Rede von
Dr.
Alfred
Dregger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, heute keine mehr.
Das zeigen nicht nur unsere eigenen kurzen Erfahrungen dieses Jahres, sondern das zeigen auch die internationalen Erfahrungen. In den Vereinigten Staaten wurden bei einem realen Wachstum von 2,5 % zwischen 1975 und 1982 14 Millionen Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen.
Um Wachstum zu ermöglichen, ist auch Entbürokratisierung notwendig. Die Regierung hat erste wichtige Schritte zurückgelegt. Weitere müssen folgen. Das bürokratische Netz muß — ich will nicht gerade sagen: zerrissen, aber doch — wesentlich aufgeknüpft werden.
Wenn dieses Netz in dieser Weise schon 1949 in Deutschland bestanden hätte, hätte es nie ein Wirtschaftswunder gegeben.
Ich fordere jeden Minister auf, in seinem Arbeitsgebiet mehr Vorschriften aufzuheben, als neue zu erlassen.
Wir werden am Ende der Legislaturperiode den Minister auszeichnen, der den Vorschriftendschungel am meisten aufgelockert hat.
Zu den Problembereichen Werften, Stahl, Bergbau, in gewisser Weise auch Landwirtschaft möchte ich folgendes sagen. Landwirtschaft und Bergbau müssen wir auf Dauer stützen, weil wir in der menschlichen Ernährung und in der Energieversorgung vom Ausland nicht völlig abhängig werden dürfen. Diese beiden Bereiche können zudem auf Grund der natürlichen Verhältnisse, der geologischen und klimatischen Verhältnisse nicht schutzlos der Konkurrenz der Weltmärkte und anderer, klimatisch begünstigter Regionen ausgesetzt werden.
Dabei ist klar, daß auch der Schutz für Bergbau und Landwirtschaft Grenzen findet.
Andere Branchen können nur Übergangshilfen erhalten, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.
Durch Subventionen kann man den wirtschaftlichen Exitus hinauszögern, aber nicht aufhalten. Gegen den Markt ist letztlich kein Kraut gewachsen, selbst dann nicht, wenn man bestimmte Wirtschaftsbereiche aus der Marktwirtschaft herausnimmt.
Was sich im Bereich der Montan-Industrie die nationalen Regierungen, aber auch die Organe der Gemeinschaft geleistet haben, ist im Grunde ein Skandal. Durch den Subventionswettbewerb wurden unsere technisch hervorragenden deutschen Stahlunternehmen ausgeblutet. Wertvolle Ressourcen der Steuerzahler wurden verschleudert. Die alte Bundesregierung hat das mehr oder weniger widerstandslos hingenommen.
Sie hat auch einem sogenannten Subventionskodex
zugestimmt, der bis 1985 gelten soll. 1985 muß entsprechend den Regeln der Europäischen Gemein-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3033
Dr. Dregger
schaft mit Subventionen, mit dem Subventionswettbewerb auch tatsächlich Schluß sein.
Ich fordere die neue Bundesregierung auf, das nun auch innerhalb der EG tatsächlich durchzusetzen. Die notwendigen Kapazitätsschnitte müssen leider stattfinden, auch bei uns. Unsere Unternehmen sind zur Zeit zwischen 50 und 55 % ausgelastet.
80 bis 85 % wären notwendig, um in nachhaltiger Weise Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Diese Kapazitätsschnitte können nur im Zusammenwirken von Gewerkschaften, Unternehmen, Landesregierungen und der Bundesregierung in sinnvoller und für die Betroffenen erträglicher Weise verwirklicht werden. Im Bergbau ist das gelungen. Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie hat sich wieder einmal verantwortungsbewußt gezeigt. Sie hat für die Bergleute herausgeholt, was nur möglich war. Aber sie hat sich wirtschaftlichen Notwendigkeiten nicht verschlossen.
Ich fordere die IG Metall auf, gleiches Verantwortungsbewußtsein bei der Stahlindustrie zu zeigen. Ich fordere aber nicht nur die IG Metall, sondern auch die Unternehmensleitungen
und die betroffenen Landesregierungen auf.
Die Bundesregierung muß vorangehen. Nur so können wir die schwärenden Wunden am Körper der deutschen Volkswirtschaft heilen.
Meine Damen und Herren, die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren ist erstmals seit Mai 1980 zurückgegangen, und zwar nennenswert, um 5 %.
Das ist ein großartiger Erfolg. Wirtschaft und Handwerk haben auf Drängen des Kanzlers auch auf dem Lehrstellenmarkt riesige Anstrengungen unternommen, für die ich ihnen dankbar bin.
Ich bin all den Handwerksmeistern und Unternehmern dankbar, häufig kleinen Unternehmern, die das für das Gemeinwohl getan haben und nicht für ihren Betrieb. Meine Damen und Herren, das Jahr 1983 ist auf diese Weise zum Jahr des Lehrstellenrekords in Deutschland geworden.
Ab 1990 werden wir — ich sage: leider — nur noch rund halb soviele Schulabgänger wie in diesem Jahr haben. Dann werden wir jeden Lehrling brauchen und dankbar sein für jeden Lehrling, der in diesem Jahr und in den darauf folgenden Jahren gleichsam auf Vorrat ausgebildet wird. Aber in den unmittelbar vor uns stehenden Jahren wird sich die Zahl der Lehrstellenbewerber nochmals erhöhen. Wirtschaft und Staat müssen daher ihre Leistungen noch einmal steigern.
Vergessen wir nicht: Diese jungen Menschen, die jetzt auf den Arbeits- und Lehrstellenmarkt drängen, sind das wertvollste Gut unseres Volkes.
Ich appelliere vor allem an die Unternehmen, die ausbilden könnten, aber bisher noch nicht ausgebildet haben.
Hier ist eine Lehrstellenreserve, die nun in den vor uns liegenden Wochen und Monaten aktiviert werden muß.
Meine Damen und Herren, Deutschland hatte nach 1945 keine wertvollen Rohstoffe und kein Kapital, aber Deutschland hatte tüchtige und fleißige Menschen. Unser zerstörtes Land wurde nicht von Mundwerkern aufgebaut, sondern von Handwerkern.
Nicht die Aussteiger bestimmten den Kurs, sondern die Aufsteiger.
Den Weg aus der Krise hat uns damals die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards gewiesen. Sie ist auch heute noch die einzige Alternative zum Sozialismus, d. h. zur Massenarbeit und zur Einschränkung menschlicher Freiheiten.
— Entschuldigung, das war ein Versprecher. Ich meinte Massenarmut.
Meine Damen und Herren, wir sind auf einem schwierigen, aber auf dem richtigen Weg. Wir haben keinen Anlaß, selbstzufrieden zu sein wie die GRÜNEN da. Aber wir haben allen Anlaß, optimistisch zu sein.
Alles spricht dafür, daß wir Deutschland wieder nach vorn bringen werden.