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ID1017116700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/171 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Zink und Dr. Czaja 12765 D Wahl der Abg. Dr. Waigel, Frau Dr. Martiny-Glotz und Wolfgramm (Göttingen) zu ordentlichen Mitgliedern und der Abg. Daweke, Duve und Baum zu stellvertretenden Mitgliedern im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt 12765 D Erweiterung der Tagesordnung 12766 A Abwicklung der Tagesordnung . 12766A, 12808A Wahl der Abg. Frau Rönsch, Schemken, Frau Steinhauer, Eickmeyer, Kohn und Frau Zeitler zu Schriftführern 12808 A Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Waldschadensbericht Schulte (Menden) GRÜNE 12753 B Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 12754 B Frau Dr. Hartenstein SPD 12755 B Dr. Rumpf FDP 12756 B Gallus, Parl. Staatssekretär BML . . . 12757 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 12758 B Müller (Düsseldorf) SPD 12759A Baum FDP 12760A Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12760 C Schäfer (Offenburg) SPD 12761 D Schmidbauer CDU/CSU . . . . . . . 12762 D Dr. Penner SPD 12763 D Fellner CDU/CSU 12764 C Boroffka CDU/CSU 12765 B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Windenergie — Drucksache 10/2255 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/3826 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Nukleare Entsorgung — Drucksachen 10/906, 10/3893 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über ein Forschungs-Aktionsprogramm zum Ausbau der Energiegewinnung aus Kernspaltung (1984-1987) — Drucksachen 10/376 Nr. 82, 10/3103 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die, Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses 77/271 EURATOM hinsichtlich des Höchstbetrags der EURATOM-Anleihen, welche die Kommission im Hinblick auf einen Beitrag für die Finanzierung von Kernkraftanlagen aufnehmen kann (EURATOM) — Drucksachen 10/3116 Nr. 12, 10/3372 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Bericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" über den Stand der Arbeit gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 1981 — Drucksachen 9/2438, 9/2439, 10/154 —— Drucksache 10/3409 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Neue energiepolitische Ziele für die Gemeinschaft — Drucksachen 10/3592 Nr. 4, 10/4131 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sicherung umweltfreundlicher Energieversorgung — Drucksachen 10/1476, 10/3031 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 12767 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 12771 D Gerstein CDU/CSU 12774A Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12778 B Dr.-Ing. Laermann FDP 12779 C Lennartz SPD 12782 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 12785B Tatge GRÜNE 12789 D Engelsberger CDU/CSU 12791 B Vosen SPD 12794 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 12796 C Catenhusen SPD 12797 D Reuter SPD 12799 C Dr. Hirsch FDP (Erklärung nach § 31 GO) 12803 D Wolfram (Recklinghausen) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 12804 B Namentliche Abstimmungen . . 12802 B, 12804 C, 12806 C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Fischer (Frankfurt), Schily, Frau Reetz und der Fraktion DIE GRÜNEN Lage und Forderungen der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksachen 10/2032 (neu), 10/3292 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Verbesserung der Situation der Sinti und Roma — Drucksache 10/4127 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Lage der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksache 10/4128 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 12808 C Dr. Vogel SPD 12809 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 12810 D Ströbele GRÜNE 12811 D Baum FDP 12813 B Jaunich SPD 12814 B Götzer CDU/CSU 12816 B Schily GRÜNE 12817 C Frau Dr. Segall FDP 12819C Aussprache zum 40. Gründungstag der Vereinten Nationen Frau Geiger CDU/CSU 12820 D Frau Dr. Timm SPD 12822 C Schäfer (Mainz) FDP 12824 C Tatge GRÜNE 12826 B Genscher, Bundesminister AA 12827 A Frau Huber SPD 12828 D Frau Fischer CDU/CSU 12831 A Ströbele GRÜNE 12832 C Dr. Wulff CDU/CSU 12833 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 III Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die schnellere und weitergehende Verminderung der Emissionen aus Altanlagen — Drucksache 10/2965 — in Verbindung mit Beratung des Siebten Berichts und der Empfehlung der Europa-Kommission zur Frage der Festlegung der europäischen Abgasnormen — Drucksache 10/3609 — Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12834 D Stahl (Kempen) SPD 12836 B Schmidbauer CDU/CSU • 12838A Schulte (Menden) GRÜNE 12841A Baum FDP 12842 A Duve SPD 12844 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entwicklungspolitik in Afrika — Drucksache 10/3702 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Verheugen, Bindig, Brück, Dr. Hauchler, Herterich, Dr. Holtz, Dr. Kübler, Frau Luuk, Neumann (Bramsche), Schanz, Schluckebier, Frau Schmedt (Lengerich), Toetemeyer, Voigt (Frankfurt), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Maßnahmen zur Abschaffung der Apartheid — Drucksache 10/3994 — Verheugen SPD 12847 A Dr. Hornhues CDU/CSU 12849A Frau Borgmann GRÜNE 12850 D Dr. Rumpf FDP 12851 D Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 12853 B Toetemeyer SPD 12854 D Feilcke CDU/CSU 12856 A Möllemann, Staatsminister AA 12857 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Dr. Müller (Bremen), Frau Hönes, Schmidt (Hamburg-Neustadt) und der Fraktion DIE GRÜNEN Gutachtliche Stellungnahme „Umweltprobleme der Ostfriesischen Inseln", Zuleitung an den Deutschen Bundestag — Drucksache 10/3768 — Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12858 D Dr. Olderog CDU/CSU 12861 A Ewen SPD 12863 A Bredehorn FDP 12864 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache 10/3933 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/4121 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/4130 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel III; hier: Nutzung und Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 10/4133 — Dr. Lippold CDU/CSU 12866 B Lennartz SPD 12868 B Hoffie FDP 12870 D Senfft GRÜNE 12873 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF . 12875A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht — Drucksache 10/2951 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/4105 — Marschewski CDU/CSU 12876 B Fischer (Osthofen) SPD 12877 C Kleinert (Hannover) FDP 12878 C Mann GRÜNE 12879 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 12881 A Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 12882 B Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Reschke, Conradi, Waltemathe, Müntefering, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Huonker, Wolfram (Recklinghausen) und der Fraktion der SPD IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Baulandsituation, Entwicklung der Baulandpreise, des Bodenrechts und der Bodensteuern — Drucksachen 10/2358, 10/3690 — . . 12882 B Nächste Sitzung 12882 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 12883* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abg. Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — 12883* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 12753 171. Sitzung Bonn, den 7. November 1985 Beginn: 8.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 11. Antretter 7. 11. Dr. Blank 7. 11. Böhm (Melsungen) ** 7. 11. Büchner (Speyer) * 8. 11. Ertl 7. 11. Dr. Feldmann 8. 11. Fischer (Hamburg) 8. 11. Funk 7. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 7. 11. Dr. Hauff 8. 11. Herterich 8. 11. Kiechle 8. 11. Dr. Kreile 8. 11. Lenzer ** 7. 11. Peter (Kassel) 7. 11. Frau Schmedt (Lengerich) 8. 11. Schmidt (Hamburg) 8. 11. Schmidt (München) ** 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 8. 11. Dr. Schmude 8. 11. Schulze (Berlin) 8. 11. Dr. Schwarz-Schilling 8. 11. Dr. Stoltenberg 8. 11. Frau Terborg 7. 11. Voigt (Sonthofen) 7. 11. Dr. Wieczorek 8. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer, (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie (Drucksache 10/4122) Der Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung ist notwendig. Voraussetzung auch für den zukünftigen Betrieb der am Netz und im Bau befindlichen Leichtwasserreaktoren ist ein Höchstmaß an Sicherheit und die Regelung der Zwischenlagerung und Entsorgung. Die Arbeitsteilung, Braunkohle und Kernenergie im Grundlastbereich und Steinkohle in der Mittellast einzusetzen, ist richtig. Verhindert muß werden, daß Kernenergie die Kohle in Mittellast verdrängt. Der bis 1995 laufende Kohleverstromungsvertrag muß rechtzeitig vor Ablauf verlängert werden. Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Förderung von Energieforschung und -entwicklung ist notwendig und industriepolitisch geboten. Es war und ist richtig, daß im Intereresse einer langfristigen sicheren Energieversorgung im Bereich der Kernenergie verschiedene Reaktorlinien mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. So gesehen war es richtig, daß trotz einer Präferenzierung des THTR 300 unsererseits auch der SNR 300 öffentlich gefördert wurde. Das war wohl auch der Grund, daß alle bisherigen Bundesregierungen und ihre jeweiligen Forschungsminister - gestützt auf breite parlamentarische Mehrheiten - den SNR 300 bis heute mit Bundesmitteln entscheidend gefördert haben. Im Gegensatz zu der von uns akzeptierten und respektierten Meinung der eindeutigen Mehrheiten in unserer Partei und Bundestagsfraktion gibt es für uns zur Zeit keinen aktuellen politischen Entscheidungsbedarf, ob der SNR 300 fertiggestellt und in Betrieb gehen soll. Der SNR 300 ist ein internationales Projekt. Deshalb ist es sinnvoll, die Option für diese Reaktorlinie offenzuhalten. Niemand kann nämlich heute mit Sicherheit sagen, wie sich die Energieversorgungslage in den nächsten zwei Jahrzehnten entwickelt. Soweit es die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren betrifft, sind diese nach Recht und Gesetz von der NRW-Landesregierung in Koordination mit der Bundesregierung korrekt und zügig abzuwickeln. Das ist auch die Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion und des SPD-Parteirates. Spätestens zum Zeitpunkt der Fertigstellung ist die öffentliche finanzielle Förderung einzustellen. Eine zusätzliche Subventionierung eines an das Netz gehenden SNR 300 ist nicht vertretbar. Vor Erteilung der Betriebsgenehmigung sind in einem öffentlichen Verfahren noch einmal folgende Fragenkomplexe zu klären: Wo und in welchem Umfang wird diese Reaktorlinie in anderen Industrieländern erforscht und entwickelt? Gibt es einen langfristigen energie- und/oder energiepolitischen Bedarf für den SNR 300? Sind die Betreiber aus der Energiewirtschaft bereit, den SNR 300 ohne weitere öffentliche Subventionierung zu übernehmen und zu betreiben? Welche Regreßansprüche kämen bei Abbruch des Projekts aus internationalen Verträgen und aus der Wirtschaft auf den Bund zu? Welche personellen Konsequenzen für Forschung und Wirtschaft hätte eine Aufgabe dieser Reaktorlinie, und wie sollen diese bewältigt werden? Gibt es gegenüber den Erkenntnissen und Empfehlungen der Enquete-Kommission „Friedliche Nutzung der Kernenergie" neue und gravierende Fakten, die unter Abwägung 12884* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 aller Gesichtspunkte eine Inbetriebnahme des SNR 300 unter energiepolitischen Gesichtspunkten und Fragen der Sicherheit faktisch verbieten? Das sind Gründe und offene Fragen, die die Unterzeichner zu einem von der Mehrheitsentscheidung der SPD-Bundestagsfraktion abweichenden Stimmverhalten veranlassen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war wichtig, daß heute der Bundeskanzler mit der Autorität seines Amtes für die Bundesregierung klar ausgesprochen hat, was gewesen ist, nämlich Völkermord. Es war wichtig, daß er sich für die Gleichbehandlung und gegen jede Diskriminierung eingesetzt hat. Es war auch wichtig, daß der Führer der Opposition, Herr Vogel, die Gemeinsamkeit in diesem Hause bekundet hat. Ich hoffe, daß es uns gelingt, in dieser wichtigen Frage auch zu einer gemeinsamen Entschließung zu kommen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Den Sinti und Roma ist in der Nazidiktatur schweres Unrecht zugefügt worden, das als Völkermord anzusehen ist. Sinti und Roma sind Opfer von rassisch begründeter Verfolgung und von Mord geworden. Diese Tatsache ist spät, viel zu spät ins öffentliche Bewußtsein gerückt worden und noch heute vielen Bürgern unseres Landes gar nicht genau bewußt. Aber nach alledem, was in deutschem Namen an schrecklichem Unrecht geschehen ist, können wir uns Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit nicht leisten.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die heutige Debatte leistet einen wichtigen Beitrag dazu, an die Leidensgeschichte der Sinti und Roma zu erinnern und das Verständnis für sie zu verbessern.
    Es gilt, was der Bundespräsident am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit der Vernichtung der jüdischen Mitbürger gesagt hat. Er hat gesagt:
    Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder
    jung, müssen die Vergangenheit annehmen.
    Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen.
    Damit, meine Kolleginnen und Kollegen, tun wir uns mitunter sehr schwer. Das zeigt zur Zeit die aufwühlende Diskussion um das Faßbinder-Stück in Frankfurt. Ich erwähne das hier, weil es einen unmittelbaren Zusammenhang mit unserem heutigen Thema hat.
    Legt uns nicht unsere besondere Betroffenheit für die Folgen, legt uns nicht unsere Haftung, von der der Bundespräsident spricht, die Pflicht auf, alles zu vermeiden, bei denen, die Opfer des Völkermordes waren, die Furcht vor erneuter Ausgrenzung zu wecken?
    Ich lehne Zensur strikt ab, aber ich sage denen, die dort für die Aufführung des Stückes eintreten: Unsere Vergangenheit verpflichtet uns zu behutsamem Umgang mit denen, die Opfer waren. Nicht alles, was erlaubt ist, sollte auch geschehen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ein Rechtsstaat, eine Demokratie werden daran gemessen, wie sie mit Minderheiten umgehen,

    (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

    wie sie sie ertragen, wie sie sie respektieren. Wir sollten uns auf unsere Verfassung besinnen:
    Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
    Seit vielen hundert Jahren leben Sinti und Roma als ethnische Minderheit mit eigener Sprache und Kultur in Deutschland; aber noch immer begegnen sie Vorurteilen und Benachteiligungen in unserer Gesellschaft. Es ist unsere demokratische Pflicht, mit allen Mitteln dagegen vorzugehen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die Überlebenden haben Anspruch darauf, daß materielle Schäden ausgeglichen werden. Das ist mit dem Bundesentschädigungsgesetz auch im Hinblick auf die Sinti und Roma geschehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, einen Bericht über die Praxis der Härteregelung von 1981 zu geben. Wir möchten wissen, wie der Wiedergutmachungsdispositionsfonds funktioniert und ob hier nicht im Interesse der Betroffenen eine erleichterte Härteregelung — sie bedarf keiner Gesetzesänderung — Platz greifen kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Wichtig sind alle Bemühungen zur Stärkung der kulturellen und sozialen Identität der Roma und Sinti. Das Schicksal der Sinti und Roma während der NS-Diktatur sollte noch umfassender als bisher erforscht werden. In dem geplanten „Haus der Geschichte" sollte das Schicksal der Sinti und Roma während der Nazizeit dargestellt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, daran mitzuwirken, das kulturelle Erbe der Sinti und Roma zu erhalten
    12814 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985
    Baum
    und zu fördern, auch im Hinblick auf die Errichtung eines Kultur- und Dokumentationszentrums. Wir erwarten, daß dazu umgehend Gespräche mit den Ländern aufgenommen werden.
    Wir begrüßen die Bereitschaft der Bundesregierung, finanzielle Mittel zur Förderung von Selbsthilfe, Selbstdarstellung und Selbstorganisation der Sinti und Roma bereitzustellen. Wir unterstützen die Initiative des Deutschen Städtetages aus dem Jahre 1984 und die Initiative des Landes Niedersachsen zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes.
    Wir wissen, auch heute begegnen die fünfzigtausend Menschen, über die wir reden, in der Bundesrepublik Deutschland vielen Vorurteilen und manchen Benachteiligungen. Wir appellieren an unsere Mitbürger, an die staatlichen Stellen in Bund, Ländern und Gemeinden, jegliche Diskriminierung zu unterlassen und für die Gleichbehandlung dieser Menschen einzutreten. Auch in den Gesetzen und im staatlichen Verwaltungshandeln darf Diskriminierung nicht zugelassen werden. Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, das Ausländerrecht entsprechend zu ändern wie auch in den polizeilichen Informationssystemen Diskriminierung nicht mehr zuzulasen.
    Meine Damen und Herren, der Umgang mit Minderheiten ist ein Prüfstein für die Reife unserer Demokratie und für unsere politische Kultur.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Jaunich das Wort gebe, möchte ich auf etwas aufmerksam machen. Ich habe sehr, sehr viel Verständnis dafür, wenn unsere Gäste auf der Tribüne durch Beifalls- oder Mißfallensäußerungen ihre Anteilnahme an den Reden zum Ausdruck bringen wollen. Aber die Ordnung, die sich dieses Haus selbst gesetzt hat, läßt es nicht zu, daß solche Beifalls- und Mißfallenskundgebungen auf der Zuschauertribüne zum Ausdruck gebracht werden. Das gilt auch für das Präsidium. Deswegen möchte ich Sie sehr herzlich bitten, sich an diese Ordnung zu halten.
Das Wort hat der Abgeordnete Jaunich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Jaunich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser außergewöhnlichen Stunde ist es sicherlich erlaubt, auch von hier aus die Vielzahl unserer Gäste aus dieser ethnischen Minderheit in besonderer Weise zu begrüßen.

    (Beifall)

    Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erblickt in dem heutigen Tag, an dem zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über dringende Fragen dieser ethnischen Minderheit im Deutschen Bundestag debattiert wird, einen Tag von historischer Bedeutung. Dieser Bewertung kann man nur zustimmen — spät, für manche dieser unserer Mitbürger, die durch das Inferno der NS-Barbarei gegangen sind und überlebt haben, leider zu spät, und keiner von uns hier im Deutschen
    Bundestag ist daran ohne Schuld. Es ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, daß sich erst Anfang der 80er Jahre in den Landtagen, aber auch hier im Deutschen Bundestag Fraktionen mit diesen Fragen beschäftigt haben, daß es erst zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Interessenvertretung dieser Volksgruppen gegeben hat.
    Wenn es richtig ist, daß man die demokratische Substanz einer Gesellschaft u. a. daran erkennt, wie sie mit Minderheiten umgeht, haben wir, wenn wir uns vor Augen führen, welches Unrecht an Sinti und Roma begangen wurde und teilweise immer noch begangen wird, ernsthaft Grund, uns um die demokratische Substanz unserer Gesellschaft Sorgen zu machen.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

    Um so wichtiger ist es, daß wir als Deutscher Bundestag in seiner Gesamtheit uns bewußt sind, was wir auch als Akt der Wiedergutmachung an Sinti und Roma noch zu leisten haben.

    (Vorsitz : Vizepräsident Stücklen)

    Die diesem Parlament zur heutigen Debatte vorliegenden Anträge bieten eine Grundlage, auf der wir in kürzester Zeit zu Beschlüssen kommen müssen, die dem Schicksal und den verfolgungsbedingten Leiden dieser Gruppe angemessen sind.
    Ich bin sehr dafür, daß wir die heutige Debatte nicht nutzen, um uns polemisch auseinanderzusetzen. Ich habe eben betont, daß wir alle ein Teil Schuld daran tragen, daß wir uns als Parlament, zumindest hier im Plenum, erst jetzt erstmalig mit solchen Fragen beschäftigen.
    Aber ich will eine Bitte, eine Hoffnung, einen Wunsch ausdrücken. Ich hoffe zuversichtlich, daß das, was Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, in Ihrem Antrag ausgedrückt haben, nicht Ihr letztes Wort sein möge.
    Ich will anhand unseres Antrages auf Drucksache 10/4127 die Schwerpunkte dieser zu leistenden Arbeit kurz aufzeigen. Zunächst aber noch eine Vorbemerkung.
    Da wir in unserem Antrag vom Deutschen Bundestag erwarten, daß er seine Besorgnis darüber zum Ausdruck bringt, daß es manchen Bürgern und manchen Behörden offenbar schwerfällt, in Sinti und Roma gleichberechtigte Mitbürger zu sehen, will ich versuchen, kurz zu erläutern, was wir damit meinen. Vieles ist schon gesagt worden. Aber es ist einfach nicht hinnehmbar, daß Darstellungen in den Medien von Fehlverhalten einzelner Angehöriger dieser Volksgruppe — und hier richte ich mich also an die Journalisten aller Medien — dazu benutzt werden, auch die Volksgruppenzugehörigkeit einfließen zu lassen, weil man eben wissen muß, was sich damit verbindet, nämlich die Zementierung von Vorurteilen.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)




    Jaunich
    Wenn auch Polizeiberichte in dieser Art abgefaßt werden, ist es höchste Zeit, daß wir alle darauf Einfluß nehmen, daß so etwas für die Zukunft abgestellt wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, worum geht es im wesentlichen? Ich kann in der Kürze der Zeit nur Schwerpunkte nennen.
    Erstens zum Sozial- und Entschädigungsbereich: Durch die unverständliche und von uns zu bedauernde Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 1956, nach der vor dem sogenannten Auschwitz-Erlaß vom 1. März 1943 sicherheitspolitische Gründe für die gegen Sinti und Roma ergriffenen Maßnahmen bestimmend gewesen seien, ist für diese Personengruppe ein weitgehender Ausschluß von den Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz bewirkt worden. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren. Natürlich sind sie formal eingebunden in die Regelungen des Bundesentschädigungsgesetzes, aber durch diese obergerichtliche Feststellung waren viele gehindert, ihre berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Wenn wir uns dann die besonderen Lebensumstände dieser Volksgruppe noch vor Augen führen und fernerhin berücksichtigen, daß sie keine schlagkräftige Organisation zur Anmeldung und Durchsetzung von Ansprüchen hatten, und uns bewußt ist, daß es das BEG-Schlußgesetz gab, nach dem Anträge nach dem BEG nicht mehr zulässig waren, wird uns klar, daß es einen Handlungsbedarf gab, insbesondere auch für diese Volksgruppe zu Regelungen zu kommen.
    Ich verhehle nicht, daß die Angehörigen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, die seinerzeit dankbar waren, daß die sozialliberale Regierung eine Abschlußgeste konzipiert hatte, mit dem Verlauf und mit der Praxis, die sich dort entwickelt hat, nicht voll zufrieden sind und nicht voll zufrieden sein können.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

    Deswegen sind die Richtlinien zur Überarbeitung fällig. Dieser Aufgabe muß sich die Bundesregierung stellen. Ich habe mit Befriedigung vermerkt, daß der Herr Bundeskanzler mit seiner Amtsautorität in seinem Beitrag Worte gefunden hat, die dem nicht entgegenstehen können. Allerdings läßt das, was Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Voss, in dem Fernsehbeitrag, der vorigen Sonntag ausgestrahlt worden ist, dazu gesagt haben, diese Sensibilität vermissen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Von großzügiger Entschädigungspraxis kann nicht die Rede sein.
    Auch wir begrüßen, daß dem Bundesrat eine vom Land Niedersachsen ausgehende Initiative vorliegt, die die Anrechnung für die Zukunft ausschließen soll. Nur betrachten wir dies als eine Grundlage, auf der wir im zuständigen Ausschuß noch vertiefend arbeiten müssen. Denn die Forderung der Betroffenen, ein bißchen auch daran zu denken, daß sie durch Anrechnungsbestimmungen jahrzehntelang davon ausgeschlossen waren, können wir nicht einfach dadurch aufheben, daß wir sagen: Dieses Gesetz tritt am Soundsovielten in Kraft. Ich glaube, wir müssen uns in diesem Zusammenhang schon Gedanken über eine Rückwirkung machen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Im übrigen sind es nicht nur die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, die nicht anzurechnen sind, sondern wir haben dabei auch zu überprüfen, welche anderen staatlichen Leistungen gefälligst nicht angerechnet werden sollten, damit Ver- folgte, die spät und sehr spät zu materiellen Entschädigungsleistungen gekommen sind oder künftig noch kommen sollen, davon auch wirklich etwas haben. Wir sind uns dessen bewußt, daß man mit diesen materiellen Leistungen das, was ihnen widerfahren ist, nicht wiedergutmachen kann. All dies können nur bescheidene Beiträge sein.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn wir in unserem Antrag fordern, daß dem Beirat, der beim Bundesminister der Finanzen zur Vergabe der Mittel aus § 8 der Richtlinien — sogenannter Härtefonds — gebildet ist, ein Vertreter dieser Volksgruppe angehören soll, dann korrigieren wir damit eigenes Fehlverhalten aus der Vergangenheit genauso, wie wir Sie bitten, nicht auf einem solchen falschen Standpunkt zu beharren. Denn wenn diese Personengruppe — das hat heute niemand bestritten und kann niemand bestreiten — in besonderer Weise fortwirkend über 1945 hinaus zu leiden hatte, dann müssen wir auch durch eine solche Beteiligung, durch eine solche Einbindung in die konkrete Praxis unseren Beitrag zu leisten versuchen. Meine herzliche Bitte: Verschließen Sie sich dem nicht!

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben neben diesen Sozial- und Entschädigungsfragen auch im innenpolitischen Bereich Maßnahmen zu ergreifen — auf einige ist hier eingegangen worden —, und zwar bei den Nachrichten- und Informationssystemen der staatlichen Stellen. Wir müssen höllisch aufpassen, daß nicht synonyme Begriffe eingeführt werden, die wiederum nur zur Diskriminierung ethnischer Minderheiten und Volksgruppen mißbraucht werden können. Da sind durch die bisher erfolgten Beschlüsse von Innenministerkonferenz und Arbeitsgemeinschaft Kripo noch nicht alle Fallstricke ausgeräumt, meine Damen und Herren. Wir sollten uns hier keine falschen Hoffnungen machen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn es um Statusfragen geht, dann meine ich auch, wir sollten förmlich anerkennen, daß es hier in unserem Volk eine ethnische Minderheit gibt. Die Definition der Vereinten Nationen ist exakt auf diese Gruppierungen anzuwenden; denn es sind Gruppierungen mit eigener Kultur und eigener Sprache. Von daher ist die Anerkennung als ethnische Minderheit nicht nur gerechtfertigt, sondern



    Jaunich
    nach meiner Auffassung auch rechtlich durchaus begründet.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen, meine Herren, es gibt darüber hinaus noch eine Vielzahl von Dingen — einige davon sind angesprochen worden —, z. B. die Einrichtung des Dokumentations- und Kulturzentrums. Wie Herr Dr. Vogel bereits gesagt hat, muß gewährleistet sein, daß all das, was an Schrecklichkeiten in sogenannten Zigeunerakten vorhanden war und vorhanden ist, sichergestellt wird, erstens für Forschungszwecke und zweitens, damit nicht erneut Mißbrauch damit getrieben werden kann.
    Meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir miteinander feststellen, daß wir hier spät, allzu spät ans Werk gehen, verbinde ich damit die Hoffnung und die Bitte, daß es uns gelingt, die noch offenen Fragen in relativ kurzer Zeit zu einem befriedigenden Ergebnis zu bringen, das dann auch den Ansprüchen gerecht wird, die in dieser Debatte quer durch alle Fraktionen erhoben worden sind. Es wäre fürchterlich, insbesondere für die Angehörigen dieser Volksgruppe, wenn den Reden, die wir hier heute gehalten haben, nicht in absehbarer Zeit die Taten folgen würden.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)