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ID1018021400

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    Plenarprotokoll 10/180 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 180. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 Inhalt: Fragestunde — Drucksachen 10/4406 vom 29. 11. 85 und 10/4414 vom 3. 12. 85 — Haltung der Bundesregierung zu den Vorschlägen bezüglich einer Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes DringlAnfr 03.12.85 Drs 10/4414 Frau Fuchs (Köln) SPD Antw BMin Dr. Blüm BMA 13665 B ZusFr Frau Fuchs (Köln) SPD 13665 B ZusFr Dr. Sperling SPD 13666A ZusFr Scharrenbroich CDU/CSU . . . 13666 B ZusFr Heyenn SPD 13666 C ZusFr Feilcke CDU/CSU 13666 D ZusFr Lutz SPD 13667 A ZusFr Dr. Ehrenberg SPD 13667 A ZusFr Dreßler SPD 13667 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 13667 C ZusFr Reimann SPD 13667 C ZusFr Boroffka CDU/CSU 13667 D ZusFr Sieler SPD 13668 A ZusFr Kuhlwein SPD 13668 B ZusFr Dr. Faltlhauser CDU/CSU . . . 13668 C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 13668 D ZusFr Vogelsang SPD 13669A ZusFr Tatge GRÜNE 13669A ZusFr Horn SPD 13669 C ZusFr Pfeffermann CDU/CSU 13669 D ZusFr Kleinert (Marburg) GRÜNE . . 13669 D ZusFr Paterna SPD 13670 B ZusFr Jagoda CDU/CSU 13670 C ZusFr Bernrath SPD 13670 D ZusFr Dr. Penner SPD 13670 D Umsetzung der Empfehlung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung zum Thema Lehrereinstellung/Lehrerarbeitslosigkeit MdlAnfr 1, 2 29.11.85 Drs 10/4406 Kuhlwein SPD Antw PStSekr Pfeifer BMB 13671 A ZusFr Kuhlwein SPD 13671 B ZusFr Vogelsang SPD 13671 D Verstoß von Postwurfsendungen rassistischen Inhalts gegen § 13 Abs. 1 der Postordnung; Recht auf Verweigerung der Verteilung solcher Wurfsendungen durch Briefzusteller MdlAnfr 4, 5 29.11.85 Drs 10/4406 Frau Dann GRÜNE Antw PStSekr Rawe BMP 13672 C ZusFr Frau Dann GRÜNE 13672 D Empfehlung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur Umorganisation des Fernmeldebereichs der Bundespost MdlAnfr 6, 7 29.11.85 Drs 10/4406 Bernrath SPD Antw PStSekr Rawe BMP 13673 B ZusFr Bernrath SPD 13673C ZusFr Paterna SPD 13673 D ZusFr Pfeffermann CDU/CSU 13674A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 Kritik des Sachverständigenrates an der Deutschen Bundespost; Erkenntnisse über Erfahrungen in Großbritannien und in den USA MdlAnfr 8, 9 29.11.85 Drs 10/4406 Paterna SPD Antw PStSekr Rawe BMP 13675 B ZusFr Paterna SPD 13675 C ZusFr Pfeffermann CDU/CSU 13676A ZusFr Bernrath SPD 13676 B Beteiligung der Bundesregierung an der Schaffung eines Zentrums für bildende Kunst in der ehemaligen Blumenhalle in Bonn; Raumangebot an alle Beteiligten außer der Gruppe Klärwerk III MdlAnfr 14, 15 29.11.85 Drs 10/4406 Tatge GRÜNE Antw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . . 13676 C ZusFr Tatge GRÜNE 13677A Erhöhung der Mittel für die Städtebauförderung MdlAnfr 16, 17 29.11.85 Drs 10/4406 Dr. Sperling SPD Antw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . . . 13677 B ZusFr Dr. Sperling SPD 13677 B Stillegung bzw. Verkauf des Forschungsschiffes „Meteor"; Reeder des 1986 unter diesem Namen fahrenden neuen Schiffes MdlAnfr 19 29.11.85 Drs 10/4406 Rusche GRÜNE Antw PStSekr Dr. Probst BMFT . . . 13678A ZusFr Rusche GRÜNE 13678 B ZusFr Tatge GRÜNE 13678 C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 13678 C ZusFr Vogel (München) GRÜNE . . . 13678 D Finanzielle Situation des Deutschen Literatur-Archivs in Marbach MdlAnfr 25, 26 29.11.85 Drs 10/4406 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP Antw PStSekr Spranger BMI 13679 A ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP . 13679 B ZusFr Dr. Weng (Gerlingen) FDP . . . 13679 D ZusFr Baum FDP 13679 D Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger über das „Dogma der Kohlevorrangpolitik" MdlAnfr 27 29.11.85 Drs 10/4406 Schreiner SPD Antw PStSekr Spranger BMI 13680 B ZusFr Schreiner SPD 13680 C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 13680 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD 13680 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 13681 A Sowjetische Steuerung der Internationalen Ärztevereinigung zur Verhinderung eines Atomkrieges MdlAnfr 28 29.11.85 Drs 10/4406 Horn SPD Antw PStSekr Spranger BMI 13681 B ZusFr Horn SPD 13681C ZusFr Rusche GRÜNE 13681 D ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 13681 D ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP . 13682 A ZusFr Vogel (München) GRÜNE . . . 13682 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 13682 B ZusFr Kleinert (Marburg) GRÜNE . . 13682 C ZusFr Dr. Emmerlich SPD 13682 D ZusFr Tatge GRÜNE 13682 D ZusFr Baum FDP 13683A ZusFr Dr. Hirsch FDP 13683 A Investitionszuschüsse für Lärmschutzmaßnahmen an Zivil- und Militärflughäfen in der Lärmschutzzone I; Einbeziehung des Lärmschutzbereichs II MdlAnfr 29 29.11.85 Drs 10/4406 Stahl (Kempen) SPD Antw PStSekr Spranger BMI 13683 B ZusFr Stahl (Kempen) SPD 13683 C Zur Geschäftsordnung Becker (Nienberge) SPD 13684A Aktuelle Stunde betr. § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes Dr. Vogel SPD 13684 B Scharrenbroich CDU/CSU 13685 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 13686A Cronenberg (Arnsberg) FDP 13687 B Dr. Ehrenberg SPD 13688 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 13689 A Dreßler SPD 13690 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 13691 B Dr. Lammert CDU/CSU 13693 C Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 13694 D Frau Fuchs (Köln) SPD 13695 D Feilcke CDU/CSU 13696 D Jagoda CDU/CSU 13697 D Nächste Sitzung 13699 C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 13701*A Anlage 2 Vereinheitlichung der Normen für ein europa- und weltweit benutzbares Netz der Telekommunikation; kostengerechte Entfernungsstaffelung der Fernmeldegebühren MdlAnfr 10, 11 29.11.85 Drs 10/4406 Liedtke SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 13701* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 13665 180. Sitzung Bonn, den 4. Dezember 1985 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein* 4. 12. Dr. Ahrens* 6. 12. Antretter* 6. 12. Berger* 5. 12. Böhm (Melsungen) * 6. 12. Brand 5. 12. Büchner (Speyer) 6. 12. Dr. Corterier** 6. 12. Frau Eid 6. 12. Dr. Enders* 6. 12. Frau Fischer* 6. 12. Gansel* 6. 12. Haase (Fürth)** 6. 12. Hedrich 4. 12. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 6. 12. Dr. Holtz* 6. 12. Immer (Altenkirchen) 6. 12. Jäger (Wangen) * 5. 12. Junghans 6. 12. Frau Kelly* 6. 12. Kittelmann * 6. 12. Dr. Klejdzinski* 6. 12. Klose 6. 12. Dr. Köhler (Wolfsburg) 4. 12. Lenzer* 6. 12. Frau Dr. Lepsius 6. 12. Frau Luuk 6. 12. Dr. Müller** 5. 12. Nagel 6. 12. Neumann (Bramsche) * 6. 12. Frau Pack* 6. 12. Peter (Kassel) 6. 12. Rappe (Hildesheim) 6. 12. Reddemann* 6. 12. Dr. Rumpf* 6. 12. Dr. Scheer* 6. 12. Schily 4. 12. Schlatter 6. 12. Schmidt (München) * 6. 12. Schmidt (Wattenscheid) 6. 12. Schröder (Hannover) 6. 12. Schulte (Unna) * 6. 12. Dr. Soell 5. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 6. 12. Frau Dr. Timm 5. 12. Dr. Todenhöfer 6. 12. Dr. Unland* 6. 12. Verheugen 6. 12. Voigt (Sonthofen) 6. 12. Werner (Dierstorf) 6. 12. Frau Dr. Wex 6. 12. Dr. Wulff* 6. 12. Zierer 6. 12. für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Liedtke (SPD) (Drucksache 10/4406 Fragen 10 und 11): Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigenrates in seinem jüngsten Jahresgutachten: „Eine Internationalisierung der Herstellerangebote ist auch deswegen erforderlich, weil sie hilft, über eine damit dringlicher werdende Vereinheitlichung der Normen ein europa-und weltweit benutzbares Netz der Telekommunikation zu schaffen"? Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Sachverständigenrates, die Entfernungsstaffel der Fernmeldegebühren sei „zur Zeit nicht kostengerecht", und welche Konsequenzen aus dieser Feststellung sind gegebenenfalls beabsichtigt? Zu Frage 10: Die Bundesregierung unterstützt bereits seit Jahren durch aktive Mitarbeit der Deutschen Bundespost in den dafür vorgesehenen internationalen Gremien jede Möglichkeit zur weiteren Vereinheitlichung der Telekommunikationsdienste und -einrichtungen durch Erarbeitung weiterer Normen bzw. Empfehlungen für diese Bereiche. Durch diese internationalen Standardisierungsarbeiten steht bereits heute ein qualitativ hochwertiges, weltweit benutzbares Netz der Telekommunikation zur Verfügung. Die Öffnung der nationalen Fernmeldemärkte für ausländische Bieter wird von der Bundesregierung angestrebt. Sie wird u. a. durch Anwendung einheitlicher Normen in den Technischen Lieferbedingungen begünstigt. Zu Frage 11: Ich gehe davon aus, daß der Sachverständigenrat unter „Fernmeldegebühren" insbesondere die Fernsprechgebühren versteht. Die Kosten der Fernsprechverbindungen werden immer mehr von der Zeitdauer und immer weniger von der Entfernung bestimmt. Insofern hat die Deutsche Bundespost seit jeher den Weg beschritten, sich durch Abbau der Entfernungsstufen dieser durch die Technik bedingten Entwicklung anzupassen. So hat sie Anfang der siebziger Jahre und durch die Tarifreform des Jahres 80 Tarifzonen abgebaut. Die vier zur Zeit bestehenden Entfernungsstufen stehen zur Korrektur an; sie sind in der Tat nicht mehr kostengerecht getaltet. So weisen die Nahdienst-Tarifzone eine erhebliche Kostenunterdekkung und z. B. die Tarifzone I Kostenüberdeckung auf. Die Deutsche Bundespost beabsichtigt deshalb, die Tarife längerfristig kostenorientiert weiterzuentwickeln.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer freien Gesellschaft regeln Gewerkschaften und Arbeitgeber Lohn- und Arbeitsbedingungen auf Grund ihrer Tarifautonomie selbständig.

    (Ströbele [GRÜNE]: Wenn Sie sich nicht einmischen!)

    Diese Errungenschaft steht hier mit keinem Wort, mit keiner Silbe zur Disposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber Lohn und Arbeitsbedingungen nicht autonom festsetzen, dann müßte der Staat das tun, dann wären wir in der Planwirtschaft. Zur Marktwirtschaft gehört die Tarifautonomie; Soziale Marktwirtschaft und Tarif-
    autonomie sind ein Geschwisterpaar. Deshalb können wir, dürfen wir die Diskussion nicht so aufziehen, als sei das Streikrecht oder die Streikfähigkeit hier in Frage gestellt. Das Streikrecht ist ein elementares Freiheitsrecht. Bei uns kann man Gott sei Dank streiken; im Osten wird man zu Maiparaden abkommandiert, oder Arbeitnehmer werden ins Gefängnis geworfen, wenn sie streiken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Gott sei Dank ist das bei uns nicht so, und dabei soll es auch bleiben: bei diesem Freiheitsrecht für Arbeitnehmer.

    (Zurufe von der SPD)

    — Doch, es ist ganz wichtig, daß ich einige Selbstverständlichkeiten angesichts der Falschmeldungen, angesichts einer Kampagne, in der gegen Buhmänner gekämpft wird, hier klarstelle.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zu unserer Vorstellung von Tarifautonomie gehört das Gleichgewicht der Kräfte. Wir sind die Bundesregierung, die eine Politik der Mitte vertritt, damit auch eine Politik der Balance.

    (Lachen bei der SPD)

    Wir schlagen uns nicht auf eine Seite,

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    weder auf die Seite der Arbeitgeber noch auf die der Gewerkschaften. Wir sind für Machtbalance und Gleichgewicht der Kräfte.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Ich will Ihnen ja gerade erklären, um was es geht, weil ich meine, daß die Diskussion uns sonst aus dem Ruder läuft. Es geht um nichts anderes

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Als um Spaltung!)

    als um die Neutralität des Staates, um die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit, um nicht mehr und um nicht weniger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD] — Dr. Vogel [SPD]: Seit 1969 geregelt!)

    Sie ist eine unverzichtbare Bedingung des Arbeitskampfes.

    (Zurufe von der SPD)

    Es geht überhaupt nicht — Herr Vogel, gestatten
    Sie, daß ich in Ruhe unseren Standpunkt vortrage
    — darum, Gewichte zu verschieben. Es geht auch nicht, Herr Kollege Kleinert, um eine harte oder eine weiche Linie. Es geht um Klarstellung, und Klarstellung kann nicht hart oder weich sein.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD]) Klarstellung muß deutlich sein. Darum geht es.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    13692 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985
    Bundesminister Dr. Blüm
    Jetzt will ich mich durch diesen Wust von Verzerrungen und Falschmeldungen durchkämpfen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Sagen Sie konkret, was Sie wollen!)

    Um was geht es? Ganz klar ist: Wer sich am Streik beteiligt, wer an Aussperrungen beteiligt ist, der erhält keine Leistung. Das stellt niemand in Frage. Ebenso klar ist, daß im Kampfgebiet auch an mittelbar Betroffene in der Regel nicht gezahlt wird. Auch das ist klar. Mir scheint sich auch zu verdeutlichen, daß für die mittelbar Betroffenen außerhalb des fachlichen Zuständigkeitsbereichs auch weiter gezahlt werden muß.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Wenn das geklärt werden könnte, wäre das eine sehr wichtige Hilfe für künftige Arbeitskämpfe.
    Also konzentriert sich die Diskussion nur auf jenen Bereich von Arbeitnehmern, die nicht am Streik unmittelbar teilnehmen, nicht im Streikgebiet arbeiten, aber in der gleichen Branche beschäftigt sind.
    Und jetzt entsteht die Frage: Wenn im Kampfgebiet stellvertretend für andere mitgekämpft wird, also um gleiche Ziele gekämpft wird, so war es der Sinn der bisherigen Neutralitätsanordnung, daß nicht gezahlt wird.

    (Hornung [CDU/CSU]: So ist es!)

    Will das irgend jemand bestreiten? So war das. So gibt es der Gesetzestext her. Ich lese es vor. Lieber Herr Ehrenberg, so haben Sie es gehandhabt. Ich habe es Ihnen vorhin schon gesagt.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben es anders ausgelegt!)

    — Im Metallarbeiterkampf 1978 unter der Rechtsaufsicht des sozialdemokratischen Arbeitsministers ist im mittelbar betroffenen Gebiet Nord-Württemberg nicht gezahlt worden und im mittelbar betroffenen Gebiet Nordrhein-Westfalen gezahlt worden, und zwar mit der Begründung, daß im einen Fall die Forderungen vergleichbar sind und im anderen nicht.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Und das wollen Sie ändern!)

    — Das will ich überhaupt nicht ändern. Lassen Sie mich doch in Ruhe ausreden! Herr Ehrenberg, ich habe 10 Minuten Zeit. Ich werde doch einmal 10 Minuten lang in Ruhe nicht nur Ihnen, sondern der ganzen Öffentlichkeit erklären können, daß Ihre Darstellung eine Falschmeldung war, eine Verdrehung von Tatsachen,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    und auch Ihre Darstellung, Herr Vogel, eine Falschmeldung, eine Verdrehung von Tatsachen war. Auch in Zukunft wird in der Regel im allgemeinen an mittelbar betroffene Arbeitnehmer weiterhin Kurzarbeitergeld,

    (Zurufe von der SPD) weiterhin Arbeitslosengeld gezahlt.

    Wenn im mittelbar betroffenen Gebiet aber gleiche Ziele verfolgt werden, dann ruhen die Ansprüche nach der Neutralitätsanordnung, weil es nicht 1 sein kann und niemand verlangen kann, daß eine Gewerkschaft — ich betone: eine Gewerkschaft — mit zwei Gruppen ein gleiches Ziel verfolgt: mit einer Gruppe, die sie streiken läßt, und mit einer Gruppe, die sich von der Bundesanstalt in Nürnberg bezahlen läßt. So ist der Kompromiß, den Sie als den optimalen, den besten Kompromiß dargestellt haben.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    — Herr Ehrenberg, ich bestätige Ihnen ausdrücklich noch einmal, daß ich den Rang des § 116 AFG überhaupt nicht in Abrede stelle und daß ich ihn für einen großen Kompromiß halte.
    Der Streit ist entstanden — und deshalb besteht ein Klarstellungsbedürfnis —

    (Dreßler [SPD]: Weil falsch ausgelegt wurde!)

    weil Herr Franke, der Präsident der Bundesanstalt, die Anordnung, die dem § 116 folgte, anders als die Gerichte ausgelegt hat. Diesen Meinungsstreit können wir nicht über Jahre weiterschleppen. Denn sonst hätten die Arbeitnehmer keine Sicherheit, was denn nun letztlich gilt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Emmerlich [SPD]: Weisen Sie den Franke an, den Unsinn sein zu lassen!)

    — Ich bitte Sie nochmals darum, eine Erläuterung des Gesetzestextes geben zu können. Ich bin bei der Kommentierung des Gesetzestextes und der Anordnung.

    (Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Was wollen Sie jetzt?)

    Es bleibt dabei: Wenn in dem Gebiet der mittelbar Betroffenen die gleichen Arbeitskampfziele verfolgt werden,

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Weisen Sie den Störenfried Franke zurück! Dann ist die Unklarheit beseitigt!)

    dann ruht die Leistung. Der Maßstab, den uns dafür die Bundesanstalt mit ihrer Anordnung — selbstverwaltungsgeformt — zur Hand gegeben hat, ist: nach Art und Umfang gleiche Forderungen. Diesen Begriff — das ist der Dreh- und Angelpunkt — haben die Gerichte mit „identische Forderungen" übersetzt. Jetzt appelliere ich an Ihren gesunden Menschenverstand. Wenn das „identisch" heißt, bedeutet das praktisch, es muß immer gezahlt werden. Denn dann braucht eine Gewerkschaft bei der 17. Nebenforderung im anderen Bezirk nur irgend etwas anderes zu fordern, und schon ist die Leistungspflicht gegeben. Ich kenne, sehr verehrter Herr Vogel, überhaupt keinen Kommentar, der „Gleichheit" mit „Identität" übersetzt hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Lesen Sie, was Herr Herschel schreibt! Kommen Sie nachher zu mir, dann erfahren Sie es!)

    Kommen Sie hier nach vorne und nennen Sie mir
    einen Kommentar, der „Gleichheit" mit „Identität"
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 13693
    Bundesminister Dr. Blüm
    übersetzt hat. Dies klarzustellen dient der Tarifautonomie, dient den Arbeitnehmern.
    Denn, meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: Es ist ein Klarstellungsbedarf entstanden, nicht mehr als ein Klarstellungsbedarf.

    (Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich!)

    Wir werden uns von niemandem davon abbringen lassen,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aha!)

    zusammen mit den Tarifpartnern

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Gesetzesänderung?)

    diese Klarstellung zu bewerkstelligen. Ich glaube, daß wir schon einige Schritte weitergekommen sind. Es ist schon etwas gewonnen, wenn sich die Standpunkte angenähert haben.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Haben sie doch gar nicht!)

    Ich halte es beispielsweise für durchaus klärungsbedürftig, wann durch Arbeitseinstellungen Ansprüche an die Bundesanstalt entstehen. Die Arbeitseinstellungen müssen durch den Arbeitskampf verursacht sein. Die Unternehmen müssen nachweisen, daß ihre Arbeitseinstellung nicht willkürlich vorgenommen wurde.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist wohl das mindeste! Ist das auch schon eine Leistung?)

    Es ist eine Klarstellung, die auch der Tarifautonomie nützt, daß von den Unternehmen die Arbeit nicht willkürlich eingestellt werden darf. Sie sind in Ihren Vorurteilen so gefangen, daß Sie jetzt schon schreien, wenn ich Gewerkschaftsstandpunkte vortrage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Jetzt habe ich einen erklärten Gewerkschaftsstandpunkt vorgetragen. Trotzdem brüllt die Opposition mich an. Ich werde doch wohl die Meinung der Gewerkschaft wiedergeben können.

    (Dr. Vogel [SPD]: Karneval ist vorbei, verdammt noch mal!)

    Meine Damen und Herren, ich will es kurz machen. Ich lasse mich durch niemanden irritieren, auch nicht durch Demonstrationen, die mit Vogelscheuchen arbeiten, auch nicht durch Verdrehung von Tatsachen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Tapfer, tapfer!)

    Ich bleibe dabei: Die Tarifautonomie braucht die Neutralität des Staates — die ist ins Gerede gekommen; wir wollen die Dinge klarstellen —, damit die Arbeitnehmer nicht in eine Situation kommen, wo ihre Arbeitskämpfe fortdauernd von Gerichtsverfahren begleitet werden, wo sie fortdauernd in der Unsicherheit stehen, daß Leistungen unter Vorbehalt ausgezahlt werden, mit dem Risiko der Rückzahlung. Bis jetzt ist die Anordnung des Sozialgerichts nur eine „unter Vorbehalt". Wollen Sie die Arbeitnehmer in den Genuß einer Leistung kommen lassen, die zurückgezahlt werden muß?
    Die Klarstellung dient auch den Arbeitnehmern. Meine Aufgabe ist es — dabei bleibe ich und lasse mich von niemandem irritieren —, nicht Gräben aufzureißen. Wir brauchen in dieser Zeit Brückenbauer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD: Sprenger!)

    Wir sind gemeinsam der Tarifpartnerschaft, der Tarifautonomie, der Sozialpartnerschaft verpflichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Tatge [GRÜNE]: Ein Rohrkrepierer!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich bitte nochmals, mit den Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein. Der Redner, der hier bei der Aktuellen Stunde das Wort hat, hat nur fünf Minuten Zeit. Deshalb sollte er möglichst ohne Störung seine fünf Minuten lang sprechen können.

(Hornung [CDU/CSU]: Die SPD macht gezielte Falschmeldungen!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lammert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der rhetorische Aufwand dieser Auseinandersetzung und der verbale Dissens, der von einem Teil der Redner der Opposition geradezu lustvoll zelebriert worden ist, steht in einem schwer begreiflichen Mißverhältnis zu den völlig unstreitigen Prinzipien, um die es hier geht: erstens Tarifautonomie, zweitens Streikrecht, in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch Streikfähigkeit der Gewerkschaften — weil ansonsten das Streikrecht zu einem nostalgischen Erinnerungsposten verkommen würde — und drittens Neutralitätspflicht des Staates.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Warum wollen Sie das opfern?)

    Ich denke, daß in diesen drei Prinzipien sämtliche demokratischen Kräfte — nicht nur, aber insbesondere — in diesem Hause völlig miteinander übereinstimmen. Nicht ob es eine Neutralitätspflicht des Staates geben soll, sondern wie diese Neutralitätspflicht des Staates unter den gegebenen Bedingungen und unter den möglichen Ausprägungen von Tarifauseinandersetzungen aufrechterhalten und gesichert werden kann, ist der Gegenstand dieser Debatte.
    Die Klärung genau dieser Frage liegt unbestreitbar im unmittelbaren Interesse sowohl der Wirtschaft wie der Arbeitnehmer.
    Eigentlich, Herr Kollege Cronenberg, sollte der Wortlaut des § 116 AFG deutlich genug sein, durch die Gewährung von Arbeitslosengeld dürfe nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich teile insofern persönlich die Auffassung des Kollegen Rappe, daß eigentlich nicht der § 116 AFG das Problem sei, sondern daß es eigentlich um die Neutralitätsanordnung der Bundesanstalt für Ar-
    13694 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985
    Dr. Lammert
    beit von 1973 gehe. Dies ist in der Tat meine Einschätzung des Problems.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber gerade durch den Verlauf der Tarifauseinandersetzung des letzten Jahres ist genau dies in Streit geraten, und zwar nicht nur in den Streit zwischen den Tarifpartnern, sondern in einen Rechtsstreit. In genau diesem Rechtsstreit ist auch der Staat selbst durch die rechtliche Anfechtung der Verfügung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit einbezogen worden. Genau dies, Herr Kollege Vogel, markiert den Handlungsbedarf.
    Weder den Unternehmen noch den von Streik und Aussperrung betroffenen Arbeitnehmern ist die Rechtsunsicherheit — und damit verbunden auch die Einkommensunsicherheit bei Zahlung unter Vorbehalt — und die bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung sich über Jahre hinwegschleppende Unklarheit darüber zuzumuten, was das eigentlich für mögliche künftige Tarifauseinandersetzungen bedeuten könnte.
    Niemand von uns hat ein originäres Interesse an einer Neuregelung, und schon gar nicht an einer gesetzlichen Neuregelung dieses sensiblen Problems.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    — Umgekehrt, Herr Ehrenberg: Niemand von uns hat das Recht, der Herausforderung auszuweichen und welchen gesellschaftlichen Gruppen auch immer die Definition der Rechte und Pflichten des Staates zu überlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer gegen die notwendigen Aktivitäten der Bundesregierung in diesem Zusammenhang polemisiert, möge über die Bemerkung des stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Gustav Fehrenbach, nachdenken, die vorgestern in den Zeitungen zu lesen war. Ich zitiere: „Am Ende müssen die Gewerkschaften prüfen, inwieweit sie durch ihre Verhaltensweisen auch zu der Situation beitragen, über die jetzt diskutiert wird."

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Ihr müßt euch umstellen!)

    Ich persönlich akzeptiere weder die Selbstherrlichkeit von Arbeitgeberverbänden, die wochenlang gemeint haben, markige Aufforderungen an den Gesetzgeber, er möge tätig werden,

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    ersetzten das eigene Bemühen um den notwendigen Konsens, noch akzeptiere ich die bisweilen demagogische Arroganz von Gewerkschaftern, sie könnten an Stelle der Verfassungsorgane die Neutralitätspflicht des Staates definieren.

    (Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

    In einem Kommentar der „Süddeutschen Zeitung" heißt es:
    Das ist keine Polemik mehr, sondern schon Demagogie, wenn Mayr seinen Gewerkschaftsmitgliedern und der Öffentlichkeit suggeriert, die
    Bundesregierung plane „einen beispiellosen verfassungs- und völkerrechtswidrigen Angriff auf die Existenz der Gewerkschaften" und damit eine „Zerstörung der Demokratie".

    (Seiters [CDU/CSU]: Unglaublich!)

    Deshalb müsse man sich zur Wehr setzen, gegebenenfalls mit „betrieblichen Aktionen", die der Deutsche Gewerkschaftsbund angedroht hat.
    Die „Süddeutsche Zeitung" fährt fort:
    Wenn die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit nicht mehr dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bliebe, sondern dem Urteil von Gewerkschaftsvorsitzenden anheimgegeben würde, die umgehend zum politischen Streik aufrufen — dann, und nur dann, müßte man von einem „Anschlag" reden, von einem Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich ganz persönlich halte eine gesetzliche Neuregelung des § 116 AFG weder für wünschenswert noch für zweckmäßig.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Dann lassen Sie es doch! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wer aber gemeinsame Bemühungen um eine Einigung der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung verweigert, provoziert genau diese gesetzliche Regelung, und wer sie — wie ich — gerne vermeiden möchte, ist aufgefordert, sich an den Bemühungen zu beteiligen, wie sie der Arbeitsminister im Sinne eines tragfähigen Kompromisses unternimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)