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ID1008103700

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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brandt, ich muß mit einer gewissen Bewunderung feststellen, daß Sie es einmal mehr von diesem Pult aus verstanden haben, die Antworten, die am heutigen Tag von allen Seiten des Hauses zu geben sind, zu umgehen

    (Zurufe von der SPD)

    — wir werden jetzt gleich über die Themen sprechen —, daß Sie sich in Andeutungen ergangen haben, die uns aber in der Frage, ob Gemeinsamkeit möglich ist oder nicht — das ist ein Thema —, nicht weiterführen.
    Dann haben Sie natürlich, Herr Kollege Brandt, auch in einer Weise gesprochen, daß die Chance noch übrigblieb, richtig zu holzen, und zwar auf Ihre Weise den Kollegen Dregger als Buhmann darzustellen, wie es Ihnen gefällt,

    (Zurufe von der SPD)

    und den Kollegen Geißler in die Debatte einzubeziehen. Wissen Sie, wenn man so in getragenem Ton von Gemeinsamkeit spricht, dann soll man auch den Inhalt seiner Worte nach dieser Gemeinsamkeit wählen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist ganz gewiß richtig, Herr Kollege Brandt — das ist ein Punkt, bei dem wir übereinstimmen —, daß sich die gegenwärtigen Ost-West-Beziehungen schwierig gestalten und daß jeder in beiden Teilen Deutschlands und auch jeder in diesem Hause sehr darauf bedacht sein muß, seinen Beitrag in dieser Zeit mit Verstand, mit Vernunft, mit Bedachtsamkeit und auch mit Verantwortungsbewußtsein zu leisten.
    Aber, Herr Kollege Brandt, es besteht gar kein Anlaß, in dieser konkreten Situation nach der Verschiebung der beiden Besuche — schon allein, wie Sie das Wort „Verschiebung" hier gebraucht haben, war sehr interessant — die Lage so zu dramatisieren, wie Sie es getan haben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst einmal an die Tatsachen erinnern. Die beiden Gesprächstermine für den Besuch des Staatsratsvorsitzenden Honecker und für den Besuch des Staatsratsvorsitzenden Schiwkow sind auf deren Wunsch und in Abstimmung von beiden Seiten zustande gekommen. Es kann also gar keine Rede davon sein, was im Vorfeld zur heutigen Debatte aus Ihrem Lager zu diesem Punkt verbreitet wurde. Die Termine wurden zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und der DDR beziehungsweise Bulgarien andererseits gemeinsam abgestimmt. Die Besuchsvorbereitungen, Herr Kollege Brandt, waren in beiden Fällen sehr weit fortgeschritten beziehungsweise abgeschlossen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das haben wir früher gar nicht gemerkt!)

    — Herr Kollege Vogel, über das, was wir früher gemerkt haben, reden wir jetzt drei Tage mit Ihnen.
    — Beide Seiten legen jeweils Wert auf die Feststellung — das ist doch immerhin eine Feststellung, die Sie hier in Ihre Rede hätten aufnehmen können —, und zwar nachdrücklich Wert auf die Feststellung, daß die Besuche nur verschoben sind und nachgeholt werden sollen.

    (Zuruf von der SPD: Wann?)

    Herr Brandt, Sie wissen so gut wie ich, denn Sie verfügen über ein beachtliches Maß an Informationen — ich begrüße das —, daß das, was Sie versucht haben in diese Debatte einzubringen, einfach unwahr ist. Es handelt sich um eine Verschiebung dieses Besuches, und das ist sehr wichtig gerade für die Situation zwischen beiden Staaten in Deutschland, die Sie beschworen haben. Beide Seiten haben gleichzeitig unterstrichen, daß sie an einer Fortentwicklung konstruktiver Beziehungen interessiert bleiben.
    Herr Kollege Brandt, auch das ist doch wahr, und Sie haben es eben nicht angeführt: Die entscheidende Begründung für die Verschiebung der Besuche wurde in beiden Fällen maßgeblich unter Hinweis auf die gesamtpolitischen Umstände gegeben. Wer für die Verschiebung des Besuchs des Staatsratsvorsitzenden Honecker andere Gründe geltend machen will, nun, Herr Kollege Brandt, der muß doch spätestens seit dem vergangenen Sonntag nach der Verschiebung des Termins durch Sofia eines Besseren belehrt worden sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Nennen Sie doch einmal die Gründe!)

    Wenn ich beispielsweise, weil Sie gerade den Zwischenruf machen, höre, daß einer der Gründe die Abhaltung der NATO-Manöver sei: Die bulgarische Seite hat noch am vergangenen Freitag bestätigt, daß der Besuch stattfindet, Herr Kollege Brandt. Die NATO-Manöver wurden aber nach den KSZE-Vereinbarungen fristgerecht vor 21 Tagen angemeldet.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wer hat denn davon geredet? Täuschen Sie hier doch nicht!)

    Das heißt also: Sie versuchen hier, aufgrund einer internationalen Entwicklung, die zum wenigsten von den beiden Teilen Deutschlands zu beeinflussen ist, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Das ist doch die Tatsache.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Es war in Ihrer Rede unüberhörbar, daß Sie den kläglichen Versuch unternommen haben, etwa zwi-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    schen Alfred Dregger und mir oder anderen in dieser Frage einen Zwiespalt herbeizureden.

    (Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

    Wir haben als CDU Deutschlands erst vor wenigen Monaten auf unserem Bundesparteitag in Stuttgart über diese Frage diskutiert und beschlossen. Wir in der Christlich Demokratischen Union wissen sehr genau, welchen Kurs der Vernunft und der Mitte wir in diesem Zusammenhang steuern wollen. Wir brauchen weder Ihre Belehrungen noch Ihre Verteufelung in diesem Zusammenhang.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Niemand kann übersehen, daß es sich im Zusammenhang mit diesen Besuchen um Wechselwirkungen handelt, die ihren Ursprung zunächst und vor allem in den internen Beziehungen der Staaten des Warschauer Paktes untereinander haben. Und darin sind wir uns hoffentlich einig, meine Damen und Herren: ich denke, wir bedauern gemeinsam die eingetretene Entwicklung. Die Bundesregierung wird sich in ihrer auf Frieden gerichteten Politik und in Ihrer Bereitschaft zum Dialog, zum Ausgleich und Zusammenarbeit auch gegenüber dem Osten nicht beirren lassen. Wir sind bereit, das Gespräch wiederaufzunehmen, die Zusammenarbeit fortzusetzen, soweit sich die östlichen Gesprächspartner dazu imstande sehen. Wir gehen davon aus, daß die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes zu ihrer erklärten Politik zurückkehren werden, weil es zur Politik wirklicher Entspannung und zu Verhandlungen keine Alternative gibt.
    Herr Kollege Brandt, wenn Sie hier klagen, im Jahre 1984 sei kein wesentlicher Fortschritt zu erzielen gewesen, so wissen Sie so gut wie ich — und auch das muß man dann fairerweise aussprechen —, daß weder die sowjetische noch die amerikanische Seite im Vorfeld der Wahlen am 6. November dieses Jahres zu wesentlichen Fortschritten und Entscheidungen bereit waren. Wenn das so ist — und wenn Sie nicken —, dann sprechen Sie es doch hier aus! Verweisen Sie doch diese Diskrepanz nicht in unsere Diskussion.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Die Bundesregierung wird das Ihre dazu beitragen, daß die Beziehungen zur Sowjetunion und mit den übrigen Staaten des Warschauer Pakts durch diese politische Großwetterlage sowenig wie möglich Schaden nehmen. Enttäuscht über diesen Vorgang, Herr Kollege Brandt — darin unterscheiden wir uns offensichtlich in der Tat —, kann doch nur der sein, der die Ursachen der Spannungen zwischen Ost und West niemals richtig eingeschätzt oder der geglaubt hat, sie in wenigen Jahren überwinden zu können. Sie wissen so gut wie ich, daß Entspannungspolitik in der konkreten Lage der Weltpolitik heute nicht mehr leisten kann als die Begrenzung und Kontrolle der Spannungen und Konflikte sowie Zusammenarbeit dort, wo gemeinsame Interessen sie ermöglichen. Ich finde, das ist schon ein Programm, das, wenn es erfüllt werden soll, einen hohen Anspruch erhebt. Meine Damen und Herren, unsere Politik, die Politik dieser Bundesregierung und dieser Koalition bleibt ein Angebot an die Staaten des Warschauer Pakts, das nicht neues Mißtrauen säen, sondern neues Vertrauen schaffen sollte.
    Herr Kollege Brandt, auch das soll klar ausgesprochen werden — Sie arbeiten j a immer mit Andeutungen —: Ich weiß wirklich nicht, wen Sie in diesem Hause meinten, als Sie so allgemein davon sprachen, es gebe politische Kräfte, die es für möglich hielten, mit der DDR — ich sage es jetzt mit meinen Worten — Sonderbeziehungen zu eröffnen, ohne die Sowjetunion einzubeziehen. Meine Politik ist das nicht, unsere Politik ist das nicht. Ich habe nie eine solche Stimme in der FDP, in der CSU oder in der CDU gehört. Die Sowjetunion ist unser wichtigster und mächtigster Nachbar in Mittel- und Osteuropa. Wir wissen ganz genau, daß alle nur denkbaren bilateralen Möglichkeiten, sei es im Gespräch mit der DDR, sei es mit Polen, mit Ungarn, mit Rumänien und mit wem auch immer, letztlich nur erfolgreich sein können, wenn sie eingebunden sind in das Gesamtgespräch mit der Sowjetunion. Und Sie wissen, daß dies unsere Politik ist! Was soll es also, wenn Sie von diesem Pult aus so sprechen, als gäbe es irgendwelche imaginären Kräfte, die einen weltpolitischen Alleingang gehen wollten? Wenn ich es recht verstanden habe und mich richtig erinnere, gab es in den frühen 70er Jahren einmal eine solche Diskussion, aber die, Herr Kollege Brandt, bezog sich auf bestimmte Kräfte der deutschen Sozialdemokratie,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) ganz gewiß nicht auf CDU, FDP oder CSU.

    Dann haben Sie, Herr Kollege Brandt, vom Revanchismus gesprochen. Man muß sorgfältig noch einmal nachlesen, wie Sie das formuliert haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Allerdings!)

    Sie haben es nämlich tunlichst vermieden, das Thema anzusprechen, um das es hier geht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ja! — Genau!)

    Sie haben ganz allgemein gesprochen und unser Volk vor den massiven Propagandavorwürfen in Schutz genommen. So weit, so gut; wir stimmen überein. Aber der Vorwurf des Revanchismus zielt ja ganz bewußt auf bestimmte Persönlichkeiten, auf bestimmte Gruppen, auf Teile unserer Bevölkerung und richtet sich damit natürlich auch gegen das ganze Land.
    Herr Kollege Brandt, ich stimme Ihnen völlig zu: Ich bin sehr dafür, daß wir bei all dem, was uns trennt, immer wieder den Versuch unternehmen, Felder zu gewinnen, auf denen Gemeinsamkeit möglich ist. Ich bin absolut einverstanden, wenn es möglich sein sollte, Gemeinsamkeit mit der deutschen Sozialdemokratie in diesen entscheidenden Fragen zu finden.
    Aber, Herr Kollege Brandt, in den letzten 14 Tagen oder drei Wochen konnte ich auf diesem ganzen



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Feld beim besten Willen keine Gemeinsamkeit erkennen.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich habe im Vorfeld des geplanten Besuchs des Staatsratsvorsitzenden Honecker erklärt. daß wir selbstverständlich über alles sprechen werden — das liegt doch in der Natur eines solchen Gesprächs —,

    (Zuruf von der SPD: Sie wollten doch weghören!)

    aber ich habe auch erklärt, daß es Felder der Politik nicht — das habe ich übrigens in Moskau mit Herrn Honecker selbst besprochen; er weiß das — —

    (Zurufe von der SPD: Oh! — Schön! — Weitere Zurufe)

    — Meine Damen und Herren, ich denke, wir wollten hier ein ernsthaftes Gespräch führen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Wenn Ihr Gemeinschaftsverständnis in dem besteht, was Sie eben dokumentieren, brauchen wir das Gespräch nicht fortzusetzen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Brandt hat dazu eingeladen, und ich will es ja aufnehmen. Er ist ja noch Ihr Parteivorsitzender. Wenigstens der Respekt vor ihm sollte die Chance eröffnen.
    Herr Kollege Brandt, wenn Sie also von Gemeinsamkeit sprachen, müssen wir schon einmal die Frage stellen: Auf welchen Fundamenten ruht denn diese Gemeinsamkeit? Wenn ich mich beispielsweise an Äußerungen aus der SPD in den letzten Tagen zu den sogenannten Geraer Punkten — die Staatsbürgerschaft ist ein Beispiel, und es gibt weitere Beispiele — im einzelnen erinnere, muß ich Ihnen ganz einfach sagen: Darüber können wir miteinander reden, aber im Ergebnis finden Sie in diesen Grundfragen keine Gemeinsamkeit mit uns. Das muß man um der intellektuellen und politischen Redlichkeit willen klar und offen aussprechen.
    Herr Kollege Brandt, Sie haben es auch für nötig gehalten, in einer etwas gedämpfteren Sprache als einige aus Ihren Reihen in den letzten Tagen — nämlich ohne es auszusprechen, aber mit Andeutungen auf Brandtsche Art — auf meine Teilnahme an der Vertriebenenkundgebung in Braunschweig hinzuweisen. Nun, Herr Kollege Brandt, ich finde es völlig normal, daß ein deutscher Bundeskanzler vor den Vertriebenen spricht, vor einer Gruppe unseres Volkes, die Millionen von Menschen umfaßt, die sich große Verdienste um den demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau unseres Landes erworben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Daß allein schon die Tatsache, daß ich dort spreche,
    von Ihrer Partei als Skandal bezeichnet wurde —
    einen Tag, bevor ich überhaupt dort war, als Sie
    also meine Rede noch gar nicht kannten —, das ist in der Tat skandalös.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren von der SPD, ich könnte ihnen jetzt noch einige Äußerungen aus Ihrem Lager vorwerfen. Es sind doch — und das, Herr Kollege Brandt, ist das, was Alfred Dregger und andere meinten — zu diesem Vorgang aus Ihrer Partei die gleichen Formulierungen zu hören gewesen, die auch von jenen kamen die — beispielsweise in Warschau — unser und mein politisches Tun verleumden wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Herr Kollege Brandt, ich weiß nicht, wie die Einstellung der deutschen Sozialdemokratie heute zum Thema der Vertriebenen ist. Ich weiß es wirklich nicht.

    (Zuruf von der SPD: Ein Beispiel! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Fragen Sie doch Ihren Kollegen Karsten Voigt. Ich will ihm doch nicht die Ehre antun, ihn hier zu zitieren. Er sitzt doch im Saal; er kann sich selbst wehren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich weiß es wirklich nicht.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist ja das Traurige; Sie wissen überhaupt nichts!)

    Können Sie mir einmal erläutern, was daran skandalös ist, wenn ich zum Tag der Heimat spreche, mit einer Rede, die selbst von polnischen Stellen als ausgewogen bezeichnet wurde? Sie, Herr Kollege Brandt, haben immerhin zum Tag der Heimat einmal so formuliert — ich will das einmal sagen, um die Veränderungen, die in diesen Jahren eingetreten sind, deutlich zu machen; ich zitiere Willy Brandt am Tag der Heimat in Berlin 1965 —:
    So wie der Tag der Heimat in Berlin zur Tradition geworden ist, so sind auch die Angriffe gegen diesen Tag zur Tradition geworden. Dazu stelle ich fest: Kundgebungen, durch die um das Recht gerungen wird, gefährden den Frieden nicht. Und hier ging es im Laufe der Jahre immer wieder um die Menschenrechte, um das Selbstbestimmungsrecht, um das Heimatrecht. Mit Revanchismus hat das Bekenntnis zum Volk, zur Heimat, zum Füreinandereinstehen nichts, aber auch gar nichts zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

    Wir haben der Gewalt abgeschworen, aber wir haben nicht dem Recht abgeschworen.
    Jetzt ein anderes Zitat. Es ist schon bemerkenswert — ich habe mich bei der Vorbereitung dieser



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Rede sehr gewundert —, welchen Weg Sie, die Sozialdemokratie, genommen haben.

    (Reents [GRÜNE]: Ein wahres Schatzkästlein, das Sie da auftun!)

    Ein anderes Zitat:
    Breslau — Oppeln — Gleiwitz — Hirschberg — Glogau — Grünberg, das sind nicht nur Namen, das sind lebendige Erinnerungen, die in den Seelen von Generationen verwurzelt sind und unaufhörlich an unser Gewissen klopfen. Verzicht ist Verrat, wer wollte das bestreiten? Hundert Jahre SPD heißt vor allem hundert Jahre Kampf für das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Recht auf Heimat kann man nicht für ein Linsengericht verhökern. Niemals darf hinter dem Rücken der aus ihrer Heimat vertriebenen oder geflüchteten Landsleute Schindluder getrieben werden. Das Kreuz der Vertreibung muß das ganze Volk mittragen helfen. Vertriebene oder geflüchtete Landsleute sind keine Bürger zweiter Klasse,

    (Beifall bei der SPD)

    weder in der Wirtschaft noch in der Gesellschaft. Daß es ihr ernst damit ist, hat die SPD bewiesen. Der Wiedervereinigung gilt unsere ganze Leidenschaft. Wer an diesem Feuer sein kleines Parteisüppchen zu kochen versucht, kann vor dem großen Maßstab der Geschichte nicht bestehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wo war denn in diesen letzten drei Wochen eine Stimme der Sozialdemokratie gegen die Verleumdungen der deutschen Vertriebenen und ihrer Verbände?

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Es geht um Sie, Herr Bundeskanzler!)

    Sie haben doch mit wesentlichen Sprechern Ihrer eigenen Partei in diesen Chor mit eingestimmt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Theater!)

    Das ist doch der Punkt, der uns trennt, Herr Kollege Brandt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Unsinn! Das hätten Sie gern!)

    Wenn Sie über Gemeinsamkeiten reden, dann gibt es auch eine Gemeinsamkeit zugunsten der Vertriebenen in unserem Volk, und das sollten Sie hier sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: So etwas Dummes! — Weitere Zurufe von der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Trauriges Bild! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Im übrigen, Herr Kollege Brandt, wissen Sie genau, in welch einer Form Sie in den letzten Wochen gegen die Vertriebenen in der Öffentlichkeit aufgetreten sind. Jetzt wollen Sie es nicht wahrhaben, wenn man Sie mit den Dokumenten Ihrer eigenen Geschichte,

    (Zurufe von der SPD)

    jenen Dokumenten, von denen Sie aus Gründen des Opportunismus abgerückt sind, konfrontiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Hetze als Gemeinsamkeit! — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Alles dumme Sprüche! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Brandt, ich stimme Ihnen zu: 39 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg haben wir Deutsche keinerlei Anlaß, den Versuch zu unternehmen, aus der Geschichte auszusteigen. Was im deutschen Namen geschehen ist, trifft jede Generation, und Ihr Hinweis auf spätere Geburtsdaten sollte Sie nicht daran hindern, zuzugeben, daß die Kontinuität der Geschichte für alle Generationen gilt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das müssen Sie Sozialdemokraten erzählen! — Frau Dr. DäublerGmelin [SPD]: Schön wär's! — Zuruf von der SPD: Sie zitieren uns! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Für mich, Herr Kollege Brandt, ist dies völlig selbstverständlich. Und für mich ist völlig selbstverständlich,

    (Zuruf von der SPD)

    daß jenes wichtige Prinzip, das zuerst die Vertriebenen — nicht die CDU und nicht die SPD — in ihrer Cannstatter Erklärung 1950 niedergelegt haben, nämlich — ich sag's mit meinen Worten — daß Krieg und Gewalt keine Mittel der Politik für die Deutschen sein dürfen, daß wir nicht Blut und Blut und Tod und Tod aufrechnen und daß wir keine neuen Leiden begründen wollen, ein gemeinsames Prinzip ist und daß keine Gruppe im Land ausgeschlossen werden darf.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Handeln Sie doch danach!)

    Der Herr Präsident hat zu Beginn der heutigen Sitzung daran erinnert, daß dieses Parlament vor Jahrzehnten zum ersten Mal zusammengetreten ist. In einer der Sitzungen danach hat Konrad Adenauer über Friedenspolitik und Aussöhnung gesprochen. Er hat damals gesagt, daß wir Deutschen Frieden und Aussöhnung mit allen unseren Nachbarn und mit den Kriegsgegnern von gestern wollen und daß wir, wenn möglich, neue Freundschaften gründen wollen. Er nannte drei Völker insonderheit; er nannte das Volk und den Staat Israel, er nannte Frankreich und Polen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Auf Polen kommen wir noch!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Es ist durch unsere gemeinsame Politik — ich hoffe, ich darf das so sagen — gelungen, Frieden und Aussöhnung und Freudschaft, und zwar nicht nur zwischen den Regierungen, sondern zwischen den Völkern mit Israel und mit Frankreich zu begründen. Das Beispiel der jungen Generation spricht für sich.

    (Kopfschütteln und Lachen der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

    — Ich weiß nun wirklich nicht, was dabei zu lachen ist. Meine Damen und Herren, entweder: Wir wollen hier ernsthaft über deutsche Probleme reden. Oder: Sie machen hier eine Aufführung wie in einer SPDUnterbezirkskonferenz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wir wollen etwas zu Polen hören!)

    Sehen Sie, Herr Kollege Brandt, Sie kennen die geschichtlichen Gründe, die verhindert haben, daß wir in der Aussöhnung mit Polen — ähnlich wie in der Aussöhnung mit Frankreich und Israel — so wesentliche Schritte unternehmen konnten, daß sie vollständig hätte gelingen können.

    (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Siehe RühePlan!)

    Aber es gibt doch gar keinen Zweifel, daß der Wille zu friedlicher Nachbarschaft, zur Aussöhnung, ja zur Freundschaft im deutschen Volk wie im polnischen Volk gleichermaßen stark ist und daß wir gemeinsam bereit sind, aus der Geschichte zu lernen. Lassen Sie mich das in aller Ruhe angesichts der Angriffe sagen, die ganz pauschal aus Warschau geführt werden — völlig unzutreffend, wie jeder weiß.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Die Bürger der -Bundesrepublik Deutschland haben in den letzten Jahren ihr Beispiel für friedliche Aussöhnung gegeben. Als Herr Jaruzelski aus seinen Gründen das Kriegsrecht verhängte, ist in den folgenden drei Monaten — es sind jetzt fast drei Jahre her — in den katholischen und den evangelischen Kirchen, von Bürgergruppen, Jugendgruppen der Betrag von immerhin rund 300 Millionen DM für Liebesgaben nach Polen gesammelt worden. Es war die Bundesrepublik Deutschland unter der Regierung meines Vorgängers und zu meiner Regierungszeit, die zur Weihnachtszeit die Sendungen nach Polen portofrei gestellt hat. Wir sind das einzige Land in Europa, das dies in dieser Form getan hat.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Ich sage das nicht, damit wir uns hier einer guten Tat rühmen. Aber ich sage das angesichts mancher Stimmen, die aus Polen kommen und die ein Bild von Deutschland zeichnen, das der Wirklichkeit überhaupt nicht entspricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keinen Revanchismus. In keiner Gruppe!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weder bei den Älteren, die die bittere Erfahrung des Kriegs gemacht haben, noch bei denen, die als Flüchtlinge Haus und Hof und alles verloren haben, noch bei denen, die das Glück hatten, in ihrer Heimat leben und bleiben zu können. Es gibt keinen Revanchismus.
    Nur, Herr Kollege Brandt, wenn Sie von Gemeinsamkeit sprechen, dann sprechen Sie bitte für alle diese Gruppen, und reden Sie nicht von Teilen der Regierung, von Teilen der CDU, von Teilen der Bevölkerung. Ich spreche Ihnen das Recht ab, so über unsere Bevölkerung zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ziel unserer Politik bleibt es, wie es im Brief zur deutschen Einheit formuliert ist, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Herr Kollege Brandt, wenn das die Formel von Gemeinsamkeit ist, können wir uns sehr rasch darauf verständigen. Zu dieser Formel füge ich hinzu, daß die Verträge — ich sage das jetzt ganz bewußt, so wie ich es auch bei den Vertriebenen in Braunschweig gesagt habe — für alle gelten, auch für jene, die — aus welchen Gründen auch immer — gegen diese Verträge gestritten haben. Diese Verträge, Herr Kollege Brandt, sind geltendes Recht.

    (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Aber eigentlich waren Sie dagegen!)

    Wir sind vertragstreue Partner.
    Gerade weil wir wissen, welch ein Elend zur Zeit der Nazis wegen der vielen Vertragsbrüche über unser Volk gekommen ist, ist es so wichtig, daß wir vertragstreue Partner sind. Ich spreche aber von Partnern, Herr Kollege Brandt, und das heißt, daß die Verträge für beide Seiten bindend sind

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß nicht zehn Jahre danach die eine Seite in diese Vertragstexte Interpretationen hineinlegen kann, die zu Ihrer Zeit, als Sie die Verträge abgefaßt, unterschrieben, vorgelegt und verteidigt haben, eben nicht existierten. Es gilt alles, was mit den Verträgen zusammengehört. Wir als Bundesregierung und Bundesrepublik haben klar und deutlich die Position in den Grenzfragen definiert.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Herr Bundeskanzler, es wird immer peinlicher!)

    Auch das habe ich vor den Vertriebenen in Braunschweig sehr deutlich gesagt.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Einige Ihrer Regierungsmitglieder haben dies in Frage gestellt!)

    — Herr Professor Ehmke, niemand hat etwas in Frage gestellt. Sie wollen das dem Kollegen Zimmermann unterschieben, weil Sie einen Buhmann brauchen. Das ist doch das, was Sie damit erreichen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich sage noch einmal, Herr Kollege Brandt: Für uns gelten diese Verträge. Wir versuchen, sie mit Leben zu erfüllen. Wir können darüber streiten, wie wir sie in jeder Frage mit Leben erfüllen. Es ist aber niemandem gestattet, weder gegenüber einem deutschen Sozialdemokraten noch gegenüber einem christlichen Demokraten, einem Freien Demokraten oder einem Christsozialen, von draußen Zweifel an seiner Verfassungstreue zu erheben.

    (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

    — Ich spreche bewußt von Verfassungstreue, weil sie für mich selbstverständlich Vertragstreue beinhaltet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Wir haben gar keine Verfassung!)

    Unser zentrales nationales Interesse bleibt es, das Bewußtsein der Einheit der Nation wachzuhalten, damit sich die Menschen im geteilten Deutschland weiterhin zusammengehörig fühlen, zueinander kommen können. Deswegen wollen wir auch auf dieser Durststrecke der Geschichte selbstverständlich den Dialog, das Gespräch mit der DDR fortführen und, wenn möglich, intensivieren.
    Ich bedaure es, daß Generalsekretär Honecker jetzt aus seinen Gründen nicht zum Besuch in die Bundesrepublik kommt. Ich kann allerdings die Begründung der DDR — das wird jedermann verstehen — nicht akzeptieren. Ich habe dazu das Notwendige gesagt. Ich halte es für wenig sinnvoll, weitere öffentliche Betrachtungen darüber anzustellen. Unser Angebot zur Fortsetzung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit der DDR steht. Wir werden uns beharrlich weiter bemühen, das Geflecht der Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland auszubauen und, wo es möglich ist, zu Verbesserungen zu gelangen.
    Herr Kollege Brandt, Sie meinten, da sei manches mit Dilettantismus geschehen. Ich will Ihnen jetzt einmal sagen, zu welchen Erfolgen dieser „Dilettantismus" geführt hat. Ich wünschte mir, Sie hätten zu einer früheren Zeit die gleichen Erfolge gehabt. Wir wären dankbar, wenn Sie früher Ähnliches erreicht hätten. •

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben mehr Kontakte und Begegnungen über die Grenzen möglich gemacht.

    (Lachen bei der SPD)

    Die Signale mit den beiden Krediten des vergangenen und dieses Jahres sind mit einer ganzen Reihe positiver Gegensignale beantwortet worden. Was ist das eigentlich für eine Aussage in dieser Debatte, Herr Brandt, wenn Sie sagen, mit Geld könne man nicht alles machen? Das brauchen Sie uns nicht zu sagen. Eine solche Denkart steht weit mehr einem Sozialisten an als uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich erinnere an die Erleichterungen im Reiseverkehr, welche die DDR vor wenigen Wochen in Kraft gesetzt hat. Warum erwähnen Sie das nicht, Herr Brandt? Ich erwähne die spürbare Verbesserung
    bei der Abwicklung im Reise- und Besuchsverkehr. Besonders erfreulich ist die beachtliche Steigerung der Zahl der Reisen aus der DDR in dringenden Familienangelegenheiten im vergangenen Jahr, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt wurden. Ich erinnere an das sehr sensible Feld der Familienzusammenführung und der Lösung humanitärer Härtefälle. Herr Kollege Brandt, wenn dieser „Dilettantismus" — lassen Sie sich vielleicht einmal von Herrn Bahr oder Herrn Wischnewski einweisen — dazu geführt hat, daß in diesem Jahr 30 000 Landsleute aus der DDR zu uns kommen konnten, werden Sie doch nicht bestreiten können, daß das eine absolute Rekordzahl in den letzten zehn Jahren war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Ihre meisterhafte Gesprächsführung, wie Sie sie selbst verstehen, zu wesentlich weniger geführt hat, die unsrige aber zu mehr, ist es mir ziemlich gleichgültig, wie Sie es bezeichnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich denke an den Abbau der Selbstschußanlagen.
    Ich erinnere an die Vereinbarungen im Bereich des Umweltschutzes zur Reinhaltung der Röden und an die Expertengespräche über Fragen des Umweltschutzes. Meine Damen und Herren, ich erinnere an die Tatsache, daß nach acht Jahren Stillstand die Verhandlungen über ein Kulturabkommen wieder aufgenommen werden konnten, daß Postvereinbarungen getroffen werden konnten, die bisher nicht möglich waren. Herr Kollege Brandt, ich erinnere Sie als den früheren Bürgermeister von Berlin an die Übernahme der S-Bahn und das weitere Offenhalten des Grenzübergangs Staaken. Meine Damen und Herren, wenn Helmut Schmidt ein solches Ergebnis erreicht hätte, hätten Sie hier stehende Ovationen dargebracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer von Gemeinsamkeit spricht und jeden Erfolg einer — aus Ihrer Sicht verständlicherweise nicht geliebten — Regierung mit Häme verfolgt, soll aufhören, von Gemeinsamkeit zu reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich!)

    Wir werden unsere Deutschlandpolitik nüchtern und stetig fortführen, mit den Zielen, die ich schon früher in meinen Regierungserklärungen beschrieben habe. Die Weiterentwicklung unserer Beziehungen zur DDR dient den Menschen. Sie trägt zur Vertrauensbildung in Europa bei. Sie gibt positive Impulse für ein konstruktives West-Ost-Verhältnis. Wir bleiben dabei, daß mit dieser Politik der Verständigung, der langfristigen Zusammenarbeit und des Ausgleichs mit allen Vertragspartnern im Osten ein Beitrag für den Frieden und für eine zukünftige freundschaftlichere Beziehung zwischen den Staaten in Europa möglich ist. Meine Damen und Herren, auch das lassen Sie mich sagen: Ich bin sicher, daß dieses Ziel nicht zuletzt von unseren Landsleuten in der DDR verstanden wird. Es gibt viele Zeug-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    nisse für dieses Verständnis aus den letzten Wochen, das ich dankbar erwähnen möchte.
    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalition der Mitte ist in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik mit dem Ziel angetreten, die Freiheit zu bewahren und den Frieden in Europa zu festigen. Wir lassen uns dabei von dem Grundsatz leiten, daß Friedenspolitik geradlinig, berechenbar, vertragstreu und zuverlässig sein muß, nach West wie nach Ost. Ich kann heute mit großer Genugtuung feststellen, daß es uns gelungen ist, Verständnis und Freundschaft mit unseren Partnern im Atlantischen Bündnis und in der Europäischen Gemeinschaft nicht nur zu festigen, sondern erheblich zu vertiefen. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist wieder fest in die Politik des Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaft eingebettet. Dies entspricht dem nationalen Interesse unseres Landes.
    Die Klarheit und Zuverlässigkeit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung hat mit dazu geführt, daß unsere Partner diesseits und jenseits des Atlantiks bereit sind, ihre Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik erheblich zu intensivieren und stärker denn je auch auf unsere Interessen einzugehen.
    Herr Brandt, Sie fragten: Was haben Sie getan? Unsere Konsultationen über die Genfer Verhandlungen über den Abbau nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa waren beispielhaft eng und intensiv. Sie wissen dies, aber Sie sagen wider besseres Wissen das Gegenteil. Die Bundesregierung konnte maßgeblichen Einfluß ausüben, und sie hat ihn ausgeübt. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Regierungen ist dergestalt, daß dies erst recht in Zukunft möglich sein wird.
    Das Atlantische Bündnis ist heute wieder gefestigt und stark. Die Bundesregierung bestimmt die Politik der Allianz aktiv mit, weil sie eben bereit ist, Mitverantwortung zu übernehmen. Friedenssicherung in Europa und weltweit wird erfolgreich sein durch eine Politik des Gleichgewichts und der Verhandlungsbereitschaft, eine Politik der Verteidigungsfähigkeit und der Abrüstung und Rüstungskontrolle, des Dialogs und der Zusammenarbeit. Die politische Übereinstimmung im Bündnis wird es uns ermöglichen, den Zusammenhalt der NATO und damit ihre Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft zu festigen, die Politik der Abrüstung und Rüstungskontrolle in ein Gesamtkonzept der Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzubinden und neue Initiativen für konstruktive West-Ost-Beziehungen und für die Reduzierung der Waffensysteme auf allen Ebenen einzuleiten.
    Meine Damen und Herren, es bleibt das Ziel dieser Koalition und dieser Bundesregierung, Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie sehen ja, Herr Brandt, wie es mit der Gemeinsamkeit steht; schon allein die Zielsetzung in
    einem solchen Bereich führt j a zum Protest bei den Ihren.

    (Dr. Vogel [SPD]: Mimose!)

    — Herr Kollege Vogel, bei dem Begriff „Mimose" brauche ich nur Sie anzuschauen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Selbst Ihre eigenen Kollegen, die hinter Ihnen sitzen, müssen bei diesem Vergleich mühsam um Haltung ringen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ein schwacher Bundeskanzler! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, die sowjetische Führung konnte zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Haltung der Bundesregierung haben. Ich habe in meiner Regierungserklärung am 4. Mai 1983 von dieser Stelle aus unmißverständlich erklärt:
    Wenn die Sowjetunion nicht bereit ist, Sicherheit in Europa durch Abrüstung herzustellen, dann müssen wir uns Sicherheit durch die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen verschaffen.
    Herr Kollege Brandt, dieser Satz war ja nicht völlig frei erfunden. Er bedeutet die Fortführung einer Politik, die immerhin von Ihrem Stellvertreter Helmut Schmidt begründet wurde. Wir wollen doch ein Jahr danach nicht so tun, als hätten Sie mit einer solchen Politik nie etwas zu tun gehabt. Sie sind doch von dieser Politik abgerückt. Sie unterstützen doch heute einen Teil der Friedensbewegung, zwar mit der Begründung, das sei nur friedlich gemeint, aber an den Ergebnissen werden wir ja sehen, wohin der Weg führen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es lag nicht zuletzt an der Politik wichtiger Teile der deutschen Sozialdemokratie — ich spreche hier bewußt von Teilen —, wenn die sowjetische Führung im vergangenen Jahr Illusionen gehabt haben sollte und die Durchsetzungskraft der Teile der deutschen Bevölkerung, die sich gegen den NATODoppelbeschluß aussprachen, falsch eingeschätzt hat.
    Die Bundesregierung hat gemeinsam mit dem Bündnis wiederholt erklärt, daß unsere Bereitschaft zur Abrüstung und Rüstungskontrolle unvermindert fortbesteht. Herr Kollege Brandt, die Genfer Verhandlungen — das wissen Sie so gut wie ich — können, wo und wann auch immer, sofort wieder aufgenommen werden,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Scherzerklärung!)

    wenn die Sowjetunion dazu bereit ist. Wir sind bereit, auch über neue Verhandlungsforen zu sprechen, wenn dies gewünscht wird.
    Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern haben wir im letzten Jahr die KSZE-Folgekonferenz in Madrid zu einem erfolgreichen Abschluß geführt. Damals sagten Sie von der SPD — das klang heute ganz anders —, daß die Stockholmer Konferenz notwendig ist für vertrauens- und sicherheitsbildende

    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Maßnahmen. Wir bejahen das heute noch genauso. Der Westen hat dazu unter maßgeblicher Mitwirkung unserer Regierung ein gemeinsames Verhandlungspaket auf den Tisch gelegt.
    Im Frühjahr dieses Jahres konnte auf unsere Initiative hin bei den Wiener Verhandlungen über den Truppenabbau in Mitteleuropa ein neuer Verhandlungsvorschlag eingereicht werden.
    Wir haben erheblichen Anteil daran, daß die USA bei den Genfer Verhandlungen einen Vertragsentwurf über ein weltweites Verbot chemischer Waffen vorgelegt haben.
    Wir haben die amerikanische Bereitschaft unterstützt, jetzt im September in Wien ohne Vorbedingungen Verhandlungen mit der Sowjetunion über Rüstungskontrolle im Weltraum aufzunehmen.
    Schließlich haben sich die westlichen Verbündeten einschließlich der USA bereit erklärt, im Rahmen der Stockholmer Verhandlungen die Frage weiterer Vereinbarungen über die Bekräftigung des allgemeinen Gewaltverzichts zu prüfen, wenn Absprachen über konkrete, militärisch relevante und nachprüfbare sicherheits- und vertrauensbildende Maßnahmen möglich werden. Das ist in diesen knapp zwei Jahren ein wesentlicher Beitrag zu dem Versuch, Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen. Ich bin ganz sicher, Herr Kollege Brandt — auch wenn Sie das als Optimismus abtun —, daß nach den amerikanischen Wahlen — wenn die Führer der Sowjetunion dies wollen — eine gute Chance besteht, alsbald zu wirklichen Verhandlungen zu kommen, und wir werden dazu unseren Beitrag zu leisten haben.
    Wir haben ihn nicht nur in der NATO geleistet, sondern wir haben diesen Beitrag auch in der Europäischen Gemeinschaft geleistet. Wir haben die Politik der Regierung nie so gesehen: hier Europa und dort Amerika. Es war nie ein Entweder-Oder, sondern selbstverständlich ein Sowohl-Als auch. Es war ein deutscher Beitrag, der wesentlich dazu führte, daß es in Fontainebleau möglich war, in die festgefahrene Entwicklung in der EG wieder Bewegung zu bringen. Die Art und Weise, wie sich Ihre Sprecher dazu geäußert haben — nicht zuletzt z. B. hinsichtlich der Agrarpolitik —, zeigt doch, daß Sie gar nicht bereit sind, eine solche Linie zu unterstützen. Ich kann Ihnen doch die Frage stellen: Warum hat mein Amtsvorgänger, warum haben Sie zu der Zeit, in der Sie die Verantwortung hatten, nicht einen solchen Beitrag geleistet, um die Dinge in Europa wieder flottzumachen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die deutsch-französische Freundschaft hat sich in einer besonderen Weise bewährt. Sie bleibt für uns ein tragender Pfeiler für den Ausbau der europäischen Integration. Wir sind uns darüber im klaren, meine Damen und Herren, daß Europa — besser und korrekter gesagt: das EG-Europa — gerade nach der Europa-Wahl und nach der Mahnung, die die Bürger Europas uns allen auch durch ihre Abwesenheit von den Wahlurnen gegeben haben, einen neuen Anlauf zur politischen Integration nehmen muß. Ich gehe diesen Weg ohne jede Illusion,
    weil ich sehr deutlich sehe, daß in der Gemeinschaft, so wie sie sich heute darstellt, die Bereitschaft, im Sinne der Römischen Verträge neben der wirtschaftlichen Komponente die politische Entwicklung Europas zu fördern, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.
    Wir haben gerade in diesen Tagen eine instruktive Lehre erhalten. Der französische Präsident wie auch ich hatten in Fontainebleau den Vorschlag gemacht, nach den Erfahrungen der späten 50er Jahre in einer Neuauflage oder Kopie der damaligen Spaak-Kommission eine Reihe von hervorragenden Persönlichkeiten, die nicht in ein Regierungsamt eingebunden sind, zu bitten, sozusagen eine Art Standortbestimmung der europäischen Institutionen vorzunehmen und uns entsprechende Anregungen zu geben.
    Bei der Benennung der Mitglieder dieser Kommission hat sich gezeigt, daß ein beachtlicher Teil unserer europäischen Partner nicht bereit war, unabhängige Persönlichkeiten zu benennen, sondern daß man von vornherein den Versuch unternahm, eine Gruppe zusammenzusetzen, von der keine europäische Inspiration — das sage ich hier in aller Offenheit — ausgehen würde. Wir nehmen dies zur Kenntnis. Aber es ändert nichts an der Notwendigkeit, gemeinsam mit jenen Partnern und Freunden in der Gemeinschaft einen neuen Anlauf zur politischen Integration zu nehmen, die dazu bereit sind. Ich hätte es begrüßt, wenn eine Zahl von hochangesehenen und kompetenten Persönlichkeiten — von unserer Seite war unser früherer Präsident, Karl Carstens, vorgeschlagen — diese Aufgabe des Ratgebers übernommen hätte.
    Meine Damen und Herren, ich danke Karl Carstens, daß er dazu bereit war. Aber es zeigt sich — —

    (Zuruf von der SPD: Daß Sie unfähig sind!)

    — Meine Damen und Herren, es ist ja wirklich so, daß Sie zu der einfachsten Sachdiskussion unfähig sind. Ich dachte, Herr Kollege Brandt, zur Gemeinsamkeit gehört wenigstens, daß wir bereit sind, für die politische Einigung Europas einen neuen Anlauf zu nehmen. Wenn ich als Regierungschef hier korrekt darüber berichte und dann diese infantilen Äußerungen dazu höre, dann kann ich nur fragen: Wie wollen Sie da von Gemeinsamkeit reden?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Brandt [SPD]: Ganz kümmerlich ist das!)

    Unsere Vision bleibt ein politisch und wirtschaftlich geeintes Europa, ein Europa, das mit einer Stimme spricht, ein Europa, das seine Vielfalt nicht aufgibt, ein Europa, das seinen Beitrag zum Frieden, zur Stabilität in der Welt leisten kann, ein Modell für Freiheit und Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand bildet, ein Europa, das auch ein Partner, ein gesuchter Partner für die Staaten der Dritten Welt sein kann: für Asien, Lateinamerika und Afrika.
    Meine Damen und Herren, neben diesen beachtlichen Erfolgen unserer Außen-, Sicherheits- und



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Deutschlandpolitik steht — auch das gehört in diese Debatte — die sehr ermutigende Bilanz unserer Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik. Der Kollege Stoltenberg hat vieles von dem, was dazu zu sagen ist, hier deutlich gemacht. Es war gut, daß er es vorgetragen hat, weil er einen wesentlichen und entscheidenden Anteil an dieser Politik hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Apel, das, was Sie dazu gesagt haben, ist in der Tat so, daß man darauf nicht zurückzukommen braucht. Es ist hier in einer Form vorgetragen worden, als hätten Sie nicht gestaltend die Jahre 1981 und 1982 miterlebt.
    Sie haben heute protestiert, daß man immer wieder über die Erblast spricht. Meine Damen und Herren, das ist halt so im Leben: Wenn man eine solche Erblast hinterlassen hat, wie Sie das getan haben, dann denken die Leute noch nach Generationen daran. Das ist so.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es war doch die deutsche Sozialdemokratie — Helmut Schmidt hat es in seiner zu Recht berühmten Rede vor Ihrer Fraktion dargestellt —, die das Land so heruntergewirtschaftet hat.
    Meine Damen und Herren, wir haben unter schwierigsten Bedingungen 1982 mit einer Neuorientierung dieser Politik begonnen. Wir sind bewußt das Risiko eingegangen, eine Neuwahl herbeizuführen und dem Wähler vor der Wahl zu sagen, was zu tun ist. Wir haben eine klare Mehrheit für diese Politik bekommen. Wir werden diese Politik im Auftrag dieser Mehrheit auch gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Sie sitzen nur darauf!)

    Meine Damen und Herren, es gibt wieder wirtschaftliches Wachstum. Es gibt Perspektiven — trotz großer Schwierigkeiten — für eine anhaltende Aufwärtsentwicklung. Herr Kollege Brandt, was hätten Sie hier gesagt, wenn Sie in den letzten Jahren hätten darauf hinweisen können, daß trotz eines Arbeitskampfes und trotz aller Probleme im Innern und nach außen eine Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts von 2,5% im Jahr erreicht wurde?
    Was wäre geschehen, wenn ein sozialdemokratischer Kanzler in der Lage gewesen wäre, von diesem Pult aus zu erwähnen, daß innerhalb der letzten 18 Monate praktisch Preisstabilität erreicht wurde, daß die Inflationsrate zuletzt auf 1,7 % zurückgegangen ist? Das ist doch wirklich sozial gerechte Politik, die wir damit gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Dieser Politik der Preisstabilität ist es doch zu verdanken, daß die Realeinkommen der Arbeitnehmer in diesem Jahr erstmals seit 1980 wieder zugenommen haben, und sie werden weiter zunehmen. Der Stabilitätsgewinn — Herr Kollege Apel, auch davon haben Sie nicht gesprochen — sichert den Bürgern eine Kaufkraft in Höhe von nicht weniger als 30 Milliarden DM. Das ist weit mehr, als alle
    Ihre Programme in den letzten Jahren überhaupt zu bewegen vermochten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Gerhard Stoltenberg hat hier eingehend über die Entwicklung beim Haushaltsdefizit Bericht erstattet.
    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie brauchen doch nur Ihre eigenen Reden vom Dezember 1982 zum Nachtragshaushalt nachzulesen — soweit wird man sich in einem deutschen Parlament doch noch erinnern dürfen —, um zu wissen, daß alle Ihre Prophezeiungen nicht eingetreten sind. Was Sie in diesen Jahren geboten haben, war nicht Perspektive, sondern begleitende Häme zu unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Apel, der Zinsabstand zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Kapitalmarkt — ich sage das, weil Sie sofort zu der für einen Sozialdemokraten heute selbstverständlichen Amerikaschelte kamen — hat sich zuletzt auf fünf Prozentpunkte erhöht. Abgesehen von der Schweiz und Japan sind die Zinsen in der Bundesrepublik heute weltweit die niedrigsten. Das ist ein starker Impuls für die Investitionen in unserer Wirtschaft.
    Unser Hauptproblem — das ist wahr; hier sind wir noch lange nicht über den Berg — heißt Arbeitslosigkeit. Wir alle sind uns darüber im klaren, daß es für die Überwindung der Arbeitslosigkeit, vor allem der strukturellen und regionalen Probleme, keine Patentrezepte, keine schnellen Lösungen gibt.
    Unsere Sprecher — mein Freund Waigel —, haben heute früh darauf hingewiesen, daß das, was über viele Jahre gewachsen ist, doch nicht in wenigen Monaten beseitigt werden kann. Wenn wir heute in der Bundesrepublik darüber diskutieren müssen, daß wir ein Süd-Nord-Gefälle in der Wirtschaftsstruktur haben, muß man doch die Frage stellen, was in Hamburg, was in Bremen, was in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahrzehnt an Strukturpolitik geschehen ist. Ich kann unbefangen darüber reden, weil ich viele Jahre als Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes Verantwortung getragen habe und dieses Bundesland jedenfalls in der Entwicklung seiner Struktur der letzten 15 Jahre sehr wohl vorzeigbar ist. Auch das gehört j a ins Bild unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es ist uns gelungen — auch wenn Sie das bestreiten —, innerhalb von eineinhalb Jahren den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen. In den zwei Jahren zuvor waren 800 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Die Arbeitslosenzahl war um 1 Million gestiegen. Im Herbst 1982 war ein Ende des verhängnisvollen Trends zu mehr Arbeitslosigkeit nicht in Sicht. Wir konnten diese dramatische Entwicklung stoppen.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    — Ich nenne Ihnen gerade ein Beispiel, wenn Sie bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen. Die Kurzarbeiterzahl

    (Reents [GRÜNE]: Es geht um die Arbeitslosigkeit!)

    ist seit Januar 1983 sogar von 1,2 Millionen auf zuletzt 212 000 zurückgegangen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verstehen diese Zahlen doch genauso wie wir. Sie wissen, daß die Vorstufe zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit der Abbau der Kurzarbeit ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    daß im betrieblichen Alltag doch zunächst der Kurzarbeiter wieder in ein normales Arbeitsverhältnis überführt wird. Das ist eine positive Entwicklung, auch wenn Sie durch Ihre Sprecher entweder glauben machen oder herbeireden wollen, daß es ganz anders ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Wir beobachten auch bei aller Sorge, die wir haben, ermutigende Zeichen beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Die Quote der Jugendarbeitslosigkeit liegt jetzt, anders als 1982, unter derjenigen aller Arbeitnehmer.

    (Zuruf von der SPD: Und was sagen Sie zum Lehrstellenmangel?)

    — Ich komme auf das Thema Lehrstellen.

    (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Mit Doppel-e!)

    Darüber spreche ich mit Ihnen besonders gerne.
    Auch die Entwicklung bei den offenen Stellen signalisiert die Bewegung auf dem Arbeitsmarkt.
    Wir überschätzen diese Zahlen nicht. Wir sind — ich sage es noch einmal — noch lange nicht über den Berg. Aber die Bilanz zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Mit solider Haushaltspolitik, mit der bewährten Politik der Sozialen Marktwirtschaft haben wir erreicht, daß die Wirtschaft wieder wächst, und zwar bei stabilen Preisen. Das ist sozial gerecht. Es gibt nichts sozial Gerechteres als stabile Preise.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daß die gewerbliche Wirtschaft wieder höhere Erträge erzielt, daß wieder investiert wird und daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessert wurde, ist gelungen, obwohl unsere Volkswirtschaft in diesem Jahr erheblichen Belastungen durch die Arbeitskämpfe ausgesetzt war. Ich will auch dazu ein Wort sagen. Die Tarifautonomie ist unverzichtbarer Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft. Dazu gehört — ich sage das, obwohl einige es nicht gerne hören — selbstverständlich das Recht der Tarifpartner, ihre Interessen auch mit den Mitteln des Arbeitskampfes zu vertreten. Wer ja sagt zur freien Gesellschaft, muß auch ja sagen zu den Kampfmitteln der Tarifpartner. Man hat es nicht mit einer wirklich freien Gesellschaft zu tun, wenn das nicht selbstverständlich einbezogen wird.
    Eine ganz andere Frage ist, inwieweit die Tarifpartner verpflichtet sind, sich etwa hinsichtlich des Zeitpunkts eines solchen Streiks an ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung zu orientieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir, die Bundesregierung, sagen ohne Wenn und Aber ja zur Tarifautonomie. Auf der anderen Seite gehört es zur gesamtpolitischen Verantwortung der Regierung — das muß ich an Ihre Adresse gerichtet sagen —, daß die wirtschaftlichen Risiken und die Gefährdungen als Folgen eines Arbeitskampfes auch von ihr kommentiert werden können. Freie Gesellschaft und Tarifautonomie heißt nicht, daß die eine Seite handelt und die andere, die die politische Verantwortung trägt, zu allem zu schweigen hat. Das ist ein völlig undenkbares Modell einer freien Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nach Beendigung des Arbeitskampfes wird es notwendig sein, den Dialog zwischen den Tarifpartnern, zwischen den Gewerkschaften, den Arbeitgebern und der Politik, zu intensivieren.

    (Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, er war nie abgebrochen. Das wissen Sie doch auch. Reden Sie sich doch nichts ein. Sie haben doch Gewerkschaftsführer in Ihrer eigenen Fraktion, die Ihnen bestätigen können, daß das Gespräch immer weitergegangen ist. Was soll also eine derartige Darstellung der politischen Situation?
    Alle Beteiligten, Gewerkschaften wie Unternehmer, haben ihre Bereitschaft dazu signalisiert. Wir brauchen diese Gemeinsamkeit bei all dem, was wir kontrovers diskutieren müssen. Ich denke auch, daß die Erfolgsaussichten einer solchen Zusammenarbeit günstig sind. Es gibt gute Beispiele. So wurden für die 60 000 Bergleute im Steinkohlenbergbau in Zusammenarbeit mit der IG Bergbau und Energie Anpassungsschichten vereinbart. Sie verhindern, daß ein strukturmäßig besonders schwieriges Gebiet, nämlich das Ruhrgebiet, durch arbeitslose Bergleute zusätzlich belastet wird. Die Bundesregierung, der Steuerzahler, leistet hierzu einen erheblichen Beitrag. Auch in anderen Branchen wurden Fortschritte erzielt. Gerhard Stoltenberg, Theo Waigel und andere sprachen schon von den Stahlunternehmen. Das gilt auch für Teile der Werftindustrie und für viele andere Bereiche.
    Mein Amtsvorgänger pflegte bei solchen Gelegenheiten immer gern die internationale Presse zu zitieren. Er pflegte besonders gerne die „Financial Times" zu zitieren.

    (Zuruf von der SPD: Die können Sie nicht lesen!)

    Ich will mich heute diesem großen Vorbild anschließen

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    und die „Financial Times" vom 3. August zitieren, die da schlicht und einfach kommentiert — ich zitiere —:

    (Zuruf von der SPD: Auf Englisch!)

    Wenige Länder haben heute bessere wirtschaftliche Aussichten als Westdeutschland. Die Regierung Kohl hat nahezu alles richtig gemacht.
    Meine Damen und Herren, ich habe dem nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Bravo! — Lachen bei der SPD)

    Stellen Sie sich einmal vor, was hier im Saal los gewesen wäre, wenn einer hätte vorlesen können: Die Regierung Schmidt hat alles richtig gemacht.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich denke nicht, daß uns dieser Kommentar dazu bringen muß, auszuruhen. Zeitungskommentare veralten, wie Sie wissen, sehr schnell, und das weiß ich sehr genau. Aber es ist ein guter Ansporn. Es ist vor allem ein Hinweis darauf, daß die Grundlinie unserer Politik richtig ist. Neue, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze können nur durch mehr Investitionen geschaffen werden. Diese Investitionen wird es ohne Wirtschaftswachstum nicht geben. Es gibt zwar einige hier im Saal, die von anderem träumen. Aber das bleibt eben ein Traum. Denn wer erweitert schon seine Kapazitäten ohne hinreichende Aussicht darauf, daß seine Produkte einen vernünftigen Absatzmarkt finden?
    Die Bundesregierung hat die Bedingungen für wirtschaftliches Handeln nachhaltig verbessert. Sie hat damit Wirtschaftswachstum und Investitionen wieder möglich gemacht. Wir haben mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen neuen Handlungsspielraum für die Politik geschaffen. Den nutzen wir jetzt. Wir verwirklichen weniger Staat und mehr Freiraum für private Initiativen, insbesondere durch die Senkung von Steuern und Abgaben. Was ich von Herrn Kollegen Apel dazu gehört habe, war schon erstaunlich. Es ist eben wahr: Für einen Sozialisten ist die Vorstellung, daß jemand kommt und Abgaben senkt, völlig undenkbar. Auch das ist eine Erfahrung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir stellen das System der sozialen Sicherung auf eine dauerhafte und tragfähige Grundlage. Wir sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit durch die stärkere Öffnung des Arbeitsmarktes für die, die draußen stehen.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Entscheidend ist, was herauskommt!)

    — Ich komme noch zu Ihrem Thema. — Wir verwirklichen die angekündigte Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft, und das heißt für uns: Einsatz für mehr Strukturwandel.
    Meine Damen und Herren, wir setzen mehr Umweltschutz durch und sichern damit die natürlichen
    Lebensgrundlagen für uns und die nachfolgende Generation.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: „Sitzen", nicht „setzen"!)

    Ich weiß gar nicht, warum Sie bei diesem Thema unruhig werden. Was haben Sie in diesen 13 Jahren denn gemacht, als Sie hier die Regierungsverantwortung hatten?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Warum, meine Damen und Herren, ist bei uns das umweltfreundliche Auto nicht — wie in Japan und in Amerika — bereits eingeführt? Weil Sie in der deutschen Sozialdemokratie zu einer solchen Entscheidung doch nicht fähig waren!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es bleibt bei der Politik der Haushaltskonsolidierung. Wir werden die Entlastung der Arbeitnehmereinkommen durchführen. Wir machen ernst mit der Devise, die auch unsere Wahlparole vor der Wahl war: weniger Staat, mehr Freiraum für private Initiative; Leistung muß sich wieder lohnen. Mit einem Gesamtvolumen von 20,2 Milliarden DM werden wir die Familien mit Kindern entlasten sowie den Steuertarif spürbar und dauerhaft absenken. Beides sind wichtige Teile unserer Reform.
    Herr Kollege Apel, der familienpolitische Teil dieser Steuerreform ist für uns von weittragender gesellschaftspolitischer Bedeutung. Wer einem Kind im Elternhaus Sprachschatz, Denkvermögen und ein Stück Glück auf den Lebensweg vermittelt, wer ihm das Hineinwachsen in die menschliche Gesellschaft ermöglicht, wer es die ganze Liebe einer verantwortungsbewußten Erziehung durch Eltern erfahren läßt, der hat Anspruch darauf, daß diese Leistung genauso anerkannt wird wie jede Leistung in einer beruflichen Aufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb wollen wir die besondere Förderung der Familie. Für den Lastenausgleich zugunsten der Familie stellen wir ab 1986 jährlich rund 8 Milliarden DM zusätzlich zur Verfügung. Ich frage Sie auch zu diesem Punkt: Wenn Sie das alles immer gewußt haben, warum haben Sie denn keine familienfreundlichere Politik im letzten Jahrzehnt gemacht?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Haben wir doch!)

    Neben einer familiengerechten Gestaltung der Lohn- und Einkommensteuer haben wir einen Kindergeldzuschlag für die Bezieher geringer Einkommen beschlossen. Wir erweitern das Mutterschaftsgeld zu einem Erziehungsgeld für alle Mütter und Väter und heben den Höchstbetrag an, und wir werden Kindererziehungszeiten als rentensteigernd anerkennen. Das ist ein in sich geschlossenes Programm.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist wahr, daß unser Land heute bei vielen als familien- und kinderfeindlich gilt. Wir sollten alles tun, damit Kinder wieder als Segen verstanden wer-
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5913
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    den — als Segen für das ganze Land und seine Zukunft. Die Familie ist das unentbehrliche Fundament für den Staat und die Gesellschaft. Das soziale und das menschliche Klima des Landes hängt entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, unsere soziale Umwelt wieder kinder- und familienfreundlich zu gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir stellen das System der sozialen Sicherung auf eine solide und dauerhafte Grundlage.
    Die Wahl am 6. März letzten Jahres hat gezeigt, daß die große Mehrheit der Bürger begriffen hat, was von vielen Sozialisten immer noch nicht begriffen wird: daß man eben auf die Dauer nur verbrauchen kann, was vorher erarbeitet wurde, und daß eine Sanierung des Ganzen nur mit Opfern möglich ist.
    Wir haben wichtige Schritte getan. Der Bundesarbeitsminister hat sowohl für die Rentenversicherung als auch für die Krankenhausfinanzierung konkrete Vorschläge fristgerecht auf den Tisch gelegt. Für mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit sorgen wir auch mit einer stärkeren Öffnung des Arbeitsmarktes für die, die noch draußen stehen. Denn es muß uns doch zunächst einmal um jene gehen, die keinen Arbeitsplatz besitzen. Worauf es ankommt, ist, den Betroffenen möglichst rasch zu helfen und gleichzeitig den Arbeitsmarkt und seine Bedingungen so zu gestalten, daß tatsächlich ein Maximum an Beschäftigung erreicht wird. Eine kurzfristige Entlastung des Arbeitsmarkts hat die Bundesregierung mit der Anwendung aller Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes erreicht. Über 80 000 Männer und Frauen finden Arbeit durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Auch das ist eine Zahl, die weit über dem liegt, was Sie je in dem Jahrzehnt, als Sie hier in der Verantwortung waren, erreicht haben. Die Förderung der beruflichen Bildung wurde verstärkt. Insgesamt wird der Arbeitsmarkt durch solche Formen direkter Unterstützung heute um rund 370 000 Arbeitssuchende entlastet.
    Diese Politik schneller, kurzfristiger Hilfen wird ergänzt durch ein Konzept, das auf dauerhafte Bereitstellung von Arbeitsplätzen zielt. Ein ganz wichtiger Schritt — von Ihnen j a auch lange genug mit Häme begleitet — ist die Vorruhestandsregelung. Im Rahmen der bisher geschlossenen Tarifverträge besteht bereits für 240 000 ältere Arbeitnehmer die Möglichkeit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zu mehr Beschäftigung. Dies gilt auch für das Bündel von Maßnahmen, die wir im sogenannten Beschäftigungsförderungsgesetz zusammengefaßt haben.
    Heute, in einer Aufschwungphase, lassen viele Betriebe Überstunden leisten und Sonderschichten fahren. Die Möglichkeit von Zeitarbeitsverträgen ist sehr wesentlich, weil sie eine Hilfe für Neueinstellungen bedeutet. Wir wollen für eine Übergangszeit diese Möglichkeit zur einmaligen Befristung von Arbeitsverträgen erleichtern. Ich habe von Ihrer Seite noch nicht ein einziges vernünftiges Argument zu der sehr einprägsamen Feststellung meines Freundes Norbert Blüm gehört, der sagt, es sei
    grundsätzlich besser, befristet Arbeit zu haben, als unbefristet arbeitslos zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will in der Kürze der Zeit die vielen anderen Maßnahmen, die wir getroffen haben — freiwillig vereinbarte Teilzeitarbeit, Jobsharing, variable Arbeitszeit, alles, was eine Öffnung zu mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt bedeutet — hier nicht im einzelnen aufführen. Ich weiß, daß das Ihre Kritik findet, weil Sie aus den altvertrauten Gleisen nicht heraustreten können.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Geschwätz!)

    Wer jetzt in dieser Situation nicht den Mut hat, neue, sozialverträgliche Wege zu gehen, wird das Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Eines der wichtigsten Themen in diesem und noch im nächsten Jahr ist die Bereitstellung von genügend Lehrstellen.

    (Zurufe von der SPD: Ja!)

    Das ist auch so ein Thema, bei dem sich weite Teile der deutschen Sozialdemokratie im letzten Jahr nicht durch Mitarbeit, sondern durch Häme ausgezeichnet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es war die gemeinsame Leistung von vielen verantwortlichen Männern und Frauen in der Wirtschaft, Unternehmern, Handwerkern, Betriebsräten, Einzelhändlern, Leuten aus den freien Berufen, daß sie die Rekordzahl von 700 000 Ausbildungsplätzen im letzten Jahr erreichen konnten. Wir haben sie ohne gesetzlichen Zwang erreicht. Wir haben sie ohne Auflagen erreicht. Wir haben sie mit dem Appell an die Verantwortungsbereitschaft unserer Mitbürger erreicht.

    (Zuruf des Abg. Kleinert [Marburg] [GRÜNE])

    Wir wissen, daß wir in diesem Jahr noch mehr Plätze zur Verfügung stellen müssen, weil der Jahrgang, der jetzt ansteht, eine höhere Zahl umfaßt und weil zum zweiten das Problem durch eine an sich höchst erfreuliche Entwicklung potenziert wird. Zum erstenmal stellen wir nämlich bei den Abgängern aus den Gymnasien fest, daß der Weg zum dualen System der praktischen Ausbildung dem Weg zur Universität vorgezogen wird. Im Blick auf die drohende Jungakademikerarbeitslosigkeit ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Deswegen müssen wir alles tun, um die notwendigen Stellen bis Ende dieses Jahres auf allen nur denkbaren praktischen Wegen bereitzustellen.
    Meine Damen und Herren, wir werden als Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen. Wir werden auch gemeinsam mit den Kammern, den Handwerks- und den Industrie- und Handelskammern, im dualen System nach unorthodoxen Mög-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    lichkeiten und Wegen suchen müssen, um das Problem zu lösen.