Rede von
Dr.
Sabine
Bard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Auf das Thema ,,chemische Kampfstoffe" komme ich in diesem Zusammenhang leider Gottes gleich noch einmal zurück.
Der heutige Welttierschutztag ist für uns GRÜNE Anlaß, die anderen Parteien in diesem Hause einmal an die vielen Reden zu erinnern, die sie zur Beruhigung der Tierschützer draußen halten. Da ist immer viel von Einschränkung der Tierversuche die Rede. Die konkreten und wirksamen Vorschläge kamen bisher nur von außen, von den Tierschützern. Weder die letzte noch diese Regierung haben dazu konkrete Schritte unternommen. Vielleicht könnten wir heute in einem Bereich einmal anfangen.
Wir GRÜNEN treten für die Abschaffung der Tierversuche überhaupt ein. Wir halten Tierquälerei, zu welchem Zweck auch immer, für Tierquälerei und somit eigentlich für eine Kulturschande.
Wir schlagen Ihnen vor, mit einem ersten Schritt in dieser Richtung in dem Bereich größter Unerträglichkeit anzufangen, nämlich bei den Tierversuchen, die im Rahmen der sogenannten wehrmedizinischen Forschung gemacht werden. 20 000 Tiere sterben pro Jahr im Namen unserer sogenannten Verteidigungskraft. Was dies an Grausamkeit tausendfach bedeutet, will ich Ihnen nur mit einigen Beispielen andeuten. Tiere werden beschossen, werden dann operiert und werden beobachtet, bis sie qualvoll sterben. Tiere werden Detonationslärm ausgesetzt, bis die Trommelfelle platzen und Nervenfasern im Gehörgang kaputtgehen. Tiere werden mit Gift eingerieben oder müssen es einatmen, auch, bis sie qualvoll sterben und eingehen.
Diese Liste des Grauens läßt sich beliebig vermehren. Getestet werden sowohl konventionelle als auch atomare Waffen, biologische und chemische Kampfstoffe. Verteidigt werden diese Experimente — so sagte es auch der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach in der Fragestunde am 3. April dieses Jahres — mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Diagnose, der Therapie und der Schutzmöglichkeit der Soldaten und der Zivilbevölkerung. Ich kann einem solchen Gedanken überhaupt nicht folgen. Die Testung der Auswirkung von Waffen stellt für die Militärs doch vielmehr die Möglichkeit dar, eine Abschätzung dieser Waffensysteme vorzunehmen, und macht den Einsatz dieser Waffen erst möglich. So ist auch hier der Schritt vom Tierversuch zum Menschenversuch nicht weit. Und in der Tat ist dieser Schritt vollzogen worden.
— Herr Eigen, schauen Sie sich die Berichte an. Sowohl aus der Sowjetunion als auch aus dem Bereich der NATO-Staaten gibt es Versuche an Soldaten und auch an der Zivilbevölkerung, die davon gar nichts wußte. Diese Fälle sind belegt. Reichen uns denn eigentlich die Erkenntnisse über die Waffen und deren Folgen beim Menschen nicht aus, die tagtäglich in den vielen Kriegen gewonnen werden, die heute auf der Welt stattfinden? Müssen wir hier noch Tiere zusätzlich — nicht an Stelle — leiden lassen?
Besonders absurd wird das Argument des Schutzes im Falle der ABC-Waffen. Daß es gegen atomare Auswirkungen trotz aller wissenschaftlichen Forschung keinen Schutz gibt, zeigen uns die Toten von Hiroshima, wo bis zum heutigen Tage Jahr für Jahr Menschen an den Atombombenspätfolgen sterben. Kein Arzt hat etwas dagegen gefunden. Ähnliches gilt auch für die biologischen und chemischen Waffen, deren Entwicklung so rasant vorangetrieben wird, daß eine Abwehr zu spät käme. Tatsache ist, daß mit der Bereitstellung derartiger Stoffe für Tierexperimente, d. h. auch der biologischen und chemischen Kampfstoffe, die Bundesrepublik automatisch über das Know-how dieser Waffen verfügt. Bei biologischen und chemischen Waffen ist das Know-how das Wichtigere; die Produktion ist dann keine Schwierigkeit mehr.
Die Fragwürdigkeit der Übertragung dieser Versuche auf den Menschen, der Zwang, am Know-how dieser Stoffe teilzuhaben, lassen für uns nur den Schluß zu: es gibt nur eine Schutzmöglichkeit für den Menschen vor diesen Waffen, die Achtung.
Es ist überflüssig und gefährlich, Tiere hierfür leiden zu lassen. Das verstößt bereits gegen das jetzt geltende Tierschutzgesetz, worin es nämlich heißt: Tierversuche sind auf das notwendige Maß einzuschränken. Helfen Sie mit, diesem Ärgernis in diesem Bereich ein Ende zu machen, wie es viele Tierschützer in diesem Lande von uns erwarten.