Rede von
Dieter
Drabiniok
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde!
Herr Metz, ich will Ihnen j a nicht unterstellen, daß Sie das Bahnkonzept vom Verkehrsminister nicht gelesen haben; aber wenn Sie es gelesen haben, glaube ich, daß Sie es nicht verstanden haben. Wohin die Verkehrspolitik der Bundesregierung führt, wenn der Herr Verkehrsminister den vorgelegten Haushalt bewilligt bekommt, können Sie einer Werbetafel am Essener Hauptbahnhof entnehmen, die gut und gerne aus dem Haus des Verkehrsministers stammen könnte. Dort steht: „Alles aussteigen! Umsteigen in die Lego-Eisenbahn!" Die Bundesregierung ist drauf und dran, diesen Werbespruch in die Tat umzusetzen, um die Bundesbahn endgültig in den Ruin zu treiben. Schon für 1984 sollen der Bahn 300 Millionen DM Bundesmittel gestrichen werden.
In den nächsten Jahren sollen die Bundesmittel für die Deutsche Bundesbahn eingefroren werden. Dadurch wird die Bundesbahn zum Schrumpfkurs verurteilt.
Die Folgen dieses Kaputtschrumpfens sind schon fest eingeplant. Trotz hoher Arbeitslosigkeit sollen 80 000 bis 100 000 Arbeitsplätze bis 1990 allein bei der Bahn vernichtet werden. Mit rund 7 000 km Streckenlänge soll rund ein Drittel des gesamten Schienennetzes der Bundesbahn stillgelegt werden. Die Bundesbahn soll Kapazität und Angebot abbauen und wird so auf das Abstellgleis geschoben.
Die großen Wahlkampfworte der CDU vom Aufschwung müssen den Beschäftigten und Kunden der Bundesbahn nur wir Hohn und Spott in den Ohren klingen. Denn wer glaubt, durch diese drastischen Maßnahmen werde wenigstens die finan-
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Drabiniok
zielle Situation der Bundesbahn verbessert, sieht sich getäuscht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verschuldung der Bahn soll bis 1990 um weitere 20 Milliarden DM auf sage und schreibe rund 56 Milliarden DM in die Höhe schnellen. Die kurzsichtige Absicht der Bundesregierung ist es, den Bundeshaushalt auf Kosten der Bahn zu sanieren. Zudem wird die Öffentlichkeit getäuscht, da es sich bei den Schulden der Bundesbahn also eines Bundesunternehmens letztendlich um Schulden des Bundes handelt, die noch nicht einmal nachrichtlich im Bundeshaushalt vermerkt sind. Diese Politik bedeutet eine verschleierte Erhöhung der Staatsverschuldung, für die der Steuerzahler in späteren Jahren wesentlich tiefer in seine Geldbörse greifen muß, als es zu einer wirklichen Sanierung der Bundesbahn heute notwendig wäre.
Eine tatsächliche Sanierung der Deutschen Bundesbahn ist jedoch nicht das Ziel der Bundesregierung; denn sie läßt mit dem von ihr vorgelegten Haushaltsentwurf die Ursachen der Bahnkrise völlig außer acht. Nach wie vor soll die Bundesbahn Mineralölsteuer zahlen, obwohl die Konkurrenten in der Binnenwasserschiffahrt und beim Flugverkehr von dieser Steuer befreit sind. Nach wie vor soll die Bundesbahn für ihr Schienennetz selber aufkommen, obwohl der Bau von Bundesfern- und Bundeswasserstraßen voll aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Nach wie vor hat die Bundesbahn einen großen Teil ihrer Pensionslasten selber zu tragen, obwohl die entsprechenden Aufwendungen der Behörden für den Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr ganz selbstverständlich voll vom Staat getragen werden. Nach wie vor soll ein Teil des Fehlbetrags im Schienenpersonennahverkehr bei der Bundesbahn verbleiben, obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist, daß soziale, gemeinwirtschaftliche Aufgaben — wie etwa Feuerwehr und Kindergärten — vom Staat zu finanzieren sind. Nach wie vor soll sich die Bundesbahn durch Aufnahme weiterer Kredite noch weiter verschulden, um die hohe Zinslast von zur Zeit jährlich 3 Milliarden DM tragen zu können, obwohl nicht sie, sondern der Bund selber durch mangelnde Ausstattung mit Eigenkapital für die Verschuldung der Bahn und damit für die Zinslast allein verantwortlich ist.
Mit dieser Benachteiligung und Vernachlässigung der Bundesbahn durch den Eigentümer Bund muß endlich Schluß sein. Mit aller Schärfe weisen wir die Versuche seitens der Bundesregierung zurück, von der Verantwortung dieser Bundesregierung für die verfehlte Bundesbahnpolitik dadurch abzulenken, daß den Eisenbahnern die Schuld für die Krise der Bahn in die Schuhe geschoben wird.
Solche Unterstellungen sind nicht nur falsch, sondern auch zynisch und unmenschlich.
Lassen Sie mich an dieser Stelle deshalb den Eisenbahnern den ganz besonderen Dank unserer
Fraktion für ihre harte Arbeit rund um die Uhr und zum Wohle der Bürger aussprechen.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, der FDP und SPD, Sie alle versprechen den Bürgern vor Ort, sich vehement für die Erhaltung der Bahnstrecken in Ihren jeweiligen Wahlkreisen einzusetzen. Wortreich betonen Sie mit einer Fülle von Argumenten, wie wichtig und unverzichtbar diese Bahnstrecken doch seien. Diese Beteuerungen sind jedoch nichts anderes als blanke Lippenbekenntnisse, meine Damen und Herren. Denn kaum haben Sie Ihrem Wahlkreis den Rücken gekehrt, verweigern Sie hier in Bonn gemeinsam der Bundesbahn die finanziellen Mittel, die für die Erhaltung dieser Bahnstrecken notwendig sind. Diese Doppelzüngigkeit muß bald ein Ende haben.
Die Bürger im Lande sollen wissen: Wer diesem Verkehrshaushalt zustimmt, sagt auch j a zu Strekkenstillegungen und Arbeitsplatzvernichtung.
— Hören Sie mal zu!
Um die Zukunft der Bahn zu sichern, müssen erstens die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Bahn endlich beseitigt werden,
muß zweitens die Bahn schrittweise entschuldet werden und müssen drittens der Bahn wesentlich mehr finanzielle Mittel für Investitionen zur Verbesserung von Attraktivität und Wirtschaftlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Deshalb fordern die GRÜNEN eine Erhöhung der Haushaltsansätze für die Bundesbahn um insgesamt 5,4 Milliarden DM.
— Hören Sie doch mal zu! — Diese Summe ließe sich ohne Mühe durch Kürzung anderer Titel im Verkehrshaushalt, insbesondere bei dem ohnehin überflüssigen Bau neuer Bundesstraßen und Autobahnen sowie durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 6 Pf pro Liter aufbringen.
Als ersten konkreten Schritt und Mindestmaßnahme, die angesichts des Waldsterbens von jedem verantwortungsbewußten Politiker mitgetragen werden müßte, beantragen wir deshalb heute die Umschichtung von 1,8 Milliarden DM aus dem Straßenbauetat zugunsten der Bahn.
Diese Umschichtung im Verkehrshaushalt ist nicht
nur gerechtfertigt, sondern längst überfällig. Seit
1960 wurden 210 Milliarden DM in den Straßenbau
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investiert, jedoch nur 16 Milliarden in die Bundesbahn.
Durch die Investitionen für den Straßenbau wollen Sie das Bruttosozialprodukt steigern, das für Sie immer noch oberste Richtlinie für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist.
— Nun hör' doch mal zu!
Dabei wirken sich Verkehrsunfälle und die damit verbundenen Unfallfolgekosten von jährlich ca. 40 Milliarden DM positiv auf das Bruttosozialprodukt aus. Was hat das noch mit vernünftiger Verkehrspolitik zu tun? Doch wohl nichts.
Die Investitionssummen im Straßenbau zeigen, daß die Verantwortlichen in der Verkehrspolitik offensichtlich mit Scheuklappen ausgerüstet sind,
die sie von der Automobil- und Straßenbaulobby erhalten haben.
Diese Lobby wird sich die Hände reiben, wenn sie hört, daß die Bundesregierung die Notwendigkeit sieht, das Straßennetz für den durch Streckenstillegungen zu erwartenden Mehrverkehr von Bussen und Pkw noch weiter auszubauen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese verfehlte, allein auf das Auto fixierte Verkehrspolitik hat mit dazu beigetragen, daß der Wald vor unseren Augen stirbt. Es ist höchste Zeit zum Handeln! Durch eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 100 Stundenkilometer auf Autobahnen und 80 Stundenkilometer auf Landstraßen ließen sich die Stickoxidemissionen um 400 000 Tonnen jährlich reduzieren. Mit dieser Notbremse gegen das Waldsterben würden Milliardenverluste in der Forstwirtschaft vermieden und Hunderttausende bedrohte Arbeitsplätze gesichert.
Neben der Lärmverminderung und der Steigerung der Verkehrssicherheit bedeutet ein Tempolimit auch eine relative Geschwindigkeitserhöhung für die Bundesbahn. Daß sich dies im Personenfernverkehr der Bahn positiv niederschlägt, wird wohl jedem hier im Saal einleuchten, auch wenn er es aus parteipolitischen Gründen nicht zugeben darf.
Ich will heute auf die schädlichen Auswirkungen des Straßenverkehrs nicht weiter eingehen. Feststellen möchte ich allerdings doch noch, daß zehn Jahre Umweltdiskussion an Ihnen offensichtlich spurlos vorübergegangen sind. Offenbar fehlt es an Ihrer Bereitschaft, die Verkehrspolitik zur Förderung des Autoverkehrs aufzugeben, weil Ihre Parteien sonst vor der Pleite ständen. Denn dann würden die Spenden der Automobil- und Straßenbaulobby wohl nicht mehr so reichlich in Ihre Parteikasse fließen. Das scheint mir der eigentliche Hintergrund für Ihre Verkehrspolitik und den Haushaltsentwurf zu sein.
Danke.