Rede von
Dr.
Friedrich
Voss
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident, ich bin gebeten worden, mich in der Zeit sehr zu beschränken. Ich muß daher leider auf Zwischenfragen verzichten, Herr Präsident.
Der im Finanzplanungsrat abgestimmte haushaltspolitische Kurs von Bund, Ländern und Gemeinden und die sich abzeichnende Wirtschaftsentwicklung und die darauf beruhende Einschätzung der öffentlichen Haushalte lassen erwarten, daß die Gemeinden 1983 ein Finanzierungsdefizit von höchstens 3 Milliarden DM aufweisen werden. Dieses Defizit wird sich im nächsten Jahr noch einmal deutlich reduzieren. Wer verantwortliche Finanzpolitik treiben will, muß in der Frage der Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auch die Finanzlage der anderen im Auge haben.
Diese Finanzlage stellt sich folgendermaßen dar. Während der Anteil der kreditfinanzierten Ausgaben des Bundes in diesem Jahr rund 15 % beträgt — das ist hier bereits von Herrn Kollegen Gattermann erwähnt worden —, beläuft sich dieser Prozentsatz bei den Länderhaushalten auf rund 10 und bei den Gemeinden nur auf 2 %.
Der Sachverständigenrat — das ist eine Autorität, Herr Spöri, der Sie sich auch anschließen können müßten — bewertet in seinem Gutachten 1983/84 — ich zitiere —: „Bei den Gemeinden besteht dagegen nach dem weiteren Abbau der Defizite in diesem Jahr kein Konsolidierungsbedarf mehr." Auch wenn die Bundesregierung diese Einschätzung so nicht übernimmt, macht die Bewertung des Sachverständigenrates doch deutlich, daß eine Verlagerung von Steuermitteln des Staates finanzwirtschaftlich nicht begründbar ist. Vielmehr muß das Niveau der Finanzausstattung der Kommunen als ausreichend angesehen werden. Natürlich weiß die Bundesregierung — deshalb ist das Urteil des Sachverständigenrates zu differenzieren —, daß sich hinter der Gesamtzahl für alle bundesdeutschen Gemeinden erhebliche Schieflagen im Verhältnis der Finanzausstattung einzelner Gemeinden oder Gemeindegruppen zueinander verbergen.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten nicht vergessen, was Sie als Bundesregierung hier mehrfach zu Protokoll gegeben haben, nämlich, daß mit globalen Maßnahmen die strukturellen Probleme innerhalb der Gemeinden nicht zu lösen sind, sondern daß es dabei um Korrekturen am finanzwirtschaftlichen Verteilungs- und Ausgleichsmechanismus auf der Kommunalebene selbst geht.
Wie deutlich sich die Kommunalfinanzen insgesamt konsolidiert haben, geht aus einer längerfristigen Betrachtung hervor. Von 1970 bis 1982 lag das Finanzierungsdefizit der Kommunen jährlich bei durchschnittlich 6 Milliarden DM. Der Anteil des Finanzierungsdefizits an den Gesamtausgben betrug im Durchschnitt 6% gegenüber nur noch 2 % im Jahre 1983. Das heißt: sowohl die absolute Höhe des Finanzierungsdefizits als auch der Anteil an den Gesamtausgaben ist 1983 weit unter den langfristigen Durchschnitt gesunken.
Zu Beginn der 70er Jahre betrug das Finanzierungsdefizit 5,9 Milliarden DM im Jahre 1970, 9,2 Milliarden DM im Jahre 1971 und 7,1 Milliarden DM im Jahre 1973. Da das Ausgabenniveau nur bei einem Drittel des heute erreichten lag, betrug der Anteil des Finanzierungsdefizits an den Gesamtausgaben in den drei genannten Jahren 10,4 %, 13,5% und 9,4 %.
Daß damals unmittelbar nach der Finanzreform niemand von einer Krise der Kommunalfinanzen sprach, meine Damen und Herren, lag entscheidend daran, daß sich die Finanzausstattung der Kommunen zwischen den Gemeinden im Gleichgewicht befand. Es gab damals noch keine strukturellen Probleme, beispielsweise in den von Kohle- und Stahlkrise betroffenen Ruhrgebietsstädten oder in den von der Werftenkrise betroffenen Kommunen an der Küste. Dieser Vergleich unterstreicht nachdrücklich, daß wir strukturellen Problemen innerhalb der Gemeindeebene nicht mit globalen, bundespolitisch begründeten Maßnahmen begegnen können.
Die SPD-Opposition kommt also auf Grund einer falschen Diagnose zu einer falschen Empfehlung, wie dieser Gesetzentwurf zeigt. Der Konsolidierungsfortschritt in den kommunalen Haushalten wäre ohne eine strenge Ausgabendisziplin der kommunalen Entscheidungsträger und ohne gewissenhafte Überprüfung der von den Kommunen selbst beeinflußbaren Ausgabenblöcke nicht möglich gewesen. Dies ist ein überzeugender Ausdruck dafür, meine Damen und Herren, daß kommunale Selbstverwaltung von den Kommunalpolitikern als haushaltswirtschaftliche Selbstverantwortung verstanden wird, die auch unpopulären Entscheidungen nicht ausweicht.
Diese Entwicklung zeigt aber auch, daß die Bundesregierung mit ihrer Versicherung ernstgemacht hat, bei den Konsolidierungsbemühungen des Bundes die Finanzlage der Kommunen zu berücksichtigen und sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung stets bewußt zu sein.
Das gilt — erstens — insbesondere in einem Kernbereich der kommunalen Aufgaben, nämlich
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2835
Pari. Staatssekretär Dr. Voss
den Personalausgaben. Wir haben für 1983 und 1984 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Beamtenbesoldung durch Gesetz vorab geregelt. Zwar gibt es über den Belastungsumfang eine kontroverse Expertendebatte; aber wie man auch rechnet, die finanziell entlastende Wirkung dieser Politik zeigt sich im stark gedrosselten Anstieg der kommunalen Personalausgaben mit nur noch + 2 % im ersten Halbjahr 1983.
Zweitens. Die Beschlüsse der Bundesregierung zur Sozialhilfe in den Haushaltsbegleitgesetzen 1983 und 1984 sind darauf gerichtet, mögliche Kostenverlagerungen infolge der notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherungsträger auszugleichen. Diese kurzfristigen Schritte werden durch notwendige strukturelle Reformen ergänzt werden.
Für diese wichtige Aufgabe ist von den Bundesressorts ein Ausschuß gebildet worden, der insbesondere die Reformvorschläge für die kostenintensiven Pflegebereiche prüft.
Mit der Senkung der Gewerbesteuerumlage ist es der Bundesregierung gelungen, die notwendige gewerbesteuerliche Entlastung der Wirtschaft in Übereinstimmung zu bringen mit dem wichtigen kommunalpolitischen Anliegen, die Gewerbesteuer als eine zentrale Steuerquelle der Gemeinden weiterhin zu sichern. Die von der Bundesregierung gewählte Ausgleichslösung wahrt die kommunale Autonomie.
Dieser Ausgleich muß auch im Zusammenhang gesehen werden mit der zwischen Bund und Ländern getroffenen Regelung über die Umsatzsteuerverteilung in den Jahren 1982 bis 1985. Der Bund verzichtete für 1982 nachträglich auf die Zahlung der sogenannten Kindergeldmilliarde. Für 1983 wurde zudem der Anteil der Länder an der Umsatzsteuer um einen Punkt auf 33,5% erhöht. An dieser Finanzverschiebung zugunsten der Länderebene haben die Gemeinden über den kommunalen Finanzausgleich mittelbar Anteil. Zum Ausgleich der überproportionalen Steuerausfälle von Ländern und Gemeinden auf Grund des Steuerentlastungsgesetzes 1984 verzichtete der Bund zusätzlich auf einen Umsatzsteuerpunkt. Die Bundesregierung geht bei dieser Ausgleichsregelung davon aus, daß die Länder ihren Kommunen für Einnahmeausfälle in angemessener Weise Ersatz leisten.
Mit diesen drei Ausgleichsregelungen ist die Bundesregierung bis an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten gegangen.
Die mit dem Gesetzentwurf der SPD vorgeschlagenen steuerpolitischen Maßnahmen würden zu einer deutlichen Erhöhung der Steuerbelastung der Wirtschaft führen. Sie würden damit die Weiterführung des wirtschaftlichen Gesundungsprozesses gefährden, der mit den steuerpolitischen Beschlüssen der Bundesregierung und der darauf aufbauenden Belebung der privaten Investitionstätigkeit eingeleitet worden ist. Die Bundesregierung hat wiederholt deutlich gemacht, daß sie es als zentrale Aufgabe der Wirtschafts- und Finanzpolitik ansieht, das Vertrauen in die Stabilität staatlicher Entscheidungen zurückzugewinnen. Alle am wirtschaftlichen Prozeß Beteiligten müssen sich darauf verlassen können, daß getroffene Entscheidungen Bestand haben.
Ich möchte nur noch zwei Hinweise machen.
Erstens: Die Bundesregierung will den kommunalen Handlungsspielraum erhalten und weiter stärken. Sie hat klargemacht, daß in dieser Legislaturperiode weitere Eingriffe in die Gewerbesteuer nicht zur Diskussion stehen und daß ohne ein Konzept für die Neuordnung des Gemeindefinanzsystems auch später nicht ernsthaft darüber diskutiert werden kann. Der Bundesfinanzminister hat ferner den Länderfinanzministern und den Vertretern der Gemeinden vorgeschlagen, auf der Ebene des Finanzplanungsrates eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die insbesondere die Möglichkeiten einer stärkeren Entlastung der Kommunen durch die Überprüfung von Bundes- und Landesgesetzen erörtern soll. Über diesen Vorschlag wird der Finanzplanungsrat auf seiner Sitzung heute nachmittag befinden, und ich bin sicher, Herr Kollege Bernrath, daß er hier zu einem brauchbaren Ergebnis kommen wird.
Zweitens. Die Landesfinanzministerkonferenz hat auf ihrer Sitzung am 10. November eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, mit möglichst geringem Aufwand eine grundsätzliche Beurteilung der in der Diskussion befindlichen Modelle zur Neuordnung der Gemeindefinanzen vorzunehmen und darüber der Finanzministerkonferenz im Mai 1984 zu berichten. Über das weitere Verfahren soll dann beraten und entschieden werden.
Ich hebe dies aus zwei Gründen hervor, insbesondere deshalb, weil die Mitarbeit der Landesfinanzverwaltungen, die allein über die benötigten Daten für derartige Untersuchungen verfügen, unerläßlich ist. Deshalb sollte das Ergebnis der Länderarbeitsgruppe und die anschließende Entscheidung der Landesfinanzminister abgewartet werden. Ich entnehme der Formulierung des SPD-Antrages, daß auch Sie, meine Damen und Herren, sich der zentralen Bedeutung des Ländervotums bewußt sind.
Zum anderen möchte ich darauf verweisen, daß der Beschluß der Landesministerkonferenz sich auf alle in der Diskussion befindlichen Modelle erstreckt, während Ihr vorliegender Antrag diese Prüfung im wesentlichen auf die Wertschöpfungsteuer beschränkt. Die Bemessungsgrundlage allerdings bei der Wertschöpfungsteuer wäre — das ist bereits von Herrn Kollegen Gattermann hier erwähnt worden — zu 80 bis 90 % ertragsunabhängig. Allein auf die Lohnsumme entfielen 70 %. Sie wissen aber, meine Damen und Herren, daß die Steuerpolitik der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode darauf ausgerichtet ist, die Ertragslage der Unternehmen zu verbessern, um damit ihre Investitions- und Innovationskraft zu stärken. Auch wenn wir auf diesem Wege bereits ein gut Stück vorangekommen sind, so bleibt dies doch weiterhin eine zentrale Aufgabe dieser Legislaturperiode.
2836 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983
Parl. Staatssekretär Dr. Voss
Daher, meine Damen und Herren, vermag die Bundesregierung den im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion enthaltenen Vorstellungen leider nicht zu folgen.
Ich bedanke mich.