Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Vogelsang, ich weiß nicht, wen Sie mit der „anderen Seite" gemeint haben. Muß ich mich zu der anderen Seite rechnen? — Dann will ich gerne dazu Stellung nehmen.
— Mit Schreien haben wir Probleme noch nie gelöst. Darf ich hier auch einmal ein paar Gedanken entwickeln. Danke schön.
Herr Vogelsang hat gesagt, wir sollten warten, bis das Bundesarbeitsgericht weitere Entscheidungen getroffen hat. Weil aber die Arbeitsgerichte sich immer wieder und in zunehmendem Maße mit diesen Problemen beschäftigen müssen, denke ich, liegt doch ein Regelungsbedarf vor. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, diesem Regelungsbedarf zu entsprechen.
Dies tun wir mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf.
Ich höre immer: die Interessen der anderen Seite. Ich möchte einmal wissen, wer das ist. Wenn ich das so betrachte, ist das offensichtlich nur die Bürokratie, die Verwaltung von Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Wenn wir als Professoren gerade einem Mitarbeiter noch helfen wollen, weil er in einer von der Verwaltung festgesetzten kurzen Vertragsfrist — wir möchten manchmal gerne länger — nicht mit seiner Arbeit fertig wird, und wir um ein halbes Jahr Verlängerung nachsuchen, wird uns dies versagt mit dem Hinweis darauf: Dies ist ein Kettenvertrag, und es besteht die Gefahr, daß der Mann dann anschließend vor dem Arbeitsgericht auf Daueranstellung klagt.
Wem helfen wir also? Wo ist eigentlich die andere Seite? Denken wir doch daran und gehen wir davon aus, daß wir hier jungen Leuten, jungen Nachwuchswissenschaftlern helfen wollen. Nicht nur diejenigen, die drin sind, sollen eine Chance haben, sondern auch Nachwuchskräfte sollen weiterhin eine Möglichkeit haben, in dieses Unternehmen
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1985 9891
Dr.-Ing. Laermann
Wissenschaft und in die wissenschaftliche Entwicklung einzutreten.
Da geht es nicht darum, hier das Prinzip Hoffnung darzustellen, sondern da geht es wirklich darum, mit diesen Maßnahmen Rechtsunsicherheit für den wissenschaftlichen Nachwuchs, für die wissenschaftlichen Angestellten konkret zu beseitigen. Das ist der Kernpunkt des ganzen Unternehmens. Ich möchte das noch einmal deutlich herausstellen.
Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist ein wesentliches Instrument zur Erhaltung der Funktions- und Erneuerungsfähigkeit der Hochschulen und im Wissenschaftsbereich. Befristete Arbeitsverhältnisse sind im Bereich der Forschung nicht Ausnahmefall — das ist hier deutlich dargestellt worden —, sondern es ist ein reguläres Instrument zur Erfüllung der wissenschaftlichen Aufgaben und zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Der Staat hat auch nach dem Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichtes von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, daß die Funktionsfähigkeit einer wissenschaftlichen Einrichtung gewährleistet ist. Dazu gehören auch Vorkehrungen für den Einsatz des wissenschaftlichen Personals. Ich füge hinzu: Das hat nichts damit zu tun — dem wird hier nicht das Wort geredet —, daß wir sagen: Wir wollen jetzt schrankenlos die Zulässigkeit von Zeitverträgen hier durchsetzen. Wir wollen vielmehr das Instrument, das da ist, verbessern, wir wollen Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen, wir wollen verhindern, daß sich die zweite und dritte Qualität über solche Möglichkeiten auf Dauer einklagt; denn die guten und die besten Leute des wissenschaftlichen Nachwuchses haben auch in anderen Bereichen immer noch eine Chance. Es würde nicht einer verantwortungsvollen Politik für die Zukunft unserer Wissenschaftslandschaft entsprechen, wenn wir hier nicht steuernd eingriffen.
Die Hochschulen und die Wissenschaftsorganisationen haben in den Anhörungen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft im Februar 1984, des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung im Januar 1985 und schon Jahre vorher die zunehmende Rechtsunsicherheit beim Abschluß von Zeitverträgen beklagt. Ich kann aus der eigenen praktischen tagtäglichen Erfahrung nur noch einmal darlegen, welche Schwierigkeiten wir mit den Hochschulverwaltungen haben, um wirklich jungen Leuten, Nachwuchskräften im Sinne unseres originären Auftrages zu helfen. Diese Rechtsunsicherheit soll für den Wissenschaftsbereich durch dieses Gesetz beseitigt werden. Dabei haben wir uns bemüht, eine sachgerechte Abwägung zwischen den Belangen der Hochschulen einerseits und den wissenschaftlichen Mitarbeitern andererseits zu treffen.
Andererseits muß aber auch eine klare Regelung für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei Wegfall von Drittmitteln getroffen werden. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, daß gerade dieses Problem gelöst wird; denn auch aus der öffentlichen Hand heraus erteilte Forschungsförderung, Projektmittel über das Landesamt für Forschung, über das Forschungsministerium, über die DFG sind zeitlich befristet, und da die Mittel zeitlich befristet sind, wird keine Hochschulverwaltung, keine Wissenschaftsverwaltung hingehen und etwa Arbeitsverträge abschließen, die über den Zeitraum dieser bewilligten Mittel hinausgehen. Hier wollen wir auch dafür sorgen, daß nun die Möglichkeit besteht, die Leute über die Gesamtlaufzeit eines Projektes einzustellen und die Einstellung nicht davon abhängig zu machen, wie und ob am Ende eines Jahres auch eine Fortsetzung der Förderung erfolgt.
Ich habe am 31. Dezember schlaflose Nächte, weil ich nicht weiß, ob solche Leute, die ich hier fördern will, am 1. Januar dann auch noch eine Arbeit haben. Es ist geradezu grotesk: Wenn dann ein wissenschaftlicher Nachwuchsmann bereit ist, als Arbeitsloser auch einmal eine befristete Zeit an der Hochschule tätig zu sein, weil er sagt, er hat die ganze Infrastruktur zur Verfügung und kann sich seiner wissenschaftlichen Arbeit voll widmen, und ich ihn anschließend einstellen will, sagt mir die Hochschulverwaltung: Haben Sie nicht einen anderen? Der ist ja arbeitslos, und der wird in jedem Fall bei jedem Arbeitsgerichtsprozeß recht bekommen, weil er sich in der Notlage der Arbeitslosigkeit befand. Es ist doch geradezu grotesk, dann so zu verfahren. Wir wollen diese Verwaltungspraxis mit diesem Gesetz beenden. Wir wollen die Chancen in der Tat verbessern und nicht, wie hier dargestellt wird, der anderen Seite — nebulös, was das auch immer sein mag — hier einfach mehr Rechte gegenüber den Betroffenen geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesen Gründen sind wir mit Nachdruck dafür, daß dieses Gesetz in der vorliegenden Form so verabschiedet wird. Wir stimmen dem Gesetz jedenfalls zu.
Ich bedanke mich.