Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer für die FDP-Fraktion zum Verkehrshaushalt und damit zum viertgrößten und gleichzeitig investitionsstärksten Etat Stellung nehmen soll und dafür nur ganz wenige Minuten Redezeit hat, ist natürlich zu einer nur skizzenhaften Darstellung gezwungen. Den kräftigsten Strich bei diesem Bild zieht in der Tat, meine Damen und Herren, der Finanzminister, der mit seiner notwendigen Forderung nach Beiträgen zur Haushaltskonsolidierung auch den Gestaltungsspielraum des Verkehrsressorts — nicht nur für 1984 — in verkehrspolitisch wirklich bedenklicher Weise begrenzen muß. Aber das ist nichts Neues. Denn bei einem Vergleich mit der mittelfristigen Finanzplanung aus der Zeit der sozialliberalen Koalition ergibt sich, daß damals für alle Bereiche — außer dem Bereich des Straßenbaus — weniger eingestellt war, als dies mit diesem Haushaltsentwurf geschieht.
Das Hauptziel, meine Damen und Herren, ist klar, und es ist auch zwingend. Es gilt, die für den gesamten Bundesetat tickende Zeitbombe der Zuschüsse für die Deutsche Bundesbahn zu entschärfen — eine Forderung, die Hans-Günter Hoppe für die FDP ja bereits bei der ersten Lesung des Haushalts 1977 als unwägbares Haushaltsrisiko ohne mitgeliefertes Lösungsrezept bezeichnet hatte.
1984 braucht die Bahn fast 55% des gesamten Verkehrshaushalts, und nur gut 45% bleiben für den Rest der Verkehrswelt. Und wenn jetzt nicht endlich Ernst gemacht wird mit einer durchgreifenden Sanierung, würde 1990 der gesamte Verkehrshaushalt unter die Räder der Bahn geraten, falls diese nicht bereits vorher wegen Zahlungsunfähigkeit ihre Schalter schließen müßte.
13,3 Milliarden DM für die Bundesbahn! Das heißt im Klartext: 37 Millionen DM jeden Tag, Tag für Tag, für ein Verkehrsmittel, das heute nur noch 6 % unserer gesamten Personenverkehrsbeförderung
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn. Dienstag. den 6. Dezember 1983 2925
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und gerade noch 30% des Güterverkehrs übernimmt, 550 DM auch für Sie, Herr Kollege Drabiniok wie für jeden anderen Steuerzahler jährlich, ob er nun die Bahn in Anspruch nimmt oder nicht. Und wer sie dann unter den 6% aus der Bevölkerung schon benutzt, fährt jährlich nicht mehr als im Durchschnitt 35 km. Und für jede einzelne Mark, die der Bahnfahrer zahlt, legt Vater Staat noch einmal vier weitere Mark mit drauf.
Es ist 32 Jahre her — das will ich einmal dem Vertreter der GRÜNEN sagen, der im Verkehrsausschuß erklärt hat, die Bahn habe früher kräftige Gewinne gemacht —, daß die Bahn, 1951, ein einziges Mal, einen bescheidenen Gewinn machte. Aber seither haben wir die unvorstellbare Summe von 175 Milliarden DM
in dieses Verkehrsmittel gesteckt, das schon seit 1971 mehr Personalkosten als Erträge hat.
Deshalb begrüßt es die FDP, daß der Bundesverkehrsminister — ebenso wie die Koalitionsfraktionen — mit seinem jetzt vorgelegten Konzept
voll und ganz hinter der Zielsetzung des Bahnvorstands steht, bis 1990 die Arbeitsproduktivität bei der Bahn um 40 % zu steigern, die Gesamtkosten um 30 % und die Personalkosten um 25 % zu reduzieren.
— Herr Kollege Haar, wenn ich mehr als nur ein paar Minuten Redezeit hätte, würde ich gern eine Zwischenfrage gestatten. Ich bitte, heute darauf zu verzichten. Wir werden bei anderer Gelegenheit, im Frühjahr, das Bahnkonzept ja intensiv diskutieren können.
Das, meine Damen und Herren von der Opposition, ist in der Tat keine Kahlschlagsanierung, sondern der zwingend notwendige Schritt, der jetzt aber auch politisch durchgesetzt werden muß, aber nicht erneut, wie es die SPD und die GRÜNEN tun, schon wieder zerredet werden sollte, bevor es überhaupt wirksam werden kann.
Das muß politisch durchgesetzt und durchgehalten werden, wenn wir die Bahn durch Rationalisierung, durch Steigerung der Produktivität und vor allem durch attraktivere Angebotsgestaltung vor dem endgültigen Bankrott bewahren wollen.
Sechs Sanierungskonzepte unter der Verantwortung sozialdemokratischer Verkehrsminister sind gescheitert. Und natürlich haben wir es nicht mit einer Modelleisenbahn, schon gar nicht mit der Lego-Eisenbahn zu tun, die man beliebig auf- und abbauen könnte. Aber, meine Damen und Herren, wir haben es doch auch nicht mit einem MonopolySpiel zu tun,
bei dem man beliebig einnehmen und ausgeben könnte, je nachdem, was aus Ihrer Sicht gerade richtig ist. Dies geht nicht.
Und was soll eigentlich der Vorwurf der Kahlschlagsanierung oder des Totenscheins für die auf Raten sterbende alte Bahn angesichts des Gscheidle-Plans, damals schon 12 900 km Güterverkehrsnetz und 9 800 km Personenverkehrsnetz stillzulegen? Eigentlich müßte sich ja der Kollege Haar
in den Zielsetzungen von Bundesbahnvorstand und Verkehrsminister zwar nicht als heutiger Gewerkschaftschef, aber als damaliger Staatssekretär mit seinen Vorstellungen sehr gut wiederfinden können. Ich habe mir da mal ein paar alte Erklärungen herausgesucht, Herr Kollege Haar. Schon 1974 forderten Sie, die Kostendeckung im Nahverkehr zu verbessern, neue Maßnahmen nur noch unter strengster Wirtschaftlichkeitsprüfung zuzulassen
und den Schienenpersonennahverkehr überhaupt nur noch dort aufrechtzuerhalten, wo er wirtschaftlicher ist als der Betrieb durch andere Verkehrsmittel. Damals sprachen Sie von organisatorischer Ausgliederung von Teilbereichen der Bahn. Sie sprachen davon, die Personalintensität durch ständige Rationalisierungsmaßnahmen herabzusetzen.
Heute, wo wir nun endlich — auch nach Ihren eigenen Vorgaben und Vorstellungen — handeln wollen, ist das alles nicht mehr wahr. Da haben Sie für sich selbst und für die gesamte SPD-Fraktion die große bahnpolitische Wende vollzogen. Jetzt fordern Sie für den schnelleren Ausbau der Neubaustrecken, für bessere Nahverkehrsangebote, für eine gewaltige Entschuldungsanleihe summa summarum 6 bis 8 Milliarden DM mehr. Dazu haben Sie auch gleich einen Finanzierungsvorschlag mitgeliefert, man müsse nämlich an die Mineralölsteuer herangehen. Wir haben dies im Ausschuß mal seriös durchgerechnet. Inzwischen ist es noch einmal überprüft worden. Auch das Verkehrsministerium hat die Zahl nachgeguckt. In der Tat führt das, wenn Sie es tun wollen, zu dem Ergebnis, daß Sie dann dem Autofahrer pro Liter Sprit zusätzlich für 20 bis 30 Pfennig — je nach dem, wie dann Ihre Rechnung, ob 6 oder 8 Milliarden, konkret aussieht — in die Tasche greifen müßten. Das ist ja mehr, als die GRÜNEN hier zur Sanierung der Bundesbahn verlangt haben. Es ist ein abenteuerliches, aber auch unsoziales Verlangen gegenüber allen Arbeitnehmern, die gerade in der Fläche zwingend auf die Benutzung ihres eigenen Pkw angewiesen sind,
und, meine Damen und Herren, auch ein Angriff
auf jeden siebten. deutschen Arbeitsplatz, nämlich
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auf die Arbeitsplätze aller Arbeitnehmer in der Automobilindustrie. Und da sprechen Sie angesichts unserer Sanierungsbemühungen bei der Deutschen Bundesbahn von Arbeitslosigkeit. Sie sollten, Herr Drabiniok, mal ein bißchen genauer hinsehen und Ihre Schularbeiten im Rechnen besser machen.
Meine Damen und Herren, diesen Weg gehen wir nicht mit. Deshalb geben wir für den künftigen S-Bahn-Betrieb kein Geld mehr aus, das die Folgekosten des Betriebs ständig noch weiter in die Höhe treiben würde. Und deswegen wollen wir, daß in privatrechtlichen Organisationsformen ein mindestens gleichwertiges, aber eben rentableres Busangebot die unverantwortlich hohen Schienenverkehrsdefizite in der Fläche ablöst. Wir werden erstmals in dem neuen Konzept die politisch bedingten, also die gemeinwirtschaftlichen Belastungen der Bahn eingrenzen, weil wir uns eben nur so viel Bahn leisten können, wie sie der Bürger selbst bei verbesserten Service und bei modernstem Gerät dann auch wirklich in Anspruch nehmen will,
und nun nicht, Herr Kollege Drabiniok, der Sie gerade dazwischenrufen, weil wir noch mehr Landschaft durch Straßen zubetonieren wollen.
Denn Straßen, meine Damen und Herren, die wir heute noch bauen, dienen vor allem dem Umweltschutz und der Verkehrssicherheit.
— Das haben Sie zwar noch nicht verstanden, aber es geht vor allem um die ortskernentlastenden Umgehungsstraßen.
Sie werden ja wohl einräumen, daß in unseren städtischen Ballungsgebieten die Leute im Abgas und im Lärm ersticken.
Wenn sich dann welche gegen solche dem Umweltschutz dienenden ortskernentlastenden Umgehungsstraßen wenden, dann kann man wirklich nur noch von grüner Schizophrenie reden.
Es geht beim Straßenbau, meine Damen und Herren, um die Beseitigung von Unfallschwerpunkten und schienengleichen Bahnübergängen, um die notwendigen letzten Netzschlüsse im Fernstraßensystem. Also Straßenbau nach Maß, übrigens keinen Kilometer mehr, als die alte sozialliberale Koalition erarbeitet hat und als hier im Plenum des Deutschen Bundestages in der letzten Legislaturperiode einstimmig beschlossen worden ist, und dann noch um 200 Millionen DM gekürzt bei der Gefahr eines neu entstehenden Haushaltsrisikos, wenn wir nicht mehr als die Hälfte dieser Straßenbaumittel für Erhaltungs- und Unterhaltungsinvestitionen einstellen.
Meine Redezeit — Herr Präsident — ich sehe es
— ist abgelaufen.
— Ich weiß, daß Sie das freut, Herr Kollege Roth, weil Sie zu dieser Sache nichts weiter hören wollen, was Ihre früheren Versäumnisse noch deutlicher macht. Ich habe Sie ja sehr schonend behandelt.