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ID1008506800

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    Plenarprotokoll 10/85 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6147A Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung des Staates Kuwait und einer Delegation 6158 D Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6225 B Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984, ab 1. Januar 1986 nur noch abgasentgiftete Kraftfahrzeuge neu zuzulassen Dr. Vogel SPD 6147 B Schmidbauer CDU/CSU 6148 B Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 6149 C Hoffie FDP 6150 D Schäfer (Offenburg) SPD 6151C Hanz (Dahlen) CDU/CSU 6152 C Baum FDP 6153B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6154A Dr. Hauff SPD 6155A Dr. Lippold CDU/CSU 6156A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 6157 A Duve SPD 6158 D Fellner CDU/CSU 6159 D Lennartz SPD 6160 D Jung (Lörrach) CDU/CSU 6161C Erste Beratung des von den Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Tietjen, Bernrath, Duve, Frau Dr. Hartenstein, Jansen, Kiehm, Dr. Nöbel, Dr. Penner, Reuter, Schröer (Mülheim), Wartenberg (Berlin), Dr. Wernitz, Paterna, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1115 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1316 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN zum Gesetz über Personalausweise — Drucksache 10/1016 — Schäfer (Offenburg) SPD 6162 C Dr. Miltner CDU/CSU 6166 B Dr. Hirsch FDP 6169 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 6171 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 6175 D Wartenberg (Berlin) SPD 6179A Clemens CDU/CSU 6180 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes — Drucksache 10/1180 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/2386, 10/1719 — in Verbindung mit Beratung des Sechsten Tätigkeitsberichts des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksache 10/877 — Dr. Wernitz SPD 6182 D Dr. Laufs CDU/CSU 6186 B Dr. Hirsch FDP 6189 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6191 D Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 6193 D Fellner CDU/CSU 6197 D Baum FDP 6198 A Dr. Blank CDU/CSU 6200 B Stellung und Arbeit des Deutschen Bundestages Dr. Barzel CDU/CSU 6202 A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6204 C Waltemathe SPD 6206 C Dr. Langner CDU/CSU 6208 B Frau Nickels GRÜNE 6210A Frau Geiger CDU/CSU 6211 B Dr. Vogel SPD 6213 A Dr. Lammert CDU/CSU 6215A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 6216D Kleinert (Hannover) FDP 6218 D Stratmann GRÜNE 6220 B Klein (München) CDU/CSU 6222 C Conradi SPD 6223 D Ertl FDP 6225 C Dr. Daniels CDU/CSU 6227 A Kuhlwein SPD 6228 B Werner CDU/CSU 6230 A Frau Dr. Hartenstein SPD 6231 D Dr. Czaja CDU/CSU 6233 D Dr. Schöfberger SPD 6235 C Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 6236 D Bamberg SPD 6238 C Dr. Blank CDU/CSU 6239 D Burgmann GRÜNE 6240 D Mischnick FDP 6242 D Buschbom CDU/CSU 6244 B Sielaff SPD 6246 A Schwarz CDU/CSU 6247 C Reimann SPD 6248 B Dr. Feldmann FDP 6249 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 6250 D Eylmann CDU/CSU 6251 D Bindig SPD 6252 D Reddemann CDU/CSU 6253 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6254 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 6255 B Stiegler SPD 6256A Lowack CDU/CSU 6256 D Schreiner SPD 6257 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 6258 C Toetemeyer SPD 6259 C Dr. Müller CDU/CSU 6259 D Dr. Hornhues CDU/CSU 6260 D Schulte (Unna) SPD 6261 B Gansel SPD 6262 B Vizepräsident Stücklen 6222 C Nächste Sitzung 6263 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6265* Anlage 2 Einstellung von Ingenieuren bei der Bundespost vor und ab 1984; Verzicht auf die Absenkung des Eingangsamtes MdlAnfr 5, 6 14.09.84 Drs 10/1979 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 6265* B Anlage 3 Stärkung des Zonenrandgebietes durch Verlagerung von Behörden MdlAnfr 7 14.09.84 Drs 10/1979 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 6265* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6147 85. Sitzung Bonn, den 20. September 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 21. 9. Buckpesch 21. 9. Büchner (Speyer) 21. 9. Dr. Göhner 20. 9. Haase (Fürth)** 20. 9. Dr. Häfele 21. 9. Jaunich 21. 9. Keller 21. 9. Dr. Kreile 21. 9. Frau Renger 21. 9. Reuschenbach 21. 9. Schmidt (Hamburg) 21. 9. von Schmude 21. 9. Frau Schoppe 21. 9. Frau Simonis 21. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 21. 9. Dr. Stoltenberg 21. 9. Tietjen 21. 9. Dr. Voigt (Northeim) 21. 9. Weiskirch (Olpe) 21. 9. Frau Dr. Wex 20. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Fragen 5 und 6): Wie entwickelt sich die Zahl der Einstellungen von Ingenieuren bei der Deutschen Bundespost im Jahre 1984 im Vergleich zu den vergangenen Jahren? Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, von der im Haushaltbegleitgesetz 1984 vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch zu machen und auf die Absenkung des Eingangsamtes zu verzichten? Zu Frage 5: Im Jahre 1984 konnten bei der Deutschen Bundespost bisher 374 Diplomingenieure der Fachhochschulen als Nachwuchskräfte für die Laufbahnen des gehobenen fernmeldetechnischen, posttechnischen und hochbautechnischen Dienstes eingestellt werden. Mit weiteren 200 Einstellungen wird 1984 gerechnet, so daß sich die Gesamtzahl der Einstellungen des Jahres 1984 auf rund 580 Nachwuchskräfte belaufen wird. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 929 Einstellungen, 1981: 1 033 Einstellungen, 1982: 1 043 Einstellungen und 1983: 904 Einstellungen. In die entsprechenden Laufbahnen des höheren technischen Dienstes der Deutschen Bundespost wurden im Jahre 1984 bisher 45 Diplomingenieure der Technischen Hochschulen und Universitäten eingestellt. Im Jahr 1984 wird mit weiteren 10 bis 15 Einstellungen gerechnet. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 56 Einstellungen, 1981: 88 Einstellungen, 1982: 66 Einstellungen und 1983: 63 Einstellungen. Zu Frage 6: Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob besoldungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Frage 7): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Zonenrandgebiet durch Verlagerung von wenig publikumsintensiven Behörden dorthin zu stärken, und wenn ja, was käme dafür in Frage? Die Verwaltungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland ist auf eine ausreichende und bürgernahe Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen ausgerichtet. Der förderative Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat dazu geführt, daß sich die Behörden nicht in einzelnen Gebieten konzentrieren. Für eine umfassende Verlagerung von Behörden besteht daher keine Veranlassung. Die Bundesregierung wird jedoch bei etwaigen Standortveränderungen darum bemüht bleiben, Bundesbehörden bzw. -einrichtungen in strukturschwache Gebiete, insbesondere in das Zonenrandgebiet zu legen, soweit keine aufgabenbezogenen Gesichtspunkte entgegenstehen. Bei Neugründungen von Bundesbehörden bzw. -einrichtungen ist Standorten im Zonenrandgebiet aufgrund des Raumordnungsgesetzes und des Zonenrandförderungsgesetzes Vorrang einzuräumen. Wie eine Umfrage bei den Bundesressorts gezeigt hat, werden neue Behörden nur noch in Ausnahmefällen errichtet. Deshalb kommt es derzeit besonders darauf an, Behörden und sonstige öffentliche Einrichtungen und damit Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet zu erhalten. Falls ein Behördenabzug aus gewichtigeren betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für unumgänglich erachtet wird, sind nach Möglichkeit durch flankierende Maßnahmen negative Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der für die Raumordnung zuständige Bundesminister wirkt im Rahmen der Abstimmung von Standortentscheidungen für Bundesbehörden bzw. -einrichtungen nach § 4 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes auf diese Zielsetzungen hin.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Axel Wernitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Einstieg in diese Debatte materiell zum Teil vorhin schon gehabt. Das ist kein Schade, sondern das verdeutlicht durchaus den gegebenen Zusammenhang. Lassen Sie mich aber nun konzentriert auf die jetzt aufgerufenen Tagesordnungspunkte eingehen.
    Wir Sozialdemokraten haben das Bundesdatenschutzgesetz bereits im Rahmen der seinerzeitigen parlamentarischen Beratungen und bei seiner Verabschiedung zu Recht als korrekturbedürftiges Regelungswerk angesehen. Ich hatte damals bei der dritten Lesung für die Bundestagsfraktion der SPD darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz ein Anfang sei und daß der Gesetzgeber bereit sein müsse, Merkposten für eine spätere Novellierung zu sammeln. Deswegen hatten wir eine ganze Reihe von Fragen zurückgestellt, über die seinerzeit noch keine Einigung erzielt werden konnte oder zu denen noch praktische Erfahrungen gesammelt werden mußten.
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6183
    Dr. Wernitz
    Damals wie heute ist aktuell, was der hessische Datenschutzbeauftragte einmal so formulierte — ich zitiere —:
    Je später der Gesetzgeber eingreift, desto schwerer gestaltet sich seine Aufgabe; die Revision bereits etablierter Informationsstrukturen stößt auf sehr viel mehr Widerstand und erfordert einen weitaus höheren Aufwand als die Formulierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine sich erst anbahnende Entwicklung.
    Das ist auch heute noch aktuell, ja, aktueller als jemals zuvor, weil Innenpolitik nicht nur im Bereich der Umweltschutzpolitik, sondern auch im Bereich der Datenschutzpolitik zuallererst Vorsorgepolitik sein muß.
    Die Zeit ist reif für eine Generalüberholung des Bundesdatenschutzgesetzes. Eine umfassende Datenschutznovelle ist ohne Zweifel das Gebot der Stunde.

    (Beifall des Abg. Schäfer [Offenburg] [SPD])

    Wir verfügen nicht nur über eine ausreichende praktische Erfahrung aus der Arbeit mit dem Gesetz — die Entwicklung im Datenschutzrecht der Länder ist vorangeschritten; Nordrhein-Westfalen
    — wir werden es nachher von Herrn Schnoor hören
    — geht jetzt ebenfalls noch einmal einige konkrete Schritte weiter —, sondern wir verfügen auch mit den sechs umfangreichen Tätigkeitsberichten des Bundesbeauftragten für den Datenschutz über eine Fülle von Material, das uns solide und eindringlich zugleich den Weg in Richtung auf Novellierung weist. Darüber hinaus könnte man auf die Literatur hinweisen, theoretisch-wissenschaftlich und praktisch orientiert, die dazu auch eine Fundgrube für parlamentarische Arbeit sein kann.
    Vor allem aber haben wir beim Datenschutz in der Gesetzgebung künftig folgende Vorgaben des Karlsruher Verfassungsgerichtsurteils vom — hier schon mehrfach zitierten — 15. Dezember 1983 konsequent zu beachten. Ich möchte diese wesentlichen Sätze hier einmal in unser aller Bewußtsein rufen.
    Erstens. Das Grundgesetz garantiert dem Bürger ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das im einzelnen die Befugnis gewährt, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, und das nur im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden darf. — Ich bestätige an dieser Stelle sehr gerne das, was einer der Kollegen hier gesagt hat, daß nämlich diejenigen das Karlsruher Urteil falsch interpretieren, die ausschließlich die eine Seite, bezogen auf die Individualrechte, sehen
    — das ist ganz wesentlich und hat eine Schubkraft für das Datenschutzrecht — und daneben nicht auch das zweite Standbein, nämlich das Eingebundensein des Individuums in die Gesellschaft und in die staatliche Gemeinschaft. Nur wenn man in der aktuellen politischen Diskussion beides zusammen sieht, angemessen gewichtet und wertet, wird man dem Urteil und den Konsequenzen gerecht, die daraus zu ziehen sind. Ich kehre nun zu den Grundsätzen zurück. —
    Zweitens. Voraussetzung für eine derartige Einschränkung ist eine gesetzliche Grundlage. — Das ist eine ganz wesentliche Aussage von Karlsruhe.
    — Der Staat muß dem Bürger klar sagen, für welche Zwecke er Daten von ihm fordert, und er ist an diese Verwendungszwecke gebunden.
    Drittens. Der Bürger muß bei der Datenerhebung über seine Rechte schriftlich belehrt werden.
    Viertens. Über die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage hinaus fordert das Gericht für eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vom Gesetzgeber, daß er mehr als bisher auch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen trifft, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes entgegenwirken.
    Fünftens. Für einen effektiven Schutz dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Kontrolle der Datenverarbeitung durch unabhängige Datenschutzbeauftragte von erheblicher Bedeutung.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Unabhängig!)

    — Unabhängig, natürlich. Wir werden das, was Sie, Herr Kollege Fischer, hier gesagt und wir seinerzeit auch diskutiert haben, wiederholen. Ohne unsere Arbeit im Parlament gäbe es das Institut des Bundesbeauftragten für den Datenschutz nicht.

    (Béifall bei der SPD)

    Das haben wir im Parlament durchgesetzt. Wir waren uns über die Probleme einer rechtsaufsichtlichen Zuordnung zum Bundesinnenministerium durchaus bewußt. Aber wir müssen auch bereit sein
    — da stimme ich Ihnen zu —, über weite Entwicklungen den anstehenden Aufgaben gerecht zu werden. Darüber muß man diskutieren und darüber kann und wird man auch diskutieren können, ohne Scheuklappen und ohne Einseitigkeit.

    (Zuruf des Abg. Dr. Laufs [CDU/CSU])

    Wir müssen in der Tat — Herr Laufs, da haben Sie recht — auch auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Rahmen der Gewaltenteilung achten. Da tauchen nicht ganz leicht zu lösende Probleme auf. Aber das werden wir in den parlamentarischen Beratungen umzusetzen haben. Ein Merkposten wichtiger Art ist es allemal.
    Wir Sozialdemokraten haben uns mit dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf zum Ziel gesetzt, die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Forderungen an die Datenverarbeitung anzupassen, die in der Praxis in den letzten Jahren erkennbar gewordenen Mängel zu beseitigen, einige in den letzten Jahren aufgetretene bedeutsame Streitfragen über die Prüfbefugnisse des Bundesbeauftragten für den Datenschutz auszuräumen und das Gesetz den neuen technischen Entwicklungen anzupassen. Ich kann und will hier heute nicht auf die Einzelheiten eingehen. Das
    6184 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984
    Dr. Wernitz
    würde den Rahmen einer ersten Lesung sprengen. Aber ich will doch einige Grundsätze hinzufügen.
    Die Grundlinien des Entwurfs sind dementsprechend eine Erhöhung der Transparenz der Datenverarbeitung für die Betroffenen, eine Stärkung der Rechtsstellung und Ausweitung der Befugnisse der Kontrollorgane, d. h. des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, der Aufsichtsbehörden und der betrieblichen Datenschutzbeauftragten, eine Verstärkung der Rechtsstellung der Betroffenen und — angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung ein ganz wesentlicher Punkt — besondere Vorschriften für die Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten sowie die Einführung der Mitbestimmung beim Einsatz von Personalinformationssystemen.
    Wir haben uns bei den mehrjährigen Vorarbeiten zu diesem Gesetzentwurf nicht nur auf die bereits erwähnten Materialien und Erfahrungen stützen können, sondern sind zu großem Dank auch all denen verpflichtet, die in einer entsprechenden Arbeitsgruppe der SPD mitgewirkt haben.
    Seit einem halben Jahr sind wir Sozialdemokraten bereit und in der Lage, die parlamentarische Arbeit zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes zügig in Angriff zu nehmen. Was haben demgegenüber Bundesregierung und Koalition bislang zum Thema Datenschutznovelle zu bieten?

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Nichts!)

    Bisher gab es nur einen Referentenentwurf von 1983, zu dem der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im sechsten Tätigkeitsbericht kurz und bündig, aber vernichtend wertet — ich zitiere —:
    Aus der Sicht des Datenschutzes ist festzustellen, daß der Entwurf den Erwartungen nicht entspricht.
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Seitdem wird wohl regierungsintern intensiv weiter geprüft und koalitionsintern verhandelt. Auch gibt es hin und wieder — nicht nur, aber auch von liberaler Seite — durchaus positive öffentliche Verlautbarungen und Forderungen zum Datenschutz. Ich erinnere hier an das, was der Bundesjustizminister dieser Tage mit dem Blick auf den privatwirtschaftlichen Bereich geschrieben oder veröffentlicht hat. Das ist sehr wichtig, und dem ist zuzustimmen. Aber im Grunde genommen wartet man, von solchen öffentlichen Äußerungen abgesehen, immer noch und leider vergeblich auf ein konkretes Ergebnis. Das ansonsten wenigstens ankündigungsfreudige Innenministerium bzw. die Bundesregierung sind in dieser Frage jedenfalls bis zu diesem Tag auf Tauchstation gegangen. Von politischer Führungs- und Entschlußkraft ist auch hier weit und breit nichts zu merken.

    (Beifall bei der SPD)

    Man darf gespannt sein, ob sich an Stelle der Bundesregierung die Koalitionsfraktionen in absehbarer Zeit auf eine Datenschutznovelle einigen, noch mehr darauf, wie deren konkrete Regelungen aussehen.
    Wir appellieren aber schon jetzt an Sie von den Koalitonsfraktionen, mit Ihrem eventuellen Gesetzentwurf über die Meßlatte der Datenschutzgrundsätze und -vorgaben des Karlsruher Urteils zu springen und Ihren Entwurf nicht mühsam und mit halber Kraft tief unter dieser Meßlatte hindurchzuschieben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie immer letztlich Ihr Entwurf zur Datenschutznovelle aussehen mag, alle Vorschläge, selbstverständlich auch der SPD-Entwurf, werden es sich gefallen lassen müssen, in einer breit angelegten Sachverständigenanhörung im Parlament — das heißt konkret: im Innenausschuß — auf ihre Substanz in Pro und Kontra abgeklopft zu werden. Wir alle sollten dementsprechend offen sein für zusätzliche Einsichten und Verbesserungen. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit mit der Datenschutzgesetzgebung wissen wir, daß gerade bei dieser Materie viel Beratungszeit benötigt wird. Bei realistischer Betrachtung haben wir noch gute zwei Jahre Zeit. Der um die Wahrung seiner Persönlichkeits-
    und Freiheitsrechte besorgte Bürger hat Anspruch auf unser aller parlamentarisches Handeln. Er hätte kein Verständnis dafür, daß es zu weiteren Verschleppungen kommt, die angesichts der gegebenen Situation voll zu Lasten dieser Koalition und Bundesregierung gingen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, neben dem Entwurf der SPD für eine Datenschutznovelle steht heute auch die Beschlußfassung zum Fünften Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz sowie die Überweisung des Sechsten Tätigkeitsberichts an die beteiligten Parlamentsausschüsse auf der Tagesordnung.
    Der Fünfte Tätigkeitsbericht enthält zum Abschluß der fünfjährigen Amtsperiode des ersten Bundesbeauftragten für den Datenschutz auch eine Bilanz über diesen Zeit- und Arbeitsabschnitt. Hier haben wir uns einvernehmlich auf eine Empfehlung einigen können, nämlich darauf, daß sich die Institution des BfD, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, bewährt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben dem Bundesbeauftragten für seine Arbeit in den letzten fünf Jahren einvernehmlich gedankt. Wir Sozialdemokraten tun dies hier noch einmal in besonderer Form. Denn wir wissen, daß die positive Wertung und der inzwischen erreichte hohe Stellenwert des Datenschutzgedankens entscheidend dem engagierten und sachkundigen Wirken von Professor Hans Bull in seinem Amt während dieser fünf Jahre zu verdanken ist. Dafür sprechen wir ihm von dieser Stelle noch einmal Dank und Anerkennung aus.

    (Beifall bei der SPD)

    Es würde den vorgegebenen Rahmen sprengen, hier alle insgesamt noch 25 Einzelempfehlungen anzusprechen. Wir haben einvernehmliche Punkte. Ich will hieraus wenige herausgreifen.
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6185
    Dr. Wernitz
    Wir halten es weiterhin für wichtig und richtig, wenn der Bundesbeauftragte für den Datenschutz auch künftig in seinen Tätigkeitsberichten unabhängig von der Kompetenzlage über wesentliche Entwicklungen im nichtöffentlichen Bereich berichtet.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Parlament muß auch über diesen Bereich, der in der weiteren Entwicklung für den Bürger immer mehr an Bedeutung gewinnt, informiert sein. Die Auseinandersetzungen und Diskussionen — nicht nur zum Thema Bankauskünfte — vor einigen Monaten sind ein aktuelles Beispiel hierfür.
    Meine Damen und Herren, leider ist es uns diesmal nicht gelungen — was die Beschlußempfehlung insgesamt angeht, muß die SPD mit einem Nein votieren —, anders als bei den Beschlußempfehlungen zu den bisherigen vier Tätigkeitsberichten, ein positives Gesamtvotum zu erreichen. Die Koalitionsfraktionen haben in einer ganzen Reihe für uns wesentlicher Fragen Positionen eingenommen, die nach unserer Auffassung, insbesondere vor dem Hintergrund des Karlsruher Volkszählungsurteils und der sich daraus für den Datenschutz ergebenden Konsequenzen, nicht tragbar waren. Auch hierzu nur einige wenige Stichworte.
    Da wird etwa bei dem Kontrollrecht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gesagt: Das muß für die Zukunft gewährleistet sein. Natürlich, selbstverständlich! Aber darum geht es ja nicht. Wenn es notwendig ist, so etwas in eine Beschlußempfehlung aufzunehmen, dann läßt das bestenfalls Rückschlüsse auf die Probleme innerhalb der Koalition zu, was den Verkehr der Fraktionen in der Koalition untereinander angeht. Für uns ist das selbstverständlich. Die Rechte müssen ausgebaut werden.
    Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die Kontrollbefugnisse des BfD nicht nur voll gewährleistet sein müssen. Wir wollen auch, daß die Dissenspunkte zwischen der Bundesregierung und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz geklärt werden, und wollten hier eine positive Aussage im Tätigkeitsbericht haben. Das haben die Koalitionsfraktionen leider nicht mitgemacht.
    Ein Punkt ist hier schon von anderer Seite angesprochen worden. Das ist das Thema ZEVIS, Zentrales Verkehrsinformationssystem. Hier waren wir der Meinung, daß es nicht nur genügt, zu fordern: Eine gesetzliche Grundlage tut not!, sondern wir haben seitens der Sozialdemokraten auf die bohrenden Fragen und Vorhaltungen des Bundesbeauftragten dann auch die Konsequenz gezogen und gesagt: Solange das keine rechtlich einwandfreie Grundlage hat, kann man das auch nicht anwenden. Sonst wird man unglaubwürdig und wird auch dem Karlsruher Urteil nicht gerecht. Zu dieser Konsequenz haben sich die Koalitionsfraktionen leider nicht verstanden.
    Es gäbe noch eine ganze Reihe weiterer Punkte, die ich hier nicht nennen möchte. Nur zur Rasterfahndung — Kollege Hirsch hat das, glaube ich, angesprochen —: Da haben die Kollegen im Rechtsausschuß gesagt, jetzt sei die gesetzliche Grundlage notwendig. Im Innenausschuß haben Sie sich mit Mehrheit diese Forderung, die wir Sozialdemokraten uns zu eigen gemacht hatten, nicht zu eigen gemacht

    (Zuruf von der SPD: Leider wahr! — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — selbstverständlich; lesen Sie es nach —, sondern eine sehr weiche Formulierung gewählt. Das ist nicht ausreichend. Hier ist Ihre Haltung zu weich.
    Aus alledem ist deutlich der Koalitionstrend zu erkennen. Sie fährt beim Datenschutz mit halber Kraft. Sie spitzt den Mund, aber sie pfeift nicht, wenn es gilt, die erforderlichen Konsequenzen aus dem Volkszählungsurteil für den Datenschutz zu ziehen. Mit unserem Nein gegen diesen Trend der Koalition setzen wir ein positives Signal für den effektiven Datenschutz. Wir werden sehen, ob bei den kommenden Beratungen zum Sechsten Tätigkeitsbericht die Koalition auf konsequenterem Datenschutzkurs zu sichten ist.
    Den Sechsten Tätigkeitsbericht hat der Nachfolger Professor Bulls, Herr Baumann, vorgelegt. Dieser Bericht steht in der Kontinuität der früheren Jahresberichte. Der Bundesbeauftragte, Herr Baumann, kann für sich in Anspruch nehmen, daß er seinen gesetzlichen Auftrag konsequent in der Sache und konziliant in der Form wahrnimmt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir danken dem Bundesbeauftragten an dieser Stelle für sein entschiedenes Eintreten für die Sache des Datenschutzes während vieler Sitzungen in den Parlamentsausschüssen und in der Öffentlichkeit. Sie haben, Herr Baumann, auf diesem Kurs auch in Zukunft die Sozialdemokraten als konstruktiven und zuverlässig kritischen Partner.

    (Beifall bei der SPD)

    Das sogenannte Orwell-Jahr 1984 hat das Thema Überwachungsstaat in besonderer Weise in den Blickpunkt gerückt. Hierzu hat der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Professor Bull, eine bemerkenswerte Einschätzung in drei Punkten formuliert, die sich der amtierende Datenschutzbeauftragte, Herr Baumann, voll zu eigen gemacht hat und die ich auch mir zu eigen machen möchte.
    Erstens. Die Technologie für eine umfassende Überwachung der Bevölkerung ist zu einem erheblichen Teil entwickelt.
    Zweitens. Die technischen Möglichkeiten bedeuten noch keineswegs, daß die Überwachung auch wirtschaftlich, sozial und politisch machbar ist. Bei der Diskussion um „1984" sollten die wirtschaftlichen oder machtpolitischen Anreize für eine Perfektionierung der Datenverarbeitung in Verwaltung und Wirtschaft nicht überschätzt werden.
    Drittens. Vor allem aber sind die rechtlichen Hindernisse für einen Überwachungsstaat eindeutig. Sie ergeben sich aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip, zu dem auch das Verhältnismäßigkeitsgebot gehört,



    Dr. Wernitz
    und aus einer Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen über den Datenschutz, auch außerhalb des Bundesdatenschutzgesetzes.
    Vor diesem Hintergrund wird wohl allen Verantwortlichen klar, daß es falsch und sogar gefährlich wäre, die Diskussion auf das Jahr 1984 einzugrenzen. Gleichwohl bietet die Debatte um das OrwellJahr 1984 die große Chance, auf breiter Front zu sensibilisieren und die Einsicht erheblich zu fördern, daß nur mit einer konsequenten Datenschutzpolitik den unbestreitbaren Risiken eines Abgleitens in den Überwachungsstaat auf Dauer erfolgreich begegnet werden kann.
    In diesem Zusammenhang ist das Symposium der hessischen Landesregierung vom 3. bis 5. September 1984 von großer Bedeutung. Ich empfehle diese Unterlagen, die da herausgekommen sind und noch herauskommen werden, jedem der Kolleginnen und Kollegen zur Lektüre. Dort ging es — und es wird auch weiterhin darum gehen — um das Thema: „Informationsgesellschaft oder Überwachungsstaat — Strategien zur Wahrung der Freiheitsrechte im Computerzeitalter".
    Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten haben das alles erkannt und handeln danach im Interesse unserer Bürger. Das ist unser Auftrag, dem stellen wir uns.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Paul Laufs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige erste Lesung der SPD-Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz gibt uns erfreulicherweise die Möglichkeit, auch von dieser Stelle in die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz vom 15. Dezember letzten Jahres wieder lebhafter gewordene Datenschutzdiskussion einzugreifen.
    Leider gleicht die Diskussion vornehmlich auf Datenschutzkongressen und dergleichen oft dem Schaulaufen von Eiskunstläufern, während die solide Pflichtarbeit an den praktisch möglichen und wirksamen Verbesserungen des Datenschutzes auf der Strecke bleibt. Während man beim Umweltschutz mitunter aus Kleinstmengen, die mit subtilsten Meßmethoden auf einmal nachweisbar geworden sind, ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Haltbarkeit Katastrophenmeldungen macht, gehen die Propheten des Computerzeitalters anders vor. Sie lassen ihrer geschulten Phantasie freien Lauf, erfinden Computer, die, mit schrecklicher Intelligenz ausgestattet, von skrupellosen Machthabern eingesetzt, den totalen Überwachungsstaat praktizieren. Das alles nennt man dann ein „mögliches Szenario". In der Folge geht es nur noch darum, wie man dieser phantastischen Schreckensbilder Herr werden könne, während die Wirklichkeit unseres Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland völlig außen vor bleibt.
    Einen farbigen Eindruck von dem Ausmaß der Geistesverwirrung, dieser wirklichkeitsblinden, ganz und gar maßlosen Hysterie hat der Kollege Fischer heute morgen sehr gut vermittelt.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Vielen Dank für das Kompliment! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Er hat seine eigenen Bücher gelesen!)

    Bei einer Datenschutzveranstaltung Anfang September in Wiesbaden etwa ist die Forderung geboren, man müsse, wie es wörtlich heißt, „den Pakt mit der Wissenschaft aufkündigen", weil der Computer das Recht des Menschen auf Leben bedrohe. Ein bekannter Datenschutzrechtler hat den Vorwurf erhoben, der Datenschutz leide im Bundesgebiet an einer „porösen rechtlichen Infrastruktur". Angesichts solcher Spitzenleistungen juristischer Präzision ist es gut, daß wir uns in den zuständigen Ausschüssen dieses Hauses bald sehr konkret und sehr sorgfältig mit der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes beschäftigen werden.
    Die Koalitionsfraktionen haben sich bereits zu Beginn ihrer politischen Zusammenarbeit eine Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes vorgenommen. Auf der Grundlage der im Innenministerium geleisteten Vorarbeiten arbeiten wir seither an einem gemeinsamen Entwurf zur Weiterentwicklung des Datenschutzrechtes. Das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, Herr Kollege Wernitz, hat allerdings — das räumen wir ein — unsere Vorstellungen zum Zeitbedarf und zum Aufwand der Novellierung überrollt.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Zum Inhalt! — Zuruf des Abg. Dr. Wernitz [SPD])

    — Herr Kollege Wernitz, die billigste Form der Opposition ist übrigens, alles umfassend und sofort einzufordern, und zwar gerade dort, wo man früher sehr wenig hat vorweisen können.

    (Zurufe von der SPD: Oh! Oh! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Irgendwann muß es gemacht werden! — Broll [CDU/ CSU]: Seid verschlungen, Millionen!)

    Dieses Spielchen, Herr Wernitz, sollten wir hier lassen.
    Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts über das aus unserem Grundgesetz abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger muß in den verschiedenen Rechtsbereichen des Datenschutzgesetzes konkret umgesetzt werden. Hier muß mit großer Sorgfalt vorgegangen werden. Von daher bewundere ich die Schnelligkeit, mit der Sie von der SPD-Fraktion schon einige Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit wenigen Retuschen den Entwurf für eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes vorgelegt haben, der bereits vor dem Volkszählungsurteil in Kreisen der Datenschützer kursierte.

    (Broll [CDU/CSU]: Das ist Amtshilfe!)

    Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, daß ihn Welten trennen von dem Referentenentwurf einer Landesdatenschutznovelle, den der nordrhein-westfälische SPD-Innenminister Dr. Schnoor der Öffent-



    Dr. Laufs
    lichkeit dieser Tage vorgestellt hat und gewiß in dieser Debatte heute noch erläutern wird.
    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist für uns bei der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes eine schwerwiegende Herausforderung, der man nicht mit Schnellschüssen, aber auch nicht mit einer Umsetzung in kleiner Münze gerecht wird. Weder eine maximalistische noch eine minimalistische Auslegung,

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Was immer das sein mag!)

    sondern schlicht eine richtige Auslegung des Urteils tut not.
    Leider wird diese wichtige Entscheidung des Verfassungsgerichts

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist richtig!)

    — Herr Kollege Fischer — inzwischen für jede rechtspolitische Forderung zum Datenschutz in Anspruch genommen, ohne Rücksicht darauf, ob die tragenden Gründe der Urteils dies hergeben. Ich wäre froh, wenn gerade die Überinterpreten des Urteils auch andere Verfassungsgerichtsentscheidungen wie z. B. diejenige zum Grundlagenvertrag mit der DDR so ernst nähmen und so oft im Munde führten, meine Damen und Herren von der Opposition.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Da müßten wir eine ganz neue Debatte führen!)

    Was sind nun die wesentlichen vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz abgeleiteten Folgerungen zum Datenschutz? Zunächst: Das Recht auf sogenannte informationelle Selbstbestimmung ist eine Ausprägung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Nach dem Menschenbild des Grundgesetzes dürfen die Bürger nicht zum bloßen Objekt ihres Staates degradiert werden. Kein Staat hat das Recht, die Menschen zwangsweise in ihrer ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren. Unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung ist deshalb der einzelne gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten zu schützen. Gleichzeitig betont das Gericht in Fortsetzung seiner ständigen Rechtsprechung aber die Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums. Der einzelne muß sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zieht.
    Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt deshalb nicht absolute, uneingeschränkte Herrschaft über die eigenen Daten.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sondern?)

    Vielmehr muß jedermann Beschränkungen seiner informationellen Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Wieweit derartige Einschränkungen nur vom Gesetzgeber angeordnet werden dürfen, macht das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich von Art, Umfang und
    denkbarer Verwendung der erhobenen Daten sowie der Gefahr ihres Mißbrauchs abhängig.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Und daß jeder weiß, was von ihm rumgeht! Das ist sehr wichtig! Das unterschlagen Sie!)

    — Richtig. Aber auch das hat seine Grenzen in der realen Welt.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Aha! — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Was ist denn die „reale Welt" für eine Kategorie? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Sie können niemals wissen, wer gerade an Sie denkt und Informationen über Sie hat, Herr Kollege Fischer.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Welcher Computer, Herr Kollege?! Ob Sie an mich denken, ist mir egal!)

    — Vielleicht sind es mehr, als Sie sich vorstellen.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Denk' ich an die GRÜNEN in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!)

    Das Urteil stützt also keineswegs die vielfach erhobene Forderung, daß in Zukunft jeder Umgang mit personenbezogenen Informationen in der öffentlichen Verwaltung oder im privaten Bereich einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im März dieses Jahres zu Recht festgestellt hat, zwingt ein im Geiste unseres Grundgesetzes betriebener Datenschutz nicht zur totalen Verrechtlichung. Ein solches Vorgehen würde nur zu einem Übermaß an Rechtsnormen führen, die immer weniger Beachtung fänden, sowie zu einer Datenschutzbürokratie, welche niemandem nützte.
    Durch die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, an der wir in der Koalition arbeiten, sollen die für den Schutz des Bürgers unerläßlichen Regelungen geschaffen, gleichzeitig aber die Möglichkeiten für die Einführung und Weiterentwicklung moderner Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechniken wie z. B. auch des Heimcomputers offengehalten werden. So wäre es beispielsweise ein Unding, die schon jetzt gebräuchlichen elektronischen Notizbücher allen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes zu unterwerfen. Im SPD-Entwurf ist diese Problematik überhaupt nicht gesehen. Datenschutz darf nicht um seiner selbst willen betrieben werden und sich nicht in Bürokratie erschöpfen, sondern muß da gesichert werden, wo die Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre der Betroffenen gefährdet werden. Die Chancen für technische Innovationen durch Einsatz der automatischen Datenverarbeitung müssen gewährt bleiben. In diesem Rahmen strebt die Unionsfraktion wirksame Lösungen an, die einen möglichst geringen Verwaltungsaufwand ohne Regelungsübermaß für alle Beteiligten bedeuten. Von daher stehe ich den Versuchen, das Bundesdatenschutzgesetz bei Gelegenheit seiner Novellierung nach allen Seiten hin auszudehnen, mit allen möglichen neuen Rege-



    Dr. Laufs
    lungsinhalten zu befrachten, äußerst skeptisch gegenüber.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Es hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre!)

    So frage ich mich, was die im SPD-Entwurf in den §§ 25a und 25b vorgesehenen Regelungen über die Befugnisse der Arbeitgeber zur Erhebung von persönlichen Angaben beim Abschluß eines Arbeitsvertrages sowie über die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung und Nutzung sogenannter Personalinformationssysteme im Bundesdatenschutzgesetz zu suchen haben, das seinem Charakter nach ein Auffanggesetz ist und bleiben soll.

    (Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Genau das ist der Punkt!)

    Ich verkenne nicht, daß es sich hier um eine Materie handelt, die sehr interessant und wichtig ist, aber wir haben das Bundesdatenschutzgesetz als Auffanggesetz und daneben eine Fülle anderer, bereichsspezifischer Regelungen im Datenschutzrecht.