Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach sowiel armseliger Primitivphilosophie meines verehrten Vorredners
darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen lenken. Es ist ein dringend notwendiges Gesetz, weil erhebliche Rechtsunsicherheiten beseitigt werden müssen;
9888 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1985
Frau Dr. Wisniewski
Rechtssicherheit aber ist die Grundlage für die Schaffung und Bewahrung von Arbeitsplätzen.
Das Gesetz betrifft als Detailregelung lediglich eine Randzone der bisherigen Tarifregelungen. Insofern ist, glaube ich, die Aufregung, die im Zusammenhang mit dem Tarifrecht gelegentlich aufkommt, unbegründet.
Die bekannte bisherige Ausnahmeregelung im Tarifvertrag ist für den Bereich der Wissenschaft und namentlich in der Nachwuchsausbildung Grundlage für ein umfassendes reguläres Instrumentarium gewesen. Das Gesetz wird daher zuverlässig und eindeutig befristete Arbeitsverträge in Hochschulen und Forschungseinrichtungen ermöglichen und die notwendigen Grundlagen schaffen. Hochschulen, Forschungseinrichtungen, aber auch Museen, in denen Forschung betrieben wird, wird es damit ermöglicht, wissenschaftliche Mitarbeiter mit eindeutig befristeten Arbeitsverträgen einzustellen; ebenso kann das Gesetz für künstlerische Mitarbeiter, für das Personal mit ärztlichen Aufgaben und für Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben gelten. Dabei ist natürlich nicht — das wird in der Diskussion manchmal falsch dargestellt — ausgeschlossen, daß der umschriebene Personenkreis auch wie bisher in Dauerstellungen tätig sein kann. Das betrifft namentlich die Lektoren.
Für wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen und Forschungseinrichtungen reichen die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen nicht aus. Eine Vielzahl von Prozessen beweist das. So haben beispielsweise an der Universität Münster von 381 wissenschaftlichen Angestellten auf Zeitstellen 50 durch Gerichtsurteil unbefristete Verträge erlangt, an der Universität Bonn in den letzten Jahren von 188 Zeitangestellten 23. Vermutlich ist das ein Glück für die einzelnen Betroffenen, aber das ist gleichzeitig eine erhebliche Chancenminderung für die Generation nachfolgender junger Wissenschaftler. Sie hätten sich auf diesen Stellen weiter qualifizieren und ihre beruflichen Chancen wahrnehmen können.
Bedenklich sind auch die indirekten Folgen dieser unklaren Rechtslage. Statt fester Arbeitsverhältnisse werden heute vielfach nur Werkverträge oder Spezial-Aufträge, z. B. für Korrekturlesen, an den Hochschulen vergeben. Verträge, die risikoreich erscheinen, werden überhaupt nicht mehr abgeschlossen. Das betrifft vor allem auch qualifizierte Mitarbeiter, deren Verträge man gern verlängern würde, aber nicht zu verlängern wagt, um nicht die gesamte Stellenstruktur einer wissenschaftlichen Einrichtung zu gefährden. Deshalb ist so manches Forschungsprojekt nicht begonnen oder auch nicht fortgesetzt worden. Das heißt, die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen sind nicht wissenschaftsadäquat und behindern die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuches.
Deshalb ist das Handeln des Gesetzgebers dringend erforderlich.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt es daher, daß das heute zu verabschiedende Gesetz objektive und sicher anwendbare Entscheidungskriterien für das wissenschaftliche Personal festlegen wird.
Eine solche Sonderregelung ist besonders notwendig, weil Wissenschaft und Forschung eben nicht mit den Produktionsverhältnissen in der Wirtschaft, worauf die tarifvertraglichen Vereinbarungen ja grundlegend abzielen, vergleichbar sind.
Die Durchführung von spezifischen und zeitlich begrenzten Forschungsprojekten bedarf einer flexiblen Personalplanung. Befristete Arbeitsverhältnisse sind daher — es sei wiederholt — im Bereich der Forschung nicht der Ausnahmefall — und darauf zielen ja die vertraglichen Regelungen in den Tarifverträgen ab —, sondern sie sind ein notwendiges und reguläres Instrument zur Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben in Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Leistungsfähigkeit der Forschung hängt in nicht unerheblichem Maß von der Möglichkeit ab, wechselnde Forschungsprojekte mit entsprechend wechselnden Experten als Mitarbeitern durchzuführen. Das ist mit Sicherheit von hohem gesamtgesellschaftlichen Interesse.
Ebenso liegt die Gewährleistung der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Interesse der gesamten Bevölkerung. Die Nachwuchspflege im Bereich der Wissenschaft findet — das weiß man ja — unter schwierigeren Umständen als im normalen Berufsleben statt. Dort ist es selbstverständlich, daß Lehrlinge im Alter von 16 bis 20 Jahren stehen. Wissenschaftliche Nachwuchskräfte sind wesentlich älter, nämlich 25 bis 30 Jahre alt. Sie befinden sich aber in einer ähnlichen Anlernoder Weiterbildungsphase wie Lehrlinge — trotz ihres höheren Alters. Das Streben nach einer Dauerstellung ist für dieses Alter absolut natürlich, zumal wenn es sich dann auf 30 oder 40 Jahre zubewegt. Aber im allgemeinen Interesse muß dieses Streben nach Dauerstellungen hinter dem Anliegen zurücktreten, befristete Ausbildungsstellen im Interesse der Absolventen späterer Jahrgänge bereitzuhalten.
Die Frage, ob mit diesem Gesetz widerrechtlich in die Tarifautonomie eingegriffen wurde, ist mehrfach erörtert worden, zuletzt in einer Anhörung mit vier Sachverständigen aus dem Bereich des Arbeits- und Verfassungsrechts. Dabei ergab es sich, daß es geradezu die Pflicht des Gesetzgebers ist, Normen in einem Teilbereich des Arbeitslebens zu setzen, wenn Rechtsunsicherheit besteht und auf tarifvertraglichem Wege nicht beseitigt werden kann.
Es ist mehrfach versucht worden, zu vernünftigen tarifvertraglichen Regelungen zu kommen. Seit 1979 haben dies die Bundesregierungen versucht. Es konnte keine Einigung über solche Formulierungen erzielt werden. Dadurch sind die Schwierigkei-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1985 9889
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ten, wie ich sie soeben kurz andeutete, entstanden bzw. nicht beseitigt worden.
Das Gesetz über Zeitverträge für wissenschaftliches Personal bringt für die in erster Linie Betroffenen — das sind nicht die Professoren; denn diese sind bekanntlich Beamte —, also für die wissenschaftlichen Mitarbeiter, eine Reihe von Verbesserungen mit sich. Ohne Begründung kann ein Eingangsvertrag bis zur Dauer von zwei Jahren abgeschlossen werden. Daran kann sich ein Vertrag anschließen, der bis zum Abschluß eines Promotionsvorhabens dauern kann. Danach kann ein Fünfjahresvertrag abgeschlossen werden. Unterbrechungen bis zu zwei Jahren mit entsprechender Fristverlängerung sind für Auslandsaufenthalte, Familienpflege, Mutterschaft und Grund- und Zivildienst möglich.
Durch die neu eröffneten Möglichkeiten entsteht ein Instrument zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, das reichlich Zeit bietet, sich für geeignete Dauerstellungen zu qualifizieren und sich darum zu bewerben.
Zum erstenmal ist in einem Gesetz dieses Bereichs auch auf die besonderen Belange der Frauen bzw. der Männer, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben, Rücksicht genommen worden. Indirekt handelt es sich mit Sicherheit um ein frauenfreundliches Gesetz; denn Rechtssicherheit, Klarheit bei der Finanzierung von Stellen aus Drittmitteln und flexibles Offenhalten der Stellen werden dazu führen, daß Arbeitsplätze geschaffen werden. Daß Frauen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen besonders beliebt sind, wissen wir aus der Statistik. Damit eröffnen sich den Frauen auch mehr Aufstiegschancen durch Weiterqualifizierung für höhere wissenschaftliche Positionen, in denen der Frauenanteil dringend erhöht werden muß.
Ich komme zum Schluß. Das Gesetz wird mehr Rechtssicherheit bieten und damit mehr Stellen schaffen. Es wird zu mehr privatem Engagement in der Forschung führen. Damit wird mehr soziale Marktwirtschaft in den Bereich der Forschung und der Hochschulen einziehen. Dies ist dringend geboten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.