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    6. Wissmann.: 1
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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Roth kommt ja aus meinem Bundesland. Ich will ihn an dem messen, wie ich ihn sehe. Ich will ihn jetzt nicht in eine Reihe mit Arndt, Schiller, Alex Möller oder Helmut Schmidt stellen.

    (Frau Dr. Martiny-Glotz [SPD]: Schade!)

    Aber so viel will ich schon sagen: Das erste Zitat aus der „Financial Times" ist ja einer der besten Belege für die Regierungspolitik von CDU, CSU und FDP. Dort wird kritisiert — wörtlich — :
    daß eine zu hohe Steuerlast, zu schwache Geschäftsinvestitionen, zu rigide Märkte, zu hohe öffentliche Investitionen dafür schuld sind, daß das Beschäftigungspotential in der Bundesrepublik nicht voll ausgeschöpft wird.
    Wenn das nicht ein Zitat für unsere Politik ist, Herr Roth! Also: vergriffen.
    Die FDP und ihr Vorsitzender lassen sich von Herrn Roth nicht beleidigen.

    (Roth [SPD]: Oh!)

    Die 3,5 Millionen Wähler bei der Bundestagswahl
    — die gesamte Wahlbevölkerung der Schweiz — , die FDP gewählt haben, werden sich diese Worte
    — Klientelpartei, Interessenpartei — merken.

    (Beifall bei der FDP — Grünbeck [FDP]: Stillos!)

    Daß diese Politik bei allen Landtagswahlen der letzten Jahre Zustimmung gefunden hat, daß diese Politik bei der Bundestagswahl dazu geführt hat, daß die FDP als einzige Partei in großem Umfang zugenommen hat, das ist eine Tatsache. Die FDP stellt sich eher dem Wählervotum als dieser billigen, auch persönlich verletzenden Polemik von Herrn Roth kurz vor einer Wahl.

    (Beifall bei der FDP — Kuhlwein [SPD]: „Piratenpartei" ist richtig!)

    Meine Damen und Herren, trotz dieser Worte ist entscheidend, daß sich diese Koalition auf ihrem eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Weg nicht irremachen läßt. Steuern, zu viel Bürokratie, zu viel Belastungen müssen gesenkt werden. Dieser Herbst wird zeigen, daß diese Koalition aus CSU, CDU und FDP einig und handlungsfähig ist.

    (Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich finde ganz wichtig, was Michael Glos gesagt hat. Dies findet die volle Unterstützung meiner Partei.



    Dr. Haussmann
    Wir werden in der Lage sein, diese Steuerreform durch Subventionsabbau so zu finanzieren, daß keine Erhöhung von Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer notwendig ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dieser Subventionsabbau ist nicht nur eine Fachfrage. Dieser Subventionsabbau ist auch nicht nur notwendig, um die Steuerreform zu finanzieren,

    (Roth [SPD]: Welche denn?)

    sondern auch, um jungen Leuten eine Chance zu geben. Wer nur bereit ist, am Alten festzuhalten, wer nicht bereit ist, dem Neuen eine Chance zu geben,

    (Roth [SPD]: Konkret!)

    wer die Subventionen an Großkonzerne nicht kürzen will,

    (Stratmann [GRÜNE]: Reden Sie doch einmal vom Airbus!)

    wer dem Mittelstand weiter wie bisher zu hohe Steuern und Abgaben aufbrummen will, der ist an einer beruflichen Perspektive der jungen Generation nicht interessiert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Abg. Kuhlwein [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich habe nur zehn Minuten Redezeit. Ich habe wenig Zeit. Im Interesse einer parlamentarischen Debatte muß ich darauf Wert legen, daß ich im Zusammenhang reden kann.

    (Kuhlwein [SPD]: Trifft es zu, daß Sie auch die Agrarsubventionen streichen wollen?)

    Meine Damen und Herren, diese Steuersenkungen solide durch einen Subventionsabbau zu finanzieren, ist nicht nur ein Fachthema für Finanzpolitiker, sondern das ist die einzige und richtige Antwort, mehr Arbeitsplätze in der Bundesrepublik aufzubauen, Herr Roth. An dieser Frage kommen die SPD und die Gewerkschaften nicht vorbei.
    Am 1. Januar 1988 werden die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik ja sehen, daß ihre Steuern erneut gesenkt wurden und daß ihr Weihnachtsfreibetrag trotzdem wie bisher geblieben ist. Dann wird diese böse Diffamierung durch die Gewerkschaften und die SPD in sich zusammenfallen, meine Damen und Herren. Dazu ist es auch höchste Zeit.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aus dieser bösartigen Diffamierung der Steuerreform spricht Neid. Im Grunde wäre es doch Aufgabe der SPD, eine Steuersenkung zu konzipieren, die zunächst einmal über 500 000 Kleinverdiener steuerfrei macht. Es wäre doch Aufgabe der SPD, dafür zu sorgen, daß der Eingangssteuersatz in der Bundesrepublik von bisher 22 % auf 19 % gesenkt wird. Es wäre doch Aufgabe der deutschen Gewerkschaften, dafür zu sorgen, daß die Familien steuerlich entlastet werden. Es wäre doch Aufgabe der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, dafür zu sorgen, daß der Progressionsbereich abgeflacht wird.
    Meine Damen und Herren, wir betreiben durch diese Steuerpolitik eine soziale Politik, und die Arbeitnehmer werden auf ihrem Steuerzettel sehen, daß diese Diffamierung durch die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften nicht zieht.
    Meine Damen und Herren, wenn ich jetzt höre, wie den Menschen in den Kommunen Angst gemacht wird, wenn in einzelnen Gemeinden behauptet wird, es müßten wegen der Steuerreform dieser Regierung Kindergärten geschlossen werden, dann kann ich nur sagen: Welch statisches und altmodisches Denken hat sich inzwischen bei der SPD — von den GRÜNEN brauchen wir jetzt einmal nicht zu reden — eingeschlichen!

    (Dr. Penner [SPD]: Wieso denn?)

    Es ist doch ein Grundsatz der Finanzpolitik: Wenn Steuern und Abgaben beim Bürger und bei den Unternehmen als zu hoch empfunden werden, wenn sich die Menschen durch Schwarzarbeit entziehen, wenn die Leute im Ausland investieren, wenn auf die direkte Bezahlung verzichtet wird, dann steigen auch die absoluten Steuereinnahmen nicht mehr, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie. Es kann doch richtig sein, daß eine Steuersenkung am richtigen Ort, daß eine Steuerreform, die als gerecht empfunden wird, dazu führt, daß mehr geleistet wird, daß mehr investiert wird, daß die Schwarzarbeit zurückgeht und damit die absoluten Steuereinnahmen wieder zunehmen, meine Herren von der SPD.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Roth [SPD]: Reagan läßt grüßen! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Es ist doch ein irrsinnig statisches Denken: Die Steuereinnahmen stagnieren, also muß folgerichtig der nächste Schritt sein, daß die Steuersätze erhöht werden, meine Damen und Herren von der SPD. Das wäre der nächste Schritt.

    (Kuhlwein [SPD]: Sehen Sie sich die Schulden von Herrn Reagan an! Der hat es vorgemacht!)

    Wir werden diese sozial angelegte Steuerreform zusammen mit CSU und CDU solide durchführen, solide finanzieren.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ohne Deckung!)

    Das ist der Hauptbeitrag dieser Regierung zur Schaffung von mehr Nachfrage, zur Schaffung von mehr Investitionen in kleinen und mittleren Betrieben.
    Die FDP braucht von Herrn Roth auch keine Nachhilfestunde in Sachen Mittelstandspolitik.
    Erstens. Wer zuzugeben bereit ist, Herr Roth, daß über 90 % aller Unternehmen in der Bundesrepublik Personengesellschaften sind, wer weiß, daß der Betriebssteuersatz dieser Personengesellschaften der Einkommensteuersatz ist, kommt an einer Reform der Einkommensteuer nicht vorbei.
    Zweitens. Diese Regierung hat sich entschieden, die Sonderabschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Betriebe zu verbessern, und zwar bereits zum 1. Januar 1988.



    Dr. Haussmann
    Drittens. Diese Koalition hat entschieden, daß der Vorwegabzug für Mittelständler endlich angehoben wird.
    Das sind ganz konkrete und wichtige mittelstandspolitische Maßnahmen.
    Man kann der SPD in dieser Debatte eigentlich nur das Wort eines großen amerikanischen Präsidenten ins Stammbuch schreiben, der einmal gesagt hat: „Ihr helft den Schwachen nicht, wenn ihr die Starken schwächt." Oder Theodor Heuss hat einmal gesagt: „Die beste Sozialpolitik ist immer noch eine gute und funktionierende Wirtschaftspolitik. "

    (Stratmann [GRÜNE]: Sie sind ein Pferdeappeltheoretiker!)

    Ich kann nur unterstreichen, was Herr Stoltenberg heute morgen gesagt hat: Unternehmerisches Fehlverhalten und gewerkschaftliches Besitzstandsdenken können nicht durch Staatssubventionen ausgeglichen werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß meines kurzen Beitrags. Ich glaube, wenn sich diese Koalition in ihrem eingeschlagenen wirtschafts- und steuerpolitischen Kurs nicht beirren läßt, wird es zunächst Wehklagen geben, aber in kurzer Zeit wird klar sein, daß Arbeitnehmer, Meine und mittlere Betriebe davon profitieren, es wird zum Aufbau von zusätzlichen Arbeitsplätzen kommen, der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit wird zunehmen, und wir werden solide finanzierte und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in der Bundesrepublik schaffen. Die FDP wird ihren Beitrag in dieser Koalition leisten, damit diese Politik sich durchsetzt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wissmann.

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    Rede von Matthias Wissmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU/CSU und FDP werden bei dem wirtschafts- und steuerpolitischen Kurs bleiben, der heute vom Finanzminister umschrieben wurde und der bei allen Problemen, die wir nicht verschweigen, dazu geführt hat, daß es in der zweiten Hälfte des Jahres 1987 Grund gibt, in die kommenden Monate und in das kommende Jahr mit Optimismus hineinzugehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Herr Franke nicht!)

    Der Präsident der Bundesbank, der wohl ein unverdächtiger Zeuge auch für Sozialdemokraten ist, hat im „Spiegel" am 31. August 1987 gesagt, daß die Stagnationsphase, die wir im vierten Quartal des vorigen und im ersten Quartal dieses Jahres hatten, offenbar überwunden ist und daß wir uns jetzt wieder auf einem Wachstumspfad befinden. Die Zahlen sprechen ja auch eine deutliche Sprache, meine Damen und Herren.
    Die übereinstimmende Meinung der Mehrheit der Wirtschaftsforschungsinstitute ist, daß wir ein reales Wachstum im Jahre 1987 von etwa 1,5 % bis 2 % haben werden und daß die Chancen gut sind, daß im Jahre 1988, im sechsten Jahr eines maßvollen Aufschwungs, die Wachstumschancen eher größer sind als 1987. Wichtig ist: Dieses moderate Wachstum vollzieht sich bei stabilen Preisen. Wir hatten in der ersten Hälfte 1987 in der Bundesrepublik eine Inflationsrate von minus 0,1 %. Ich nenne als Vergleichszahlen: Frankreich: 3,3 %, Großbritannien: 4 %, Italien: 4,3 %, selbst die Schweiz: 1%, USA: 2,9 %.
    Meine Damen und Herren, wir können uns auch im internationalen Vergleich sehen lassen. Ein Gegenstück zu dem Zitat, das Herr Roth aus der „Financial Times" gebracht hat, ist ein Zitat des „Economist" vom Anfang dieses Jahres. Die bedeutende britische wöchentlich erscheinende Wirtschaftszeitung sagt: In Deutschland sind die Verhältnisse besser als in anderen europäischen Ländern, bei allen Problemen, die bleiben.

    (Roth [SPD]: Das ist richtig!)

    Sie fragt dann — Herr Roth, wenn ich Sie manchmal sehe, könnte ich das eigentlich auch auf Sie münzen — : Warum sind die Deutschen eigentlich so mürrisch und so pessimistisch? Ihre Lage ist besser, als sie es selbst glauben.

    (Dr. Haussmann [FDP]: Wegen der schlechten Opposition!)

    Meine Damen und Herren, wir sollten die Probleme nicht leugnen, aber wir sollten auch die Chancen sehen, die wir haben. Herr Kollege Roth, es gibt durchaus Themen, in denen wir gemeinsam, CDU/CSU, FDP und SPD, im Interesse der Mehrheit der Bürger ohne kleinkarierte Parteilichkeit etwas bewegen sollten. Ich nehme das naheliegendste wirtschaftspolitische Thema, das sich für diesen Konsens anbietet, im Interesse der Menschen an der Ruhr, im Interesse der Menschen an der Saar, im Interesse der Bergleute. Lassen Sie uns doch endlich wieder den Konsens in der Energiepolitik, Kohle und Kernenergie, zusammen entwickeln, den wir im Interesse dieser Menschen brauchen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir von Konsens reden, wäre das ein gutes Beispiel, wenn Sie hier den Ratschlägen Ihrer Genossen in der IG Bergbau folgen würden.
    Meine Damen und Herren, der Kollege Roth hat davon gesprochen, die Einkommensentwicklung und -verteilung sei heute so wie Anfang der 50er Jahre. Herr Kollege Roth, ich hoffe nur eines nicht: daß Sie Ihre Rechenkunststücke jetzt auch noch auf den Aufsichtsrat der Öko-Bank übertragen. Das täte dieser zarten Pflanze in der Bankentwicklung sicher nicht gut. Denn die Zahlen sprechen ja eine andere Sprache: Das Jahr 1986 war das Jahr mit dem höchsten Zuwachs an realer Kaufkraft, an Volkseinkommen seit 1973. Den Haushalten standen zusätzlich 52 Milliarden DM zur Verfügung. Um eine Vergleichszahl zu nehmen: Im letzten Jahr Ihrer Regierung, 1982, hatten wir dagegen einen Kaufkraftrückgang von 28 Milliarden DM, da die Inflationsrate von 5,3 % alle Einkommenszuwächse überstieg. Für Arbeitnehmer und Rentner bedeutet diese Entwicklung 1986 und



    Wissmann
    auch 1987 die größte Steigerung ihrer Realeinkommen seit 1973, meine Damen und Herren.

    (Glos [CDU/CSU]: Eine gewaltige Leistung!)

    Das heißt — ich nehme jetzt einen Arbeitnehmer mit einem eher unterdurchschnittlichen Einkommen — : Für einen Arbeitnehmerhaushalt, der 1985 monatlich 2 865 DM zur Verfügung hatte, bedeutete das schon im folgenden Jahr 1986 monatlich eine Kaufkraftsteigerung von 120 DM. Meine Damen und Herren, Kaufkraftzuwächse in diesen Größenordnungen sind das beste Wachstums- und Beschäftigungsprogramm, und sie sind ein Erfolg dieser Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, es ist auch nicht richtig, zu behaupten, die Investitionen — davon hat Herr Roth auch noch gesprochen — würden sich nicht günstig entwickeln. Seit Anfang 1983 sind die Ausrüstungsinvestitionen um 26 % gestiegen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Hervorragend!)

    Sie waren zwischen 1980 und 1982 unter der SPD-geführten Regierung um 11 % gesunken.

    (Roth [SPD]: Nennen Sie einmal die Zahlen zwischen 1975 und 1980!)

    Das heißt: Die Modernisierung der Produktionsanlagen ist im größten Teil der deutschen Wirtschaft voll im Gang. Die Entwicklung zeigt hier deutlich nach oben. Und, Herr Roth: Wir als CDU/CSU sind die letzten, die bestreiten, daß es hier — natürlich — zwischen verschiedenen Branchen und Größenordnungen von Unternehmen ein Gefälle gibt.

    (Kolb [CDU/CSU]: Ein gewaltiges!)

    Natürlich sieht es bei Daimler-Benz, Bosch und anderen besser aus als bei vielen kleinen und mittleren Betrieben. Natürlich sieht es im verarbeitenden Gewerbe meistens besser aus als in großen Teilen des Handels oder gar der Bauindustrie. Deswegen dürfen wir uns nicht von allgemeinen statistischen Zahlen täuschen lassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir wissen, daß die Eigenkapitalquote in vielen kleinen und mittleren Betrieben noch viel zu niedrig ist und daß wir deswegen eine Steuerpolitik und eine Politik der Begrenzung des Zuwachses der Lohnnebenkosten — übrigens mit den Tarifparteien — leisten müssen, die hilft, die Eigenkapitalquote gerade in mittelständischen Betrieben wieder zu verbessern. Das bleibt die Aufgabe der gemeinsamen Wirtschaftspolitik in der Koalition.
    Lassen Sie es mich an Zahlen sagen, meine Damen und Herren: Die Ertragslage der Unternehmen der deutschen Wirtschaft hat sich — auch das gehört zur Wahrheit — seit 1983 im Schnitt verbessert. Lag die Umsatzrendite 1981 bei 1,6 % und 1982 bei 1,5 %, so konnte sie in den Jahren 1983 und 1984 jeweils auf 1,8 % und 1985 und 1986 auf 2 % erhöht werden. Auf das gesamte Mittelaufkommen bezogen, machten die eigenen Finanzierungsmittel in der deutschen Wirtschaft in den Jahren seit 1983 etwa 68 % aus, was
    deutlich über dem durchschnittlichen Stand in den 70er Jahren von 56 % liegt. Damit war im Schnitt der deutschen Wirtschaft auch eine Aufstockung des Eigenkapitals verbunden.
    Aber Schnittzahlen sagen nichts über Strukturen in Bereichen aus, in denen es immer noch erheblichen Nachholbedarf gibt. Im Einzelhandel ist die Eigenkapitalquote in den letzten Jahren kontinuierlich auf etwa 7 % gesunken. Im Bausektor beträgt der Anteil der Eigenmittel nur noch 2 %. Welche Probleme ein derartiges Sinken der Eigenkapitalausstattung langfristig für die Unternehmen hat, wird die Opposition doch wohl auch daran erkennen, daß gerade in diesen Bereichen Handel und Bau die Insolvenzanfälligkeit besonders hoch ist. Insolvenzanfälligkeit bedeutet immer auch die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes.
    Deswegen: Wenn die SPD fragt, wie sieht denn euer Konzept aus, dann zaubern wir nicht ein ohnehin unwirksames staatliches Beschäftigungsprogramm aus dem Hut, sondern dann sagen wir: Die Aufgabe für Beschäftigung wird nur dadurch erfüllt, daß wir langfristig und Schritt für Schritt an der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wirtschaft, vor allem der mittelständischen Betriebe, arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das heißt Steuersenkung, Zuwachs der Lohnnebenkosten begrenzen, Deregulierung, Privatisierung, Entbürokratisierung. Das sind die Mittel, auf die es für die Zukunft ankommt.
    Und, meine Damen und Herren von der Opposition, weil wir dies so sehen und weil wir die unbefriedigende Eigenkapitalausstattung in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft kennen, haben wir seit 1984 mit dem damaligen Steuerentlastungsgesetz schon erste Maßnahmen zur Entlastung bei den Unternehmenssteuern eingeleitet. Und weil wir sie kennen, bestehen wir auf der Begradigung des Tarifs und der Senkung des Spitzensteuersatzes. Und weil wir wissen, daß neun von zehn Unternehmen Personengesellschaften sind, bestehen wir auf der Einkommensteuersenkung und darauf, daß die verdoppelte Sonderabschreibung für kleine und mittlere Unternehmen in der Steuerreform durchgesetzt wird, sowie darauf, daß der verbesserte Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen von Selbständigen als Teil der Steuerreform umgesetzt wird.
    Da geht es nicht um Geschenke für die Reichen, sondern um Strukturverbesserungen für diejenigen, die unsere volkswirtschaftlichen Ressourcen nutzen und für Beschäftigung umsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will immer wieder an die Kollegen der SPD gerichtet sagen, auch lieber Kollege Wolfgang Roth: Ein Karl Schiller hätte die neidbeladene Diskussion nicht mitgemacht, die die Apels und Spöris bei jedem Plan zur Steuersenkung in jedem Wahlkampf mitschwingen lassen. Es geht doch nicht um Neidparolen oder darum, neue Verteilungsprozesse in Gang zu setzen. Es geht darum, daß wir den volkswirtschaftlichen Investitionsprozeß verstärken und verstetigen und den mittelständischen Betrieben die Chance geben, neue



    Wissmann
    Arbeitsplätze zu schaffen und damit Zukunft für Millionen Menschen zu ermöglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Haussmann [FDP]: Helmut Schmidt unterstützt es! — Roth [SPD]: Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Wie sehr das notwendig ist, zeigt eine jüngere Studie des Instituts für Mittelstandsforschung. Von den seit 1977 neu entstandenen insgesamt 2,5 Millionen Arbeitsplätzen — das sollten wir uns alle in allen Parteien merken — entfielen 2,14 Millionen, also 84 %,

    (Roth [SPD]: Sagen Sie das in diese Richtung, zur FDP!)

    auf mittelständische Betriebe. Dabei kommt die Besonderheit hinzu, daß die kleinsten der mittelständischen Betriebe, die mit 1 bis 10 Beschäftigten, den Löwenanteil dieser neuen Arbeitsplätze geschaffen haben.
    Wer die Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Mittelstand verbessert, leistet also keine enge, kleinkarierte Mittelstandspolitik, sondern Politik für Millionen Arbeitsplätze und die Sicherung vorhandener und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

    (Roth [SPD]: Richtig! Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Das sollten auch Sie endlich begreifen, Herr Roth, und in Ihrer Politik verwirklichen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Das Eigenkapitalhilfeprogramm muß bleiben!)

    Daher bleiben wir dabei: Die Steuerentlastungen, die in den Jahren 1986 und 1988 20 Milliarden DM und 1990 bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer 44 Milliarden DM, zusammen also 64 Milliarden DM betragen und die Millionen Arbeitnehmern und Millionen Mittelständlern nützen, werden durchgesetzt.
    Deswegen bleiben wir zweitens dabei: Der Prozeß der Entbürokratisierung und der Deregulierung wird fortgesetzt. Wir werden ihn im Bauplanungsrecht und der Verwaltungsvereinfachung in vielen Bereichen umsetzen. Allein in der vorigen Wahlperiode wurden 30 Verordnungen vollständig aufgehoben, zwölf Gesetze beseitigt und 358 Einzelvorschriften gestrichen. Wir haben noch einen Berg an Arbeit — in diesem Punkt hoffentlich wenigstens einmal gemeinsam — vor uns.
    Drittens. Die Privatisierungspolitik wird fortgesetzt, und sie wird bei jedem einzelnen Schritt mit der Ausgabe von Belegschaftsaktien verbunden, weil wir wollen, daß Hunderttausende von Arbeitnehmern Eigentum erwerben können.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Stratmann [GRÜNE]: Geben Sie ihnen Mitbestimmungsrechte!)

    Viertens und letztens. Wir werden durch flexiblere Strukturen auf den Arbeitsmärkten — und hoffentlich die Tarifparteien auch durch eine beweglichere Lohnpolitik mit größeren Bandbreiten in den Tarifverträgen; nicht durch Lohnsenkung, sondern durch mehr Flexibilität kommen auch neue Arbeitsplätze zustande — den Prozeß der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft fortsetzen.
    Ich bin überzeugt davon, daß dieser Prozeß nur mit dieser Koalition vorangetrieben werden kann. Die Koalition tut immer wieder gut daran, diese Gemeinsamkeiten neu zu beleben und in praktisches Handeln umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)