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ID1023907200

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    Plenarprotokoll 10/239 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 239. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 18469 C Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Brokdorf Frau Hönes GRÜNE 18453 B Austermann CDU/CSU 18454 A Duve SPD 18455 B Beckmann FDP 18456 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 18457 B Kuhbier, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg . . . 18459B, 18467 A Gerstein CDU/CSU 18461 A Heyenn SPD 18462 A Baum FDP 18462 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 18463 C Lennartz SPD 18464 C Uldall CDU/CSU 18465 C Schäfer (Offenburg) SPD 18467 B Schmidbauer CDU/CSU 18468 D Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Roth, Dr. Jens, Rapp (Göppingen), Bernrath, Daubertshäuser, Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Kretkowski, Dr. Kübler, Müller (Schweinfurt), Oostergetelo, Pfuhl, Ranker, Stahl (Kempen), Dr. Schwenk (Stade), Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen — Drucksachen 10/5784, 10/6089 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Doss, Hauser (Krefeld), Wissmann, Hinsken, Landré, Dr. Unland, Pohlmann, Kraus, Hinrichs, Schulze (Berlin), Frau Will-Feld, Lenzer, Austermann, Bayha, Dr. Becker (Frankfurt), Dr. Blank, Bohlsen, Borchert, Dr. Bugl, Carstensen (Nordstrand), Dr. Czaja, Eigen, Engelsberger, Feilcke, Fellner, Funk, Frau Geiger, Dr. Götz, Haungs, Freiherr Heereman von Zuydtwyck, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Höffkes, Dr. Hoffacker, Frau Hoffmann (Soltau), Hornung, Dr. Hüsch, Jäger (Wangen), Jagoda, Dr. Jobst, Jung (Lörrach), Kalisch, Dr.-Ing. Kansy, Keller, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Lammert, Lattmann, Dr. Laufs, Linsmeier, Löher, Louven, Lowack, Frau Männle, Milz, Dr. Möller, Müller (Wadern), Niegel, Dr:Ing. Oldenstädt, Frau Pack, Rode (Wietzen), Dr. Rose, Rossmanith, Ruf, Sauer (Stuttgart), Sauter (Epfendorf), Sauter (Ichenhausen), Schartz (Trier), Schemken, Schmidbauer, Schreiber, Dr. Schroeder (Freiburg), Schulhoff, Schwarz, Dr. Schwörer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Spilker, Dr. Stark, Stockhausen, Straßmeir, Strube, Susset, Frau Verhülsdonk, Graf von Waldburg-Zeil, Wilz, Wimmer (Neuss), Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Grünbeck, Dr. Graf Lambsdorff, Bredehorn, Dr. Solms, Gattermann, Dr. Feldmann, Dr. Haussmann, Frau Seiler-Albring, Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Dr. Weng (Gerlingen), Cronenberg (Arnsberg) und der Fraktion der FDP II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 239. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 Lage und Perspektiven des selbständigen Mittelstandes in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 10/5812, 10/6090 — Roth SPD 18470A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 18472 D Tatge GRÜNE 18476 A Grünbeck FDP 18478 A Rapp (Göppingen) SPD 18481 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMWi . . 18483 C Doss CDU/CSU 18486 A Dr. Jens SPD 18487 D Hinsken CDU/CSU 18489 D Erste Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen und des Asylverfahrensgesetzes — Drucksache 10/6151 — Lowack CDU/CSU 18492 D Bachmaier SPD 18493 C Kleinert (Hannover) FDP 18494 B Ströbele GRÜNE 18495A Nächste Sitzung 18496 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 18497* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 239. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 18453 239. Sitzung Bonn, den 17. Oktober 1986 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 17. 10. Amling 17. 10. Frau Augustin 17. 10. Breuer 17. 10. Brunner 17. 10. Büchner (Speyer) * 17. 10. Carstensen (Nordstrand) 17. 10. Cronenberg (Arnsberg) 17. 10. Frau Dann 17. 10. Eickmeyer 17. 10. Ewen 17. 10. Dr. Faltlhauser 17. 10. Fischer (Bad Hersfeld) 17. 10. Franke (Hannover) 17. 10. Frau Fuchs (Köln) 17. 10. Dr. Geißler 17. 10. Dr. Götz 17. 10. Haase (Fürth) 17. 10. Dr. Häfele 17. 10. Handlos 17. 10. Hanz (Dahlen) 17. 10. Frau Dr. Hartenstein 17. 10. Hauff 17. 10. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 17. 10. Helmrich 17. 10. Hettling 17. 10. Höpfinger 17. 10. Ibrügger 17. 10. Jansen 17. 10. Jaunich 17. 10. Jung (Düsseldorf) 17. 10. Junghans 17. 10. Kiechle 17. 10. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein (Dieburg) 17. 10. Dr. Köhler (Duisburg) 17. 10. Dr. Kreile 17. 10. Kroll-Schlüter 17. 10. Linsmeier 17. 10. Dr. Müller * 17. 10. Müller (Wadern) 17. 10. Nagel 17. 10. Nelle 17. 10. Niegel 17. 10. Reuschenbach 17. 10. Sander 17. 10. Schartz (Trier) 17. 10. Dr. Scheer ** 17. 10. Schlatter 17. 10. Schmidt (Hamburg) 17. 10. Schröer (Mülheim) 17. 10. Freiherr von Schorlemer 17. 10. Schulte (Menden) 17. 10. Schulte (Unna) 17. 10. Dr. Solms 17. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 17. 10. Stobbe 17. 10. Stücklen 17. 10. Frau Dr. Timm 17. 10. Dr. Voss 17. 10. Dr. Waigel 17. 10. Werner (Ulm) 17. 10. Wiefel 17. 10. Frau Dr. Wisniewski 17. 10. Frau Will-Feld 17. 10. Wissmann 17. 10. Frau Zeitler 17. 10. Dr. Zimmermann 17. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Heinz Rapp


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Herren Kollegen! Vor kurzem hat die SPDFraktion Leitlinien zur Selbständigenpolitik beschlossen. Aus der CDU/CSU-Fraktion kam daraufhin nach der Art eines Pawlowschen Reflexes eine geradezu selbstschädigende Presseerklärung: Die Leitlinien der SPD taugen nichts, hieß es da, und außerdem seien sie bei der CDU abgeschrieben. Eine derart kopflose Reaktion kommt aus dem Bauch. Da war einer in seinem Urgemüt aus der Balance gekommen ob der Anmaßung der Sozialdemokraten, Selbständige aus Handel, Handwerk und Gewerbe, aus den freien Berufen und der Landwirtschaft werbend anzusprechen: gehört doch, nicht wahr, „die Wirtschaft" — in Anführungszeichen — rechtens den bürgerlichen Parteien.
    Stark pointiert, gewiß, aber nicht falsch. Beispiele: Wenn der DGB sagt, die einzelnen Parteien bestimmten ihre Nähe oder Ferne zur Einheitsgewerkschaft durch ihr Verhalten und ihr Handeln selber und demgemäß bestehe eine größere Affinität zur SPD, dann schäumt das ganze sogenannte bürgerliche Lager. Gefahren für die Einheitsgewerkschaft werden beschworen, der Herr Esser darf den DGB eine Art Partei nennen. Hingegen hat es völlig seine Ordnung, wenn die großen Wirtschaftsverbände, die ja niemals Partei sind, nicht wahr, PR-Kampagnen machen, die wie zufällig zu denen des Adenauer-Hauses passen; wenn in Verbandsorganen die Position der derzeit oppositionellen SPD oft genug gar nicht, verkürzt oder verbogen zur Kenntnis gebracht wird; wenn die bis 1982 gute Übung immer mehr außer Brauch gerät, bei Verbandstagungen auch die Opposition zu Wort kommen zu lassen; und so weiter und so weiter. Bis in verkammerte, also öffentlich-rechtliche Bereiche hinein sorgen die Seilschaften dafür, daß möglichst nirgendwo ein Sozialdemokrat zur Geltung kommt.
    Vor kurzem kam ein kleiner Bauunternehmer, SPD-Mitglied, zu mir und sagte, der örtlich beherrschende Architekt, CDU-Stadtrat selbstverständlich, habe ihm gesagt, soweit sein Einfluß reiche werde es Aufträge erst dann geben, wenn er, der Bauunternehmer, sein SPD-Parteibuch zurückgebe. Diese Erfahrung machen viele SPD-Mitglieder im selbständigen Mittelstand zuhauf und fast täglich. Meine Damen und Herren, ist das die Freiheit, die Sie meinen? Pluralität ist das Maß der Freiheit, die Beherrschung ganzer gesellschaftlicher Bereiche durch eine Partei ist das genaue Gegenteil davon. Bitte, reflektieren Sie das mal und versetzen Sie sich in die Haut derjenigen, die Sie damit schädigen!

    (Hinsken [CDU/CSU]: Hoffentlich ist der Bauunternehmer nicht zur Neuen Heimat gegangen!)

    — Ersparen Sie es mir, diesen Zwischenruf zu qualifizieren.
    Meine Damen und Herren, demokratischer und unternehmerischer Wettbewerb haben vergleichbare Strukturprinzipien. Wer die des demokratischen Wettbewerbs nicht begreift, wird schwerlich denen ein verläßlicher Partner sein, die vermachte-ter Konkurrenz ausgesetzt sind. Erst gestern noch kam mir die Eingabe des Lebensmitteleinzelhandels auf den Tisch, wonach auch im Jahre 1985 per Saldo wieder 3 000 kleine und mittlere Geschäfte machtbestimmter Konkurrenz zum Opfer gefallen sind. Es werden da Maßnahmen gefordert, wie die SPD-Fraktion sie in der Debatte vom 18. Juni vorgeschlagen hat. Die Koalition hat sie abgelehnt.
    Was die Bundesregierung in ihren Antworten zu den Großen Anfragen dazu sagt, ist allenfalls mittelmäßige PR-Arbeit, Beschönigung, Vertröstung. Hilfe ist da nicht zu erwarten.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Wann und wo immer es in der Vergangenheit um die Erhaltung des Leistungswettbewerbs und seine Verbesserung gegangen ist, waren Sozialdemokraten die treibende Kraft — Sie nicht, Herr Grünbeck —, und so wird es auch bleiben.

    (Hornung [CDU/CSU]: Aber in die falsche Richtung haben Sie getrieben!)

    Vielen Selbständigen, vor allem denen in den kleinen und mittleren Betrieben, werden die Leitlinien der SPD eher einleuchten als diese Antworten der Bundesregierung. Lieber Herr Hauser, wenn Sie mal wirklich eine stimmige Darstellung der gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bedeutung der Selbständigen im Mittelstand lesen wollen, dann studieren Sie diese Leitlinien!

    (Beifall bei der SPD)

    Bei den Landtagswahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen hat die SPD übrigens gerade in dieser Wählerschicht besonders deutlich hinzugewonnen, und bei der Bundestagswahl 1987 wird es wieder so sein. Es haben eben nicht alle vergessen und verdrängt, wie Sie, Herr Hauser, und anderen fällt es auch wieder ein, was sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen zur Verbes-



    Rapp (Göppingen)

    serung der Lage des wirtschaftlichen Mittelstands geleistet haben,

    (Hornung [CDU/CSU]: Siehe NordrheinWestfalen!)

    von der Öffnung der Rentenversicherung über die Wettbewerbspolitik, über genau zielende steuerliche Entlastungen und Finanzierungshilfen bis hin zur Forschungsförderung und den Beratungshilfen. Und ersparen Sie es mir lieber Herr Grünbeck, jetzt die psychologische Kategorie zu nennen, die angezeigt ist, wenn jemand in derart manischer Weise wie Sie seine eigene Vergangenheit verbrennt.

    (Beifall bei der SPD — Lenzer [CDU/CSU]: Was heißt das denn?)

    Immer mehr Menschen, meine Damen und Herren, realisieren, wem denn die Vermögens- und Gewerbesteuersenkung der konservativen Regierung tatsächlich zugute gekommen ist. Den kleinen und mittleren Unternehmen jedenfalls kaum. Daß die gewiß notwendige und von uns bereits eingeleitete Rückführung der jährlichen Nettoneuverschuldung, soweit sie nicht dem Bundesbankgewinn zu verdanken ist, nach 1982 einseitig zu Lasten der Massenkaufkraft und also auch zu Lasten der auf den Binnenmarkt verwiesenen kleinen und mittleren Unternehmen ging, haben viele erfahren müssen; die nach 1982 stark gestiegenen Insolvenzzahlen weisen es aus. Selbst die Erwartung hat ja getrogen, daß dies alles den Investitionen und somit der Beschäftigung zugute käme. Ein Großteil der nach oben umgeschichteten Gelder wurde von Reagans Voodoo-Politik angesogen und dort absorbiert; für den Arbeitsmarkt blieb gar nichts mehr übrig.
    Damit Sie mir jetzt nicht mit dem Vorwurf der Schwarzmalerei kommen, sage ich: Es geht uns insgesamt gewiß nicht schlecht, allzu vielen einzelnen geht es schlechter, als es in unserer reichen Gesellschaft sein müßte.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Und es könnte uns in mancherlei Hinsicht besser gehen. Vor allem wird zu wenig Vorsorge getroffen, daß es in der Zukunft nicht schlechter geht. Die Zukunftsaufgaben bleiben liegen; das ist der Vorwurf, den wir erheben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich weiß, meine Damen und Herren, „Leistung muß wieder lohnen". Aber welcher Leistungsbegriff, bitte, ist denn da gemeint? Soll wirklich gelten, daß der Manager, der 500 Mille verdient, 550 oder 600 haben muß, damit er 10 % mehr Leistung erbringt?

    (Hornung [CDU/CSU]: So wie bei der Neuen Heimat!)

    Soll denn das wirklich gelten, daß man den Leistungswillen des kleinen Mannes am besten dadurch stimuliert, daß man ihn kürzer hält und ihm das austreibt, was die Konservativen und Liberalen seine Anspruchsmentalität nennen? Ist das gemeint, haben Sie diesen Leistungsbegriff? Und welches Menschenbild steht denn dahinter? frage ich Sie.

    (Mann [GRÜNE]: Eine gute Frage!)

    Da man den Grenznutzen einer persönlich zurechenbaren Leistung nicht bestimmen kann, läuft dieses ganze Gerede doch nur auf die Tautologie und auf die Rechtfertigungsideologie hinaus, daß der, der mehr verdient, auch mehr leistet.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn ich mehr Zeit hätte, meine Damen und Herren, würde ich genauer den Unternehmer beschreiben, den wir bei uns in der SPD brauchen; zuzugeben, Herr Grünbeck: von denen wir mehr haben sollten, weil wir die Erfahrung derer nicht entbehren können, die sich täglich im Markt und in sozialer und ökologischer Verantwortung bewähren müssen. Diese Unternehmerin, dieser Unternehmer hat gewiß einen anderen Leistungsbegriff als den, den ich dauernd von Ihnen höre. Mitbestimmung begreift er, Herr Grünbeck, als ein wertvolles und unverzichtbares Element der betrieblichen und der unternehmenswirtschaftlichen Entscheidungsstruktur und nicht als Bedrohung. Aus der Aufgabe der Ausbildung wird er sich nicht zu Lasten anderer wegstehlen. Er weiß, daß Kapital und Arbeit aufeinander verwiesen sind, aber doch stets so, daß die lebendige Arbeit Vorrang hat vor dem toten Kapital und seiner bloßen, von der Sicherung des Unternehmens abgehobenen Mehrung.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Er versteht, daß sich das Gemeinwohl nicht als die Summe des wirtschaftlichen Wohlergehens einzelner herstellt, sondern daß es dazu vielmehr auch staatlicher Gestaltung bedarf. Den Staat wie auch den Tarifvertragsgegner betrachtet er nicht als seinen Feind, er weiß vielmehr, daß das Gemeinwohl vom Zustandekommen und Wohlergehen aller abhängt. Die Art und Weise, wie Sie über den Staat reden, wie Sie ihn zum Feind des Mittelstandes machen, haben Sie selber zu verantworten.

    (Grünbeck [FDP]: Wer hat denn so etwas gesagt? Wer hat denn vom Staat als Feind geredet? — Tatge [GRÜNE]: Das ist richtig!)

    Nun behaupten aber Herr Hauser und andere, auch Herr Grünbeck, der Staat sozialdemokratischer Provenienz überfordere die Wirtschaft. Nun, was die Bürokratielast anlangt, so verweise ich auf die Umfrage der Zeitschrift „Impulse", die ergeben hat, daß die Bürokratielast für die kleinen und mittleren Unternehmen seit 1982 um rund 70% gestiegen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Mann [GRÜNE]: An ihren Taten sollt ihr sie messen! — Tatge [GRÜNE]: Das ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit!)

    Im ganzen hat ja auch die Abgaben- und Steuerlast zugenommen. Und was da nun unsere Steuerbeschlüsse, unseren Tarifbeschluß und die Ergänzungsabgabe betrifft, so gilt, meine Damen und Herren, daß der SPD-Tarif für Verheirateteneinkommen bis zu 90 000 Mark Entlastungen bringt,



    Rapp (Göppingen)

    und das sind 80 % der Steuerfälle. Von welchem Facharbeiter, von welchem Handwerker, von welchem Einzelhändler reden Sie denn da, der dadurch in seiner Existenz bedroht sein soll?

    (Beifall bei der SPD)

    Da sollten Ihre Redenschreiber sorgfältiger recherchieren.
    Meine Damen und Herren, das alles bereden wir vor dem Hintergrund drängender Zukunftsaufgaben: Wir müssen die Sozialversicherung sichern, Umweltaltlasten aufarbeiten, zu einer anderen Stromversorgung kommen, die Wirtschaft ökologisch erneuern, uns die internationale Solidarität mehr kosten lassen.

    (Grünbeck [FDP]: Lauter wolkige Sprüche sind das!)

    Das alles muß nicht der Staat erledigen; je mehr davon in gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung aufgearbeitet werden kann, desto besser.

    (Mann [GRÜNE]: Sehr gut! — Hornung [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal, was haben Sie davon in den dreizehn Jahren getan? Nur Sprüche sind das!)

    Übrigbleiben wird aber doch, daß Entscheidendes von der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Finanzwirtschaft abhängt. Deshalb, meine Herren, versprechen wir Sozialdemokraten über die Rückgabe der heimlichen Steuererhöhungen hinaus keine weiteren Steuersenkungen.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns erst die Gemeinschafts- und die Zukunftsbedürfnisse aufarbeiten, das hat Vorrang; hernach wird man dann sehen. Wir sind nicht scharf auf eine hohe Staatsquote um ihrer Höhe willen, wohl aber auf die Fähigkeit des Staates, die ihm aufgetragenen Aufgaben zu erledigen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Nur Sprechblasen, alles Sprechblasen! — Hornung [CDU/CSU]: Bei Ihnen hat der Staat zugenommen, begreifen Sie das doch!)

    Dabei wird keiner ärmer, nur die aus den 50er, 60er und 70er Jahren gewohnten Zuwachsraten an konsumierbarem Einkommen wird es wohl nicht mehr geben. Wir orientieren um: vom quantitativen Mehr zum qualitativen Besser.

    (Bohl [CDU/CSU]: Alles Sprechblasen!)

    Wie das geht, können Sie aus unserem Projekt Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" ersehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Gestern hat Herr Stoltenberg hier gesagt, wir müßten uns bescheiden; in diesem Sinne: j a. Wir Sozialdemokraten haben ihm Beifall gezollt, fügen allerdings hinzu: wir alle und nicht nur immer die kleinen Leute, im Gegenteil: die Starken — siehe Ergänzungsabgabe —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Siehe Neue Heimat!)

    einstweilen und zeitbegrenzt etwas mehr.
    Meine Damen und Herren, es gibt ihn, den Unternehmer, der das alles genauso sieht und für richtig hält, der darin auch Chance und nicht nur Beschwernis sieht. Es gibt sie, die Unternehmer in der Sozialdemokratischen Partei. Es gibt übrigens Fachleute nicht nur in der FDP, sondern es gibt auch welche in anderen Parteien, lieber Herr Grünbeck. Gewiß ist es seine primäre Aufgabe, das Unternehmen in Takt zu halten und voranzubringen. Staat und Tarifparteien müssen ihm das ermöglichen.
    Die Leitlinien der SPD zur Selbständigenpolitik bieten den wirtschaftlich Selbständigen und fortschrittlichen unternehmerisch Tätigen Erhellende-res als die Antworten der Bundesregierung auf die Großen Anfragen. Wir Sozialdemokraten stellen uns da gerne dem Wettbewerb.

    (Beifall bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: Das ist auch gut so, das können Sie am 25. Januar machen!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Grüner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Grüner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Antworten auf die beiden Großen Anfragen zur Mittelstandspolitik und die heutige Debatte bieten eine gute Gelegenheit, jenen Teil der Volkswirtschaft in das rechte Licht zu rücken, der die Hälfte des Sozialprodukts in der Bundesrepublik Deutschland produziert, in dem rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigt sind — ich spreche jetzt von den Unternehmen mit einem bis 500 Beschäftigten — und bei dem vier Fünftel aller Lehrstellen bereitgestellt werden. Man kann auch hinzufügen: Zwei Drittel aller Lehrlinge werden in Betrieben mit einem bis 50 Arbeitnehmern beschäftigt. Ich glaube, daß diese Zahlen deutlich machen, daß der selbständige, gewerbliche und freiberufliche Mittelstand kein Anhängsel der Wirtschaft ist, sondern das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellt.

    (Beifall des Abg. Neuhausen [FDP])

    Der Mittelstand leistet — und das ist in unserer Zeit besonders wichtig — einen unübersehbaren aktiven Beitrag zur Erreichung des derzeit wichtigsten Ziels der Wirtschaftspolitik, nämlich der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Es ist eine Wende an der Beschäftigungsfront erreicht worden. Der Mittelstand hat daran einen entscheidenden Anteil. Die Zahl der Erwerbstätigen hat seit dem Tiefpunkt im Herbst 1983 bis August 1986 um rund 560 000 zugenommen. Wir haben zwar keine Statistik darüber, wie viele Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen und bei den selbständigen und freien Berufen geschaffen worden sind; wissenschaftliche Untersuchungen lassen jedoch den Schluß zu, daß sie am Beschäftigungszuwachs überproportional beteiligt waren. Ich halte für ganz entscheidend, daß dies in der politischen Debatte auch draußen im Lande deutlicher gesehen wird, als das bisher der Fall ist.



    Parl. Staatssekretär Grüner
    Die überragende Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie Selbständiger bei der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zeigt eine kürzlich vorgelegte Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Nach dieser Untersuchung hatte sich die Beschäftigtenzahl im Zeitraum 1978 bis 1984 bei kleinen Unternehmen von einem bis 49 Beschäftigten um 34 % erhöht, obwohl 1978 bis 1984 eine sehr kritische Zeit für die Beschäftigung war. Bei mittleren Unternehmen von 50 bis 499 Arbeitnehmern nahm die Beschäftigung im gleichen Zeitraum um 10 % zu. Demgegenüber hatte die Beschäftigung bei großen Unternehmen mit 500 und mehr Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum um 13 % abgenommen, was nichts an der Bedeutung der Großunternehmen für unsere Volkswirtschaft und an der engen Verflechtung, die Herr Grünbeck mit recht herausgestellt hat, ändert, was aber deutlich macht, wo der Beschäftigungszuwachs offenbar erzielt worden ist.
    Diese herausragende Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen, der Handwerker und anderer Selbständiger sowie der freien Berufe für die Beschäftigung rechtfertigt die von der Bundesregierung verfolgte Politik für den Mittelstand. Trotz der mangelnden statistischen Basis kann aus diesen Untersuchungsergebnissen in der Tendenz festgehalten werden: Der Aufschwung wird zu einem großen Teil von kleinen und mittleren Unternehmen getragen. Bei der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen stehen die kleinen und mittleren Unternehmen in vorderster Linie. Die Dynamik der Volkswirtschaft hat eine solide mittelständische Grundlage. Wenn der Mittelstand seinen Part im Aufschwung voll spielt und zum Anstieg der Beschäftigung überproportional beiträgt, so ist das auch ein Ergebnis der Mittelstandspolitik, die dazu einen Beitrag geleistet hat, mehr nicht.
    Die Erfolge unserer Mittelstandspolitik spiegeln sich aber nicht nur in erfreulichen Arbeitsplatzeffekten, also auf der gesamtwirtschaftlichen Skala, wider. Dahinter stehen für mich konkrete individuelle Chancen von vielen unbekannten Arbeitnehmern und Selbständigen. Vergessen wir nicht: Die Wirtschaftspolitik hat letztendlich nicht bestimmte Wachstumsraten zum Ziel. Sie ist aufgerufen, den einzelnen Menschen günstige Bedingungen zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Ziele zu geben. Ich denke gerade auch an die kleinen und kleinsten Unternehmer, die im Vertauen auf unsere Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik ihre Leistungsfähigkeit und ihr mühsam erspartes Vermögen einsetzen, um ihre Existenz zu sichern. Für kleinste und kleine Unternehmen geht es oft nicht um Ertragsprozente, sondern um Erträge überhaupt. Die wirtschaftlichen Risiken, die von ihnen übernommen werden, sind vielfach zugleich persönliche existenzielle Risiken. Dieser Teil des Mittelstands behauptet sich im Konkurrenzkampf durch ein weit über den Durchschnitt hinausgehendes Engagement. Das ist nicht selten die einzig mögliche Form der Anpassung zur Sicherung seiner Existenz. Sein unternehmerisches Schicksal ist für die Wirtschaftspresse keine Meldungen wert.