Rede von
Dr.
Rainer
Barzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, möchte ich auf unserer Ehrentribüne Frau Jutta Ehlers herzlich begrüßen.
Frau Ehlers, Sie sind hier nicht vergessen, wie auch Ihr Mann, dessen wir heute in schlichten Worten gedenken wollen.
Am 1. Oktober 1984 wäre Hermann Ehlers, der zweite Präsident des Deutschen Bundestages, 80 Jahre alt geworden. Am 29. Oktober 1954 verstarb er unerwartet. Die allermeisten empfanden damals, was Bundespräsident Theodor Heuss noch am Tage seines Todes erklärte: „Wir trauern vor diesem Toten um ein Stück deutscher Zukunft."
Dieser eigenwillige Mann war ein Vorbild. Es war ein Glücksfall für unser junges Parlament, als er am 19. Oktober 1950 zum Präsidenten gewählt wurde. Hermann Ehlers trug das Amt, prägte es, gab ihm Leben, Wirksamkeit und Würde. Ihm gelang es, dieses Ansehen auf das .Parlament und auf die Parteien zu übertragen — beide damals eher mißachtet als anerkannt. Unermüdlich warb er durch Wort und Schrift für die parlamentarische Demokratie. Darum lud er sehr bald auch Jugendliche in den Deutschen Bundestag ein. Entgegen mancherlei Warnungen setzte er die Rundfunkübertragungen wichtiger Parlamentsdebatten durch. Hermann Ehlers wußte, daß das Parlament in den Herzen der Bürger verankert sein muß. Das kann aber nur gelingen, wenn das Parlament die Demokratie lebt, gestaltet, trägt und ausfüllt, wenn es in offener und öffentlicher Debatte die Ohren und die Herzen der Bürgerinnen und Bürger erreicht.
Hermann Ehlers ist herausragend zu danken, daß der zweite Versuch der parlamentarischen Demokratie in Deutschland gelang. „Das Parlament soll eine Stätte nüchterner Arbeit sein, fern dem Pathos." Diese im Deutschen Bundestag ausgesprochenen Worte passen zu dem wuchtigen Bild von Hermann Ehlers, das dort im rechten Seitengang unmittelbar neben dem Plenarsaal hängt — und dort hängen nur zwei Bilder: Konrad Adenauer und Hermann Ehlers.
Hermann Ehlers übte sein Amt so erfolgreich aus, daß ihm bald eine breite Zustimmung aus allen politischen Richtungen zuteil wurde. Von ihm ging etwas aus, was ungewöhnlich war und Widerspruch oder Respekt erheischte — eine Art, die Zustimmung oder Ablehnung erzwang. Mir schien und scheint, daß sein Erfolg aus seiner Unbeirrbarkeit und seine Kraft aus seinem Glauben kam. Er wirkte als einer, der sagte, was er dachte, und dem man glaubt, was er sagt.
Dem Vaterland wollte er dienen, schrieb er in seinem Lebenslauf für das Abitur. Das hat er getan und sich, wie Carlo Schmid nach seinem Tode mit Zustimmung des ganzen Parlaments feststellte, „um das Vaterland verdient gemacht".
Heute danken wir mit Respekt und Sympathie Hermann Ehlers. Wir wollen die Erinnerung an diesen großen deutschen Demokraten wachhalten und sind dankbar, daß wir das in Ihrer Gegenwart tun dürfen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt 4 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Konferenz zwischen den Mitgliedstaaten der EG sowie Spaniens und Portugals mit den Staaten Mittelamerikas und den Contadora-Staaten in San José am 28./ 29. September 1984
Interfraktionell ist eine Aussprache von einer Runde verabredet. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.