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ID1004309800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 Inhalt: Verzicht des Abg. Haase (Kassel) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . 3009A Eintritt des Abg. Stockhausen in den Deut- schen Bundestag 3009A Bestimmung der Abg. Dr. Miltner und Dr Unland als stellvertretende Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuß 3009 B Gedenkworte für die Opfer des Flugzeugunglücks in Madrid 3099 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 —Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/634, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/635, 10/659 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 3009D, 3043 A Dr. Vogel SPD 3012 B, 3053 D Dr. Dregger CDU/CSU 3023 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 3034 A Hoppe FDP 3039 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3055 A Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 3055 C Wischnewski SPD 3056 B Genscher, Bundesminister AA 3062 B Reents GRÜNE 3069 A Dr. Althammer CDU/CSU 3071 A Dr. Mitzscherling SPD 3076 A Präsident Dr. Barzel 3023 D Namentliche Abstimmung 3079C, D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/644, 10/659 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 und Art. 20c des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/655 — Frau Traupe SPD 3082 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 3086 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3089 B Dr. Weng FDP 3091 B Leonhart SPD 3094 B Löher CDU/CSU 3097B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 3098 C Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 3099 B Namentliche Abstimmung . . . . 3102D, 3103A Nächste Sitzung 3104 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3105*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3009 43. Sitzung Bonn, den 7. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büchner (Speyer) * 7. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haehser 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Jaunich 7. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Schulte (Unna)* 8. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Stratmann 7. 12. Verheyen 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum mehr als 14 Tage, nachdem in diesem Hause der Raketenbeschluß gefaßt worden ist und nunmehr endgültig feststeht, daß mit der Aufstellung neuer amerikanischer Atomraketen in Mitteleuropa

    (Biehle [CDU/CSU]: Damit Sie in diesem Parlament weiter frei reden können; das war die Grundlage!)

    — wenn Sie doch einmal stille sein könnten —

    (Zuruf von der CDU/CSU: So wie Kleinert, wenn er da unten sitzt!)

    der atomare Rüstungswahnsinn eine neue Stufe erreichen soll, kann die Diskussion um den Rüstungshaushalt der Bundesregierung noch mehr als sonst keine in erster Linie finanzpolitische Frage sein.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Der heißt Verteidigungshaushalt!)

    In einer Zeit, in der die Gefahr einer lebensbedrohenden Spannungseskalation in Mitteleuropa die Zukunft der Menschheit mehr bedroht als irgendwann sonst in den letzten 20 Jahren, ist mit der Debatte um den Rüstungshaushalt für uns und für zukünftige Generationen eine entscheidende Lebensfrage aufgeworfen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Verteidigungshaushalt!)

    — Ich denke, das ist ein Rüstungshaushalt.

    (Beifall des Abg. Schwenninger [GRÜNE] — Biehle [CDU/CSU]: Verteidigungshaushalt!)

    Die Bundesregierung

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie schreiben j a auch „Bundesminister der Verteidigung"!)

    — ganz besonders der Bundeskanzler — verkündet immer wieder, daß es ihr darum gehe, Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen, wie das so schön heißt. Schon die Logik, die darin liegt, auf der einen Seite zu verkünden, man wolle Frieden schaffen mit immer weniger Waffen, gleichzeitig aber die Stationierung neuer friedensgefährdender Atomraketen in der Bundesrepublik zu beschließen, ist abenteuerlich genug.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Weshalb mußten die denn stationiert werden?)

    Wer sich dazu noch ansieht, welche Wachstumsraten in der Rüstungspolitik die Regierungskoalition für 1984 und die folgenden Jahre vorgesehen hat, wird endgültig merken, was von Ihren Abrüstungsbeteuerungen zu halten ist. Frieden schaffen mit immer weniger Waffen heißt für diese Koalition im Klartext nichts anderes, als daß die Ausgaben für den Rüstungsetat — in diesem und in den nachfolgenden Jahren — überproportional ansteigen sollen.
    Die Zahlen, die Sie für 1984 und die folgenden Jahre vorgelegt haben, weisen aus, daß die Steigerungsraten für den Rüstungsetat mehr als doppelt so hoch wie die Steigerungen des Gesamthaushalts liegen sollen.
    Noch aufschlußreicher wird die praktische Umsetzung Ihres sogenannten Friedenskonzepts, wenn man genauer aufschlüsselt, welche Ausgaben denn dort besonders ansteigen sollen. Besonders hohe Steigerungsraten weisen im Etatentwurf 1984 die Ansätze für militärische Beschaffungsmaßnahmen auf. Für neue Waffensysteme haben Sie eine Steigerungsrate von immerhin 6,5 % vorgesehen. Noch stärker ist der Anstieg bei den militärischen Anlagen, z. B. bei den Kosten für die NATO-Infrastruktur. Hier sehen Sie eine Steigerungsrate von über 8 % vor. Für wehrtechnische Forschung, Entwicklung und Erprobung wollen die Regierungsparteien die Ausgaben sogar um 8,6 % erhöhen. Nach diesem Entwurf würden die Verteidigungsausgaben pro Kopf der Bevölkerung weit überproportional anwachsen. Mit diesem Entwurf würde der Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt weiter wachsen. Die Bundesregierung stellt dazu noch voller Stolz fest — ich zitiere —: Gemessen an den Verteidigungsausgaben der anderen Bündnisstaaten liegt die Bundesrepublik auch 1984 in der Spit-
    3090 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Kleinert (Marburg)

    zengruppe. — Ich kann nur die Frage stellen: Ist das Ihr Bekenntnis zu weniger Waffen, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei den GRÜNEN — Biehle [CDU/CSU]: Was würden Sie denn tun, wenn es gar keine Garnisonen mehr gäbe?)

    — Sie sind ja schon wieder dran.

    (Biehle [CDU/CSU]: Der Bastian würde gar keine Pension mehr kriegen, wenn es die Bundeswehr nicht gäbe!)

    — Machen Sie sich doch keine Sorgen um den Herrn Bastian.
    Meine Damen und Herren, unsere Vorstellungen
    — das ist bekannt — gehen in eine genau entgegengesetzte Richtung. Wir haben lange überlegt, ob wir uns überhaupt auf detaillierte Kürzungsvorschläge zu diesem Rüstungsetat einlassen sollen. Wenn wir das tun, heißt das für uns keineswegs, daß wir von unserem politischen Ziel, einen Zustand herzustellen, in dem Waffensysteme und Armeen ganz verschwunden sind, auch nur ein Stück weit abgerückt wären. Wir wollen mit unserem konkreten Kürzungsvorschlag, der Ihnen hier als Drucksache vorliegt, aber einen Beitrag zur Reduzierung von Spannungen und von Kriegsgefahr leisten. Wir verstehen diesen Kürzungsvorschlag, der unmittelbar zu realisieren wäre, ohne daß damit aktuell die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr insgesamt in Frage gestellt wäre

    (Würzbach [CDU/CSU]: Die Bundeswehr geht bei Ihren Kürzungsvorschlägen völlig kaputt!)

    — Herr Würzbach, Sie haben ihn doch noch nicht einmal aufmerksam zur Kenntnis genommen, wie ich Sie kenne —,

    (Würzbach [CDU/CSU]: Ich war doch dabei, als Sie ihn oben schon einmal so fabulierten!)

    als wesentlichen Beitrag der Bundesrepublik zu einem System kalkulierter Abrüstungsschritte. Wir meinen, daß es höchste Zeit ist, die Militarisierung der Gesellschaft zurückzudrehen. Wir meinen weiter, daß es allerhöchste Zeit ist, mit einem solchen kalkulierten einseitigen Abrüstungsschritt auch hier und heute endlich zu beginnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Würzbach [CDU/CSU]: Wir wollen das auf beiden Seiten! Das wäre vernünftig!)

    Nur so kann die Rüstungsspirale an einem wesentlichen Punkt unterbrochen werden, und nur so kann sich auch die Bundesrepublik aus ihrer Rolle als treuer Vasall der US-Globalstrategie wenigstens ein Stück weit herauslösen. Die Notwendigkeit zur Realisierung eines solchen Kürzungsvorschlags verstärkt sich noch angesichts der Tatsache, daß die Verteidigungsausgaben, soweit man sie nach NATO-Kriterien berechnet, sich nun keineswegs auf die Summe von 48 Milliarden DM, die im Einzelplan 14 ausgewiesen sind, beschränken. Rechnet man nach NATO-Kriterien auch andere versteckte Verteidigungsausgaben, sogenannte Verteidigungsausgaben aus anderen Einzelplänen hinzu, so belaufen sich die Ausgaben, die für die Rüstung in diesem Haushaltsplan insgesamt eingestellt worden sind, immerhin auf die Summe von etwa 60 Milliarden DM. Auch das muß hier einmal gesagt werden.

    (Krizsan [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Allein bezogen auf den Einzelplan 14 beträgt das Gesamtvolumen unseres Kürzungsvorschlages, den ich jetzt im folgenden kurz vorstellen will, ca. 8,5 Milliarden DM. Dieser Kürzungsvorschlag entspricht einer Kürzungsrate von ca. 17 %. Eine solche Kürzung hätte ein Einfrieren des gegenwärtigen Ausrüstungsbestandes, eine gewisse Reduzierung der militärischen Aktivität der Bundeswehr sowie des Personalbestandes und eine drastische Reduzierung der Ausgaben der Bundeswehr im Rahmen der NATO zur Folge.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Keine Übung mehr! Keine Ausbildung mehr!)

    — Nicht einmal das, Herr Würzbach. Wir haben vorgeschlagen, den Ansatz für den Sprit um 20% zu Kürzen. Dann können Sie immer noch mit Sprit für 80 % der Mittel herumfahren.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Die können doch dann in den Kasernen stehenbleiben!)

    Wir verstehen dies als ersten Schritt auf dem Weg hin zu weitergehenden Abrüstungsmaßnahmen. Bei diesen Kürzungsvorschlägen entfallen ca. 3,9 Milliarden DM allein auf den Bereich Erhaltung und Beschaffung. Die Ausgaben in diesem Bereich, die Sie vorsehen, dienen vorwiegend dem Ausbau der offensiven militärischen Schlagkraft der Bundeswehr. Hier geht es um neue Panzer, hier geht es um Raketenabschußanlagen, hier geht es um Fregatten, Schnellboote, Zerstörer, U-Boote und diverse Kampfflugzeuge.
    Würzbach [CDU/CSU]: Alles defensive Systeme!)
    Weil dies so ist, ist gerade dieser Bereich ein zentraler Schwerpunktbereich, in dem unsere Kürzungsvorschläge ansetzen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Weg von dem Konventionellen, hin zum Atomaren, das ist es, was Sie da tun!)

    Wir sind bei unseren Kürzungsvorschlägen davon ausgegangen, daß neu anlaufende Projekte grundsätzlich abzulehnen sind, daß laufende Projekte möglichst zu strecken sind und daß vorvertragliche Bindungen möglichst herunterzufahren sind.
    Ein zweiter Schwerpunktbereich ist für uns der Bereich Forschung, Entwicklung und Erprobung. Hier schlagen wir Kürzungen in Höhe von 3,6 Milliarden DM vor. Es ist besonders wichtig, die Einfädelung neuer Waffengenerationen in alle Waffenarten zu verhindern, die durch Forschung, Entwicklung und Erprobung möglich wäre. Dabei sind diese Forschungsvorhaben nicht nur für den laufenden Betrieb der Bundeswehr überflüssig, sondern sie sind auch für eine wirklich am Verteidigungszweck orientierte Armee überflüssig. Warum zum Beispiel — ganz immanent gefragt — muß die Bundeswehr
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3091
    Kleinert (Marburg)

    die Erforschung von Laser-Waffen fördern? Warum muß die Bundeswehr die Entwicklung von Marschflugkörpern mit großer Transportleistung vorantreiben? Hier sollten Sie einmal erklären, Herr Würzbach, wie dies mit dem angeblich ausschließlich auf Verteidigung gerichteten Zweck der Bundeswehr zusammenpaßt?

    (Beifall bei den GRÜNEN — Würzbach [CDU/CSU]: Das haben wir Ihnen auf der Hardthöhe sehr ordentlich erklärt! — Biehle [CDU/CSU]: Spezielle Nachhilfestunde! Fangen wir mit der Mengenlehre an!)

    Und schließlich haben wir ca. 600 Millionen DM an Einsparungen im Personalbereich beantragt. Diese Summe ergibt sich, wenn eine der natürlichen Abgangsrate entsprechende Stellenverminderung stattfände und wenn zugleich eine Ablehnung der Umgestaltung der Personalstruktur zugunsten der Berufssoldaten und eine Streichung diverser Sonderzulagen durchgesetzt würde.
    Sie werden jetzt sicher kommen und sagen, unser Vorschlag gefährde die Sicherheit der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland und öffne sowjetischen Interessen Tür und Tor.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Deshalb stellen Sie ihn doch!)

    — Herr Würzbach, ich habe das gerade aus Ihrem Munde doch so oft gehört, daß mich nicht überrascht, was Sie hier dazwischenrufen. Wir kennen das alles längst. Und wer die Raketendebatte aufmerksam verfolgt hat, der weiß doch auch, zu welch unseligen Schwarzweißgemälden die Vertreter der Regierungsparteien bei Kennzeichnung der angeblichen Gefahren aus dem Osten inzwischen schon wieder greifen.

    (Abg. Möllemann [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Meine Damen und Herren, angesichts des immer dramatischeren Rüstungswettlaufs ist aber doch die Frage zu stellen, wer hier eigentlich die Sicherheit gefährdet. Sind es die, die angesichts eines riesigen Arsenals von Massenvernichtungswaffen für konkretere Abrüstungsschritte eintreten, oder sind es nicht vielmehr die, die eine forcierte Aufrüstungspolitik im atomaren wie im konventionellen Bereich betreiben? — Weil wir zu Abrüstung kommen wollen, bitte ich um Ihre Zustimmung für diesen Kürzungsantrag.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Soell [SPD]: Möllemann kommt — wie die Außenpolitik — immer zu spät!)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weng.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien
    Demokraten im Deutschen Bundestag stimmt in der Regierungskoalition der Mitte

    (Lachen bei der SPD — Jungmann [SPD]: Da muß er selber lachen! — Dr. Soell [SPD]: Mit mehr Ernst, Herr Kollege!)

    — meine Damen und Herren, ich muß sagen: ein blöderes Lachen als das, was ich im Moment von links höre, habe ich heute noch nicht gehört — dem heute vorgelegten Einzelplan 14 aus voller Überzeugung zu.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD)

    Diese Zustimmung betrifft ebenso den Auftrag wie die Menschen, die im Bereich der Verteidigung ihren verantwortungsvollen Dienst tun und denen wir zu Dank verpflichtet sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß in der Sicherheitspolitik nicht allein fiskalische Gesichtspunkte entscheidend sein dürfen, sondern daß im Vordergrund der Überlegungen stehen muß, daß unsere Streitkräfte zur Erfüllung ihrer Aufgabe in der Lage sind. Voraussetzung hierfür, meine Damen und Herren, ist in erster Linie die Motivation der Soldaten.
    Eine solche Motivation entsteht erstens aus der Überzeugung, für eine richtige Sache zu stehen. Zu dieser Überzeugung muß man doch in unserem Lande kommen, wenn man sieht, welches Maß an persönlicher Freiheit für uns alle es hier zu verteidigen gilt.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich weiß, daß es politische Kräfte gibt, die etwas weniger Freiheit für tragbar halten, um einen vermeintlich besseren Staat schaffen zu können, aber die besten Staaten, die ich kenne, meine Damen und Herren, sind Bienen-, Ameisen- und Termitenstaaten. In diese Richtung wird für uns Liberale kein einziger Schritt möglich sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wollen unseren freiheitlichen Rechtsstaat uneingeschränkt behalten, und wir wollen unserer Truppe die Überzeugung geben, daß sie hierfür benötigt wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Zum zweiten entsteht Motivation aus möglichst breiter Unterstützung der Streitkräfte durch die politischen Kräfte unseres Landes.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Möglichst durch alle!)

    Wenn solches in der Bundesrepublik zur Zeit nicht einvernehmlich möglich ist, dann wird wenigstens eindeutige Unterstützung durch die politische Führung und die sie tragende Parlamentsmehrheit ge-
    3092 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Weng
    fordert sein. Hierzu leistet die FDP-Fraktion einen eindeutigen Beitrag.

    (Beifall bei der FDP — Lachen bei der SPD — Dr. Klejdzinski [SPD]: Als Mehrheitsbeschaffer! — Weitere Zurufe von der SPD)

    So akzeptieren wir — meine Damen und Herren, unabhängig von dem Gelächter zur Linken, das nicht intelligenter geworden ist —

    (Zuruf des Abg. Horn [SPD])

    einen Rahmen des Verteidigungsetats, dessen Steigerung deutlich über der des Gesamtetats liegt, weil sich natürlich der für die Auftragserfüllung der Bundeswehr notwendige Aufwand an der Bedrohung durch potentielle Agressoren orientieren muß.

    (Frau Traupe [SPD]: Jetzt reden Sie wider besseres Wissen, Herr Kollege! Das wissen Sie ganz genau!)

    — Frau Kollegin Traupe, ich werde zu dem, was Sie gesagt haben, nachher noch einige Ausführungen machen. Die Behauptung, die Sie in Ihrem Zwischenruf aufgestellt haben, ist absolut unwahr.
    Als Haushaltspolitiker habe ich natürlich zwei Seelen in der Brust: die des Haushälters, der sorgfältigsten Umgang mit den Steuern als seine wichtigste Aufgabe ansieht, und die des Verteidigungspolitikers, der entsprechend unserem Wahlkampfslogan von 1980: „Freiheit braucht Mut" auch bereit ist, weniger populäre, aber notwendige Ausgaben im Verteidigungsbereich politisch zu tragen.

    (Zuruf der Abg. Frau Traupe [SPD])

    Da im Moment die Notwendigkeit der Konsolidierung der Staatsfinanzen die übergeordnete politische Forderung ist, haben wir uns auch im Verteidigungsbereich zur Sparsamkeit entschließen müssen. — Frau Kollegin Traupe, jeder kennt das Spielchen der Opposition in solchen Fällen. Sie sagt: Ihr habt — a) — an der falschen Stelle gespart und — b) — natürlich zu wenig gespart. Dies ist verhältnismäßig einfach, es ist nur dann nicht mehr in Ordnung, so zu reden, wenn man in einigen Punkten objektive Unwahrheiten verbreitet. Dies gilt zumindest für zwei Punkte.
    Sie haben zum einen erklärt, der Leopard II sei unter Wert an die Schweiz verkauft worden. Wer sich vor Augen hält, welcher volkswirtschaftliche Wert durch diesen Verkauf entstanden ist, der sollte solche Äußerungen vor diesem Parlament und vor der Öffentlichkeit nicht tun.

    (Zurufe von der SPD)

    Frau Kollegin Traupe, Sie haben zum zweiten bezüglich der Mittel für die zweite Familienheimfahrt häufig Versetzter und der zusätzlichen Mittel für den Nachhilfeunterricht hier gesagt, wir hätten nicht alles Mögliche getan. Dies ist falsch. Wir haben in Kenntnis haushaltsrechtlicher Gegebenheiten und haushaltsrechtlicher Gepflogenheiten gesehen, daß es nicht möglich war, den erforderlichen Betrag einzusetzen. Wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die Regierung verpflichtet, im nächsten Jahr schnellstmöglich die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um dies zu ermöglichen.

    (Zuruf der Abg. Frau Traupe [SPD])

    — Frau Kollegin Traupe, ich meine, wenn man dies weiß, dann sollte man sich hier nicht in der Weise äußern, wie Sie es getan haben. Ich will auf Ihre Äußerungen deshalb nicht weiter eingehen, weil ich glaube, daß das, was ich hier zu sagen habe, wichtiger ist als eine Replik auf das Ihrige.
    Wir haben, meine Damen und Herren, unter dem Aspekt der Konsolidierung der Staatsfinanzen entsprechend dem allgemeinen Beschluß des Haushaltsausschusses die halbjährige Beförderungssperre im Grundsatz auch hier gelten lassen, haben allerdings — dies ist von der Opposition natürlich bewußt vergessen oder zumindest nicht deutlich gemacht worden — in ganz wesentlichen Bereichen Ausnahmen zugelassen, um mit unseren Maßnahmen die ausdrückliche Regierungspolitik gerade nicht zu konterkarieren. Bei der Truppe soll nämlich erklärtermaßen — dies ist auch unser dringender Wunsch — der Beförderungs- und insbesondere der Verwendungsstau nach und nach abgebaut werden können, weshalb hier ausdrücklich für das kommende Jahr 250 neue Stellen geschaffen wurden. Daher sollte der Bereich der Soldaten weitestgehend von der oben genannten Sparmaßnahme verschont bleiben.
    Ein Bereich der Sparsamkeit beim Personal, bei dem uns die Entscheidung — dies gebe ich offen zu
    — besonders schwer gefallen ist, betrifft die Frage der Wehrsolderhöhung. Auf Antrag unserer Jugendorganisation der Jungen Liberalen, hat unser vergangener Bundesparteitag am 18. November in Karlsruhe beschlossen, eine Wehrsolderhöhung für 1984 zu fordern.

    (Jungmann [SPD]: Und?)

    Zu diesem Zeitpunkt war aber der Beschluß des Haushaltsausschusses schon gefaßt,

    (Jungmann [SPD]: Heute ist zweite und dritte Lesung! Heute können Sie noch zustimmen!)

    eine solche Erhöhung im Etat 1984 nicht vorzusehen — eine Entscheidung, für die es, auch unter dem Aspekt der Null-Runde im öffentlichen Dienst, gute Gründe und gute Argumente gab, und eine Entscheidung, die uns tatsächlich nicht leicht gefallen ist. Ich habe dies schon ausgeführt. Diesen Beschluß haben wir aus Verfahrensgründen nicht noch einmal neu aufgerollt.

    (Jungmann [SPD]: Sie haben heute Gelegenheit, uns zuzustimmen!)

    — Warum warten Sie nicht einfach ab, bis ich den Satz zu Ende gesprochen habe? Vielleicht können Sie dann begeistert zustimmen. Das wäre doch einmal etwas Neues.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Es hat doch keiner etwas gegen Ihren Satz gesagt!)

    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3093
    Dr. Weng
    Ich habe Verständnis dafür, daß insbesondere unsere jungen, politisch engagierten Mitbürger solche Verfahrensfragen für nicht stichhaltig halten.

    (Walther [SPD]: Sehr gut!)

    Ich sage für meine Fraktion, daß wir der schnellstmöglichen Anhebung im weiteren Verlauf nicht nur zustimmen werden, sondern daß von uns dahin gehende Initiativen erwartet werden können.

    (Beifall bei der FDP — Jungmann [SPD]: Also stimmen Sie unserem Antrag heute zu? Bravo! Sie stimmen heute zu!)

    — Wenn Sie zugehört hätten, guter Freund, dann wüßten Sie, was ich gesagt habe.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Trotz Zuhörens hat er das nicht verstanden! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Auch wenn er zuhört, begreift er das nicht!)

    Einsparungen betrafen auch den Beschaffungsbereich. Wir haben hier auf Grund des kurzfristigen Wegfalls einer Rate für die Beschaffung und Entwicklung des Waffensystems MRCA Tornado den Rotstift angesetzt.

    (Würtz [SPD]: Verrechnet haben Sie sich, Herr Kollege!)

    Allerdings haben wir auch hier eine Ausnahme gegenüber dem gemacht, was wir in anderen Ministerien aus Konsolidierungsgründen getan hätten.

    (Lachen der Abg. Frau Traupe [SPD])

    Meine Damen und Herren, wir hätten in anderen Ministerien in solcher Situation — dies ist in einer Reihe von Haushalten in den Ansätzen geschehen — alles eingespart. Dies haben wir hier nicht getan, sondern haben einen wesentlichen Teil der Summe zur Ausgabe für andere notwendige Maßnahmen — Frau Kollegin Traupe, ich habe von Ihnen keine Kürzungsvorschläge für diese notwendigen Maßnahmen gesehen — im Beschaffungsbereich des Verteidigungshaushalts belassen. Wir halten dies nach wie vor für notwendig.
    Wir haben hierbei aber nicht allein an das Militär, sondern auch an die Bevölkerung gedacht. Ich sage dies als ein Abgeordneter, dessen Wahlkreis Neckar-Zaber durch Tieffluglärm besonders in letzter Zeit stark betroffen war. Unsere Bevölkerung nimmt, wenn auch manchmal sicher zähneknirschend, die Notwendigkeit des Fluglärms als gegeben hin.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Fragen Sie einmal in den Krankenhäusern! Fragen Sie einmal die Alten!)

    Man weiß, daß es wichtig ist, daß die Piloten realistisch üben können. — Von seiten der GRÜNEN habe ich natürlich keine Zustimmung erwartet, weil man hier ganz andere Vorstellungen hat, und zwar ziemlich unsinnige. — Die Belastungen müssen sich aber im Rahmen der Vorschriften bewegen.

    (Dr. Soell [SPD]: Das ist sehr frisch, fromm, fröhlich und frei, was Sie jetzt sagen!)

    Hier tut insbesondere aus den Erfahrungen der jüngsten Zeit ein größeres Maß an Aufsicht not. Deshalb begrüßen wir ganz ausdrücklich die Beschaffung des Flugüberwachungssystems Skyguard und dessen Unterstellung direkt beim Inspekteur der Luftwaffe. Dies wird unnötige Belastungen von unserer Bevölkerung fernhalten helfen und damit einen Beitrag dazu leisten, daß unsere Bundeswehr nicht tabuisiert oder gar ins Abseits gestellt wird, wie das einige politische Kräfte in diesem Land gern hätten.
    Sparsamkeit im Beschaffungsbereich ist eben nicht überall möglich. Hat nicht selbst der „grüne" Ex-General Bastian unter dem Aspekt defensiver Bewaffnung der Konzeption des Panzerabwehrhubschraubers 2 zugestimmt? Verstärkte Ausrüstung im konventionellen Bereich ist eben erforderlich, wenn man die Schwelle des atomaren Einsatzes erhöhen will. Und wir, die wir einen atomaren Einsatz auch im Verteidigungsfall verhindern wollen, stellen uns diesem Erfordernis. Wir Liberale wollen und werden Schwerpunkte bei defensiver Bewaffnung im konventionellen Bereich setzen.
    Dies betrifft auch die NATO-Infrastruktur. Hier investieren die NATO-Partner gemeinsam zur Sicherheit des Bündnisses.
    Unsere Aufforderung an den Verteidigungsminister geht dahin, im Rahmen der Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung den notwendigen Beitrag der Bundesrepublik und seine Fortschreibung anzukündigen. Bei diesem Mittelansatz allerdings muß es bleiben. Wir müssen haushälterisch achtsam sein. Denn eine sich verselbständigende NATO-Bürokratie kann den Frohsinn eines Parlamentariers ebenso wenig herausfordern wie der nicht haushaltskonforme Zeitablauf der Mittelverwendung, auf den wir ja, wie Sie sicher alle wissen, keinen Einfluß haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier muß der politisch verantwortliche Minister, hier müssen Sie persönlich, Herr Wörner, Sorge dafür tragen, daß sich unangenehme finanzielle Überraschungen der Vergangenheit nicht wiederholen, die allerdings zu Zeiten einer anderen Regierung vorgekommen sind.

    (Walther [SPD]: Da war die FDP aber auch beteiligt!)

    — Das ist immer gut, wenn die FDP beteiligt ist. In diesem Fall allerdings war sie nicht in der Verantwortung des Ressorts.

    (Zuruf des Abg. Dr. Klejdzinski [SPD])

    Ich bin sicher, diese Position wird im Gremium der NATO-Verteidigungsminister nicht leicht zu behaupten sein. Man weiß, daß hier von seiten der Verbündeten höhere Anforderungen im Raum stehen. Ich meine aber, unter Abwägung aller Gegebenheiten, Herr Minister Wörner, sollten Sie da hart bleiben und auch hart bleiben können.
    Ich komme zum Schluß.

    (Bravo! und Sehr gut! bei der SPD)

    3094 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Weng
    — Ich habe an dieser Stelle nichts anderes von Ihnen erwartet. Sie überraschen einen sehr wenig, wenn man hier vorne steht. Das muß ich sagen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Soell [SPD]: Man kann schön ungestört arbeiten, wenn Sie reden!)

    Der Verteidigungsauftrag unserer Bundeswehr im Rahmen unsers Nato-Bündnisses ist für meine Fraktion schon deshalb ein Wert an sich, weil wir in diesem Bündnis gemeinsam mit den westlichen Demokratien Gegebenheiten verteidigen wollen, die zutiefst menschlich sind:

    (Glos [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    die Freiheit des einzelnen Menschen ebenso wie die Freiheit von Meinungen und die Freiheit des Meinungsflusses und — ich sage dies absichtlich heute — auch und gerade die Pressefreiheit. Dies alles sind liberale Anliegen, die den Freien Demokraten besonders am Herzen liegen. Für die Verteidigung dieser Werte auch mit den Mitteln einer konsequenten militärischen Verteidigungsbereitschaft stehen wir zu einem Zeitpunkt, zu dem sich in Teilen der Opposition der irrige Glaube breitmacht, ein Erfordernis militärischer Verteidigung sei nicht mehr gegeben.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Würzbach [CDU/CSU]: Ein guter Beitrag!)