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ID1006203600

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    Plenarprotokoll 10/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. März 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4407 A Aktuelle Stunde betr. die aktuelle Menschenrechtslage in der Türkei angesichts der bedrohlichen Lage der Gefangenen in den türkischen Militärgefängnissen Schily GRÜNE 4407 B Dr. Pohlmeier CDU/CSU 4408 B Voigt (Frankfurt) SPD 4409 C Dr. Hirsch FDP 4410 B Genscher, Bundesminister AA 4411 A Frau Huber SPD 4411 D Graf Huyn CDU/CSU 4412 D Frau Luuk SPD 4413 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 4414 D Hoss GRÜNE 4415 D Schwarz CDU/CSU 4416 B Bindig SPD 4417A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1201 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1202 — 4417 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes — Drucksache 10/1108 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Fischer (Frankfurt), Dr. Jannsen, Frau Reetz, Schily und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes — Drucksache 10/1184 — Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 4418 B Fischer (Osthofen) SPD 4419 D Bohl CDU/CSU 4422 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 4424 D Kleinert (Hannover) FDP 4426 D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes — Drucksache 10/1189 — Dr. Kreile CDU/CSU 4429 C Dr. Mertens (Bottrop) SPD 4430 D Gattermann FDP 4432 C Krizsan GRÜNE 4433 C Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . 4434 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. März 1984 Beratung des Jahresberichts 1983 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1061 — Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 4435 B Heistermann SPD 4437 A Dr. Feldmann FDP 4438 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 4440 B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 4442 C Nächste Sitzung 4444 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4445 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4445 *C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. März 1984 4407 62. Sitzung Bonn, den 30. März 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 30. 3. Austermann 30. 3. Bahr 30. 3. Dr. Becker (Frankfurt) 30. 3. Frau Beck-Oberdorf 30. 3. Breuer 30. 3. Brosi 30. 3. Buschbom 30. 3. Catenhusen 30. 3. Curdt 30. 3. Dörflinger 30. 3. Dr. Ehmke 30. 3. Engelsberger 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Franke 30. 3. Gallus 30. 3. Dr. Götz 30. 3. Dr. Häfele 30. 3. Heyenn 30. 3. Jaunich 30. 3. Klein (München) 30. 3. Dr. Kübler 30. 3. Kuhlwein 30. 3. Lambinus 30. 3. Liedtke 30. 3. Link (Diepholz) 30. 3. Lutz 30. 3. Metz 30. 3. Dr. Müller* 30. 3. Nelle 30. 3. Niegel 30. 3. Offergeld 30. 3. Porzner 30. 3. Frau Reetz 30. 3. Reuschenbach 30. 3. Sauer (Stuttgart) 30. 3. Schmidt (Hamburg) 30. 3. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 3. Schmidt (Wattenscheid) 30. 3. Schmitz (Baesweiler) 30. 3. Frau Schoppe 30. 3. Schröder (Hannover) 30. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 3. Stücklen 30. 3. Tietjen 30. 3. Vahlberg 30. 3. Dr. Warnke 30. 3. Weiskirch (Olpe) 30. 3. Wischnewski 30. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 30. 3. Würtz** 30. 3. Zander 30. 3. Dr. Zimmermann 30. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Nutzung der Solartechnik für die Niedertemperatur-Wärmeversorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 10/1090) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. Januar bis 2. Februar 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1096) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Konsolidierung und zum Ausbau des Europäischen Währungssystems im Rahmen der Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom März 1982 (Drucksache 10/1097) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/1113) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Mehrwertsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/1122) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Zustimmungsbedürftige Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/84 - Zollpräferenzen 1984 gegenüber Entwicklungsländern - EGKS) (Drucksache 10/1156) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 3. Mai 1984 vorzulegen
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    Rede von Friedrich Bohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt den vorliegenden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des deutschen Richtergesetzes, bringt er uns doch dem Ziel, die Juristenausbildung mit Auslaufen der Experimentierphase am 15. September 1984 wieder zu vereinheitlichen, einen großen Schritt näher.

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Was heißt hier auslaufen? Sie schütten das Kind mit dem Bade aus!)

    Ich meine durchaus, daß der Gesetzentwurf die Chance eröffnet, die in den Modellversuchen in den vergangenen 13 Jahren gewonnenen Erfahrungen und auch die Erkenntnisse aus der Fachdiskussion für die künftige Juristenausbildung nutzbar zu machen.
    Die Einheitlichkeit der Juristenausbildung ist für uns deshalb so dringend geboten, weil wir nicht wollen, daß der Wechsel der Universitäts- und Ausbildungsorte für Studenten und Referendare und damit die Mobilität der Auszubildenden erschwert wird. Wir wollen auch nicht, daß die Vergleichbarkeit der Ausbildung in den einzelnen Bundesländern aufgehoben wird. Entschieden wir uns für etwas anderes, so wie es die GRÜNEN offensichtlich mit ihrem jetzt eingebrachten Gesetzentwurf wollen, brächte das für alle Beteiligten und für unser Rechtswesen schlechthin schweren Schaden mit sich.
    Wie ist nun die Ausgangslage, Herr Kollege Fischer, bei der beabsichtigten Neuordnung? — Die Hörsäle, das wissen Sie, sind total überfüllt. Auch die Kapazität an praktischen Ausbildungsstellen ist bei noch steigendem Andrang zum Vorbereitungsdienst absolut erschöpft. Hierzu einige Zahlen: Im Jahre 1953 studierten im Bundesgebiet etwas mehr als 11 000 Juristen. Bis 1969 verdreifachte sich die Studentenzahl auf über 33 000. Bis zur letzten Zählung, im Wintersemester 1981/82, versiebenfachte



    Bohl
    sich die Zahl auf über 77 000 Jurastudenten. Auf 800 Einwohner ein Jurastudent!
    Jährlich nehmen zwischen 12 000 und 13 000 Abiturienten das Jurastudium auf, also mehr als in den 50er Jahren insgesamt an den Universitäten studiert haben.

    (Dr. de With [SPD]: Deswegen brauchen wir eine Reform!)

    Nach der Prognose für die Studenten- und Referendarzeit muß nach dem KMK-Beschluß vom 11. Juli 1981 bis Ende dieses Jahrzehnts davon ausgegangen werden, daß pro Jahr 15 000 Studienanfänger da sein werden. Die Zahl wird bis Mitte der 90er Jahre bei ca. 12 000 Anfängern liegen. Die Referendarzahlen werden in den 90er Jahren zwischen 7 000 und 8 000 pro Jahr liegen. Das sind doch Zahlen, die nicht nur im Hinblick auf die Berufsaussichten der jungen Juristen erschreckend sind.

    (Dr. de With [SPD]: Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie denn daraus?)

    Angesichts dieser Zahl läßt sich schon aus rein organisatorischen Gründen ein System des mehrfachen Intervalls, also das System der einphasigen Juristenausbildung einfach nicht verwirklichen,

    (Dr. de With [SPD]: Sie wollen so weitermachen wie bisher!)

    zumindest nicht in Flächenstaaten, in denen doch der ständige Wechsel von Theorie und Praxis nicht darzustellen ist. Wie soll das denn gehen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Hinzu kommen auch — da muß ich Ihnen entschieden widersprechen — finanzielle Gesichtspunkte, die ich bereits in der Debatte im November letzten Jahres vorgetragen habe. Nach dem vom Justizministerium, Herr Kollege de With, im Jahre 1979 selbst eingeholten Gutachten kostet die universitäre Ausbildung eines Jurastudenten in der herkömmlichen Form ca. 25 000 DM, eine Ausbildung nach dem Intervall-Modell 49 000 DM, also fast das Doppelte. Bei der schwierigen Haushaltslage von Bund und Ländern ist dies doch wirklich ein ganz gewichtiges Argument.

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Die werden früher fertig! — Dr. de With [SPD]: Das ist ja der Fehler, den Sie machen!)

    Wir kommen bei nüchterner Analyse der Ausgangslage und bei sachgerechter Würdigung der finanziellen Gegebenheiten zu dem Ergebnis:

    (Dr. de With [SPD]: Sie müssen alles addieren, nicht nur einen Teil davon!)

    In und für die nächsten 15 Jahre kommt man einfach nicht umhin, als Gesetzgeber dem Intervall-Modell — ich füge hinzu: zumindest derzeit — eine klare Absage zu erteilen.
    Ich will Ihnen auch deutlich sagen, daß die Modellversuche, die über das Intervallmodell gelaufen sind, zeigen, daß nicht garantiert ist, daß unter den gegebenen Umständen eine weit bessere Ausbildung stattfindet. Hier verweise ich auf den Abschlußbericht über die Ausbildung in Regensburg und Augsburg, bei der die Ausstattung in finanzieller, personeller und sachlicher Hinsicht sehr gut war, von Professor Rolinski, der nachgewiesen hat, daß bei dem Intervallmodell eine weit bessere Ausbildung nicht eintritt. Bei einer entsprechenden politischen Würdigung und Gewichtung dieser Gesichtspunkte muß das doch ein durchschlagendes Argument sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir — das soll auch gesagt sein — dem Intervallmodell, also der einstufigen Juristenausbildung, eine klare Absage erteilen, soll das nicht bedeuten, daß wir die herkömmliche Ausbildung nicht verbessern wollen. Wir wollen die herkömmliche Ausbildung nicht ohne jede Änderung fortsetzen. Das wäre auf Grund der Erkenntnisse und Erfahrungen, die wir haben, in der Tat nicht richtig. Aber unser Lösungsansatz besteht darin, auf der Grundlage der herkömmlichen Ausbildung zu einer Verbesserung der Juristenausbildung

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Welcher denn?)

    unter Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen zu kommen. Das scheint ein vernünftiger, realistischer und auch von den Ländern vollziehbarer Mittelweg zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe die Grundsätze, die uns bei unserer Beurteilung dieses Gesetzentwurfes leiten, und die Maßstäbe auch in der Debatte im November letzten Jahres vorgetragen. Ich darf darauf Bezug nehmen.
    Ich glaube, daß wir sinnvollerweise an der Gliederung in ein dreieinhalbjähriges zusammenhängendes Studium und eine darauf folgende zweieinhalbjährige praktische Ausbildung festhalten sollten. Durch die Verpflichtung des Studenten, in der vorlesungsfreien Zeit — ich bin da anderer Meinung als Sie, Herr Fischer — an praktischen Studienzeiten teilzunehmen, sowie die Möglichkeit des Referendars, im Rahmen der praktischen Ausbildung in der Wahlstation an die Universität zurückzukehren, wird eine sinnvolle Verbindung von Theorie und Praxis in beiden Ausbildungsblöcken eröffnet.

    (Dr. de With [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Ich füge hinzu, Herr Kollege de With: Hier bleibt den Ländern natürlich eine gewaltige Gestaltungsmöglichkeit. Es wird auch darauf ankommen, daß die Länder das Angebot, diesen Rahmen des Gesetzgebers entsprechend umsetzen.
    Wir begrüßen auch die vorgesehenen studienbegleitenden Leistungskontrollen unter Prüfungsbedingungen. Sie haben Signalfunktion und führen zu einer frühzeitigen Orientierung des Studenten über seine Eignung und zu einer Verbesserung der Ausbildung in den höheren Semestern. Wir gehen auch davon aus — da stimmen wir Ihnen zu, Herr Minister —, daß durch die Leistungskontrollen die durchschnittliche Studiendauer verkürzt und die



    Bohl
    Zahl der Kandidaten für beide Staatsprüfungen verringert wird.
    Wir bekennen uns auch dazu, wie in dem Gesetzentwurf dem Gedanken der Vertiefung in Studium und Vorbereitungsdienst Rechnung getragen wird. So soll sich der Student im Studium Wahlfächern widmen, die mit den Pflichtfächern im Zusammenhang stehen. Innerhalb des Vorbereitungsdienstes hat vor allem die Wahlstation den Zweck und die Aufgabe der Vertiefung. Deshalb erscheint es uns — hören Sie bitte zu, Herr Kollege Fischer, das wird Sie durchaus interessieren — im Interesse der Effektivität der Ausbildung in der Wahlstation und damit der Vertiefung sachgerecht, daß die schriftlichen Prüfungsarbeiten vor dem Beginn der Wahlstation zu erbringen sind. Das ist ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die Stellungnahme des Bundesrates.

    (Fischer [Osthofen] [SPD]: Da bin ich Ihrer Meinung!)

    Dadurch wird ermöglicht, dann nach Landesrecht vorzusehen, daß auch die sich auf die Pflichtstation beziehenden schriftlichen Leistungen nach der Ausbildung bei der Wahlstation zu erbringen sind.

    (Fischer [Osthofen] [SPD]: Das müssen Sie aber einmal den Rheinland-Pfälzern sagen!)

    Die Wahlstationen würden dann aber ganz überwiegend zur Examensvorbereitung dienen, wie j a die Erfahrung eindeutig lehrt. Damit würde aber gerade der Zweck der Wahlstationen, die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse, Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vertiefen, in der Schlußphase eindeutig verfehlt. Es sei zugegeben, daß das für die Länder zu praktischen Problemen führen kann, insbesondere bei den sogenannten Hausarbeitsländern, Herr Minister. Aber wir meinen, daß diese Bedenken gegenüber dem Grundanliegen, zu der wünschenswerten Vertiefung zu kommen, zurücktreten müssen. Wir halten auch die praktischen Probleme für lösbar. Sie müßten bei gutem Willen durchaus ausgeräumt werden können.
    Lassen Sie mich abschließend betonen, daß wir an einer zügigen Beratung im Rechtsausschuß sehr interessiert sind, damit wir bald zur Verabschiedung kommen können. Wir sind daher auch der Opposition dankbar, daß sie es ermöglicht, daß wir bereits am 11. April dieses Jahres zu dem öffentlichen Hearing kommen können.

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Das sollten wir am 1. April machen!)

    Dabei sind wir auch, noch einmal an Ihre Adresse gerichtet, Herr Kollege Fischer, für weitere Verbesserungsvorschläge und Anregungen im Rahmen der Grundsätze, die ich schon im November formuliert habe, durchaus offen.
    Ich will freimütig bekennen, Herr Minister, daß auch wir uns einen längeren Beratungszeitraum im Rechtsausschuß sehr gewünscht hätten. Allerdings muß deutlich gesagt werden, daß wir durch Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit, unter sozialdemokratischer Verantwortung, in diese zeitliche Not gebracht worden sind.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Also, Herr Kollege de With, gegen die Länder oder an den Ländern vorbei, wie es der SchmudeEntwurf offensichtlich beabsichtigte, kann man die Juristenausbildung wirklich nicht regeln, zumal die Länder in Ausbildungsfragen verfassungsrechtlich abgesicherte Kompetenzen haben. Wir wollen die Juristenausbildung mit den Ländern und nicht gegen die Länder hier verabschieden.

    (Fischer [Osthofen] [SPD]: Mit Bayern!)

    Wir begrüßen es daher, daß mit dem Bundesrat, der den Gesetzentwurf für alsbald realisierbar ansieht und ihn auch begrüßt hat, eine Grundübereinstimmung in dieser Frage besteht. Die noch offenen Fragen erscheinen uns wirklich — und zwar für Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung akzeptabel — lösbar. Wir sind sicher, daß wir zeitgerecht, möglicherweise mit weiteren Verbesserungen, zur Verabschiedung des Entwurfs in Bundestag und Bundesrat, der mitwirken muß — Zustimmungsgesetz —, kommen werden. Wir haben die begründete Zuversicht, daß wir mit dieser Neuordnung die Juristenausbildung auf eine solide Grundlage für die nächsten Jahre stellen. Die bewährte Gliederung der Ausbildung in ein rechtswissenschaftliches Vollstudium und eine zusammenhängende praktische Ausbildung wird maßvoll, sinnvoll und zeitgerecht ergänzt bzw. verbessert. Der deutsche Einheitsjurist mit vielseitiger beruflicher Verwendungsmöglichkeit und einem auch im internationalen Vergleich hervorragenden Standard wird auch in Zukunft nicht nur möglich, sondern Wirklichkeit sein.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt (Kaiserslautern).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Roland Vogt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und, vor allem, in Solidarität: Liebe Juristinnen und Juristen in der Ausbildung! Ich beginne mit einem der wohl berühmtesten deutschen Juristen und zitiere:
    Es erben sich Gesetz' und Rechte
    Wie eine ew`ge Krankheit fort;
    Sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte
    Vernunft wird Unsinn, Wohlstand Plage; Weh dir, daß du ein Enkel bist!
    Vom Rechte, das mit uns geboren ist,

    (Helmrich [CDU/CSU]: Am „Wohlstand" hängt er! „Wohltat Plage" heißt es! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Erstmalig in der leidvollen deutschen Juristengeschichte ist 1971 der Versuch gemacht worden, mit Jahrhunderten starrer Rechtsanwendungstradition schon in der Ausbildung des angehenden Juristen



    Vogt (Kaiserslautern)

    zu brechen, und zwar durch eine Verschränkung von Theorie und Praxis, durch den Versuch, dem jungen Juristen schon in einer frühen Phase seiner Ausbildung die gesellschaftlichen Bezüge des Rechts zu vermitteln. Willkommene Nebenwirkung dieser sogenannten einphasigen Juristenausbildung war und ist noch, in all den Fällen, wo sie weiterhin praktiziert wird, die Verkürzung der Ausbildungszeit, Herr Engelhard. So sagt der jetzige Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg in einem durchaus kritischen Rückblick auf seine Bielefelder Erfahrungen mit der einstufigen Juristenausbildung: Ich zitiere — ich hoffe, diesmal ist das Zitat für Sie eine Wohltat —:
    Soweit man das zur Zeit erkennen kann, sind die Absolventen der Bielefelder Ausbildung in der beruflichen Ausbildung und in der beruflichen Praxis keineswegs schlechter als vergleichbare Assessoren.

    (Kleinert [Hannover] [SPD]: Das ist schon mal was!)

    — „Sie sind allerdings durchweg fünf Jahre jünger", heißt es weiter in dem Zitat, Herr Kleinert.
    Was hinzugefügt werden muß: Sie können sich bei einer solchen Ausbildung auch in bezug auf das Lebensalter mit der Kollegin und dem Kollegen aus EG-Ländern wie Frankreich und Italien messen. Der frühvergreiste, innerlich gebrochene, durch die unendliche Stoffülle verunsicherte Jurist deutschen Typs, der sich in seiner Verängstigung als Vielzweckwaffe einer jeden Obrigkeit einsetzen ließ, schien durch die Reform von 1971 tendenziell der Vergangenheit anzugehören.
    Erstmals hätte Justitia das von Goethe in dem eingangs gewählten Zitat beklagte Krankhafte abstreifen können. Erstmals keimte die Hoffnung, der Alptraum eines Volksgerichtshofsrichters Rehse oder des ihn freisprechenden Nachkriegsrichters Oske könne der Vergangenheit angehören. Das Bild vom fürchterlichen Juristen à la Filbinger hätte vielleicht verblassen können. Der sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit als Volljurist rühmende und so Kritik in Schach haltende Bürokrat höherer Weihe von der Spezies, wie sie soeben in mannigfacher Verkörperung vom Ministerialrat bis zum Minister durch den Untersuchungsausschuß Kießling gestelzt und gestolpert ist, wäre vielleicht nach und nach einem demütigeren, praxisnäheren Typus Jurist gewichen. Denn hinter den Reformbestrebungen von 1971 stand doch auch der Verdruß über einen Juristen, der nur stur Gesetze anwendete, welche Gesetze er auch immer anwendete.

    (Helmrich [CDU/CSU]: Wollen Sie zurück zum politischen Richter?)

    — Das waren doch politische Richter! Die haben's nur nicht gemerkt. Das waren die grausamen Positivisten,

    (Helmrich [CDU/CSU]: Deswegen habe ich j a gefragt! Ungeheuerlich!)

    die wegen eines Scherzes in der nationalsozialistischen Zeit Urteile mitverantwortet haben, z. B. Herr Rehse, deren Beratung Roland Freisler schon mit dem Satz eingeleitet hatte: „Rübe runter!"

    (Bohl [CDU/CSU]: Also wenn Sie von Rechtspositivisten reden, müssen Sie auch von Kelsen reden!)

    — Das ging dann in der juristischen positivistischen Anwendung j a ganz korrekt zu, Herr Kollege. Oder ich erinnere an die Erbgesundheitsgerichte, wo man sich berühmt hat, daß nun diese beiden Stände der Mediziner und der Juristen zueinander gefunden haben und wo man z. B. angeblich Erbkranke sterilisiert hat. Alles juristisch korrekt, Herr Kollege! Und Sie sagen, das waren keine politischen Urteile.

    (Helmrich [CDU/CSU]: Ist das eine Frage der bisherigen Juristenausbildung? Das sagen Sie doch!)

    — Es hat damit zu tun.

    (Helmrich [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Die Reformen ließen sich gut an. Das 1971 einstimmig vom Bundestag angenommene Experiment der einstufigen Juristenausbildung

    (Bohl [CDU/CSU]: Von rechtsphilosophischen Entwicklungen haben Sie noch nichts gehört!)

    hat gerade in den letzten Jahren Zuspruch und Ermutigung gefunden. Noch 1977 wurden derartige einstufige Ausbildungsgänge z. B. in Bayreuth eingeführt. Die Aufnahmekapazität der meisten Einstufenmodelle konnte vergrößert werden. So nehmen z. B. zur Zeit in Bielefeld 440 Studienanfänger und -anfängerinnen ihre juristische Ausbildung auf. Der Anteil der Absolventen der einstufigen Juristenausbildung beläuft sich gegenwärtig auf etwa 10 %. Theoretiker und Praktiker stimmen weitgehend darin überein, daß sich die einstufige Juristenausbildung bewährt hat.
    Noch am 25. Januar dieses Jahres hat eine öffentliche Anhörung des Justizausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags zu einer uneingeschränkt positiven Beurteilung geführt, der sich übrigens auch Ihre CDU-Kollegen im Ausschuß angeschlossen haben.
    Ein umsichtiger Gesetzgeber würde nach der zwölf-, dreizehnjährigen Erprobungsphase sorgfältig die Ergebnisse der über das ganze Bundesgebiet gestreuten Experimente auswerten. Er würde die Berufsorganisationen der Juristen um ihre Meinung fragen — daß dies nicht geschehen ist, haben wir von dem Kollegen der SPD gehört — und schließlich zu einem wohl abgewogenen Urteil hinsichtlich der Fortschreibung und der Verankerung der neuartigen Ausbildungsform kommen.
    Ginge die Initiative vom zuständigen Bundesjustizminister aus, so hätte dieser bei sorgfältigem Abwägen des Für und Wider einen beachtlichen, wissenschaftlich vorgehenden Apparat zur Seite.
    Meine Damen und Herren, das ist aber leider nur die Bilderbuchvorstellung oder die Träumerei eines



    Vogt (Kaiserslautern)

    Erstsemesters in Staatsbürgerkunde. Denn was geschieht in Wirklichkeit? Da das Experiment Einphasenausbildung nach dem Willen des Gesetzgebers von 1971 1984 auslaufen soll, erwacht die kranke Hierarchie eines deutschen Ministeriums und produziert einen Gesetzentwurf, der von Hessens Justizminister, dem derzeitigen Vorsitzenden der Justizministerkonferenz, „ein Werk der Enkel Kaiser Wilhelms" genannt wurde.

    (Helmrich [CDU/CSU]: Zur Zeit ist es der Saarländer, nicht der Hesse! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Der war mal Vorsitzender!)

    — Also, meinetwegen: der ehemalige Vorsitzende.
    Der Herr Bundesminister Engelhard, der, wäre er weitsichtiger gewesen oder besser beraten worden, wirklich genügend Zeit zur Bewertung des Experiments gehabt hätte, sieht sich unter Zeitdruck und liefert ein Konstrukt, das, wie Karl-Heinz Krumm zu Recht beklagt, „aus kleinen Retuschen des Herkömmlichen und Etikettenschwindel besteht" und „auch bei großzügiger Interpretation die Bezeichnung Reform nicht verdient".

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Herr Justizminister Engelhard, Sie kommen mir vor wie ein Examenskandidat, der wie gelähmt die ersten Stunden der Klausurarbeit vertrödelt und dann in der letzten Stunde unter psychischem Druck, den Sinn der Aufgabe verkennend, eine ihm bekannte Entscheidung den an sich zu lösenden Sachverhalt aufquetscht.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Aber der hat beide Examen bestanden! — Dr. Miltner [CDU/CSU]: Wie viele juristische Examen haben Sie denn bestanden, Herr Kollege?)

    Der Unterschied zu dem Kandidaten, der sich durch die schlechte Zeiteinteilung die Aussicht auf ein gutes Examen verbaut, ist freilich der, daß Sie mit Ihrer gesetzgeberischen Tatbestandsquetsche ganzen Generationen künftiger Juristen ein Stück Zukunft verbauen und der ganzen Gesellschaft die Chance rauben, einen wirklichkeitsnäheren, dem real existierenden Mitmenschen gerecht werdenden Juristenstand zu erleben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich zitiere wieder den schon erwähnten Kommentator einer Frankfurter Zeitung. Er sagt — und ich schließe mich ihm an
    Man wollte in diesem Bereich die Zukunft gewinnen und hat die Vergangenheit zementiert.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich habe hier nicht die Zeit, näher auf den SPD-Entwurf einzugehen. Aber ich schließe mich dem Befund eines sachkundigen Kritikers, nämlich Professor Dieter Hart, an. Er nennt den SPD-Vorschlag „reformorientiert, aber chancenlos", während aus seiner Sicht der Regierungsentwurf „chancenreich, aber orientierungslos" ist.
    Meine Damen und Herren, haben wir wirklich nur die Wahl zwischen diesen beiden Extremen? Die GRÜNEN versuchen, der gesellschaftlichen Pattsituation — insbesondere, wenn man die Betroffenen bedenkt — in der Beurteilung der beiden zur Zeit konkurrierenden Ausbildungskonzepte gerecht zu werden. Der entscheidende Ausgangspunkt unseres Gesetzentwurfs ist der, daß ein langfristiges Reformvorhaben wie die Juristenausbildung nicht unter dem Druck gegenwärtiger Kapazitätsprobleme gelöst weden kann. Wir alle würden unseren Beruf zur Gesetzgebung verfehlen, wenn wir, geschockt durch den zu erwartenden Andrang, in den kommenden Jahren der Juristenschwemme dadurch beikommen wollten, daß wir die Studenten durch die altbekannte Knochenmühle der zweiphasigen Juristenausbildung aus Kaiser Wilhelms Zeiten leiten würden. Wir schlagen vor, endlich die einstufige Ausbildung als gleichberechtigt anzuerkennen und dadurch im anspornenden Nebeneinander zweier Ausbildungsgänge weitere praktische Erfahrungen zu sammeln.

    (Dr. de With [SPD]: Warum so zögerlich?)

    Ein entscheidender Vorteil unseres Vorschlages ist, daß sich unter dem Eindruck der in der Praxis um fast ein Drittel kürzeren Dauer der einphasigen Juristenausbildung eine Entwicklung hin zu einer Verkürzung auch der herkömmlichen zweiphasigen Juristenausbildung ergeben wird. Ich kann im übrigen auf die Ihnen schriftlich vorliegende Begründung verweisen.
    Wenn den künftigen Jurastudenten eine Wahl zwischen einstufiger und zweiphasiger Ausbildung erhalten bleibt, dann haben wir als Gesetzgeber all denen eine Entfaltungschance gelassen, die — wie die Reformatoren des Jahres 1971 — erkannt haben, daß Praxis ohne Theorie blind, Theorie ohne Praxis aber leer ist. Die Verschränkung von Theorie und Praxis, wie sie die einstufige Ausbildung anstrebt, hilft, diesem Dilemma zu entgehen. Wer dies auf der Grundlage der bisherigen Experimente skeptisch sieht, hat das Wahlrecht und kann sein Heil im altvertrauten Ausbildungsmodell suchen, wenn er meint, dies unbedingt tun zu müssen. Ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre ein ehrlicher Kompromiß, und ich bitte Sie, sich damit zu befreunden.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)