Rede von
Jürgen
Echternach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, ich halte es mit dem Kollegen Purps. Ich habe genauso wenig Zeit wie er.
Die Beschlüsse der Koalition im Haushaltsausschuß zu diesem Einzelplan markieren zwei wichtige neue Weichenstellungen im Bereich der Wohnungs- und Städtebaupolitik. Erstens wird der Bund ab 1986 im sozialen Wohnungsbau alle Mittel für das Ziel einsetzen, mehr Mitbürgern, gerade Mitbürgern mit mittlerem und kleinerem Einkommen, zu Wohnungseigentum zu verhelfen, und zweitens machen wir mit der kräftigen Erhöhung der Städtebauförderungsmittel deutlich, wo wir einen entscheidenden Schwerpunkt unserer künftigen Politik im Baubereich sehen.
nämlich in der Erneuerung unserer Städte durch eine humanere, durch eine umweltfreundliche Städtebaupolitik.
Zunächst zum Beschluß des Haushaltsausschusses zur künftigen Wohnungsbauförderung, die vom Kollegen Purps angesprochen worden ist: Der Verband des SPD-Kollegen Jahn hat ja noch vielmehr auf die. Pauke gehauen, hat wieder wie vor zwei Jahren versucht, Nebelkerzen zu werfen und bei den Mietern Angst zu erzeugen, aber ganz offensichtlich ohne Erfolg. Nicht nur, weil das Sprichwort zutrifft „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht", sondern auch deswegen, weil selbst sozialdemokratische Verantwortliche in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und in den Ländern der Auffassung gewesen sind, daß diese Kurskorrektur überfällig und nötig war.
Zunächst zu den Tatsachen: Der Beschluß des Haushaltsausschusses über die Umstellung der Wohnungsbauförderung bedeutet weder eine Streichung des Sozialwohnungsbaus noch auch nur eine Kürzung des sozialen Wohnungsbaues um eine einzige Mark.
— Nein, das ist richtig.
Beschlossen wurde nur, daß die Mittel für den sozialen Wohnungsbau des Bundes von gut 1 Milliarde DM in Zukunft nicht für Mietwohnungen und Eigentumsmaßnahmen, sondern nur für Eigentumsmaßnahmen eingesetzt werden, der Bund also sich dabei — —
— Der Haushaltsausschuß hat sich im Rahmen des Voranschlages der Regierung bewegt. Er hat nur die Verwendung verändert.
Das bedeutet also, daß wir gerade für die Einkommensschwächeren, die unter die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaues fallen, die bisher kein Eigentum im Wohnungsbereich erwerben konnten, eine zusätzliche Chance eröffnen. Für diesen Korrekturbeschluß war die veränderte Situation des Wohnungsmarktes entscheidend, der wir Rechnung tragen mußten.
Das Zweite Wohnungsbaugesetz, das seit mehr als 25 Jahren die Ziele der Wohnungsbaupolitik festlegt, sagt im § 1, daß es Ziel der staatlichen Wohnungsbauförderung ist, erstens, den Wohnungsmangel zu beseitigen, und, zweitens, für weite
7758 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984
Echternach
Kreise der Bevölkerung breitgestreutes Eigentum zu schaffen.
Das erste Ziel ist erreicht. Heute stehen mindestens 200 000 Mietwohnungen über längere Zeit leer. Im Durchschnitt stehen jeder Person über 34 qm Wohnfläche zur Verfügung. Bundesweit ist der Wohnungsmarkt ausgeglichen. Dazu hat sicher auch das Sonderprogramm der neuen Bundesregierung beigetragen.
Und wenn Sie sagen, Sie sähen im Wohnungsbereich keine Aufschwungtendenzen, muß ich darauf hinweisen, daß allein in der ersten Hälfte diesen Jahres
die Zahl der fertiggestellten Wohnungen von rund 64 000 auf rund 74 000 gestiegen ist, um mehr als 14 %, und dies auch in der zweiten Hälfte des Jahres anhalten wird.
Allerdings zeigen die rückläufigen Zahlen der Baugenehmigungen deutlich die wirkliche Marktsituation.
Es wäre schon finanziell nicht zu verantworten, den Mietwohnungsbau unbegrenzt weiter wie bisher zu fördern und dabei die Frage nach dem Bedarf auszuklammern.
Natürlich übersehen wir nicht, daß es trotz der bundesweiten Beseitigung des Wohnungsmangels erhebliche regionale Unterschiede gibt. Auch in Zukunft wird es in bestimmten Gebieten nötig sein, Mietwohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu fördern. Aber der Ausgleich dieser regionalen Unterschiede, Herr Kollege Waltemathe, kann nur regional erfolgen. Das ist Sache der Länder, die dafür nach dem Grundgesetz auch zuständig sind, und muß dort erfolgen, was auch sachgerecht ist, weil die Länder den regionalen Bedarf viel eher beurteilen und auch ortsnäher entscheiden können. Die Länder können dies auch finanziell um so leichter tun — im Blick auf die Bedenken des Kollegen Purps muß ich das feststellen —, weil der Bund sie durch die verstärkte Eigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau insoweit auch entlastet.
Wenn Herr Purps dennoch meint, die Länder brauchten dafür weiterhin die Unterstützung des Bundes, so muß ich darauf verweisen, daß die Länder selbst die Mittel für den sozialen Mietwohnungsbau kräftig gedrosselt haben, daß die Länder selbst im letzten Monat einstimmig beschlossen haben, den gesamten sozialen Wohnungsbau in Zukunft in eigener Regie zu übernehmen, weil sie offenbar überhaupt keine Hilfe des Bundes mehr dafür nötig zu haben glauben; so der Beschluß der Ministerpräsidenten vom letzten Monat.
Wenn auch das erste Ziel des Wohnungsbaugesetzes, nämlich die Beseitigung des Wohnungsmangels, erreicht ist, so bleibt die zweite Aufgabe doch unverändert aktuell, nämlich die Schaffung weitgestreuten Wohneigentums für breite Kreise der Bevölkerung. Sie wird zur zentralen Aufgabe der Wohnungsbauförderung der Zukunft. Über 70% der Bevölkerung möchten in eigenen vier Wänden wohnen. Weniger als 40% haben dieses Ziel bisher erreicht. Das ist auch im internationalen Vergleich eine viel zu niedrige Zahl. Dieses Auseinanderklaffen von Wohnwünschen auf der einen Seite und der Realität auf der anderen Seite ist noch auf lange Zeit die wichtigste Stütze für den Wohnungsbau. Es ist unser erklärtes Ziel, mindestens 50% unserer Mitbürger zu Wohneigentum zu verhelfen.
Mit der verbesserten steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums werden wir dafür eine wichtige Voraussetzung schaffen: Die abzugsfähigen Höchstbeträge werden erhöht. Familien mit Kindern werden besser als bisher gestellt. Die Besteuerung des selbstgenutzten Wohneigentums wird abgeschafft.
Die steuerlichen Verbesserungen wirken sich aber, wie Sie wissen, nicht für alle gleich aus. Daher müssen sie durch direkte Förderungsmaßnahmen zugunsten der Bezieher von kleinen Einkommen ergänzt werden. Mit diesem Haushaltsplan stocken wir deshalb die Mittel für die Eigentumsförderung gerade von Beziehern kleiner Einkommen durch unsere Umschichtungsmaßnahme kräftig auf. Es gehört zu den Ungereimtheiten sozialdemokratischer Politik, daß Sie diese verstärkte Einkommensförderung zugunsten Einkommensschwacher ablehnen und draußen in den Reden den gegenteiligen Eindruck zu erwecken versuchen.
Meine Damen und Herren, dabei kommt die verstärkte Förderung des Wohneigentums auch und gerade jenen zugute, die eine Mietwohnung suchen, denn regelmäßig macht der Bezieher eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung gleichzeitig eine preiswerte Mietwohnung frei.
Die erhöhten Mittel für die Eigentumsförderung, Herr Bundesbauminister, sollten für die Bundesregierung aber Anlaß sein, über die Ausgestaltung der Eigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau neu nachzudenken. Schon bisher klafft ein großer Widerspruch zwischen dem gesetzlichen Auftrag an die Wohnungspolitik, wonach die Wohnungsbauförderung überwiegend der Bildung von Einzeleigentum dienen soll, und der Tatsache, daß Bund und Länder dem Bauherrn einer Mietwohnung eine wesentlich höhere Unterstützung geben als dem Erwerber von Wohneigentum. Der Bauherr einer Mietwohnung erhält im Schnitt eine Unterstützung von 150 000 bis 200 000 DM, der Erwerber von Wohneigentum nur 35 000 bis 40 000 DM.
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Wir wissen zwar, daß Erwerber von Wohneigentum regelmäßig bereit sind, eine wesentlich größere finanzielle Belastung auf sich zu nehmen; aber diese Bereitschaft stößt seit geraumer Zeit, wie die steigende Zahl von Zwangsversteigerungen zeigt, auf immer größere Schwierigkeiten und auf objektive Grenzen. Dazu haben hohe Baukosten, hohe Zinsen und in den letzten Jahren gleichzeitig zurückgehende Realeinkommen beigetragen.
— In Ihrer Regierungszeit! Seit 1982 ist es besser geworden. Seit 1983 haben wir wieder steigende Realeinkommen. 1980, 1981 und 1982 hatten wir, wie Sie wissen, bei den Arbeitnehmern aber zurückgehende Realeinkommen. All das und vor allem die von Ihnen verschlechterte Bausparförderung wirkt sich in diesem Bereich natürlich aus. Deswegen sollten Bund und Länder gemeinsam die Förderungsbedingungen für den Eigentumserwerb im sozialen Wohnungsbau so verbessern, daß der weit verbreitete Wunsch nach eigenen vier Wänden in Zukunft auch wieder stärker in die Tat umgesetzt werden kann. Mit der Konzentration der Wohnungsbauförderung auf dieses Ziel schaffen wir — offenbar gegen Ihren Widerstand — dafür heute auch die notwendige finanzielle Voraussetzung.
Einen weiteren Beitrag werden wir dadurch leisten, daß wir die zehnjährige Bindungsfrist in der Bausparförderung wieder auf sieben Jahre zurückführen und damit den Fehler der alten Bundesregierung korrigieren und Bausparen wieder attraktiver machen
und so dafür sorgen, daß in Zukunft Bausparer wieder früher ein Bauspardarlehen erhalten können.
Der zweite wichtige Beschluß des Haushaltsausschusses zum Einzelplan ist die kräftige Erhöhung der Städtebauförderungsmittel. Dabei geht es uns auch um die schwierige Lage der Bauwirtschaft, die nicht nur dem Kollegen Purps, sondern auch uns Sorgen macht. Die Beseitigung des allgemeinen Wohnungsmangels schlägt sich natürlich auf die Nachfrage nach Wohnungen ebenso nieder, wie wir das in den letzten Jahren beim Wirtschaftsbau und bei den öffentlichen Investitionen der Gemeinden wegen der hohen Verschuldung erlebt haben. In diesen Bereichen sehen wir aber Besserungssignale. Die Sachverständigen sagen uns ein steigendes Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr voraus, was sich auch in den Auftragsbüchern der Bauwirtschaft niederschlagen wird. Wir erleben gleichzeitig bei den Gemeinden eine rapide zurückgehende Neuverschuldung, die auch den Gemeinden neuen Spielraum für Investitionen gibt.
Im Wohnungsbau ist die Lage sicher schwieriger, weil wir hier vor einer Phase der Normalisierung stehen. Aber kurzfristige Sonderprogramme würden der Bauwirtschaft nicht helfen, sondern nur wie Strohfeuer wirken und anschließend zu neuen Einbrüchen führen. Der Bauwirtschaft ist nur durch eine Verstetigung der Baunachfrage geholfen, also mit Programmen, die sich an der langfristigen Nachfrage orientieren. Dazu gehört an erster
Stelle die Städtebauförderung. Hier setzen wir an. Es gibt keinen anderen öffentlichen Investitionsbereich, der eine so hohe wirtschafts- und beschäftigungspolitische Bedeutung hat und in so starkem Maße direkte und indirekte Investitionen fördert.
Die Stadterneuerung und die Verbesserung des Wohnumfeldes sind die wichtigsten Zukunftsaufgaben unserer Städte. Es geht bei der Städtebauförderung ja nicht nur um die Erhaltung historischer Stadtkerne, es geht nicht nur um die Innenstädte, es geht darum, daß die ganze Infrastruktur der Städte verbessert wird, es geht um bessere Umweltbedingungen, es geht um die Senkung des Lärmpegels, es geht um bessere Bodennutzung, es geht gleichzeitig um Stadtökologie im engeren Sinne.
Es gilt vor allem, die Mammutsiedlungen der Nachkriegszeit nachzubessern, in denen ja nicht von ungefähr so viele Wohnungen leerstehen, sei es nun in Hamburg oder Berlin oder München. Sie gleichen sich alle, sei es Steilshoop in Hamburg oder sei es die Gropiusstadt in Berlin oder Neu-Perlach in München, überall grauer Beton, wo sich die Bewohner nicht mehr mit einem Stadtteil identifizieren können, wo ein Gefühl wie „Heimat" nicht hochkommen kann, wo Jugendkriminalität und Zerstörungswut um sich greifen und die Bewohner vielfach bindungslos nebeneinander leben. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, diese Mammutsiedlungen der Nachkriegszeit wieder in Ordnung zu bringen, um wieder mehr Menschlichkeit in unsere Städte zu tragen.
Ich komme zum Schluß. Dieser Haushaltsplan schafft den finanziellen Rahmen für die beiden wichtigsten Ziele der Wohnungs- und Städtebaupolitik: mehr Wohneigentum gerade für die Einkommensschwächeren und gesündere Wohnverhältnisse in den Städten. Die Koalition hat diesen Rahmen mit ihren Beschlüssen kräftig verstärkt. Wir werden deshalb dem Einzelplan des Bauministers gerne zustimmen.