicht: daß Sie Ihre Rechenkunststücke jetzt auch noch auf den Aufsichtsrat der Öko-Bank übertragen. Das täte dieser zarten Pflanze in der Bankentwicklung sicher nicht gut. Denn die Zahlen sprechen ja eine andere Sprache: Das Jahr 1986 war das Jahr mit dem höchsten Zuwachs an realer Kaufkraft, an Volkseinkommen seit 1973. Den Haushalten standen zusätzlich 52 Milliarden DM zur Verfügung. Um eine Vergleichszahl zu nehmen: Im letzten Jahr Ihrer Regierung, 1982, hatten wir dagegen einen Kaufkraftrückgang von 28 Milliarden DM, da die Inflationsrate von 5,3 % alle Einkommenszuwächse überstieg. Für Arbeitnehmer und Rentner bedeutet diese Entwicklung 1986 und



    Wissmann
    auch 1987 die größte Steigerung ihrer Realeinkommen seit 1973, meine Damen und Herren.

    (Glos [CDU/CSU]: Eine gewaltige Leistung!)

    Das heißt — ich nehme jetzt einen Arbeitnehmer mit einem eher unterdurchschnittlichen Einkommen — : Für einen Arbeitnehmerhaushalt, der 1985 monatlich 2 865 DM zur Verfügung hatte, bedeutete das schon im folgenden Jahr 1986 monatlich eine Kaufkraftsteigerung von 120 DM. Meine Damen und Herren, Kaufkraftzuwächse in diesen Größenordnungen sind das beste Wachstums- und Beschäftigungsprogramm, und sie sind ein Erfolg dieser Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, es ist auch nicht richtig, zu behaupten, die Investitionen — davon hat Herr Roth auch noch gesprochen — würden sich nicht günstig entwickeln. Seit Anfang 1983 sind die Ausrüstungsinvestitionen um 26 % gestiegen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Hervorragend!)

    Sie waren zwischen 1980 und 1982 unter der SPD-geführten Regierung um 11 % gesunken.

    (Roth [SPD]: Nennen Sie einmal die Zahlen zwischen 1975 und 1980!)

    Das heißt: Die Modernisierung der Produktionsanlagen ist im größten Teil der deutschen Wirtschaft voll im Gang. Die Entwicklung zeigt hier deutlich nach oben. Und, Herr Roth: Wir als CDU/CSU sind die letzten, die bestreiten, daß es hier — natürlich — zwischen verschiedenen Branchen und Größenordnungen von Unternehmen ein Gefälle gibt.

    (Kolb [CDU/CSU]: Ein gewaltiges!)

    Natürlich sieht es bei Daimler-Benz, Bosch und anderen besser aus als bei vielen kleinen und mittleren Betrieben. Natürlich sieht es im verarbeitenden Gewerbe meistens besser aus als in großen Teilen des Handels oder gar der Bauindustrie. Deswegen dürfen wir uns nicht von allgemeinen statistischen Zahlen täuschen lassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir wissen, daß die Eigenkapitalquote in vielen kleinen und mittleren Betrieben noch viel zu niedrig ist und daß wir deswegen eine Steuerpolitik und eine Politik der Begrenzung des Zuwachses der Lohnnebenkosten — übrigens mit den Tarifparteien — leisten müssen, die hilft, die Eigenkapitalquote gerade in mittelständischen Betrieben wieder zu verbessern. Das bleibt die Aufgabe der gemeinsamen Wirtschaftspolitik in der Koalition.
    Lassen Sie es mich an Zahlen sagen, meine Damen und Herren: Die Ertragslage der Unternehmen der deutschen Wirtschaft hat sich — auch das gehört zur Wahrheit — seit 1983 im Schnitt verbessert. Lag die Umsatzrendite 1981 bei 1,6 % und 1982 bei 1,5 %, so konnte sie in den Jahren 1983 und 1984 jeweils auf 1,8 % und 1985 und 1986 auf 2 % erhöht werden. Auf das gesamte Mittelaufkommen bezogen, machten die eigenen Finanzierungsmittel in der deutschen Wirtschaft in den Jahren seit 1983 etwa 68 % aus, was
    deutlich über dem durchschnittlichen Stand in den 70er Jahren von 56 % liegt. Damit war im Schnitt der deutschen Wirtschaft auch eine Aufstockung des Eigenkapitals verbunden.
    Aber Schnittzahlen sagen nichts über Strukturen in Bereichen aus, in denen es immer noch erheblichen Nachholbedarf gibt. Im Einzelhandel ist die Eigenkapitalquote in den letzten Jahren kontinuierlich auf etwa 7 % gesunken. Im Bausektor beträgt der Anteil der Eigenmittel nur noch 2 %. Welche Probleme ein derartiges Sinken der Eigenkapitalausstattung langfristig für die Unternehmen hat, wird die Opposition doch wohl auch daran erkennen, daß gerade in diesen Bereichen Handel und Bau die Insolvenzanfälligkeit besonders hoch ist. Insolvenzanfälligkeit bedeutet immer auch die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes.
    Deswegen: Wenn die SPD fragt, wie sieht denn euer Konzept aus, dann zaubern wir nicht ein ohnehin unwirksames staatliches Beschäftigungsprogramm aus dem Hut, sondern dann sagen wir: Die Aufgabe für Beschäftigung wird nur dadurch erfüllt, daß wir langfristig und Schritt für Schritt an der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wirtschaft, vor allem der mittelständischen Betriebe, arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das heißt Steuersenkung, Zuwachs der Lohnnebenkosten begrenzen, Deregulierung, Privatisierung, Entbürokratisierung. Das sind die Mittel, auf die es für die Zukunft ankommt.
    Und, meine Damen und Herren von der Opposition, weil wir dies so sehen und weil wir die unbefriedigende Eigenkapitalausstattung in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft kennen, haben wir seit 1984 mit dem damaligen Steuerentlastungsgesetz schon erste Maßnahmen zur Entlastung bei den Unternehmenssteuern eingeleitet. Und weil wir sie kennen, bestehen wir auf der Begradigung des Tarifs und der Senkung des Spitzensteuersatzes. Und weil wir wissen, daß neun von zehn Unternehmen Personengesellschaften sind, bestehen wir auf der Einkommensteuersenkung und darauf, daß die verdoppelte Sonderabschreibung für kleine und mittlere Unternehmen in der Steuerreform durchgesetzt wird, sowie darauf, daß der verbesserte Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen von Selbständigen als Teil der Steuerreform umgesetzt wird.
    Da geht es nicht um Geschenke für die Reichen, sondern um Strukturverbesserungen für diejenigen, die unsere volkswirtschaftlichen Ressourcen nutzen und für Beschäftigung umsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will immer wieder an die Kollegen der SPD gerichtet sagen, auch lieber Kollege Wolfgang Roth: Ein Karl Schiller hätte die neidbeladene Diskussion nicht mitgemacht, die die Apels und Spöris bei jedem Plan zur Steuersenkung in jedem Wahlkampf mitschwingen lassen. Es geht doch nicht um Neidparolen oder darum, neue Verteilungsprozesse in Gang zu setzen. Es geht darum, daß wir den volkswirtschaftlichen Investitionsprozeß verstärken und verstetigen und den mittelständischen Betrieben die Chance geben, neue



    Wissmann
    Arbeitsplätze zu schaffen und damit Zukunft für Millionen Menschen zu ermöglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Haussmann [FDP]: Helmut Schmidt unterstützt es! — Roth [SPD]: Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Wie sehr das notwendig ist, zeigt eine jüngere Studie des Instituts für Mittelstandsforschung. Von den seit 1977 neu entstandenen insgesamt 2,5 Millionen Arbeitsplätzen — das sollten wir uns alle in allen Parteien merken — entfielen 2,14 Millionen, also 84 %,

    (Roth [SPD]: Sagen Sie das in diese Richtung, zur FDP!)

    auf mittelständische Betriebe. Dabei kommt die Besonderheit hinzu, daß die kleinsten der mittelständischen Betriebe, die mit 1 bis 10 Beschäftigten, den Löwenanteil dieser neuen Arbeitsplätze geschaffen haben.
    Wer die Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Mittelstand verbessert, leistet also keine enge, kleinkarierte Mittelstandspolitik, sondern Politik für Millionen Arbeitsplätze und die Sicherung vorhandener und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

    (Roth [SPD]: Richtig! Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Das sollten auch Sie endlich begreifen, Herr Roth, und in Ihrer Politik verwirklichen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Daher bleiben wir dabei: Die Steuerentlastungen, die in den Jahren 1986 und 1988 20 Milliarden DM und 1990 bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer 44 Milliarden DM, zusammen also 64 Milliarden DM betragen und die Millionen Arbeitnehmern und Millionen Mittelständlern nützen, werden durchgesetzt.
    Deswegen bleiben wir zweitens dabei: Der Prozeß der Entbürokratisierung und der Deregulierung wird fortgesetzt. Wir werden ihn im Bauplanungsrecht und der Verwaltungsvereinfachung in vielen Bereichen umsetzen. Allein in der vorigen Wahlperiode wurden 30 Verordnungen vollständig aufgehoben, zwölf Gesetze beseitigt und 358 Einzelvorschriften gestrichen. Wir haben noch einen Berg an Arbeit — in diesem Punkt hoffentlich wenigstens einmal gemeinsam — vor uns.
    Drittens. Die Privatisierungspolitik wird fortgesetzt, und sie wird bei jedem einzelnen Schritt mit der Ausgabe von Belegschaftsaktien verbunden, weil wir wollen, daß Hunderttausende von Arbeitnehmern Eigentum erwerben können.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Stratmann [GRÜNE]: Geben Sie ihnen Mitbestimmungsrechte!)

    Viertens und letztens. Wir werden durch flexiblere Strukturen auf den Arbeitsmärkten — und hoffentlich die Tarifparteien auch durch eine beweglichere Lohnpolitik mit größeren Bandbreiten in den Tarifverträgen; nicht durch Lohnsenkung, sondern durch mehr Flexibilität kommen auch neue Arbeitsplätze zustande — den Prozeß der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft fortsetzen.
    Ich bin überzeugt davon, daß dieser Prozeß nur mit dieser Koalition vorangetrieben werden kann. Die Koalition tut immer wieder gut daran, diese Gemeinsamkeiten neu zu beleben und in praktisches Handeln umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Martiny.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor etlichen Jahren begann ich eine Rede zum Bundeshaushalt mit einem Zitat der Kabarettistin Elke Heidenreich in ihrer Rolle als Else Stratmann, deutsche Metzgersgattin,

    (Stratmann [GRÜNE]: Beleidigen Sie nicht meine Mutter!)

    die sich als deutsche Hausfrau mit der Haushaltssanierung beschäftigt hatte. Herr von Wartenberg fand das damals unsachlich und war stolz darauf, bald nach meinem Beitrag wieder zur „richtigen" Haushaltspolitik übergehen zu können. Er brachte Bürokratensprache, Amtsdeutsch auf konservativ, absolut unverständlich für den normalen Menschen. Dafür ist er nun Parlamentarischer Staatssekretär geworden.
    Ich halte an meinem damaligen Ansatz fest: Mehr als die Hälfte des Bruttosozialprodukts wird vom Privatkonsum bestimmt und nicht von den Investitionen der Industrie. Natürlich spielt es für die Wirtschaft eine Rolle, wenn durch die ungerechte Steuerpolitik dieser Bundesregierung gerade jene Haushalte nicht genug zu beißen haben, die konsumieren könnten, wenn sie das Geld hätten. Insofern sind weiß Gott auch aus der Hausfrauenperspektive Massenarbeitslosigkeit und Anstieg der Sozialhilfezahlen Daten, von denen geredet werden muß.
    Wenn die deutsche Hausfrau, die doch in den meisten Haushalten das Geld verwaltet, wirklich wüßte, wie unsolide Herr Stoltenberg seinen Haushalt aufgebaut hat, sie würde ihm das arrogante Männergewäsch von der Milch m ädchen rechnung rechts und links um die Ohren hauen. Die zahlreichen Haushaltsrisiken stempeln Herrn Stoltenberg zum obersten Milchmann der Nation. Trotzdem — sie haben recht damit — mögen ihn die Bauern nicht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Es geht bereits recht munter los mit den Ausgabentiteln des Wirtschaftshaushaltes. Einer der ersten Titel bei den Ausgaben heißt „Einzelmaßnahmen im Film- und Literaturbereich". Das ist ein Titel, den Herr Bangemann im vergangenen Jahr neu eingeführt hat und der ihm 1,15 Millionen DM wert ist. Das ist gewissermaßen die Bangemannsche Wirtschaftslyrik, bebildert; denn ein großer Teil dieser Gelder dient dem Absatz des Films. Ich bin ja sehr dafür. Aber man kann natürlich fragen, ob auch der Innenminister, der sich so gern mit „Gespenstern" anlegt, das genauso sieht.
    Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1541
    Frau Dr. Martiny-Glotz
    Aber ernster gesprochen : Wieviel Kulturwirtschaft will Herr Bangemann denn schaffen, um auszugleichen, daß 20 000 Stahlarbeiter und vermutlich in den nächsten Jahren 16 000 Bergarbeiter — oder noch mehr — auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen, von den Bauern ganz zu schweigen?

    (Dr. Penner [SPD]: Wo ist Herr Bangemann überhaupt, Frau Kollegin?)

    — Das weiß ich doch nicht.

    (Dr. Haussmann [FDP]: Er bespricht sich mit Herrn Wedemeier!)

    Der unmittelbar anschließende Haushaltstitel ist auch sehr komisch, geschätzte Kollegen von der Union: „Zuschuß für Projekte der Ludwig-ErhardStiftung". Das ist dann gewissermaßen die CDU-Wirtschaftslyrik, unbebildert, dafür aber ideologischer; denn es geht um den Zweck — ich zitiere —, „freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft durch staatsbürgerliche Erziehungs- und Bildungsarbeit im In- und Ausland zu fördern" .

    (Glos [CDU/CSU]: Ein guter Zweck!)

    Das ist ein vergleichsweise billiges Vergnügen, aber dennoch um 20 000 DM teurer als im Vorjahr. Es kostet jetzt 350 000 DM. Mich wundert's nicht, Herr Glos, daß die ideologische Aufrüstung im Preis steigt. Angesichts der realen Wirtschaftssituation muß sie ja teurer werden; denn die Widersprüche zwischen freiheitlichen Grundsätzen und der Praxis der regulierten Wirtschaft dieser Regierung werden immer eklatanter.

    (Beifall bei der SPD)

    Pikanterweise mußten nun diese 350 000 DM bei einem Chefgespräch durch Herrn Bangemann dem Finanzminister entbunden werden, der hinhaltenden Widerstand leistete. Insofern ist Herr Bangemann der Erbe Ludwig Erhards, was deshalb pikant ist, weil Herr Stoiber (CSU) ihn für kleinkariert und den Totengräber der Landwirtschaft hält, während der Wirtschaftsminister Baden-Württembergs ihn für den Totengräber der regionalen Strukturpolitik hält. Das sind so Koalitionsliebenswürdigkeiten, deren Autoren einfach nicht sehen wollen: Herr Bangemann ist wirklich der Erbe Ludwigs Erhards, und das hat er sich für 350 000 DM gekauft.

    (Dr. Penner [SPD]: Das sind alles Förderer des Bestattungsgewerbes!)

    Aber auch Herr Stoltenberg tut natürlich nichts umsonst. Gewissermaßen als Kompensationsgeschäft hat er Herrn Bangemann, der so tapfer erklärt, neue Subventionen gebe es bloß über seine Leiche, einen neuen Titel entrungen: 100 Millionen DM für „Wettbewerbshilfen für die deutschen Schiffswerften", um — ich zitiere den Haushaltsentwurf auf Seite 73 erneut — „Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Werften durch höhere Beihilfen anderer Staaten künftig gezielter entgegenwirken und der sich seit 1986 ständig verschlechternden Lage der Schiffbauindustrie besser begegnen zu können". Ich würde die deutsche Hausfrau beleidigen, wenn ich sagte: Da merkt selbst Lieschen Müller, daß es sich hier um eine wunderhübsche verbalerotische semantische Umschreibung einer neuen Subvention handelt.
    Ich habe überhaupt nichts gegen das Heruntersubventionieren der Kosten im Schiffbau. Den deutschen Werften muß im Interesse der dort arbeitenden Menschen geholfen werden. Ich habe aber etwas dagegen, wenn sich Leute wie Herr Bangemann imponierend aufplustern — sofern das angesichts der quasi natürlich vorhandenen Körperfülle überhaupt noch möglich ist — und von Subventionskürzung reden, aber das genaue Gegenteil tun. Dies ist Wählertäuschung, Wählerinnentäuschung natürlich auch.
    Da hat der Herr Bangemann — und das ist besonders köstlich — am 2. September der Zeitschrift „Quick" ein Interview gegeben und darin auf die Frage nach der Subventionskürzung markig folgendes erklärt:
    In meinem Haushalt sind bereits weggefallen: Erdöl-Exploration und Investitionszulagen für den Bergbau. Wir werden auch bei der Forschungsförderung kürzen — allein bei meinem Haushalt rechnet sich das alles zusammen auf drei bis vier Milliarden. Damit bin ich aber nur einverstanden, wenn das auch in anderen Ressorts geschieht.
    Drei bis vier Milliarden!
    Die Hauptbrocken der Subventionen, sieht man von Landwirtschaft und Berlin und den Steuervergünstigungen, von denen hier heute schon die Rede war, einmal ab, stecken im Wirtschaftshaushalt: Kohle, Stahl, Werften, Airbus. Wo will denn der Herr Bangemann diese drei bis vier Milliarden hernehmen? Vielleicht wirklich bei der Kohle? Herr Blüm wird nicht müde, in Nordrhein-Westfalen herumzuturnen, und jedem der es hören will, zu versichern, daß kein Bergmann auf den Arbeitsmarkt entlassen wird. Nun macht uns hier die mittelfristige Finanzplanung schon erheblich schlauer. Denn ab 1991 soll es keine Kokskohlenbeihilfe mehr geben. Besteht darüber wirklich Einigkeit in der Regierung? Rund acht Millionen Tonnen Kokskohle werden exportiert. Eine Million Tonnen bedeutet 2 000 Arbeitsplätze, rund gerechnet. Ohne die Kokskohlenbeihilfe kein Export von Kohle, und das heißt: Will die Regierung wirklich, natürlich nach der nächsten Wahl in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, 16 000 Bergleute arbeitslos machen. Was sagt denn der Herr Blüm dazu?

    (Stratmann [GRÜNE]: Wie rechtfertigen Sie das denn?)

    Von den riesigen Titeln der Kohlesubvention einmal abgesehen, zeichnet sich der Haushalt wieder einmal dadurch aus, daß er die Zukunftsperspektiven für die Kohlenutzung gar nicht sehen will. So werden die Zuschüsse zum Bau großtechnischer Kohleveredelungsanlagen von einem Ist von ungefähr 34 Millionen DM im Jahre 1986 auf ein Soll von 10 Millionen DM im Jahre 1988 heruntergekürzt. Auch für den Ausbau der Fernwärme gibt es 10 Millionen DM weniger.
    Es gibt ein paar Gründe, die es schwierig machen, diese Ansätze so wie früher weiterzuverfolgen. Ich weiß das. Aber es ist doch der politische Wille, der zählt, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Wir brauchen eine Bundesregierung, die sagt, wo es lang gehen soll, die einen politi-



    Frau Dr. Martiny-Glotz
    schen Willen artikuliert und die zukunftsorientiert arbeitet.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Geschwafel vom freien Markt kann man sich bei der Kohle genauso sparen wie beim Agrarmarkt.
    Ich buchstabiere weiter: Stichwort „Stahl". Da weist der Titel für die Gemeinschaftsaufgaben 60 Millionen DM mehr aus, und das sind 60 Millionen für ein Montan-Sonderprogramm, drolligerweise angereichert durch Subventionen für die Schuhindustrie im Raume Pirmasens. Da haben die Herren Kohl und Geißler dem Finanzminister wohl rechtzeitig in die Hacken getreten. 60 Millionen also für 1988, als Verpflichtungsermächtigungen auch für die Jahre 1989 und 1990; geknüpft sind sie an die Auflage, daß sich die Bundesländer mit der gleichen Summe beteiligen. Das ergibt insgesamt ein Sonderprogramm von 360 Millionen DM, um in den nächsten drei Jahren die 20 000 Arbeitsplätze, die in der Stahlindustrie überflüssig werden, zu subventionieren, die Schuhe aus Pirmasens nicht zu vergessen. Das reicht beileibe nicht! Allein der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Herr Jaumann, fordert von der Bundesregierung eine Verdoppelung des Betrages, und dabei hat die bayerische Staatsregierung nur das vergleichsweise kleine Problem der Maxhütte zu lösen. Was sagen denn Nordrhein-Westfalen und das Saarland, und was sagen denn die Kollegen von der CDU aus diesen Ländern? Die sind doch ihren Bürgerinnen und Bürgern ganz genauso verpflichtet wie die sozialdemokratischen Abgeordneten und die sozialdemokratisch geführten Regierungen dort!

    (Dr. Penner [SPD]: Niedersachsen nicht zu vergessen!)

    Wie wird es denn mit Arbed weitergehen? Was ist mit den Stahlstandorten an Rhein und Ruhr? Aussitzen bis nach den nächsten Landtagswahlen? Diese 60 Millionen DM sind ein beschäftigungspolitisches Alibi. Auch dies könnte die deutsche Hausfrau übrigens leicht ausrechnen, denn selbst sie weiß, was es kostet, einen Industriearbeitsplatz neu zu schaffen: weit über 100 000 DM.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Was heißt „selbst sie"? Die Hausfrauen sind klüger als manche glauben!)

    2 bis 3 Milliarden DM wären also nötig, um allein der Stahlindustrie zu helfen. Und da stellt Herr Bangemann sich hin und sagt in „Quick" , er könnte 3 bis 4 Milliarden DM an Subventionen kürzen. Wo will er das denn machen?

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Das sagt er nicht!)

    Streicht er 3 Milliarden DM, können wir Werften, Kohle und Stahl ganz abschreiben, und das Geld reicht nur noch für den Airbus.
    Damit bin ich beim letzten dicken Brocken, den dieser Wirtschaftshaushalt als Risikofaktor enthält. Darlehen für die Airbus-Finanzierung von 165 Millionen DM sind ausgewiesen. Das Ist von 1986 betrug 364 Millionen, das Soll für 1988 liegt bei 940 Millionen. Reicht das überhaupt? Wenn sich die DM-DollarRelation im Laufe des nächsten Jahres vermutlich ja
    doch ändert, müssen hier weitere Millionen nachgeschoben werden.
    Macht diese Subvention aber überhaupt Sinn? Selbst Herr Grünbeck hat da ja Zweifel.

    (Glos [CDU/CSU]: Was heißt „selbst Herr Grünbeck"?)

    — Natürlich, Herr Glos, Franz Josef Strauß ist da Aufsichtsratsvorsitzender, und das erschwert die Verhandlungen, aber diesem bayerischen Ministerpräsidenten könnte ein FDP-Minister Bangemann so viele Milliarden, wie er könnte oder wollte oder hätte, in den Rachen schieben; der wird die FDP dann immer noch nicht lieben. Das sollte die FDP doch endlich begreifen.
    Ich bleibe dabei: „Widersprüchlich" ist eine der freundlichsten Umschreibungen, die man für den Etat dieses Wirtschaftsministers finden kann, eines Wirtschaftsministers, der auf der einen Seite markig erklärt, 3 bis 4 Milliarden DM an Subventionen streichen zu können, der tatsächlich bei Haushaltstiteln mit Zukunftsdimension auch streicht und der auf der anderen Seite ein 180-Millionen-Programm für die Krisenregionen, das man bestenfalls als Sterbehilfe bezeichnen kann, als großartige Hilfeleistung anpreist. Dieses Geld reicht wirklich nicht aus, um das immer stärkere Auseinanderfallen der wirtschaftlichen Bedingungen zwischen den Bundesländern und innerhalb der Bundesländer aufzuhalten. Es reicht überhaupt nicht aus, um zu verhindern, daß die reichsten Regionen reicher, die armen Regionen dagegen immer ärmer werden. Aber das scheint ja überhaupt das Prinzip der Regierung zu sein: Wer hat, dem wird gegeben; wer nichts hat, der ist selbst daran schuld.
    Ich komme zu meinem letzten Punkt und komme damit auf einige Bemerkungen zurück, die mein Kollege Roth bereits in die Debatte eingeführt hat. Ich spreche vom Zickzackkurs beider Mittelstandsförderung. Im letzten Jahr hieß es noch, daß eine Verstetigung der „Zuschüsse zu Personalaufwendungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich kleiner und mittlerer Unternehmen" angestrebt werde und daß hinfort kontinuierlich 400 Millionen DM jährlich auf diese Zuschüsse entfallen sollten. Man schleppte nämlich einen Rattenschwanz von Anträgen von Jahr zu Jahr mit und konnte längst nicht alle Anforderungen befriedigen.
    Was ist nun in diesem Jahr? Der Titel ist auf 150 Millionen DM gekürzt, und es heißt lapidar: Der Ansatz dient der Abwicklung. Künftig soll das also ganz wegfallen. Ist das die Verläßlichkeit gegenüber dem Mittelstand, auf die die Regierung sich so viel zugute hält?
    Graf Lambsdorff war damals sehr stolz, diesen Titel eingeführt zu haben, weil er seinem sozialdemokratischen Forschungsministerkollegen damit eins auswischen wollte. Glaubt die FDP wirklich, die Mittelständler bemerkten die permanenten Wendemanöver nicht? Ich habe mich immer darüber geärgert, daß der Riesenbrocken Mittelstandsförderung im Wirtschaftsetat bei vielen Haushaltstiteln unter der Devise „Förderung der Leistungssteigerung" erfolgt. Nun ist diese Förderung der Leistungssteigerung auf einmal



    Frau Dr. Martiny-Glotz
    gar nichts mehr wert, denn all diese Titel sind heruntergekürzt worden.
    Die 20 Millionen DM — auch eine Subvention natürlich, eine, die neu in den Haushalt eingestellt ist und jetzt „Ansparzuschüsse zur Gründung selbständiger Existenzen" heißt —

    (Roth [SPD]: Der größte Quatsch!)

    sind doch gegenüber den Fördermaßnahmen, wie sie ehemals waren, die schiere Verbalerotik, ein Trokkenskikurs für Leute, die Tiefschneefahren gewohnt sind. Glaubt wirklich irgend jemand im Ernst, daß ein Höchstbetrag von 10 000 DM als Sparzuschuß über mehrere Jahre Existenzgründer ermutigt,

    (Wissmann [CDU/CSU]: Fragen Sie mal nach der Zahl der Anmeldungen!)

    zumal es mit der Gründung einer Existenz ja nicht sein Bewenden haben kann? Durchhalten ist doch viel schwieriger als anfangen. Genau dabei läßt die Bundesregierung die Selbständigen dann im Stich.
    Eine 55prozentige Kürzung der Finanzmittel zur Förderung kleiner und mittlerer selbständiger Unternehmer ist von 1987 bis 1991 vorgesehen, und dies, obwohl man weiß, daß der Mittelstand die meisten Lehrstellen bereitstellt und insgesamt die größte Zahl an Arbeitsplätzen sichert.

    (Beifall bei der SPD)

    Weit über 100 000 DM kostet also die Schaffung eines Industriearbeitsplatzes; mit 50 000 DM muß man bei einer ABM-Stelle im Handwerk rechnen. Die Deutsche Ausgleichsbank hat demgegenüber ausgerechnet — und alle Mitglieder des Wirtschaftsausschusses wissen das, denn in der Drucksache 6/11 vom 5. Mai 1987 ist das zitiert — , was das Eigenkapitalhilfeprogramm, das nur auf massiven Druck damals verlängert wurde und von dem jetzt zu befürchten ist, daß es ausläuft, für Beschäftigungseffekte hatte. Mit jeder neuen durch das Programm geförderten Gründung oder Betriebsübernahme wurden fünf Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert. Rechnet man diesen Beschäftigungseffekt auf die vier Jahre seit 1983 um, sind mit Hilfe von Bundesmitteln damals für 308 Millionen DM 175 000 Dauerarbeitsplätze geschaffen oder erhalten worden. Auf lächerliche 440 DM pro Jahr und pro Arbeitsplatz beläuft sich hier der Bundeszuschuß. Rechnet man die Folgen für die kommenden Jahre hoch, erhöht sich dieser Betrag zwar etwas, nämlich auf 600 DM, aber 600 DM verglichen mit 50 000 DM für eine AB-Maßnahme oder mit weit über 100 000 DM für die Schaffung eines neuen Industriearbeitsplatzes, das sollte doch wirklich zu denken geben. Ausgerechnet hier will Herr Bangemann streichen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es bleibt zu hoffen, meine Damen und Herren, daß alle Bürgerinnen und Bürger, Hausfauen, Arbeiter, Angestellte und Selbständige die Ansicht des „Bayernkurier" teilen, der die prinzipielle und programmatische Dürftigkeit der FDP beklagt. Ich hoffe, daß daraus auch die Konsequenzen gezogen werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)