Rede von
Heinz
Westphal
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde. Die Fragen, die nicht aufgerufen werden konnten, werden entsprechend der Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 92 und 93 des Abg. Urbaniak und 114 des Abg. Stutzer sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Wir kommen nun entsprechend der Vereinbarung vor der Pause zu Tagesordnungspunkt 4:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
— Drucksache 10/5025 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft
— Drucksache 10/5410 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Frau Odendahl
Neuhausen
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 15. Mai 1986 16657
Vizepräsident Westphal
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/5411 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Dr. Diederich Dr. Müller (Bremen)
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Sechster Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2
— Drucksachen 10/4617, 10/5410 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Frau Odendahl
Neuhausen
Zu Tagesordnungspunkt 4 a liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5462 sowie ein Entschließungs- und ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5480 und 10/5481 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. -- Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Pack.
Frau 'Pack : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich die erste Rednerin bin, möchte ich eingangs gerne schon dem widersprechen, was hier sicherlich nachher vehement wiederholt werden wird, nämlich dem Vorwurf, wonach diese Bundesregierung für den Rückgang der Quote der durch BAföG geförderten Studenten verantwortlich sei. Dies trifft nicht zu! Der Rückgang ist das Ergebnis sozialliberaler Regierungspolitik, insbesondere hervorgerufen durch die siebte BAföG-Änderungsnovelle und das 2. Haushaltsstrukturgesetz, die beide im Jahre 1981 verabschiedet wurden.
Unter der SPD-Regierung wurden beim BAföG u. a. folgende drastische Verschlechterungen beschlossen: erstens Eingrenzung der Förderung einer weiteren Ausbildung, wenn man bereits einen berufsqualifizierenden Abschluß erreicht hat, zweitens Wegfall der rückwirkenden Leistung von Ausbildungsförderung, drittens die Änderung des Einkommensbegriffs, viertens die Senkung der prozentualen Sozialpauschale, fünftens die Begrenzung des Freibetrages für Kinder und sechstens die Minderung der Freibeträge bei elternunabhängiger Förderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, die siebte BAföG-Änderungsnovelle ist Ursache des Rückgangs der Quote der Geförderten. Hinzu kommt das von Ihnen 1981 verabschiedete 2. Haushaltsstrukturgesetz, das seit dem Herbst 1983 wirksam geworden ist und das die negativen Einflüsse noch potenzierte. Hierzu zählen insbesondere, daß erstens, wenn beide Elternteile über ein Einkommen verfügen, eine Senkung des zusätzlichen Freibetrages durchgeführt worden ist, daß zweitens die Leistungen für Fahrtkosten, für Studienfahrten, Lern- und Arbeitsmittel wegfallen und daß drittens — das ist das Wesentliche - keinerlei Erhöhung der für 1982 fälligen Freibeträge und Bedarfssätze durchgeführt wurde. Das heißt, es entstanden Realeinbußen bei den Zuwendungen für Schüler und Studenten. Erst durch die von uns vorgenommene Umstellung der Studentenförderung auf Darlehen ist uns die Option eröffnet worden, 1984, 1985 und auch in diesem Jahr mit der zehnten BAföG-Änderungsnovelle reale Verbesserungen durchzuführen und den Trend der Verschlechterung der Zuweisungen zu stoppen.
Wir haben nicht wie Sie von der SPD den Studenten salamitaktikähnlich von Mal zu Mal das BAföG gekürzt. Vielmehr ist es durch die erfolgte Umstellung auf Darlehen und dem damit geleisteten Konsolidierungsbeitrag möglich geworden, Verbesserungen überhaupt erst in Angriff zu nehmen.
So darf ich daran erinnern, daß wir erstens die Bedarfssätze und Freibeträge von Elterneinkommen zum 1. August 1984 um durchschnittlich 4 % und die Freibeträge zum Herbst 1985 um durchschnittlich 2 % angehoben haben; daß wir zweitens die Härten und Unstimmigkeiten, die durch das Haushaltsbegleitgesetz von 1983 und die neunte BAföG-Änderungsnovelle entstanden sind, gemildert haben. Ich darf daran erinnern, daß wir die Zahlung von BAföG an Schüler für den Monat August eingeführt haben; daß wir die Ausweitung der Übergangsregelung für die Grundwehr- und Zivildienstleistenden eingeführt haben; daß wir die Einbeziehung von Auszubildenden, die ein Kind im eigenen Haushalt betreuen, in die BAföG-Leistungen bewirkt haben.
In dem uns heute vorliegenden Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist neben der Förderung des außereuropäischen Studiums und der Auslandspraktika eine Anhebung der Bedarfssätze um durchschnittlich 3 % und der Freibeträge um durchschnittlich 2 % zum Herbst 1986 und zum Herbst 1987 vorgesehen. So ist die Lage: Wir haben durch Konsolidierung und antiinflationäre Politik den finanziellen Spielraum geschaffen, der notwendig war, um überhaupt sozialpolitische Verbesserungen durchzuführen.
Auf Grund dieser Zielbestimmung und der Ergebnisse der öffentlichen Anhörung, die wir zur BAföGNovelle durchgeführt haben, haben wir aber wei-
16658 Deutscher Bundestag — l0. Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1986
Frau Pack
tere notwendige Verbesserungen durchgesetzt. Erstens. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen ist die von vielen behinderten Studenten und Studentinnen in Anspruch genommene Möglichkeit einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 dergestalt verbessert worden, daß einem behinderten Studenten auf Antrag das über die Förderungshöchstdauer hinaus gezahlte Darlehen erlassen wird.
Zweitens. Ausländische Schüler und Studenten, deren Eltern in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, bekommen über den bereits begonnenen Ausbildungsabschnitt hinaus BAföG. Damit ist eine wesentliche Härte für die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der zweiten Generation beseitigt worden.
Drittens. Ebenfalls auf Antrag der Koalitionsfraktionen ist dafür Sorge getragen worden, daß verheiratete Auszubildende mit denjenigen gleichgestellt werden, die mit einem Kind zusammenleben, auch wenn von der Wohnung der Eltern aus eine geeignete Ausbildungsstätte erreichbar wäre.
Die Koalitionsfraktionen haben sich dann auch mit der Frage beschäftigt, ob bei fehlender ElternKind-Beziehung eine auswärtige Unterbringung ermöglicht werden soll. Anlaß hierfür war eine Beschlußfassung des Bayerischen Landtags. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP fordern die Bundesregierung auf, zunächst eingehend zu prüfen, ob diesem Anliegen Bayerns durch eine Änderung der entsprechenden Verwaltungsvorschriften Rechnung getragen werden kann. Falls das aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, wird die Bundesregierung gebeten, dieses Anliegen im Rahmen der elften BAföG-Änderungsnovelle aufzunehmen.
Nicht alles, was wünschenswert wäre, kann in dieser Novelle durchgeführt werden. So weisen wir heute bereits darauf hin, daß in der nächsten Legislaturperiode durch die elfte BAföG-Änderungsnovelle in weiteren Bereichen Verbesserungen durchgesetzt werden müssen. Erstens. Aus der öffentlichen Anhörung zur zehnten BAföG-Änderungsnovelle ist deutlich hervorgegangen, daß das staatliche Transfersystem auf der einen und das Steuerrecht auf der anderen Seite viele Familien in ein sogenanntes „Mittelstandsloch" fallen läßt. Der Präsident des Deutschen Studentenwerks Professor Folz hat in der Anhörung deutlich gemacht, daß Familien, die zwischen 40 000 und 50 000 DM brutto verdienen, einerseits kaum in der Lage sind, das Studium ihrer Kinder zu finanzieren, und andererseits, selbst wenn es ihnen gelänge, eine Steigerung des jährlichen Einkommens um 10 000 DM zu erzielen, von diesem Betrag nur noch 1 000 DM verblieben, weil nämlich gleichzeitig Sozialleistungen wegfallen und die Steuerprogression zugreift. Hier kann eine Erhöhung der Ausbildungsleistungen allein nicht helfen. Doch im Verbund mit einer gezielten deutlichen Steuerentlastung für Familien mit Kindern, die soziologisch zur unteren Mittelschicht gerechnet werden, können die enormen finanziellen Belastungen für die Ausbildung ihrer Kinder gemildert werden. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang aufgefordert, die wirtschaftliche
Situation der Familien detailliert zu analysieren, Modellrechnungen zur Entlastung durch steuerliche Maßnahmen vorzunehmen und dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis dieser Untersuchung bis zum 31. Mai 1987 zu berichten und einen Lösungsvorschlag vorzulegen.
Zweitens. Von allen Seiten wurde in der öffentlichen Anhörung auch das Problem des Auseinanderklaffens der Förderungshöchstdauer und der tatsächlichen Studiendauer vor Augen geführt. Wir können uns nicht mit dem Hinweis auf die ausbleibende Studienreform mit dem Ziel der Verkürzung der Studienzeiten berufen, wenn es gilt, die Examenszeit, die in fast allen Fällen außerhalb der Förderungshöchstdauer liegt, in die Förderung mit einzubeziehen. Hier müssen wir differenzierte Lösungen anstreben, die eine flexible Neuordnung der Förderungshöchstdauer zum Ziele haben.
Des weiteren fordern wir die Bundesregierung auf, bei der nächsten Novelle Lösungen für die Förderung von Postgraduierten-Studiengängen zu entwickeln.
Hinsichtlich der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung sollten die Auswirkungen einer zeitlichen Begrenzung der Verpflichtung zur Gewährung von Ausbildungsunterhalt auf das vollendete 27. Lebensjahr des Unterhaltsberechtigten mit einer großzügigen Ausnahmeregelung untersucht und dargestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wir haben es nicht nötig, uns hinsichtlich der erreichten Steigerungen beim BAföG sozialpolitisches Fehlverhalten vorwerfen zu lassen. Dies ist zuerst einmal an Ihre eigene Adresse zu richten. Ich habe bereits aufgelistet, was durch die siebte BAföG-Änderungsnovelle und das 2. Haushaltsstrukturgesetz unter einem SPD-Kanzler für Schüler und Studenten vorgenommen worden ist. Auch Ihr neuer Kanzlerkandidat, der ja in Nordrhein-Westfalen regieren muß, und demzufolge dort ablesbar ist, wie er das macht, hat den Haushaltsansatz für die Ausbildungsförderung von Schülern von 360 Millionen DM um 50 % auf heute 133 Millionen DM reduziert.
Wenn schon das böse Wort vom BAföG-Kahlschlag immer von Ihnen in den Mund genommen wird, dann trifft dies zuallererst auf die sozialdemokratische Landesregierung in Düsseldorf zu.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß wir mit der heute vorgelegten zehnten Novelle zum BAföG wieder eine Erhöhung durchgesetzt haben, die dritte Erhöhung in den vier Jahren, seit wir regieren.
Durch die Koalitionsfraktionen sind weitere Verbesserungen vorgenommen worden, die wichtig waren und die in der Anhörung gefordert wurden. Wir erwarten, daß mit der elften Novelle im Jahre 1987
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1986 16659
Frau Pack
auch die von mir vorhin genannten Probleme noch gelöst werden.
Ich bedanke mich.