Rede von
Klaus
Lennartz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Bundesregierung mit ihren Katalysator-Beschlüssen die tatsächliche Senkung der Kfz-Emissionen praktisch auf die 90er
Jahre verschoben hat, versuchen wir heute, mit dem Instrument der steuerlichen Anreize schon für die 80er Jahre wenigstens eine spürbare Verbesserung zu erreichen.
— Herr Baum, auf diesen Zwischenruf werde ich noch eingehen.
Auf Grund Ihrer halbherzigen und nachlässig terminierten Vorgaben sind sogenannte zweitbeste Lösungen — wie Sie es hier auch vorgetragen haben, Herr Minister, und wie es hier und da heißt — längst nicht mehr möglich. Die große Verunsicherung der Konsumenten, die Sie mit einer sehr komplizierten Darbietung
eines einfach falschen — weil zu spät wirkenden — Beschlusses verursacht haben, können wir heute kaum noch beheben.
Ich kann Ihnen allein aus meinem engeren persönlichen Bekanntenkreis mehrere Personen benennen, die zögern, sich turnusgemäß ihren neuen Pkw anzuschaffen, weil sie nicht so recht wissen, was los ist.
— Was regen Sie sich eigentlich so auf? Ich brauche doch nur auf die Anmerkung des ADAC zu verweisen, die mittlerweile zurückgezogen worden ist. Gestern hatte ich ein Gespräch mit der Landesinnung des Kfz-Handwerks Nordrhein-Westfalen. Unterhalten Sie sich doch einmal mit den Obermeistern und den Meistern darüber, welche Verunsicherung Sie durch Ihre Beschlüsse bei den Konsumenten bewirkt haben! Das ist die Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren, ist diese Verunsicherungspolitik Ankurbelung der Wirtschaft, Steigerung der privaten Nachfrage, wie es in der Regierungserklärung angekündigt wurde? Nein, es handelt sich hier um eine einfache Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Automobilwirtschaft, verbunden mit einer zusätzlichen Schadstoffbelastung.
Es hat sich doch mittlerweile herumgesprochen, daß — nehmen wir mal einen 1400-ccm-Golf — allein der Anschaffungswert einer Katalysatorenausrüstung dreimal so hoch ist wie die jährliche Steuerersparnis, von den Betriebskosten, Herr Minister, einmal ganz zu schweigen.
Clevere Autohändler wissen diese Verunsicherung zu nutzen. In den vergangenen Wochen habe ich große Anzeigen gesehen — Herr Minister, ich habe mir erlaubt, Ihnen das einmal zuzuschicken —, in denen steht, daß sich auf Grund der Beschlüsse der Bundesregierung nun auch Privat-Leasing für
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Dezember 1984 8063
Lennartz
Pkw lohnt. Die Überschrift lautet: „Wir übernehmen Ihr Katalysator-Risiko." Das müßte doch auch Ihnen zu denken geben. Ja, meine Damen und Herren, Sie haben es geschafft, die Rettung des Waldes — in bester Absicht selbstverständlich — als Risiko für die Verbraucher auszugestalten.
Ja, so ist es. Nicht etwa als Risiko für den Bundesfinanzminister! Nein, der Bundesfinanzminister — das konnten wir gerade hören — ist sehr zufrieden. Ihr Zweipfenningsbeschluß — bleihaltig 2 Pf mehr, bleifrei 2 Pf weniger Mineralölsteuer — ist ja in Wahrheit nur dann aufkommensneutral, Herr Minster, wenn schon ab dem 1. Juli 1985 die Hälfte des gesamten Vergaserkraftstoffes bleifrei getankt wird. Da das auf keinen Fall so sein wird, besteht das Risiko des Bundesfinanzministers darin, bis dahin im Ungewissen darüber zu bleiben, ob er nun an der Rettung des deutschen Waldes 1985 nur 300 Millionen DM oder mehr verdienen wird.
— Wenn Sie sagen „Milchmädchenrechnung": Tanken 25 Prozent bleifrei, wird er ca. 310 Millionen DM, tankt niemand bleifrei, ca. 620 Millionen DM mehr bekommen. Das ist ganz einfach zu rechnen. Ich nehme an, in dem Hause sind die Rechnungen bereits durchgeführt worden.
Auch komplizierte Rechnungen, wie sie vorgelegt werden, können einfache Auswirkungen haben.
Herr Bundesfinanzminister, das sind schon ganz tolle Auswirkungen, wenn Sie in der Anfangsphase Mehreinnahmen von ca. einer halben Milliarde DM erwarten.
Weniger toll, aber einfacher für die Verbraucher, einfacher für die Produzenten und besser für den Wald wäre gewesen, den einstimmigen Beschluß des Bundestages vom 9. Februar 1984 umzusetzen, nämlich die obligatorische Einführung abgasentgifteter Autos vom Jahre 1986 an vorzusehen.
Statt dessen machen Sie Haushaltskonsolidierung, wo Sie Umweltpolitik machen sollen. Das wird der nächste umweltpolitische Flop Ihrer Regierungspolitik. Wenn Sie bei der Mineralölsteuerspreizung aufkommensneutral bleiben wollen, ermäßigen Sie doch einfach die Steuer auf bleifreies Benzin um 5 Pfennige und passen dann in den Folgejahren entsprechend dem wirklichen Aufkommen an. Dann wäre sie aufkommensneutral.
Die „schnellstmögliche Einführung des schadstoffarmen Kraftfahrzeuges" — so steht es schwarz auf weiß auf geduldigem Vorlagenpapier — haben Sie mit allen Kräften verhindert. Auch der vorliegende Gesetzentwurf bewirkt das alles andere als „schnellstmöglich".
— Hören Sie zu!
Sie haben erst Anfang November die EG-Notifizierung für die Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung angekurbelt. Stimmt das, oder stimmt das nicht? Dies offensichtlich zu spät eingeleitete Verfahren führt doch einfach dazu, daß Sie bereits auf EG-Ebene eine über dreimonatige Verspätung in Kauf nehmen müssen.
Die Umrüstung der über 22 Millionen Altfahrzeuge durch entsprechende Bauteile ist im Gesetzentwurf nur zu prüfen vorgesehen, genau wie der Herr Minister eben formuliert hat. Ich hätte nichts dagegen gehabt,
wenn diese Drucksache als Termin nicht den 28. November 1984, sondern den 28. November 1983 getragen hätte. Sie formulieren hier:
Die Bundesregierung prüft, ob die Schadstoffemissionen der Altfahrzeuge durch geeignete technische Einrichtungen vermindert werden können und ob auch für eine derartige Umrüstung eine Förderung in Betracht kommen kann.
Ja, entschuldigen Sie bitte, sind Ihnen denn nicht bekannt, auch nicht dem Herrn Miltner, der, heute morgen im „Kölner Stadtanzeiger" nachzulesen, davon sprach, daß nur ca. 8 Millionen Fahrzeuge umgerüstet werden könnten: die sogenannte Hochstromzündung, mit der alle Fahrzeuge mit Otto-Motor innerhalb kürzester Zeit umgerüstet werden könnten, die Abgasrückführung, durch die die Stickoxidemissionen bereits bei Umrüstung der Altfahrzeuge um 70 Prozent reduziert werden könnten? Das finden Sie in keiner Formulierung von uns, das können Sie vielmehr schwarz auf weiß vom TÜV München nachlesen. Der TÜV München bestätigt Ihnen, daß das möglich ist.
Nun sage ich: Die technologischen Voraussetzungen liegen doch vor, wir müssen nur in diesem Sinne handeln.
Dazu fordere ich Sie auf. Tun Sie es.
Wir hätten sogar ohne bleifreies Benzin die Möglichkeit dazu. Das geht sogar mit bleihaltigem Benzin. Trotzdem wäre eine 70 %ige Reduzierung möglich.
— So steht es schwarz auf weiß im Bericht des TÜV München. Es ist getestet, als einwandfrei und marktreif befunden worden.
Meine Damen und Herren, das sind die Faktoren, wobei man dann noch davon ausgehen muß — das sage ich sehr offen —, daß wir das auch noch exportieren könnten. Muß es denn sein, daß dies von zwei
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Unternehmen aus der Schweiz und Schweden importiert wird? Wir sollten dafür sorgen, daß dies so schnell wie möglich hier realisiert und dann für den europäischen Markt ein Exportschlager wird.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion unterstützen den Änderungsantrag des Bundesrates zu den Altfahrzeugen. Jeder, der sein Kraftfahrzeug mindestens zu 40 Prozent entgiftet, so, wie es in der EGVerordnung vorgeschrieben ist, soll einen angemessenen Steuernachlaß bekommen. Herr Minister, hier sind unsere Auffassungen deckungsgleich.
Über die Frage der Steuerentlastung werden wir uns, meine ich, auch noch finden.
Und ich sage sehr offen, Herr Minister: Zu dem, was Sie hier formuliert haben, werden wir Sie mittels eines Entschließungsantrags zu diesem speziellen Teil gerne beim Wort nehmen. Ich sage es einmal ganz locker: Wir werden Ihnen durch diesen Entschließungsantrag Beine machen.
Nun komme ich zum zweiten Punkt. Bleifreier Kraftstoff muß billiger angeboten werden als bleihaltiger. Das ist die Grundvoraussetzung. Dazu ist eine größere Spreizung — —
— Was sind Sie denn eigentlich so hektisch? Jetzt stimmen wir schon überein in der Entlastung. Das genügt Ihnen auch nicht. Was hätten Sie denn gerne?
Also großes Einvernehmen zwischen SPD und Regierung bei der Entlastung. Was wollen Sie noch mehr?
Meine Damen und Herren, noch einmal zum bleifreien Kraftstoff. Wir sagen als SPD-Fraktion, er muß preiswerter werden. Und hier sind wir der Auffassung — Herr Minister, da unterscheiden wir uns —, daß eine größere Spreizung bei der Mineralölsteuer sinnvoll wäre, als Sie sie in dem Gesetzentwurf mit vier Pfennig vorgesehen haben. Umweltpolitik wird und muß über den Preis gemacht werden und nicht nur über Ankündigen und Appelle.
Zusätzliche, flankierende Maßnahmen sind ebenso notwendig wie steuerliche Anreize. Das Angebot an bleifreiem Kraftstoff muß ausreichend und flächendeckend sein. Die wenigsten Bundesbürger sind in der Lage, wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident publikumswirksam bleifrei mit Katalysator vorzufahren. Sie haben nämlich nicht einen 150-Liter-Tank. Wir forden die Bundesregierung auf, zusammen mit der Mineralölindustrie ein Bund-Länder-Sofortprogramm aufzulegen, das den Aufbau eines Tankstellennetzes mit bleifreiem Kraftstoff fördert. Was wir von anderen fordern, sollten wir selbstverständlich auch tun. Wenn nicht in jeder größeren Gemeinde Zapfsäulen mit bleifreiem Kraftstoff stehen, werden alle anderen Anstrengungen vergeblich sein. Wenn die Mineralölwirtschaft erst den Kfz-Markt beobachtet, die Verbraucher das Tankstellennetz beobachten und die Automobilindustrie beide, dann wird sich auf dem Umrüstungssektor gar nichts tun, und die private Nachfrage nach abgasarmen Kraftfahrzeugen wird so niedrig bleiben wie heute.
Wir sind bereit, Herr Minister, steuerpolitische Maßnahmen mit zu tragen, die Emissionsminderungen bei den Personenkraftwagen nach sich ziehen. Wir sind der Ansicht, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung, wenn auch nur ungenügend, dazu beiträgt, obwohl die Regelung, die Sie für die Kfz-Steuer gefunden haben, besser ist als die früheren aus den unionsgetragenen Ländern. Wir fordern Sie allerdings auf, deutliche steuerpolitische Zeichen zu setzen, die gleichzeitig auch für das bleifreie Benzin dienlich sind und der Dringlichkeit des Vorhabens gerecht werden, nämlich dazu helfen, unsere Wälder zu retten. Handeln Sie! Wir sind bereit, Sie in diesem Sinne zu unterstützen.
Schönen Dank.