Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die SPD diese Aktuelle Stunde gern benutzen möchte, um das Thema hier noch einmal so richtig heiß zu machen,
weil sie hofft, daß heute abend in der Runde bei Minister Blüm nichts herauskommt; denn nur das würde in ihr politisches Konzept passen.
Wir dagegen wünschen, daß heute abend in der Runde tatsächlich eine Interpretation gefunden wird, der beide Seiten zustimmen können, eine Interpretation dessen, was der Gesetzgeber 1969 gemeint hat, als er den geltenden § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes verabschiedet hat. Er hat sich ja auch im Ausschußbericht ganz dezidiert dazu geäußert, in welchen Fällen er die Neutralität des Staates gefährdet sähe, wenn aus den Kassen der Bundesanstalt für Arbeit gezahlt würde.
Wir halten es für wichtig, daß eine solche gemeinsame Interpretation zustande kommt, meine Da-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 13695
Frau Dr. Adam-Schwaetzer
men und Herren, eine gemeinsame Interpretation von Arbeitgebern und Gewerkschaften, weil nur dann sichergestellt sein kann, daß nicht weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zu möglicherweise durchaus überraschenden Ergebnissen führen, und weil nur dann einigermaßen gesichert sein kann, daß beide Seiten diese Interpretation nicht unterlaufen werden; ich betone durchaus die Worte „beide Seiten".
Nur, meine Damen und Herren, wer sich hier noch hinstellt und sagt, das geltende Recht habe sich bewährt,
der will offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, was letztes Jahr passiert ist.
Herr Ehrenberg, Sie haben nicht weit genug aus dem vorgelesen, was unsere Vorgänger hier im Parlament 1969 in den Ausschußbericht hineingeschrieben haben. Darin steht z. B.:
Die Gewährung von Arbeitslosengeld würde in solchen Fällen
— und „solche Fälle" sind exakt so definiert wie das, was letztes Jahr passiert ist —
Schwerpunktstreiks fördern und wäre daher nicht streikneutral.
Das ist doch genau die neue Qualität der Minimax-Taktik, wie sie letztes Jahr angewandt worden ist:
minimaler Einsatz der Gewerkschaften, maximaler Schaden auf der Seite der Unternehmen, um damit möglichst schnell zu einem Ende zu kommen, das die Forderungen in diesem Falle der IG Metall möglichst weitgehend erfüllt.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt: Es ist j a die Frage, ob die mittelbare Betroffenheit auch in ein anderes Tarifgebiet hinüberreicht. Dabei geht es auch darum, wie eigentlich das interpretiert wird, was unter dem Stichwort „im wesentlichen gleiche Forderungen" läuft.
Meine Damen und Herren, wenn man draußen wirklich einmal herumfragt, sagen einem alle Leute: Es ist doch ganz klar, daß das die gleichen Forderungen waren, denn die IG Metall hat für die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche gestreikt; in Baden-Württemberg wollte sie das genauso durchsetzen wie in Hessen und in Nordrhein-Westfalen.
Daß dann Gerichte herkommen und feinsinnige andere Interpretationen vornehmen, ist uns ja schon
an anderen Stellen passiert. Wir haben viele Beispiele dafür, daß Gerichte den Willen des Gesetzgebers durchaus fehlinterpretieren können.
Das allein ist der Grund dafür, daß es hier einer Klarstellung bedarf. In Zukunft darf es eben nicht dazu kommen, daß die Gewichte nach der einen oder nach der anderen Seite verschoben werden.
Meine Damen und Herren, wer hierherkommt und, wie die Kollegen von der Fraktion der SPD es heute wieder getan haben — und ich bin sicher, Frau Fuchs wird das in der von ihr bekannten Manier gleich noch einmal machen —,
das Schattenboxen anfängt, wer dem parlamentarischen Gegner Dinge unterstellt,
die er seriöserweise nicht unterstellen sollte und sicherlich nicht unterstellen kann, der handelt böswillig. Da gibt es überhaupt keine andere Interpretationsmöglichkeit!
Böswillig ist es, irgendeinem Mitglied dieser Bundesregierung oder irgendeinem Mitglied der Koalitionsfraktionen zu unterstellen, sie wollten das Streikrecht oder das Tarifrecht beeinträchtigen.
Es geht darum, deren Funktionsfähigkeit auch für die Zukunft verläßlich sicherzustellen.
Vielen Dank.