Rede von
Dr.
Gert
Jannsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, was uns hier von einem Haushaltsexperten angeboten worden ist, der von Bildung offensichtlich nicht allzuviel Ahnung hat, obwohl er Studienrat ist.
Die Haushaltspolitik im Einzelplan 31 ist nicht nur, wie Herr Vogelsang schon dargestellt hat, eine Schrumpfungspolitik, sondern diese Haushaltspolitik ist eine Umschichtungspolitik. Diese Umschichtung im Haushalt des Jahres 1984 wird — es tut mir leid, daß ich das sagen muß — darauf hinauslaufen, daß genau das geschieht, was auch Herr Rose nicht wollte, nämlich daß 2 Millionen Studenten — Herr Vogelsang sprach zwar von 1,2 Millionen — auf keinen Fall an die Universitäten kommen. Ich glaube vielmehr, er will, daß auch nicht die 1,2 Millionen an die Universitäten kommen. Das ist j a schon hinreichend abgesichert durch Entscheidungen aus dem vorigen Jahr, und es ist weiterhin durch Entscheidungen aus diesem Jahr abgesichert; man denke nur an den Erlaß, der zur Regelung des Erlassens von Teildarlehen herausgegeben worden ist, der ja keine andere Bedeutung und Funktion haben wird, als diejenigen auszusortieren, die möglichst angepaßt, flott und schnell studieren.
Was das für einen Sinn machen kann, ist mir bei der Äußerung von Herrn Riesenhuber vorhin klargeworden, daß man im Rahmen der naturwissenschaftlichen Forschung, insbesondere der Genforschung, darauf hinwirken müsse, die Risiken zu beherrschen. Risiken bei so gefährlichen Forschungs- und Labortechnologien und auch Arbeitstechnologien zu beherrschen, bedeutet, eine bestimmte, kleine, angepaßte, sehr konsequente Gruppe auszubilden, die diese Risiken dann auch beherrschen kann. Die Betonung liegt dabei auf einer kleinen Gruppe, denn vermassen kann man eine solche Technologie wegen ihrer Gefahren nicht. Zu diesem Zweck wird ausgebildet werden.
Das, was wir ursprünglich einmal hatten und was, soviel ich weiß, von fast allen Bildungspolitikern in der Bundesrepublik gefordert wird, nämlich das soziale Recht auf Bildung und Ausbildung, bleibt vor der Tür. Das ist ja auch kein Wunder, wenn man sich darüber klar wird, daß in beiden Regierungserklärungen von Bundeskanzler Kohl das Wort „Bildung" nur einmal auftaucht, und da im Zusammenhang mit Bildung von Eigenkapital.
Da wundert es weiter nicht, daß im Bereich der Bildungspolitik nicht mehr herausgekommen ist.
Wenn bezüglich der Berufsbildung gesagt wird: Wir tragen das Programm der CDU mit, wir tragen das Sonderprogramm vom 4. Oktober mit, dann ist das haushaltstechnisch überhaupt kein Problem, da der Antrag bereits bei seiner Einbringung durch eine Ausgabenkürzung in einem anderen Haushaltstitel, der ebenfalls den Jugendlichen zugute kommen sollte, abgesichert war. Das habe ich bereits vor Wochen von dieser Stelle aus erklärt.
Herr Rose, es ist also kein Kunststück, dieses Programm im Rahmen der Entscheidungen über den Haushalt 1984 mitzutragen. Das Problem, das für die Jugendlichen unter dem Strich weder zusätzliches Geld noch zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze herauskommen, ist damit überhaupt nicht beseitigt. Dieses Problem bleibt.
Die Fixierung auf das duale System — da muß ich leider unken, obwohl Sie es nicht mögen, wenn wir das tun — wird im Jahre 1984 zu ungeheuren Problemen führen. Die Kürzungen im Bereich der überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen werden sehr wahrscheinlich Schwierigkeiten für diese Regierung und die CDU im weiteren Verlauf der Entwicklung in der Berufsausbildung mit sich bringen.
2972 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Dr. Jannsen
Ich halte es für ausgesprochen problematisch, daß hier nicht einmal mehr Perspektiven — weder inhaltlicher noch formaler Art — für das Jahr 1984 diskutiert werden sollen. Wenn man daran denkt, was im Jahre 1984 geschehen könnte — ich habe heute morgen gehört, man müsse sich auf den schlimmsten Fall einrichten —, dann wird klar, daß die CDU und die Regierung die Augen vor den Zahlen des nächsten Jahres und die Ohren vor denen verschließt, die darauf hinweisen.
Ich möchte darüber hinaus auf das verweisen, was Herr Rose hier verbal eingebracht hat — Taten folgen nicht —: mehr Initiative, mehr Eigenverantwortung bei den Jugendlichen. — Das hätte ich auch gerne, das habe ich auch schon gefunden; ich habe nur keine Unterstützung von seiten Ihrer Fraktion bei den Haushaltsberatungen gefunden. Wir haben in mehreren Ausschüssen — unter anderem im Bildungsausschuß — einen Antrag eingebracht, der die Unterstützung eines Initiativenfonds für alternative Ausbildungsstätten von Ausbildungsorganisationen und Ausbildungsgruppen vorsieht.
Die CDU/CSU hat diesen Antrag zusammen mit der FDP im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft praktisch kommentarlos abgelehnt. Von Eigeninitiative von Jugendlichen, die ja nicht ganz umsonst sein kann — sie müssen von irgend etwas leben —, ist da nicht die Rede.
Ein letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Wir werden den Antrag der SPD unterstützen, weil er uns immerhin Möglichkeiten offenbart, in einzelnen Bereichen des Benachteiligtenprogramms diese Form von Ausbildung unterbringen zu können.
Was der CDU/CSU, der FDP und der Regierung im Zusammenhang mit der Hochschule und mit der wissenschaftlichen Weiterbildung einfällt, habe ich vorhin bereits anzudeuten versucht. Das, was einer allgemeinen wissenschaftlichen Weiterbildung zugute kommen könnte, was mal über die Graduiertenförderung geleistet worden ist, wird jetzt nicht geleistet. Was aber einer speziellen, mit besonderen Kriterien durchgeführten Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zugute kommen soll, wird ab 1984 besonders gestärkt. Ich bin mir nicht klar, welche Kriterien die einzelnen von der Bundesregierung und — wenn das hier so beschlossen wird — vom Bundestag bezuschußten Stipendienvergabeorganisationen an die anlegen werden, die diese Stipendien beantragen. Das herauszufinden, sollte man vielleicht einmal versuchen. Vergleichbar miteinander sind sie auf jeden Fall nicht. Es wird möglicherweise ein ähnliches Durcheinander geben wie beim Schüler-BAföG, wo die Länder ganz Unterschiedliches vorhaben.
Einen letzten Punkt muß ich hier ansprechen. Das ist der Umgang dieser Regierung mit den ausländischen Studierenden. Es ist bekanntgeworden, daß vor etwa einem Dreivierteljahr, fast einem Jahr, für ausländische Studierende, die sich um einen Studienplatz in der Bundesrepublik bewerben bzw. ihn bereits zugeteilt bekommen haben, die Regelungen für die Einreise so verschärft worden sind, daß sie auf Grund der Bedingungen bundesrepublikanischer Zulassungsverfahren gar nicht mehr in der Lage sind, diese Möglichkeit wahrzunehmen. Ein Rückgang der Studentenzahlen ist bereits für das Sommersemester verzeichnet worden. Und dies betrifft im wesentlichen — und so ist es auch gemeint, behaupte ich jetzt einmal — die Studenten, die aus Ländern der Dritten Welt hierher kommen, weil für die besondere Regelungen zur Einreise in die Bundesrepublik existieren und weil für die die Wege, insbesondere die Postwege, so lang sind, daß sie nicht in der Lage sind, auf postalischem Weg ihre Einschreibung an einer deutschen Hochschule vorzunehmen. Diese Regelung muß meines Erachtens schleunigst aufgehoben werden; denn sonst wäre das, was an Entwicklungshilfe wenigstens auf diesem Gebiet des Transfers von Wissen und Technologien möglich wäre, in absehbarer Zeit nicht mehr drin. Ich fordere die Regierung, Außenminister und Bildungsminister, auf, diese Regelung zurückzunehmen.