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ID1017900200

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    Plenarprotokoll 10/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. November 1985 Inhalt: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101, 10/4151 bis 10/4178, 10/4180, 10/4327 — in Verbindung mit Unterrichtung über die in zweiter Beratung beschlossenen Änderungen zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1986 — Drucksache 10/4402 — Brandt SPD 13625 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU 13630,D Kleinert (Marburg) GRÜNE 13637 A Hoppe FDP 13639 B Walther SPD 13642 A Echternach CDU/CSU 13647 C Brandt SPD (Erklärung nach § 30 GO) 13650 D Suhr GRÜNE 13651 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 13652 D Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 13658 D Namentliche Abstimmung 13660 C Nächste Sitzung 13662 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 13663* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 13663* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. November 1985 13625 179. Sitzung Bonn, den 29. November 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann 29. 11. Bahr 29. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Clemens 29. 11. Collet 29. 11. Egert 29. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Dr. Faltlhauser 29. 11. Feilcke 29. 11. Franke (Hannover) 29. 11. Dr. Glotz 29. 11. Grünbeck 29. 11. Haase (Fürth) * 29. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 29. 11. Hiller (Lübeck) 29. 11. Ibrügger 29. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Junghans 29. 11. Klose 29. 11. Dr. Köhler (Duisburg) 29. 11. Dr. Kreile 29. 11. Lambinus 29. 11. Leonhart 29. 11. Lemmrich * 29. 11. Link (Diepholz) 29. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Poß 29. 11. Reuschenbach 29. 11. Schlaga 29. 11. Schmidt (Hamburg) 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Schröder (Hannover) 29. 11. Dr. Solms 29. 11. Tillmann 29. 11. Tischer 29. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Vahlberg 29. 11. Voigt (Sonthofen) 29. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Zierer 29. 11. Frau Zutt 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. November 1985 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am Anlagen zum Stenographischen Bericht 29. November 1985 gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesrechnungshofgesetzes den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes Dr. Heinz Günther Zavelberg zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes und den Direktor beim Bundesrechnungshof Ernst Heuer zum Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes gewählt hat. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Delegation der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 74. Interparlamentarische Konferenz vom 2. bis 7. September 1985 in Ottawa (Drucksache 10/4106) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu der Kontrolle der Anwendung des Gemeinschafts- rechts durch die Mitgliedstaaten (Drucksache 10/4206) zuständig: Rechtsausschuß Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Vierter Bericht und Empfehlung der Europa-Kommission zur Frage des Beitritts von Spanien und Portugal zur Europäischen Gemeinschaft (Drucksache 10/2075) Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 21. Januar 1985 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1985 übersandt. Der Voranschlag liegt im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus. Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über eine vorbereitende Aktion für ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnologien Forschung und Entwicklung im Bereich der fortgeschrittenen Kommunikationstechnologien für Europa (R&D in Advanced Communicationstechnologies for Europe (RACE) - KOM (85) 113 endg. - EG-Dok. Nr. 5876/85 - (Drucksachen 10/3352 Nr. 17, 10/3561) Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein Drittes Fünfjahresprogramm (1985 bis 1989) zur Bewirtschaftung und Lagerung radioaktiver Abfälle (Aktionsprogramm für die Forschung im Bereich der Kernspaltungsenergie) - KOM (84) 231 endg. - EG-Dok. Nr. 6907/84 - (Drucksache 10/1691 Nr.21) Die Kernindustrie in der Gemeinschaft Hinweisendes Nuklearprogramm gemäß Artikel 40 EURATOM-Vertrag 1984 - KOM (84) 653 endg. - EG-Dok. Nr. 11001/84 - (Drucksachen 10/3228 Nr. 9, 10/3367) Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung bestimmter Regeln über indirekte Steuern, die den Verbrauch von alkoholischen Getränken belasten - KOM (85) 150 endg. - 13664* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. November 1985 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf aufgespriteten Wein und ähnliche Erzeugnisse — KOM (85) 151 endg. — EG-Dok. Nr. 6374/85 — (Drucksache 10/3482 Nr. 6) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Elternurlaub und Urlaub aus familiären Gründen — EG-Dok. Nr. 11118/83 — (Drucksache 10/873 Nr. 32) Entwurf für eine Verordnung des Rates zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte im Frühjahr 1986 — KOM (85) 226 endg. — EG-Dok. Nr. 7102/85 — (Drucksache 10/3592 Nr. 12) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds — KOM (85) 451 endg. — Ratsdok. Nr. 8762/85 — (Drucksache 10/3909 Nr. 11) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Durchführung des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates EG/Türkei über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf türkische Arbeitnehmer und deren Familienangehörige innerhalb der Gemeinschaft — EG-Dok. Nr. 4989/83 — (Drucksache 10/92 Nr. 25) Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1/85 zur Festlegung der vorläufig zulässigen Gesamtfangmengen und bestimmter Fangbedingungen hinsichtlich der zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen für 1985 — KOM (85) 179 endg. — EG-Dok. Nr. 6427/85 — (Drucksache 10/3406 Nr. 5) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung einer Mindestmaschenöffnung für die Fischerei auf Lodde im Bereich des Übereinkommens über die Fischerei im Nordostatlantik außerhalb der Seegewässer unter der Fischereigerichtsbarkeit der Vertragsparteien des Übereinkommens — KOM (85) 195 endg. — EG-Dok. Nr. 6721/85 — (Drucksache 10/3534 Nr. 3) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Gemeinschaftsbeteiligung an der Finanzierung der Maßnahmen zum Ausgleich des Rückgangs des Agrareinkommens als Folge des Abbaus der niederländischen positiven Währungsausgleichsbeträge — KOM (85) 241 endg. — EG-Dok. Nr. 6906/85 — (Drucksache 10/3534 Nr. 4) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufteilung der Fangquoten der Gemeinschaft in den grönländischen Gewässern im Jahr 1985 — KOM (85) 78 endg. — EG-Dok. Nr. 5365/85 — (Drucksache 10/3275 Nr. 4) Empfehlung einer Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik über zubereitete oder haltbar gemachte Tomaten der Tarifstelle 20.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 111 endg. — EG-Dok. Nr. 5863/85 — (Drucksache 10/3275 Nr. 5) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Aale der Tarifstelle ex 03.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs (1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986) — KOM (85) 124 endg. — EG-Dok. Nr. 5860/85 — (Drucksache 10/3275 Nr. 6) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kirschen, in Alkohol eingelegt, zur Herstellung von Schokoladewaren, Tarifstelle ex 20.06 B I e) 2 bb) des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 117 endg. — EG-Dok. Nr. 5851/85 — (Drucksache 10/3275 Nr. 7) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Portweine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal (1985/86) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Madeira-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal (1985/86) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Moscatel-de-Setubal-Weine der Tarifnummer ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal (1985/86) — KOM (85) 107 endg. — EG-Dok. Nr. 5743/85 (Drucksache 10/3275 Nr. 9) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in der Türkei — KOM (85) 115 endg. — EG-Dok. Nr. 5527/85 — (Drucksache 10/3275 Nr. 10) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag der Kommission an den Rat zur Festsetzung des Schemas der Allgemeinen Präferenzen der Gemeinschaft für 1986 — KOM (85) 425 endg. — Ratsdok. Nr. 8489/85 — (Drucksache 10/3909 Nr. 1) Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entwurf eines Beschlusses der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl über die Handelsregelung zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten für die unter die EGKS fallenden Waren — KOM (85) 193 endg. — EG-Dok. Nr. 6436/85 — (Drucksache 10/3827 Nr. 1) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte in Spanien raffinierte Erdölerzeugnisse des Kapitels 27 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1986) — KOM (85) 410 endg. — EG-Dok. Nr. 8660/85 — (Drucksache 10/3827 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3439/80 über die Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Polyestergarne mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika — KOM (85) 464 endg. — EG-Dok. Nr. 8690/85 — (Drucksache 10/3827 Nr. 3)
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    Rede von Willy Brandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hier gleich am ersten Tag und während anderer Teile der Haushaltsdebatte gegen uns Sozialdemokraten ins Feld geführt wurde, hatte mehr mit einem vorweggenommenen grobschlächtigen Wahlkampf zu tun

    (Beifall bei der SPD)

    als mit der Bereitschaft zur sachlichen, wenn auch inhaltlich harten Auseinandersetzung.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Gucken Sie sich einmal den Pressespiegel an!)

    Wir sollten uns vielleicht darauf besinnen, daß im politischen Wettbewerb niemand die ganze Wahrheit für sich gepachtet hat.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hoppe [FDP])

    Aber lassen Sie mich auch daran erinnern, daß Selbstbewußtsein und Selbstgefälligkeit nahe beieinander liegen können. Dies wird sich auch der amtierende Bundeskanzler sagen lassen müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun frage ich uns — ich tue es nicht ohne Selbstzweifel —, ob nicht in der Debatte der letzten drei Tage Scheinthemen eine erschreckend große Rolle gespielt haben und ob nicht unser Volk Anspruch darauf hätte, daß die eigentlichen Themen um einiges deutlicher würden — gerade weil wir ein Jahr der Wahlkämpfe vor uns haben.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Nun lassen Sie einmal die Katze aus dem Sack!)

    Dies sage ich als einer, von dem alle wissen, daß er ein Mann seiner Partei ist, der sich aber aus der Mitverantwortung für das Staatsganze nicht entlassen weiß und der es nicht für einen Nachteil hielte, wenn bei allem notwendigen Streit der Meinungen die Bereiche nationaler und mithin gemeinsamer Verantwortung doch klarer erkannt und fortgeschrieben werden könnten.
    Es ist meiner Meinung nach ganz und gar überflüssig, einen Streit darüber zu führen, daß die Zeichen einer konjunkturellen Aufwärtsentwicklung anhalten.

    (Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Das ist erfreulich, auch was die zu erwartenden Lohn- und Gehaltserhöhungen angeht.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Zu streiten lohnt sich allerdings darüber, ob und
    wie man die Bedingungen einer Erholung nutzt, um



    Brandt
    erstens den Benachteiligten zu helfen und zweitens im nächsten Tief einigermaßen zu bestehen, denn eine nächste Rezession kommt irgendwann so sicher wie der Herbst nach dem Sommer.
    Der Bundeskanzler hat am Dienstag eine Wirklichkeit geschildert und eine andere Wirklichkeit verschwiegen. Zu der anderen Wirklichkeit gehören zusammengebrochene Betriebe in der Bauwirtschaft, in der Landwirtschaft, aber nicht nur dort. Das Buch von Günter Wallraff ist keine Dichtung, sondern es beschreibt eine Wirklichkeit, die es in unserem Lande eben auch gibt. Die Bundesregierung beschäftigt sich gerne mit denen, die in der Sonne stehen; die Kleinen, die die Lasten tragen, die im Schatten stehen, werden leicht übersehen.

    (Beifall bei der SPD — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie sind doch von Ihrer Regierung in den Schatten gestellt worden!)

    Und der Herr Bundeskanzler ist dabei, sich von einem wichtigen Stück der Wirklichkeit zu entfernen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo ist der eigentlich?)

    Zur satten Selbstzufriedenheit, meine Damen und Herren,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Umgekehrt wird ein Schuh daraus!)

    gibt es wahrlich keinen Grund. Es wäre leichtfertig, die Risiken, denen unsere Volkswirtschaft und die öffentlichen Finanzen ausgesetzt sind, zu übersehen. Es gibt ja zumindest einen klaren Tatbestand und eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Ich meine die in dieser Höhe nie dagewesene Auslandsverschuldung vieler Länder der Dritten Welt, aber auch der großen und reichen Vereinigten Staaten von Amerika.
    Auch unser Aufschwung lebte lange mit aus den gewaltigen Defiziten der USA. Jetzt zeigt sich das damit verbundene Risiko. Was wird in den vor uns liegenden Jahren daraus, und, so frage ich, ist die Bundesregierung gewillt, aktiver dabei mitzuhelfen, daß die internationale Schuldenkrise nicht in einer Katastrophe mündet?
    Inzwischen wird besser als noch vor ein paar Jahren erkannt, wie sehr der Rüstungswettlauf die politischen, ökonomischen und sozialen Probleme der Welt verschärft hat, wie empörend sich der Widerspruch zwischen Überrüstung und Unterversorgung in weiten Teilen der Welt auswirkt. Auch bei unseren Freunden in Washington hat man begonnen, diesen Zusammenhängen größere Aufmerksamkeit zu widmen.
    Auf unser eigenes Land bezogen ergibt sich ein wichtiger Streitpunkt aus der Frage: Bleibt die Teilnahme am Aufschwung ein Glücksspiel, oder wie können die auch auf Grund internationaler Faktoren zeitweilig günstigeren Bedingungen genutzt werden, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß es möglichst Arbeit für alle gibt?

    (Beifall bei der SPD)

    Wir hören gern, die Wirtschaft werde im nächsten Jahr, im ganzen gesehen, wiederum Arbeitsplätze hinzugewinnen. Das ist zu hoffen. Sonst fänden sich die Kollegen von der Propagandaabteilung der Union noch weiter entfernt von dem seinerzeitigen Versprechen, die Kohl-Regierung würde die Zahl der Arbeitslosen im Laufe von zwei Jahren um 1 Million abbauen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Tatsache ist doch aber, daß wir nicht 1 Million weniger, sondern eine halbe Million Arbeitslose mehr als zur Zeit der vorigen Regierung haben.

    (Strube [CDU/CSU]: Wir hätten noch mehr, wenn Sie noch dran wären! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie mal von den Schulden, die Sie gemacht haben!)

    Und nun sind viele geneigt, sich auch im kommenden Jahr mit mehr als 2 Millionen Arbeitslosen abzufinden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: „Arbeit und Umwelt"!)

    Dabei sind es ja in Wirklichkeit noch wesentlich mehr, nämlich 3,5 Millionen Frauen und Männer in unserer Bundesrepublik, die lieber heute als übermorgen wieder oder überhaupt erst zu Arbeitnehmern würden.
    Es wird zu einer bedrückenden Vorbelastung, wenn man uns mit einem hohen Sockel an Arbeitslosigkeit in die nächste Rezession ziehen läßt.
    Am Schluß dieser Haushaltsdebatte wie zu deren Beginn steht für uns die Ablehnung einer Politik der Wendekoaliton, die einen wirksamen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit nicht leistet.

    (Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/ CSU]: Sie hätten die Arbeitslosen ja verhindern können! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die Bankrotteure melden sich wieder zu Wort!)

    Wir Sozialdemokraten sagen: Um die Ausbildungs-und Berufsnot von Hunderttausenden Jüngerer, nicht zuletzt junger Frauen, zu beheben, bedürfte es, meine verehrten Kollegen, eines anderen Verständnisses von öffentlicher Verantwortung.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir bleiben dabei: Ein Opfer der Bessergestellten wäre durchaus angemessen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das gehört für uns zur Linie der Solidarität, die wir dem entgegensetzen, was sich wie ein Appell an den Egoismus und wie eine Verbeugung vor dem Vorrecht des Stärkeren ausnehmen muß.

    (Sehr wahr! bei den GRÜNEN)

    Das von uns vorgeschlagene Programm „Arbeit und Umwelt" ist wiederum auf Ablehnung gestoßen. Dabei ist ernsthaft nicht mehr umstritten, daß man damit immerhin ein paar hunderttausend Arbeitsplätze schaffen könnte. Zusätzlich könnte die staatliche Gemeinschaft auf diese Weise weit mehr zur Wiederherstellung der natürlichen Lebens-



    Brandt
    grundlagen tun, die in der Tat sträflich so lange überbelastet wurden. Unseren Wäldern wird es weiterhin nicht helfen, wenn man wie beim Tempolimit klüger — besser gesagt: trickreicher — sein will als alle anderen Europäer zusammen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Werner [Ulm] [CDU/ CSU]: Umgekehrt ist es richtig!)

    Die Unionsfraktion hat hier durch ihren Vorsitzenden verkündet, sie setze auf technischen Fortschritt. Das tun wir auch. Aber wir fügen hinzu: Fortschritt von menschlichem Maß und mit menschlicher Geschwindigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht ein Scheinthema, meine Damen und Herren, sondern ein Gegenstand wichtiger Auseinandersetzung bleibt es auch, daß die Lasten bei Steuern und Abgaben und Sparprogrammen nicht so unausgewogen verteilt werden dürfen, wie es geschieht.

    (Beifall bei der SPD)

    Soziale Gerechtigkeit und ein soziales Gleichgewicht sind — das zeigt die Erfahrung — nicht nur menschlich; sie sind auch produktiv.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Ja!)

    Wenn wichtige Teile der Koalition und sogar die Spitze der Regierung, die ich leider nicht direkt ansprechen kann,

    (Beifall bei der SPD)

    einseitig und uneinsichtig gegen die Gewerkschaften Partei ergreifen, so fördern sie damit nicht den sozialen Frieden, sondern sie gefährden ihn.

    (Beifall bei der SPD)

    Die beleidigenden Töne, die Bundeskanzler Kohl

    (Zurufe von der SPD: Er ist immer noch nicht da! — Unerhört!)

    im letzten Jahr in den Streit um die Arbeitszeit einführte, hätten leicht mehr Schaden anrichten können, als sie angerichtet haben. Daß der Schaden begrenzt werden konnte, verdanken wir in hohem Maße der Überzeugungskraft eines früheren Gewerkschaftsvorsitzenden und Bundesministers der Verteidigung.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Wo habt ihr den hingeschickt? — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Und wo steht der bei Ihnen in der Partei?)

    Wie will es der Bundeskanzler mit seinen ihm durch das Grundgesetz aufgegebenen Pflichten vereinbaren, wenn er gegenwärtig eine vorgebliche Neutralität predigt, die in Wirklichkeit der wirtschaftlichen Übermacht zugute kommt?

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Bei der „Neuen Heimat"!)

    Meine Damen und Herren, es geht vordringlich, aber nicht allein um einen dieser Tage vielzitierten Paragraphen, wenn ich sage: Wer nicht spalten, sondern zusammenführen will, der darf das Bekenntnis zur Tarifautonomie nicht zum Lippendienst verkümmern lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wo es um den Sozialstaat geht, ist die Regierung in die Pflicht genommen und darf sich nicht in eine verantwortungsscheue Scheinneutralität flüchten. Das ist im übrigen auch im Interesse einer gedeihlichen wirtschaftlichen Gesamtentwicklung. Die Regierung lüde eine schwere Verantwortung auf sich, wenn sie mithülfe, den Gewerkschaften eine Kraftprobe aufzuzwingen. Unser Platz wird an der Seite derer sein, die die Grundlagen des Sozialstaates zu verteidigen entschlossen sind.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Tun wir das nicht?)

    Wir sind im übrigen für mehr, nicht weniger Wettbewerb, für mehr, nicht weniger Steuergerechtigkeit. Wir sind nicht gegen, sondern für die Erneuerung der Industriegesellschaft, nicht nur technisch, auch sozial und ökologisch. Da die Herausforderungen größer werden, sind wir um so mehr dafür, daß die Arbeitnehmer ihren gerechten Anteil am Sagen und am Haben bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mehr Demokratie in der Wirtschaft, das heißt Zusammenarbeit für das eigene und für das gemeinsame Wohl. Unser Programmentwurf „Die Wirtschaft ökologisch und sozial erneuern", über den gestern so herabsetzend gesprochen wurde,

    (Kolb [CDU/CSU]: Zu Recht!)

    enthält fünf, sechs konkrete Angebote für sachliches Zusammenwirken. Ich sage: Wer sich Chancen sachlicher Zusammenarbeit entgehen und wer statt dessen vermeidbares Gegeneinander sich entfalten läßt, der bleibt hinter den Erfordernissen dieser Zeit und unseres Volkes weit zurück.

    (Beifall bei der SPD)

    Wovon ich eben gesprochen habe, gilt erst recht für die auswärtige Politik. Vernünftigen deutschen Interessen kann es nicht dienen, in den Parteienstreit zu bringen, was nicht notwendigerweise dort hingehört.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn man es dennoch tut, bedeutet es wiederum, auseinanderzudividieren statt zusammenzuführen.
    Nun frage ich: Was anderes als Belastungen und Rückschläge hat es in der deutschen Frage und gegenüber östlichen Nachbarn gebracht, wieder ins Zwielicht geraten zu lassen, was wir mühsam genug durch die Vertragspolitik auf den Weg der Klärung brachten?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Weshalb immer noch einmal in Frage stellen, was unbedingt zur Westkomponente unserer Europapolitik gehören muß, statt in Brüssel solche Pannen vermeiden zu helfen, wie sie bis in die letzten Wochen und Tage zu verzeichnen waren?



    Brandt
    Nun frage ich weiter: Welch anderen als einen denunziatorischen Sinn soll es eigentlich haben, immer noch einmal in Zweifel zu ziehen, daß die SPD zum Bündnis steht

    (Beifall bei der SPD)

    und daß für sie die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten, mit den Amerikanern, so wichtig bleibt wie die mit den europäischen Nachbarn? Johannes Rau und andere von uns hatten dieser Tage Vertreter der sozialdemokratischen Parteien aus allen europäischen NATO-Staaten zu Gast, und mit ihnen haben wir uns auf ein inhaltsreiches gemeinsames Papier verständigt — als ein Teil dessen, was manche von Ihnen unsere Nebenaußenpolitik zu nennen belieben. Aus den Reihen der Gäste wurde gefragt, ob gewisse Bonner Politiker bei ihrem süffisanten Lächeln nicht merkten, daß man die NATO schwäche, wenn man das Verhältnis zu ihr zur Sache einer Partei zu machen versuche.

    (Beifall bei der SPD)

    Und ich setze hinzu: Man fügt auf diese Weise auch der Bundeswehr Schaden zu, und zwar solchen, der hausgemacht und überflüssig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Auf den Vorwurf des Antiamerikanismus braucht man heute nicht mehr so nachdrücklich einzugehen, wie dies vor einigen Monaten, auch gegenüber dem Bundeskanzler, geboten erschien. Die Schelle, die uns ein gewisser Herr hat umhängen wollen, ist an dessen Narrenkappe gelandet.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber er kommt nicht zur Ruhe. Und wenn sich gerade kein anderer anbietet, kommen die Ärzte dran, die sich international zum Kampf gegen die Atomgefahren zusammengeschlossen haben. Wir stehen an deren Seite.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, wird auf dieser Seite des großen Wassers, wenn es um Fragen des Bündnisses, der Ost-West- und der Nord-Süd-Beziehungen geht, im wesentlichen nicht über anderes als das diskutiert, was auch in den Vereinigten Staaten immer wieder Gegenstand der kritischen Erörterung ist. Was wir gegen die zusätzliche Militarisierung des Weltraums ins Feld führen, wird von vielen in Amerika ganz ähnlich gesehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen mit allen reden!)

    Bei uns zu Hause sollten wir auch nicht überhören, was eine Institution vom Rang der Max-PlanckGesellschaft gerade an Zweifeln formuliert hat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    In Washington weiß man, daß hier keiner ein Monopol auf Freundschaft geltend machen kann. Das war so, und das bleibt so. Keiner wird uns dazu verleiten oder nötigen können, Feigheit vor dem Freund zu zeigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Jeder muß, bitte, davon ausgehen, daß wir uns zutrauen, deutsche und europäische Interessen eigenständig zu formulieren. Das können wir hier miteinander tun, oder wir sollten jedenfalls versuchen, um die angemessenen Antworten fair miteinander zu ringen.
    Hier ist nun, meine Damen und Herren, viel Wesens davon gemacht worden, daß wir uns geirrt hätten, was die Entwicklung angeht, die zum Genfer Gipfeltreffen führte.
    Wir sind die letzten, die enttäuscht gewesen wären, wenn es statt der befürchteten Eiszeit nur einiger kalte Winter gegeben hätte. Aber es gehört gewiß in die Rubrik Scheingefechte, wenn man sogar noch nach dem Gipfeltreffen versucht, den Begriff der gemeinsamen Sicherheit gegen uns zu wenden;

    (Beifall bei der SPD)

    denn was zeigt uns Genf, meine Damen und Herren? Reagan und Gorbatschow haben miteinander festgestellt, daß keine der beiden Weltmächte einen Krieg gegen die andere gewinnen kann. Was bedeutet das anderes als die Einsicht, daß beide Seiten einem objektiven Zwang zur Friedenssicherung unterliegen?

    (Kühbacher [SPD]: Und zur Abrüstung!)

    Das ist das, was man ein Ergebnis der das Überleben gefährdenden tödlichen Fähigkeiten beider Seiten nennen kann, der einen wie der anderen. Dabei wissen wir, die beiden Weltmächte bleiben durch grundverschiedene Auffassungen und Systeme voneinander getrennt. Aber es kann doch kein Zweifel daran sein, daß es im deutschen und europäischen Interesse liegt, die Chancen einer neuen zweiten Phase von Entspannung und Zusammenarbeit zu nutzen, ohne Illusionen, aber auch ohne Scheuklappen. Es muß deutlicher werden, was die Europäer wollen und daß sie nicht nur darauf warten, was die Großen tun oder unterlassen.

    (Bundeskanzler Dr. Kohl betritt den Saal — Zurufe von der SPD: Guten Morgen!)

    Dann kommt — Klein — Klein — die mehr oder weniger künstliche Empörung wegen einer behaupteten Nebenaußenpolitik. Ich sage Ihnen: Natürlich kann und will und darf sich niemand an die Stelle der Regierung setzen, wo es sich um völkerrechtliche Bindungen und Wirkungen handelt; aber wir haben als Opposition nicht nur das Recht, uns in eigener Verantwortung zu unterrichten, sondern auch die Pflicht unseren Kredit in West und Ost und in der Dritten Welt zum Wohle unseres Volkes einzusetzen und uns auf neue Verantwortung vorzubereiten,

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, nun haben Äußerungen von Unionsabgeordneten und des Grafen



    Brandt
    Lambsdorff deutlich gemacht, daß Sie Johannes Rau hier vermissen. Er läßt grüßen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Und wann läßt er das widerrufen? Der Graf läßt sich entschuldigen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Er läßt Ihnen sagen: Erstens. Für ihn, für Johannes Rau, kommt der Januar 1986 vor dem des Jahres 1987, und er geht, wie es sich gehört und auch für andere gehören sollte, seinen Pflichten als Chef einer Landesregierung nach.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Da hat er viel nachzuholen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Zweitens. Für einen vorgezogenen Wahlzirkus, den einige veranstalten möchten, ist Johannes Rau nicht zu haben,

    (Beifall bei der SPD)

    unsere Verfassung, was Bundestag und Bundesrat angeht, übrigens auch nicht.

    (Kolb [CDU/CSU]: Herr Rau wird am Dienstag alles widerrufen!)

    Der Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an Sprüchen, wie sie aus dem Adenauerhaus kommen, dürfte seine Grenzen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Jeder wird noch auf seine Kosten kommen, wenn es ihm darum geht, mit Johannes Rau um die besseren Antworten für die Lebensprobleme unseres Volkes zu ringen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Die Antworten hat er schon gegeben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich habe hier, meine Damen und Herren, einiges über Streit in der SPD gehört. Da verwechselt man wohl notwendige Diskussion mit überflüssigem Streit. Wenn ich mir vor Augen halte, was in der Union durcheinander geraten ist, von Geißler bis Späth, vom Wirtschaftsrat bis zu den Sozialausschüssen, von Zentrums- bis zu Stahlhelm-Traditionen, dann kommt mir unsere Sozialdemokratie fast wie eine preußische Gardeformation vor,

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Dann holen Sie mal Ihren Marx hervor! Das war eine Beleidigung für Preußen! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist doch Volkssturm und keine preußische Garde! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    der sie gar nicht nahezukommen versucht.
    Ein Thema, meine Damen und Herren, das unsinnigerweise zu einem Thema der parteipolitischen Polemik gemacht wird, ist das der Menschenrechte. Ich meine allerdings, dieses Thema verträgt, wenn man es ernst nimmt, kein parteipolitisches Schaulaufen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir täten den Menschen, denen unsere Anteilnahme und unsere Hilfsbereitschaft gelten, keinen Gefallen, wenn wir ihre Not, das Elend, das ihnen zugefügt wird, für einen unwürdigen Schlagabtausch benutzen.
    Jedermann darf davon ausgehen, daß meine Freunde und ich Menschenrechtsverletzungen gleichermaßen nachgehen, ob wir es mit einem westlichen oder einem östlichen, einem nördlichen oder einem südlichen Land zu tun haben. Dabei gibt es Situationen — wie die des Flächenbrandes in Südafrika —, da wünschte man sich, die Bundesregierung spräche viel deutlicher, als sie es bisher getan hat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Doch ich weiß aus langjähriger Erfahrung, daß es vielerorts Einzelschicksale gibt, die, wenn überhaupt, durch stille Arbeit besser zu beeinflussen sind als durch lautstark vorgebrachte Texte.
    In den letzten Tagen habe ich aus zwei der Staaten, die ich vor wenigen Monaten besuchte, nämlich der DDR

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Staaten?)

    und der Sowjetunion, Antworten auf Menschenrechtsfragen in meinen Gesprächen erhalten. Ich freue mich, daß es gelungen ist, in einer nicht geringen Zahl von Fällen Probleme regeln zu helfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das wäre nicht erreicht worden, wenn ich mich mit Reden auf einem Marktplatz zufrieden gegeben hätte.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Der große Macher!)

    — Fragen Sie doch die, die sich dafür bedanken, daß man ihnen hat helfen können.

    (Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/ CSU]: Das ist doch nichts Neues! Das machen wir doch auch!)

    In einer guten Woche werde ich mich auch in Polen für humanitäre Anliegen verwenden.

    (Kolb [CDU/CSU]: Sprechen Sie den Kollegen Walesa!)

    Nach Warschau wurde ich, wie vielleicht bekannt ist, aus Anlaß der 15jährigen Wiederkehr der Unterzeichnung des Abkommens vom Dezember 1970 eingeladen. Weil ich es für nötig halte, daß das deutsch-polnische Verhältnis gepflegt wird und unter keinen Umständen verkümmern darf,

    (Kolb [CDU/CSU]: Da ist Ihr Blick aber sehr verengt!)

    möchte ich meinen Teil beitragen und in die polnische Hauptstadt reisen.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Da sollte man mit allen sprechen, nicht nur mit denen, die für den Tod des Priesters Popieluszko verantwortlich sind!)




    Brandt
    — Halten Sie doch bitte den Mund, wenn man hier über ernste Dinge spricht!

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Das können Sie Ihrer Fraktion sagen, aber nicht uns! — Stockhausen [CDU/CSU]: Das war nun wieder zu preußisch!)

    Wenn ich übrigens bei dieser Gelegenheit andere Städte nicht besuchen kann, so wird doch jeder, der es will

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Jetzt flippt er wieder aus, der Herr Brandt!)

    — da muß ich dann wohl einige ausnehmen —,

    (Beifall bei der SPD)

    auch dieses Mal sehen: Wir Sozialdemokraten bemühen uns um Kontakt zu allen Gruppen, die für die gesellschaftliche Entwicklung in der Volksrepublik Polen von Bedeutung sind.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Die zugelassen sind! — Kolb [CDU/CSU]: Wir lassen uns überraschen!)

    Mich braucht gerade in diesem Fall niemand an unsere Mitverantwortung zu erinnern. Wir sind uns dieser bewußt und versuchen, danach in der Zukunft wie in der Vergangenheit zu handeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Stille, aber tätige Mitmenschlichkeit hat es ebenfalls nicht verdient, verdächtigt zu werden.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Eine Adventsrede!)

    Wer in der Tradition der Arbeiterbewegung, also des Ringens um Menschenrecht und Menschenwürde, aufgewachsen ist, darf an seine Kollegen mit der Bitte appellieren: Machen wir der Würdelosigkeit ein Ende, die es bedeutet, wenn man auf dem Bukkel derer streitet, denen zu helfen schwer genug ist!

    (Beifall bei der SPD — Oh-Rufe bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Lech Walesa würde sich freuen!)

    Außerdem: Bundeskanzler Kohl sollte besser als andere wissen, da er doch in Brüssel bei der NATO danach fragen konnte und gefragt hat, weshalb Präsident Reagan in der Genfer Verlautbarung mit seinem sowjetischen Gegenüber nicht auf einem Passus über Menschenrechte bestanden und weshalb er keine formale Verbindung zwischen humanitären und ökonomischen Fragen hergestellt hat.
    Diese Bundesregierung muß sich Kritik auch deshalb gefallen lassen, weil sie ihrem eigenen hohen Anspruch auf geistig-moralische Erneuerung so wenig gerecht geworden ist

    (Kolb [CDU/CSU]: Sie haben die Moral gepachtet!)

    und weil sie vernebelt — so mit dem Unsinn vom rot-grünen Chaos —, wo inhaltliche Klärung geschaffen werden könnte,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    und weil Mut zur persönlich-politischen Verantwortung mit notorischer Dickfelligkeit von denen geleugnet wird, die anderen gegenüber nicht genug daran tun konnten, sich als Sittenrichter aufzuspielen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die eigentlichen Themen erfordern, daß die Parteien prüfen, was kontrovers behandelt werden muß und was im Wechselspiel von Koalition und Opposition eigentlich nur in Verbindung miteinander gelöst werden kann.
    Es hat hier in diesem Jahr zwei Reden gegeben: die des Bundespräsidenten vom 8. Mai und die Georg Lebers vom 17. Juni, welche Beifall auf allen Seiten des Hauses — nicht auf allen Seiten gleichmäßig, aber auf allen Seiten des Hauses — fanden.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Das wird heute nicht der Fall sein!)

    Meine sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen und ich haben diese Reden nicht vergessen; auch nicht unsere Zustimmung.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Bei Leber war sie nicht gut!)

    Wir haben wiederholt Vorschläge gemacht, die über unfruchtbaren Streit hätten hinausführen können. Unseren Vorschlag eines nationalen Solidarpakts, um die Arbeitslosigkeit zu überwinden und die Volkswirtschaft zu erneuern, hat man bisher gemeint ignorieren zu können. Auf unsere Vorschläge zur Rettung der Wälder und der Umwelt überhaupt eine große gemeinsame Anstrengung zu machen, hat man bisher geglaubt nicht eingehen zu sollen. Das gilt auch für die längerfristige Konsolidierung der Renten und der anderen Systeme sozialer Sicherheit. Und wie wenig verständnisvoll, geschweige denn weise, hat man auf eine Serie von Anregungen reagiert, die das Bemühen um mehr vernünftige Gemeinsamkeit auf den Gebieten der Deutschland-, Europa-, Bündnis-, Ost-West- und Nord-Süd-Politik zum Inhalt hatten!
    Vom Kurs der nationalen und sozialen Verantwortung wird uns Ihre kalte Schulter nicht abbringen. Aber ein Vorteil für unser Volk wäre es schon, wenn Voreingenommenheit, Gruppenegoismus und Engstirnigkeit abgebaut werden könnten.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Riedl.

(Kolb [CDU/CSU]: Erich, sprich zum Haushalt!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Riedl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brandt, damit hier auch im Zusammenhang mit den Zwischenrufen kein falscher Eindruck entsteht: Niemand in diesem Saal und niemand in meiner Fraktion erkennt Ihnen an,

    (Zurufe von der SPD: „Ab"!)




    Dr. Riedl (München)

    — erkennt Ihnen nicht an, daß Sie sich in Fragen der Lösung von Menschenrechtsungerechtigkeiten einsetzen und daß Sie dabei Erfolge haben.

    (Zuruf von der SPD: Das hörte sich eben aber anders an!)

    Es darf aber in diesem Zusammenhang auch nicht verschwiegen werden, daß unter dieser Regierung — ich kenne genauso viele, viele Fälle, die glückhaft gelöst worden sind,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Jawohl!)

    angefangen durch Sie, Herr Bundeskanzler Helmut Kohl, über den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, über zahlreiche Ministerpräsidenten wie Franz Josef Strauß, Späth und Albrecht — ebenfalls in schwierigen Gesprächen Lösungen erzielt worden sind. Darüber sollten sich alle Demokraten gemeinsam freuen. Denn dies ist ja leider Gottes eine Daueraufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist die dritte Lesung des Haushalts für 1986. Die Haushaltsdebatte — immer gegen Jahresende — ist für Regierung und Koalition eine sehr willkommene Gelegenheit, Rechenschaft zu geben, Bilanz zu ziehen, Soll und Haben in den Büchern offenzulegen. Ich bedauere, Herr Kollege Brandt — Sie hatten sicherlich gute Gründe dafür —, daß Sie in den letzten drei Tagen nicht hier waren. Für alle, die diese dreitägige Debatte verfolgt haben, sieht das Fazit wie folgt aus: Diese Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP hat gehalten, was sie bei ihrem Amtsantritt laut Regierungserklärung versprochen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Erstens. Wir sind dabei und auf dem richtigen Weg, wenngleich dies noch eine schwierige, langwierige Aufgabe ist, den Bundeshaushalt endgültig wieder in Ordnung zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Zweitens. Die wirtschaftlichen Perspektiven sind in diesem Herbst so günstig wie seit vielen Jahren zuvor nicht.

    (Zuruf von der SPD: Für wen?)

    Drittens — und da spreche ich die Sozialdemokraten mit besonderem Ernst an —: Die Rentenfinanzen sind in Ordnung,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die Preise sind stabil, und die Realeinkommen steigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — [Kolb] [CDU/ CSU]: Das glauben die nur nicht!)

    Viertens. Eine kräftige Zunahme der Beschäftigung und eine großartige Ausbildungsbilanz kennzeichnen — bei aller Tragik der nach wie vor hohen Arbeitslosenzahl, die niemand von uns bestreitet und die wir als eine große Herausforderung für die Arbeit dieser Regierung und Koalition ansehen, meine Damen und Herren — den Arbeitsmarkt.
    Fünftens. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sowie das Ansehen und die Stellung der deutschen Mark sind international weiter gestärkt. Wir alle sollten — ohne überheblich zu sein — angesichts der harten innenpolitischen Auseinandersetzungen über die vor uns liegenden Aufgaben auf dieses Ergebnis, auf diese Zwischenbilanz stolz sein.
    Was kann eine Opposition, die — das müssen Sie zugeben, das können Sie nicht bestreiten — vor drei Jahren das Handtuch geworfen, ihrem eigenen Kanzler den Rückhalt und das Vertrauen entzogen hat und vor allem wegen der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der damaligen Koalition gescheitert ist, in dieser Lage tun? Helmut Schmidt hält ja jetzt gegen gutes Honorar weltweit Vorträge und erzählt dies im einzelnen. Es wäre nur schön, er würde es auch einmal hier im Deutschen Bundestag erzählen. Aber da gibt's keine Honorare, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Da Sie immer sagen, die Reichen würden durch uns immer reicher, ist es doch sicherlich erlaubt, auf diesen Zusammenhang einmal hinzuweisen, meine Damen und Herren. Oder schämen Sie sich dieser Tatsache?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Anhaltende Zurufe von der SPD)

    — Immer dann, wenn der Gegner schreit, hat man ihn zu Recht getroffen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Dann haben wir gestern aber viel getroffen!)

    Ich freue mich, daß es in diesem Fall wieder einmal gelungen ist.
    Ich muß weiter fragen: Was kann eine Opposition tun, meine Damen und Herren, die in den nachfolgenden drei Jahren den wirtschaftlichen Aufschwung nicht unterstützt und die Sanierung der öffentlichen Finanzen nicht gefördert hat, sondern — wie auch in dieser Woche wieder drei Tage lang
    — falsche Prognosen verkündet, Tatarenmeldungen von sich gegeben, eine Verelendungspropaganda betrieben und damit das offenkundig wachsende Vertrauen gestört und eigentlich nur zur Verunsicherung beigetragen hat? Was muß eine solche Opposition tun? Ich meine, sie müßte in Sack und Asche gehen, meine Damen und Herren.

    (Kolb [CDU/CSU]: Die Selbsterkenntnis fehlt denen leider! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Und schauen Sie sich doch einmal die Presse dieser Woche an. Ich nenne jetzt einmal nur die „Münchener Abendzeitung", in deren Ausgabe — das war ja ein Hurra-Blatt für die sozialliberale Koalition — vom letzten Mittwoch Sie auf Seite 3 einen vernichtenden Kommentar über Ihre haushalts- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen hier im Deut-



    Dr. Riedl (München)

    schen Bundestag finden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Nicht zu vergessen die „Frankfurter Rundschau"!)

    Und die „Münchener Abendzeitung" ist wahrlich kein Schwesterblatt des „Bayernkurier".
    Mit Ihren wirtschaftspolitischen Vorschlägen war und ist — muß ich heute sagen — auch nach der Rede des Parteivorsitzenden der SPD die Sozialdemokratische Partei weiter auf dem Holzweg. Ihre Vorschläge werden von der Wirklichkeit überrollt, von der Dynamik des wirtschaftlichen Aufschwungs übersehen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Willy Wolke überschwebt alles!)

    So bleibt der Opposition — und das ist auch ein trauriges Ergebnis der Debatte dieser Woche — eigentlich nur der Ausweg, die positive Bilanz dieser Regierung als „Umverteilung zugunsten der Reichen" anzuprangern.

    (Walther [SPD]: Ist es doch auch!)

    — Herr Kollege Walther, das wird ja nicht dadurch klüger, daß Sie es ständig wiederholen. Sie blamieren sich doch immer nur. Wenn Sie wenigstens aus Ihren Fehlern lernen würden, dann wäre das in dieser Woche eine positive Bilanz für die Sozialdemokraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Die Regierung Kohl hat zugepackt.


    (Zurufe von der SPD)

    Sie hat die Ängste und den Neid, den Sie geschürt haben, zurückgewiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann nur sagen, die einen spucken eben in die Hände, und die anderen spucken immer nur in die Suppe; und das ist Ihr Beitrag, meine Damen und Herren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Dann schmeckt die Suppe aber nicht mehr!)

    — Dann würde ich aber wie der Suppenkaspar sagen: „Eure Suppe eß' ich nicht."

    (Heiterkeit — Dr. Vogel [SPD]: Aber der Suppenkaspar ist daran gestorben!)

    — Herr Kollege Vogel, wer ist denn schon unschlagbar im Hinblick auf Lebenslänglichkeit? Das wissen Sie doch als langerprobter Sozialdemokrat, von München über Berlin nach Bonn gekommen. Lebenslängliche Garantie hat in der Politik keiner. Das nehme ich auch für uns nicht in Anspruch. Das ist doch selbstverständlich.

    (Dr. Vogel Suppenkaspar zu tun?)

    Nun darf ich einmal den Herrn Altbundeskanzler Willy Brandt, der uns heute in der dritten Lesung die Ehre gegeben hat — —

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Uralt-Kanzler!)

    — Das Interessanteste war seine neue Rolle als Medienverkünder: Grüße von Haus zu Haus, von Willy Brandt an Johannes Rau. Hoffentlich verkündet er in zwei Jahren nach der verlorenen Bundestagswahl 1987 für die Sozialdemokraten nicht: „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben!"

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das wäre auch eine Botschaft an das erstaunte Volk.
    Herr Kollege Brandt, ich will noch einmal ein Zitat bringen, das ich hier im Deutschen Bundestag als junger Abgeordneter gehört habe. Es lautet:
    Eine stetige Wirtschaftsentwicklung ist die beste Grundlage des gesellschaftlichen Fortschritts. Sie schafft das Klima, in dem sich private Initiative, Risikobereitschaft und Leistungsfähigkeit entfalten können. Sie sichert die Arbeitsplätze, schützt die steigenden Einkommen und wachsenden Ersparnisse vor der Auszehrung durch Preissteigerungen.
    Das Zitat stammt aus der Regierungserklärung von Willy Brandt, abgegeben vor dem Deutschen Bundestag am 28. Oktober 1969.

    (Dr. Vogel — Das stimmt heute noch. Da haben Sie völlig recht, Herr Kollege Vogel. Und dann kam — und das möchte ich gerne an dieser Stelle wiederholen — ein Satz aus dieser Regierungserlärung: Solidität wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein. Damals, als Franz Josef Strauß Bundesfinanzminister in der Großen Koalition war und einen Finanzierungsüberschuß von 1,2 Milliarden — nicht Lire — D-Mark hinterlassen hat, hat Willy Brandt gesagt — und da saßen wir alle wie versteinert: „Die neue Welt beginnt!"; der Wahlslogan vorher lautete: „Laß doch mal die anderen ran!"; leider haben wir das machen müssen, weil der Wähler das so entschieden hat —: (Kolb [CDU/CSU]: Das Ergebnis tut uns heute noch weh!)


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir dürfen allerdings nicht verschweigen,
    — 1969! —
    daß die Situation weniger günstig ist, als sie von bestimmter Seite dargestellt wurde.
    1,2 Milliarden Finanzüberschuß, Plus in der Kasse! Das war nach Willy Brandt schon eine schlimme Sache.
    Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 1986 — damit will ich wieder auf die aktuelle Situation zu sprechen kommen — ist der vierte Haushalt dieser Bundesregierung in ununterbrochener Reihenfolge, der sich durch eine sparsame Ausgabengestaltung und eine sinkende Neuverschuldung



    Dr. Riedl (München)

    auszeichnet. Herr Kollege Wieczorek, ich habe heute nacht kurz vor Mitternacht noch Ihre Ausführungen zum Haushaltsgesetz sehr genau verfolgt und sage Ihnen: Es geht doch im Prinzip nicht darum, daß von uns behauptet würde, die Schulden würden immer weniger. Aber der Schuldenzuwachs wird weniger!

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist das! — Richtig!)

    Der wird abgebaut! Begreifen Sie doch bitte, daß es hier um die Verringerung des Schuldenzuwachses geht!

    (Dr. Vogel [SPD]: Bundesbank!)

    — Natürlich!

    (Dr. Vogel [SPD]: Bundesbankgewinnler!)

    — Wir sehen das doch, Herr Kollege Vogel! Wir sind doch keine Selbsttäuscher, die nicht wüßten, vor welcher schwierigen Aufgabe wir in den nächsten Jahren stehen. Aber diese Schwierigkeiten können nur wir bewältigen, Sie leider Gottes nicht, und deshalb hat der Wähler uns auch die Mehrheit gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weil immer so vom „Totsparen" geredet wird, will ich noch sagen: Meine Damen und Herren, Sparsamkeit ist für uns doch kein Selbstzweck, sondern Sparsamkeit gibt uns schlicht und einfach den Handlungsspielraum für beschäftigungwirksame und zukunftssichernde Maßnahmen, für eine aktive Sozialpolitik, insbesondere zugunsten der Familien,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und — das sage ich jetzt auch an die Adresse von
    Nordrhein-Westfalen und an die Adresse der SPD
    — für die Lösung nach wie vor schwieriger Strukturprobleme in der Landwirtschaft, bei Kohle, bei Stahl und bei den Werften.
    Mit dem Bundeshaushalt 1986 erfogt — darin unterscheidet er sich von den Haushalten früherer Jahre — eine wichtige Weichenstellung. Wir wagen nämlich erstmals den Schritt zu kräftigen Steuerentlastungen, ohne den Konsolidierungskurs zu gefährden. Das ist das Kunststück, das Bundesfinanzminister Stoltenberg fertiggebracht hat!
    Meine Damen und Herren, wir nutzen auch den neuen Handlungsspielraum im Bundeshaushalt und die Möglichkeiten der Sondervermögen des Bundes und seiner Kreditinstitute für gezielte beschäftigungsfördernde Maßnahmen. In diesem Zusammenhang habe ich etwas noch nicht begriffen — vielleicht können Sie es mir heute noch erklären
    —: Da führt der Bundespostminister ein Programm von über 1,5 Milliarden DM zur Durchsetzung der Breitbandverkabelung in der Bundesrepublik Deutschland durch, ein Beschäftigungsprogramm, das Zehntausende von Arbeitsplätzen schafft und sichert, und die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften haben von früh bis abends nichts anderes
    zu tun, als diesen Postminister deshalb zu beschimpfen. Das begreife ich nicht mehr!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum eine solche Initiative, die Arbeitsplätze schafft, ausgerechnet von denen bekämpft wird, die ständig Beschäftigungsprogramme fordern.
    Gleichzeitig verbessern wir — auch das möchte ich in dieser dritten Lesung herausstellen — die Rahmenbedingungen für Investitionen auf Dauer, indem wir die Abschreibungsregelungen für Wirtschaftsgebäude entsprechend den Regelungen in anderen Ländern verbessern. Die Opposition hat gerade diese Maßnahme außerordentlich heftig kritisiert, und zwar auch wieder unter dem Generalnenner „Die Reichen werden immer reicher". Ich kann mich eigentlich über diese Argumentation nur wundern, denn Steuergeschenke an die Wirtschaft haben doch Sie verteilt, meine Damen und Herren, zuletzt noch im Jahre 1982 mit Ihrer Investitionszulage, die den Steuerzahler mehr als 7 Milliarden DM gekostet hat. Das war ein eklatantes Steuergeschenk, nichts anderes!

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Eine verbesserte Abschreibungsregelung hingegen ist — das muß man auch begreifen — kein Steuergeschenk, sondern ein Vorziehen von Abschreibungen mit einer Nachholwirkung in den späteren Jahren.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, zusätzliche beschäftigungswirksame Mittel in Milliardenhöhe für Stadtsanierung und Dorferneuerung, für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bei Bahn und Post, für den Umweltschutz und für strukturschwache Bereiche in Verbindung mit den geplanten Steuerentlastungen und den durch die Umweltschutzpolitik induzierten Privatinvestitionen z. B. durch den Vollzug der sogenannten Großfeuerungsanlagenverordnung stellen ein Beschäftigungsprogramm dar, das von seinem Umfang und von seinen Beschäftigungswirkungen her Ihr Programm weit in den Schatten stellt, weil es effektiver ist.
    Meine Damen und Herren, aus zeitlichen Gründen kann ich das Umweltprogramm der SPD jetzt nicht auseinanderklamüsern; das werden wir im Ausschuß noch tun.

    (Kolb [CDU/CSU]: Es lohnt sich auch nicht!)

    — Nun, wir werden uns schon damit befassen, damit die Sozialdemokraten merken, daß — das haben wir doch 30 Jahre lang erlebt — diese Programme so, wie sie sie gestalten, keine Beschäftigung bringen, sondern auf Dauer sogar Beschäftigung abbauen. Aber vielleicht unternehmen wir noch einmal einen letzten Versuch; man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben, daß der Mensch immer noch bereit ist dazuzulernen.
    Diese Koalition — ich muß es immer wieder sagen — ist im Bereich der Wirtschafts-, der Haushalts- und der Finanzpolitik außerordentlich erfolg-



    Dr. Riedl (München)

    reich gewesen. Wir sind fest entschlossen, auf dieser guten Basis in der nächsten Legislaturperiode unsere Politik gemeinsam fortzusetzen für mehr Beschäftigung, für sichere Arbeitsplätze, für steigende Realeinkommen als Frucht eines inflationsfreien Wachstums und für soziale Korrekturen. Herr Kollege Brandt, dies ist uns genauso wie Ihnen ein echtes Anliegen für Benachteiligte und Schwache in unserer Gesellschaft. Dieses Problem wird man hundertprozentig wahrscheinlich nie lösen können. Uns geht es darum, uns an eine Lösung möglichst stark anzunähern. Dabei wären wir für die Unterstützung durch die große Sozialdemokratische Partei — natürlich als Oppositionspartei — sehr dankbar.
    Steuerentlastungen werden ein wesentliches Kennzeichen unserer weiteren Regierungspolitik sein.

    (Suhr [GRÜNE]: Wer soll sie bezahlen?)

    Diese Regierung ist eine Regierung der Steuerentlastungen. Dagegen ist die SPD — ich komme jetzt zwangsläufig auf den Wahlkampf, meine Damen und Herren; denn das wird im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen — bei all ihrer Problematik für massive Steuererhöhungen. Das sollte der Bürger wissen. Auch wenn es den Wahlkampf bereits vorwegnimmt, muß gesagt werden, daß das die Realität ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir scheuen dieses Kontrastprogramm nicht. Dem gutverdienenden Facharbeiter, der berufstätigen Ehefrau, den engagierten Ingenieuren und Technikern, den kleineren Handels- und Gewerbetreibenden, den Freiberuflern, den Landwirten, ihnen allen werden wir schon klarmachen, was es heißt, die SPD mit ihrer Horrorliste von geplanten Steuererhöhungen zu wählen. Die SPD will dem Fleißigen und Tüchtigen damit ein Würgeeisen um den Hals legen

    (Dr. Rose [CDU/CSU]: Schon wieder!)

    und die Luft zum Atmen nehmen. Und wir werden ihnen klarmachen, was es heißt, der CDU/CSU- FDP-Koalition auch in den nächsten vier Jahren das Vertrauen zu schenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kolb [CDU/CSU]: Nicht zu vergessen, was die SPD bei den Betrieben vorhat!)

    Meine Damen und Herren, wir haben mit unserer Politik die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft dauerhaft verbessert und sind damit ebenfalls außerordentlich erfolgreich. So rechnet das Ifo-Institut für das laufende Jahr mit einem Anstieg der Investitionen in Bauten und Ausrüstungen von 16 %; preisbereinigt sind es immer noch 13 %. Eine derart kräftige Steigerung der Realinvestitionen wurde im verarbeitenden Gewerbe schon lange nicht mehr beobachtet, stellt das Ifo-Institut fest. Auch im kommenden Jahr wollen nach den neuesten Umfrageergebnissen gut die Hälfte der beauftragten Unternehmen mehr investieren als 1985. Das ist eine sensationelle Botschaft. Sie muß hier in Bonn und im Parlament mit entsprechender
    Politik erfüllt werden, damit sich das Vertrauen in der Wirtschaft auch in Heller und Pfennig, in Arbeitsplätzen, in mehr Beschäftigung und damit in mehr soziale Wohlfahrt draußen umsetzt.

    (Kolb [CDU/CSU]: Bei der SPD gilt nur, was der Staat macht!)

    Ich möchte jetzt einmal zitieren, was zwar schon häufig zitiert worden ist, aber um so weniger beachtet wird — jedenfalls auf seiten der Opposition —, je häufiger es zitiert wird. Es ist ein Zitat des Bundesbankpräsidenten Pöhl vom November 1982, in dem er die Zusammenhänge in einer unwahrscheinlichen Klarheit erläuterte. Da heißt es wörtlich:
    Ohne eine deutliche Verbesserung der Ertragslage wird es keine höheren Investitionen geben und ohne höhere Investitionen keinen Konjunkturaufschwung und keine Verringerung der Arbeitslosenzahlen. Wem das Schicksal der Arbeitslosen wirklich am Herzen liegt, wer mehr Beschäftigung und eine Erhaltung der Realeinkommen will, der muß auch für bessere Unternehmenserträge und eine bessere Eigenkapitalausstattung eintreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, Herr Pöhl ist doch nicht Mitglied der CSU oder der CDU; der steht doch Ihnen weitaus näher als jeder anderen Partei. Nun glauben Sie es ihm doch endlich! Wenn ich Unternehmer wäre und das Gerede der SPD, angefangen von Herrn Wolfgang Roth bis hin zu allen anderen, hier hören würde: Ich würde mir auch überlegen, ob ich unter einer solchen Regierung, wenn es die je geben würde, investieren würde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: In Hessen!)

    Das geht doch nicht. Aber Sie sollten aus den Erfahrungen der Bundesbank endlich lernen!
    Ich komme jetzt auf einen Punkt zu sprechen, der mich und viele, viele meiner Freunde, die wir in der Politik sind, weil wir uns dem Einsatz für das Soziale, für die Sozialpolitik und für die Menschen in unserem Land in besonderer Weise verpflichtet fühlen, unwahrscheinlich betroffen macht: daß Sie unsere Politik, wie es die Frau Fuchs gestern wieder getan hat, Frau Kollegin Fuchs, als kalt und unbarmherzig, als unsozial und als Störer des sozialen Friedens bezeichnet haben.

    (Beifall bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Unchristlich sogar!)

    Frau Kollegin Fuchs, ich frage Sie jetzt einmal: Ist es unsozial und ist es kalt und unbarmherzig, daß wir in diesem und im kommenden Jahr über 500 000 neue Arbeitsplätze schaffen, weil wir eine bessere Ertrags- und Investitionskraft der Unternehmen herbeigeführt haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer schafft die denn?)




    Dr. Riedl (München)

    Ist es unsozial und unbarmherzig, daß wir Jahr für Jahr

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: 2,2 Millionen Arbeitslose!)

    neue Ausbildungsrekorde zu verzeichnen haben,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das haben Sie gemacht?)

    im laufenden Jahr rund 100 000 Lehrverträge mehr als 1981?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Kollegin Fuchs, legen Sie einmal Ihren sozialdemokratischen Mantel ab und denken Sie einmal als Staatsbürger wie der Staatsbürger draußen!

    (Kolb [CDU/CSU]: Das wird sie nie schaffen! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sind unbarmherzig!)

    Dann frage ich Sie: Ist es unsozial und unbarmherzig, daß wir mit der Rückkehr zu stabilen Preisen vor allem die Kaufkraft der Einkommensschwächeren

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Rente auf Pump!)

    und der kleinen Sparer gestärkt haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ist es unbarmherzig und unsozial, daß die Realeinkommen wieder steigen,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie nehmen es doch wieder über höhere Krankenversicherungsbeiträge! Das stimmt doch nicht!)

    daß die Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik um rund ein Drittel über dem Niveau von 1982 liegen?
    Ist es unsozial und unbarmherzig, daß die Kurzarbeit nach wie vor abnimmt und nahezu verschwunden ist? Ist es unsozial und unbarmherzig, daß ein Rekordrentenniveau erreicht wird, nämlich 10,5 Prozentpunkte höher als 1970?
    Ist es unsozial und unbarmherzig — hören Sie sich das nur an, und dann antworten Sie bitte mit j a oder mit nein darauf! —,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    daß wir erstmals in unserer Sozialgeschichte Kindererziehungszeiten in der Rente berücksichtigen?
    Ist es unsozial und unbarmherzig, daß wir erstmals in der Geschichte Deutschlands ein Erziehungsgeld eingeführt haben?

    (Kolb [CDU/CSU]: Für alle! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Und unsoziale Kinderfreibeträge!)

    Ist es unsozial und unbarmherzig, daß wir das Wohngeld um 30% erhöht haben? Um 30%! Noch nie gab es in der Bundesrepublik Deutschland ein so hohes Wohngeld wie im Jahre 1986.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß, daß Ihnen das weh tut. Aber Sie haben mir in dieser Debatte auch weh getan, als Sie uns vorgeworfen haben, wir seien unsozial gewesen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sind Sie!)

    Ist es unsozial und unbarmherzig, daß die Steuern in zwei Stufen um 20 Milliarden DM gesenkt werden und daß die Familien insgesamt um 10 Milliarden DM finanziell bessergestellt werden, daß wir seit 1982 — wir, diese Regierung von Helmut Kohl und der FDP — die Sozialausgaben von 1982 bis heute um 45 Milliarden DM erhöht — nicht gekürzt! — haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wegen der Arbeitslosigkeit!)

    Ist es schließlich unsozial, daß sämtliche Sozialausgaben in der Bundesrepublik Deutschland sich im Jahr auf 572 Milliarden DM belaufen?
    Meine Damen und Herren, ich könnte diese Liste fortsetzen. Hören Sie doch endlich mit dieser Verhetzung unserer Bevölkerung auf, und ersparen Sie sich diese unglaublichen Vorwürfe!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Nein!)

    Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob er hier ist. Wenn er nicht hier ist, werfe ich es ihm persönlich auch nicht vor. Aber zu den erschütternden Verleumdungen der Politik der CDU/CSU gehört dieses Mieterflugblatt, das der Präsident des Deutschen Mieterbundes vor der letzten Bundestagswahl verteilt hat. Er hat sogar draufgeschrieben: Bitte weitergeben. — Deshalb habe ich es auch bekommen, und ich habe es mir aufgehoben.
    Meine Damen und Herren, bevor ich Ihnen das vorlese, nenne ich Ihnen die Zahlen, die Minister Schneider vor wenigen Tagen bekanntgegeben hat. Die vor allem aus Mietersicht außerordentlich günstige Entwicklung am Wohnungsmarkt wird am drastischen Rückgang der Mietsteigerungsraten besonders deutlich. Wir haben im Oktober 1985 bei den frei finanzierten Wohnungen in Deutschland einen Mietanstieg von sage und schreibe nur noch 1,8 %. Damals hat der SPD-Abgeordnete und Präsident des Mieterbundes, Herr Jahn — mit der Adresse an den Bürger, uns nicht zu wählen —, geschrieben: Wohnen wird wieder zum Risiko. — Wo ist denn das Wohnen ein Risiko? Bei der Neuen Heimat, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    — Hören Sie sich das einmal an! - Er schrieb weiter: Vermieter werden bereichert, obwohl dadurch nicht eine einzige Wohnung gebaut wird, die der kleine Mann bezahlen kann. — Wo ist denn das passiert? Bei der Neuen Heimat, meine Damen und Herren.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Weiter: Eine Mietenexplosion droht. — 1,4 % Mietsteigerung haben wir. — Und das letzte: Wohngeldkürzungen: 200 Millionen DM sollen eingespart werden. — 900 Millionen DM mehr gibt es im Jahre 1986 durch unsere Politik. Schämen Sie sich für



    Dr. Riedl (München)

    eine solche Wahlpropaganda, die in nichts zusammengebrochen ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage es Ihnen ja nur, damit Sie vor der nächsten Bundestagswahl keinen solchen Unfug und keine solche Verleumdung mehr machen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Der Herr Jahn ist auch nicht da!)