Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten müssen, heißt — man höre zu — „Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung des schadstoffarmen Personenkraftwagens". Mit einem Gesetz, genauer gesagt: mit dem Instrument eines Steuergesetzes, soll erreicht werden, daß es mehr und mehr abgasarme Pkws auf deutschen Straßen geben soll. Das ist klug formuliert, denn wenn das Gesetz den Namen hätte „Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Senkung von Kfz-Emissionen", müßte die Bundesregierung
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1985 9921
Lennartz
zugeben, daß das Ziel des Gesetzes nicht erreicht worden ist.
Die jetzige Bezeichnung besagt nur, daß das abgasarme Auto gefördert werden soll. Das ist ein feiner, aber bedeutungsschwerer Unterschied.
Die Frage ist nämlich zu stellen: Was ist ein abgasarmer Pkw?
Das weiß niemand. Was jeder weiß, ist, daß Ihr Vorschlag zur Förderung von abgasarmen Pkw noch lange keine Senkung der Kfz-Emissionen mit sich bringt.
Was ist das für ein Gesetz, meine Damen und Herren, daß die Auspuffschadstoffe reduzieren will, aber in Wirklichkeit erhöht? Die einschlägigen Institute in der Bundesrepublik Deutschland haben Ihnen das bestätigt, daß sich der Stickoxidausstoß des Kraftfahrzeugverkehrs bis in die 90er Jahre stetig erhöhen wird.
Das ist Ihre Politik. Dafür, Herr Innenminister, haben Sie monatelang die Republik auf den Kopf gestellt.
Überhaupt haben Sie in den letzten Monaten, was das Thema Kraftfahrzeug und Waldsterben angeht, nur Schau gemacht und die Bevölkerung geblendet.
Ihr Großversuch in Sachen Tempolimit kostet viel Geld und dauert lange, obwohl jeder weiß, daß ein Auto bei hoher Geschwindigkeit mehr Schadstoffe ausstößt als bei niedriger Geschwindigkeit.
Die jährliche Abgassonderuntersuchung, die am 1. April — welch ein bezeichnendes Datum — in Kraft getreten ist, bringt außer einer Menge Aufwand und zusätzlichen Kosten für die Autofahrer nur einen nennenswerten Effekt: Durch die Motoreinstellung wird der Stickoxidausstoß erhöht. Das ist Ihr zusätzlicher Beitrag, Herr Innenminister, zum Waldsterben, der sich leider Gottes sehen lassen kann. Sie waren über diesen Tatbestand, daß der Stickoxidausstoß durch dieses Gesetz gefördert, erhöht wird, informiert. Ich habe Sie an dieser Stelle im Deutschen Bundestag im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht. Mir liegt ein Schreiben des Verkehrsministers aus dem gleichen Zeitraum vor, der ebenfalls auf den erhöhten Stickoxidausstoß nach der Motoreinstellung aufmerksam gemacht hat. Sie hielten es allerdings für angebracht, 25 Millionen Pkw-Halter jährlich in die Werkstätten und zum TÜV zu jagen und 660 Millionen DM bezahlen zu lassen, um Ihren umweltpolitischen Aktivismus hier unter Beweis zu stellen. Die Abgassonderuntersuchung ist verfassungsrechtlich
bedenklich, weil sie den Autofahrern Belastungen zumutet, die in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen. Sie riskieren Hunderte und Tausende von Klagen, und Sie können vom Verfassungsgericht zur Nachbesserung der Verordnung gezwungen werden. Das hat Sie, meine Damen und Herren, sehr wenig interessiert. Wie sollten Sie sich auch die Lust am Regieren von verfassungsrechtlichen oder umweltpolitischen Bedenken irgendwie vermiesen lassen!
Der dritte Akt: die Mineralölsteuer, deren Spreizwirkung völlig unzureichend ist.
Heute ist doch der Tatbestand zu verzeichnen, daß bleifreies Benzin noch immer der teuerste Treibstoff in dieser Republik ist.
Die Schweizer senken den Steuersatz für bleifreies Benzin um über 10 Pfennig je Liter. So arbeitet man, wenn man wirklich eine Preisparität erreichen will. Doch Sie hatten bei der Änderung der Mineralölsteuer keine umweltpolitischen, sondern haushaltspolitische Motive.