Rede von
Dr.
Jürgen
Schmude
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem die Staatsanwaltschaft Bonn in dieser Woche ihre abschließenden Entscheidungen im Ermittlungsverfahren gegen Politiker und Wirtschaftsmanager bekanntgegeben hat, mag mancher Betrachter fragen, ob dies der richtige Zeitpunkt für einen Bundestagsbeschluß zur Neuordnung der Parteienfinanzierung ist.
Einen richtigen Zeitpunkt in dem Sinne, daß die Neuregelung mit allgemeiner Zustimmung und Zufriedenheit aufgenommen wird, gibt es allerdings nicht.
Insofern besteht auch kein Anlaß, diese jetzt fällige Debatte zu verschieben. Wir sollten vielmehr das geschärfte kritische Interesse der Öffentlichkeit nutzen, um Klarstellungen zu treffen und Antworten zu geben.
So ist im Hinblick auf die neueröffneten Strafverfahren klarzustellen, daß der dort erhobene schwere Vorwurf der Bestechlichkeit und der Bestechung mit der von uns heute neu zu gestaltenden Rechtslage unmittelbar nichts zu tun hat. Insoweit bestehen eindeutige strafrechtliche Vorschriften, deren Geltung bisher unstreitig war und auch künftig nicht berührt werden wird.
Da es sich bei den von der Staatsanwaltschaft untersuchten Vorgängen aber auch um die finanzielle Förderung von Parteien und einzelnen Politikern handeln soll, ist zugleich jener weit größere Bereich der privaten Parteienfinanzierung angesprochen, in dem zahlreiche Vorgänge seit Jahren den Argwohn der Öffentlichkeit erregen und der zum Teil ebenfalls Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist.
Diesen Vorgängen muß bei unseren heutigen Beratungen unsere besondere Aufmerksamkeit gehören. Viel zu sehr hat das öffentliche Interesse an ihnen angesichts der jetzt zur Anklage gebrachten Flick-Vorgänge nachgelassen. Dabei sind es gerade die über Jahrzehnte hinweg praktizierten Mißstände in der privaten finanziellen Förderung der Parteien, die uns besorgt machen und die wir abstellen müssen. Der massive politische Einfluß, der bis in die letzten Jahre hinein von privaten Spendern nicht durch Mitarbeit in den Parteien, nicht durch ihre Wählerstimme und auch nicht durch das Gewicht ihrer Argumente, sondern ausschließlich über den Einsatz von Geld gesucht und ausgeübt wird, belastet das Ansehen nicht nur der Parteien, sondern auch unserer Demokratie.
Wer zur Kenntnis nehmen muß, in welchem Umfang stattliche Spendenbeträge unter Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Kontrolle und unter Ausnutzung von unzulässigen erschlichenen Steuervorteilen in die Parteikassen geleitet worden sind, versteht leicht die in der Öffentlichkeit verbreitete Geringschätzung von Parteien und Politikern. Der Eindruck der Käuflichkeit ist angesichts dieser Vorgänge nicht ganz von der Hand zu weisen.
Das erkennbar schlechte Gewissen der Verantwortlichen auf der Spender- und auf der Empfängerseite unterstreicht die Berechtigung der gegen beide erhobenen Vorwürfe. Was ist es denn anderes als schlechtes Gewissen, wenn Tarnorganisationen eingeschaltet werden, um durch Parteispenden ungerechtfertigte Steuervorteile zu ergattern und um zugleich deren Herkunft entgegen dem Publizitätsgebot des Parteiengesetzes zu verdunkeln?
Ebenso zeigen sich Unrechtsbewußtsein und anstößiges Vorteilsstreben in der Zuleitung von Parteispenden mit Hilfe bloß vorgetäuschter wirtschaftlicher Geschäfte, die den steuerlichen Abzug als Betriebsausgaben ermöglichen sollen, oder über sogenannte Geldwaschanlagen im Ausland.
Bekanntlich — und bedauerlicherweise, so füge ich hinzu — ist in ähnlichen Zusammenhängen auch meine Partei nicht von Vorwürfen auszunehmen. Wer Bilanz ziehen und einen neuen Anfang machen will, muß das schonungslos feststellen.
2718 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1983
Dr. Schmude
Zur Vollständigkeit dieser Feststellung gehört aber auch, daß die Parteien bei weitem nicht in gleichem Maße betroffen sind. Es sind die kapitalnahen Parteien CDU/CSU und FDP,
die über Jahrzehnte hin größten Nutzen aus weitgehend verdeckt gewährten Parteispenden gezogen und sich — davon gehe ich aus — entsprechendem Einfluß unterworfen haben.
In einer Reihe von Spendenfällen besteht der Verdacht strafbaren Handelns, zumeist begangen in Form der Steuerhinterziehung. Die Rechtsordnung sieht dafür eine Form der Bereinigung vor, die für jedermann gilt und von der Politiker wie ihre Förderer selbstverständlich nicht ausgenommen sein dürfen:
die Strafverfolgung und — bei Bestätigung des Verdachts — die Bestrafung.
Diese Selbstverständlichkeit sollte vor etwa zwei Jahren außer Kraft gesetzt werden. Zum Rückblick auf die Vorgeschichte der heute behandelten Gesetzentwürfe gehört leider auch die peinliche Erinnerung an den Versuch im Dezember 1981, durch eine amnestieähnliche Gesetzesregelung straffällig gewordene Spender und Politiker sowie ihre Helfer von der drohenden Bestrafung freizustellen. Dieser überaus anstößige Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit unseres Gemeinwesens, der sich bei einem Erfolg zerstörerisch auf das allgemeine Rechtsbewußtsein ausgewirkt hätte, ist damals am entschlossenen Widerstand der SPD-Fraktion — und nur an ihr — gescheitert.
Nicht unerwähnt bleiben soll, daß damals vor allem der „Spiegel" vor dem Amnestie-Vorhaben frühzeitig gewarnt hat.
Sachkundige und erfahrene Betrachter haben uns damals gesagt — und wiederholen es bis in die Gegenwart —, daß die frühere Regierungskoalition durch diese Weigerung des sozialdemokratischen Partners ihrem Bruch in entscheidender Weise nähergekommen ist. Ob und wieweit diese für das spätere Zerbrechen der Koalition unter einem engen Blickwinkel gegebene Erklärung zutrifft, mag dahinstehen. Selbst wenn sie stimmt, ändert das — auch aus heutiger Sicht — nichts an der Richtigkeit unseres damaligen Verhaltens. Eine Grenze war erreicht, über die wir um keine Preis hinauszugehen bereit waren und deren Verteidigung uns große Opfer wert war.
An dieser Grenze halten wir auch heute fest. Sie darf und sie wird durch die heute anstehenden Gesetzesänderungen weder aufgehoben noch durchbrochen werden. Eine strafbefreiende Rückwirkung haben die neuen Vorschriften nicht.
Diese Strafbefreiung kann bereits grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Der Gesetzgeber, der nach einer Steuerstraftat durch Steuersenkung oder erweiterte Absetzungsmöglichkeiten für die Zukunft auf Steuern verzichtet, ändert damit nichts an seinem in der Vergangenheit bestehenden Anspruch. Steuergesetze sind Zeitgesetze und nicht etwa milderes, in die Vergangenheit zurückwirkendes Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuches. Wer also in der Vergangenheit Steuern in strafbarer Weise hinterzogen hat, kann aus dem neuen Gesetz auch deshalb nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil sein Verhalten in der begangenen Form auch künftig nicht rechtmäßig wäre.
Die ausgleichenden Instrumente der besonderen steuerlichen Begünstigung von kleineren Spenden, des Chancenausgleichs und der steuerrechtlichen Publizitätspflicht, die allein die steuerliche Begünstigung von Parteispenden in größerem Umfang als früher erträglich machen können und sollen, hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Ohne sie — darüber besteht Einvernehmen — wäre eine erweiterte steuerliche Spendenbegünstigung völlig unvertretbar.
Der Innenausschuß hat bei der Abfassung der neuen steuerrechtlichen Vorschriften und ihrer Begründung mit besonderer Sorgfalt darauf geachtet, daß das Mißverständnis einer strafbefreienden Rückwirkung für die Vergangenheit erst gar nicht aufkommen kann. Gesetzlich klargestellt ist für die Zukunft, daß Parteispenden nicht Betriebsausgaben und Werbungskosten sein dürfen. Die ganz anderen Vorschriften des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen haben wir im Innenausschuß verworfen und einvernehmlich dazu in den Bericht geschrieben, daß wir „die steuerliche Absetzungsmöglichkeit von Spenden an Parteien als Betriebsausgaben und Werbungskosten gerade nicht eröffnen wollen". Sie war auch bisher nicht offen, doch wurde das in der steuerrechtlichen Literatur vereinzelt bestritten.
Ich will mein Befremden darüber nicht verhehlen, daß es während der Ausschußberatungen großer Mühe und Energie bedurft hat, um die Koalition an der Durchsetzung von Gesetzesvorschriften zu hindern, die für die Vergangenheit die Schlußfolgerung erlaubt hätten, Parteispenden seien doch als Betriebsausgaben und Werbungskosten absetzbar gewesen.
— Das werde ich Ihnen begründen.
So hat die Koalition noch in der vorigen Woche
im Finanzausschuß mit ihrer Mehrheit einen Gesetzesvorschlag durchgesetzt, die Vorschriften über die Unvereinbarkeit von Parteispenden und Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1983 enden.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1983 2719
Dr. Schmude
Am Widerstand der Sozialdemokraten im Innenausschuß sind diese Vorschläge gescheitert.
Wer im übrigen eine strafbefreiende Rückwirkung von der erweiterten Zulassung steuerbegünstigter Parteispenden im neuen § 10b des Einkommensteuergesetzes erwartet, mag sich auf den einvernehmlichen Bericht des Innenausschusses dazu hinweisen lassen, in dem es ausdrücklich heißt, daß die Neuregelung erstmals für das Wirtschaftsjahr 1984 und später gelten solle, daß es bis dahin bei der bisherigen Rechtslage sein Bewenden habe. Daran ändert auch die heutige Klarstellung im Bericht nichts.
Nach dem Vorspiel um die versuchte Amnestie im Dezember 1981 liegt uns Sozialdemokraten sehr daran, das Fehlen strafbefreiender Rückwirkungen für das neue Gesetz ausführlich und nachdrücklich klarzustellen. Nicht Rachsucht leitet uns dabei, sondern die Überzeugung, daß wir einen neuen Anfang in der Konsolidierung der Finanzen und des Ansehens der Parteien nur erfolgreich schaffen können, wenn die Vergangenheit schonungslos bereinigt wird,
und zwar dort, wo es geboten ist, auch strafrechtlich bereinigt wird.
Für die Zukunft, meine Damen und Herren, soll das neue Recht in zahlreichen wichtigen Einzelfeldern Konsequenzen aus bisherigen Unzulänglichkeiten oder Mißständen bei der Parteienfinanzierung ziehen, Konsequenzen, die den Vorschlägen der vom Bundespräsidenten Anfang 1982 berufenen Sachverständigenkommission und auch den Anregungen der verfassungsrechtlichen Sachverständigen entsprechen, die der Innenausschuß angehört hat. Dieser verbesserten Kontrolle der Parteifinanzen durch die Bürger wird es dienen, daß nach der heute zu beschließenden Grundgesetzänderung die Parteien künftig nicht nur über ihre Einnahmen, sondern auch über ihre Ausgaben und über ihr Vermögen — das schließt die Schuldenangabe ein — Auskunft zu geben haben. Ein in seiner Struktur und Ausführlichkeit erheblich verbesserter Rechenschaftsbericht wird die notwendige Transparenz ebenso bieten wie ein besonderer Ausweis für Wahlkampfkosten.
Dem in der steuerrechtlichen Literatur vielfach unternommenen Versuch, die private steuerbegünstigte Parteienfinanzierung entgegen der bisherigen Lehre und Praxis durch Anerkennung von Parteispenden als Betriebsausgaben und Werbungskosten enorm auszuweiten, wird durch die gesetzliche Klarstellung endgültig ein Riegel vorgeschoben — die Klarstellung, daß Parteispenden keine Betriebsausgaben und keine Werbungskosten sein können.
Eine Mehrzahl von Verboten sorgt künftig dafür, daß in der Vergangenheit geflossene dubiose Spenden künftig von den Parteien nicht mehr angenommen werden dürfen. Dazu gehören Spenden von politischen Stiftungen, bei denen auch verboten ist, daß sie von denselben Funktionären beherrscht
werden wie die Parteien. Verboten ist auch die Spendenannahme von gemeinnützigen Vereinigungen, bisher ein gern benutzter Transportweg zur Umgehung des Parteiengesetzes wie zur rechtswidrigen Ausnutzung von Steuervorteilen. Sogenannte Durchlaufspenden von Berufsverbänden dürfen ebenfalls nicht mehr angenommen werden. Dabei handelt es sich um Beträge, die den Berufsverbänden außerhalb der Mitgliedsbeiträge zu dem Zweck zur Verfügung gestellt werden, sie an eine politische Partei weiterzuleiten.
Zu unserem, der Sozialdemokraten, Bedauern hat sich die Koalition dem Vorschlag verweigert, jegliche Parteispenden von Berufsverbänden für unzulässig zu erklären. Hier gibt es nach einem Gutachten des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1952 eine von Land zu Land unterschiedliche Praxis der Steuerbehörden. Zum Teil wird leider immer noch zugelassen, daß nicht unerhebliche Beträge aus den Mitgliedsbeiträgen der Berufsverbände, die bei ihren Mitgliedern doch steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben sind, an Parteien gespendet werden. Immerhin haben wir uns im Innenausschuß darauf verständigen können, im Bericht die Erwartung an die Finanzverwaltung auszusprechen, daß die bisherige Praxis der steuerlichen Behandlung solcher Spenden auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Regelungen überprüft wird. Der gesetzlich bekräftigten Unzulässigkeit der steuerlichen Berücksichtigung von Parteispenden als Betriebsausgaben und Werbungskosten wird dabei besondere Bedeutung zukommen.
Weiterhin von Bedeutung wird auch in diesem Zusammenhang das Verbot der Annahme sogenannter finaler Spenden sein. Gelder, die nur eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Zwecks willen gespendet werden, dürfen nicht angenommen werden — ein wichtiger Sperriegel gegen die Käuflichkeit politischer Entscheidungen.
Ein Annahmeverbot besteht auch für anonym gewährte Spenden. Dem ärgerlichen Mißstand, daß nicht wenige Rechenschaftsberichte der Parteien in den 70er Jahren stattliche Spenden aus anonymer Quelle ausgewiesen und die damals schon bestehende Veröffentlichungspflicht des Parteiengesetzes damit verhöhnt haben, wird durch das neue Verbot Rechnung getragen. Es ist auf solche Fälle erweitert, in denen der scheinbare Spender in Wirklichkeit Spendensammler oder bloßer Spenden-übermittler ist; denn der Hintermann, der wirkliche Spender, muß selbst in Erscheinung treten, auch in veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Partei, oder die Spende muß unterbleiben. Auch was insoweit in der Vergangenheit an skandalösen Vorgängen passiert ist, wird sich künftig nicht wiederholen.
Spenden aus dem Ausland werden nur noch unter bestimmten Voraussetzungen und damit nur beschränkt zulässig sein. Ein weiteres Feld der Umwegefinanzierung von Parteien wird auf diese Weise versperrt.
Damit alle diese Verbote nicht nur auf dem Papier stehen, sind sie durch Sanktionen bewehrt. Wer gegen die Verbote verstößt, muß im Regelfall
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Dr. Schmude
den dreifachen Betrag an das Bundestagspräsidium abführen. Gleiches soll gelten, wenn Parteien dem gesetzlichen Erfordernis der Veröffentlichung von Spenden über 20 000 DM in den Rechenschaftsberichten zuwiderhandeln. Die ausdrückliche Regelung dieser Sanktionen, die die vom Bundespräsidenten berufene Kommission vorgeschlagen hat und die wir im Innenausschuß gewollt haben, hat dort wegen eines Versehens keine Aufnahme in das Gesetz gefunden. Deshalb der heute zur zweiten Lesung vorliegende Änderungsantrag zu § 23 a des Parteiengesetzes, um dessen Annahme ich an dieser Stelle bitte.
Diese neuen Vorschriften werden in ihrer Gesamtheit die tatsächliche Lage bei der finanziellen Förderung von Parteien durch private Spender wesentlich verändern. Bisherige Grauzonen werden aufgehellt, zweifelhafte Spendenvorgänge mit eindeutigen Verboten belegt, Verbote mit gewichtigen Sanktionsdrohungen untermauert, damit ihre Beachtung auch gewährleistet ist. Die Folgerungen aus trüben Erfahrungen der Vergangenheit werden damit gezogen.
Nur vor diesem Hintergrund sind auch solche Gesetzesänderungen vertretbar, die eine bessere finanzielle Ausstattung der Parteien ermöglichen. Dabei geht es einmal um die steuerliche Begünstigung von Parteispenden. Das neue Gesetz sieht vor, daß Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien neben sonstigen Ausgaben zur Förderung gemeinnütziger Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben bei der Steuer abzugsfähig sind. Die bisher insoweit geltenden Höchstgrenzen von 1 800 DM bzw. 3 600 DM bei Verheirateten im Jahr werden damit aufgegeben.
Daß an ihre Stelle keine neuen festen Höchstgrenzen treten sollen, trifft nicht nur in der Sozialdemokratie auf ernsthafte Bedenken. Dabei verkennen wir nicht den Wert jener neuen Regelungen, die diese grundlegende Änderung der steuerlichen Begünstigung von Parteispenden begleiten und sie erträglich machen sollen. So ist es ein wirklicher Fortschritt in Richtung auf eine verstärkte öffentliche Kontrolle der Parteifinanzen und des etwaigen Einflusses von Großspendern, daß bei Beiträgen über insgesamt 20 000 DM im Jahr künftig auch der Spender nachhaltig daran interessiert sein muß, daß er mit seiner Spende und seinem Namen im veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Partei erscheint. Er kann die Spende sonst nicht steuermindernd geltend machen.
Es entspricht einer alten Forderung sozialdemokratischer Steuerpolitik und hat übrigens den einhelligen Beifall aller Sachverständigen gefunden, daß künftig Beträge und Spenden bis zu 1 200 DM oder bis zu 2 400 DM bei Verheirateten im Jahr durch einen Steuerabzug von 50 % des Spendenbetrags besonders begünstigt werden.
Zu begrüßen ist schließlich das neue Instrument des Chancenausgleichs. Mit ihm sollen diejenigen Parteien einen staatlichen Zuschuß erhalten, die beim Spenden- und Beitragsaufkommen, gemessen an der Zahl ihrer Wähler, benachteiligt sind und dadurch auch nur einen unverhältnismäßig geringen Nutzen von der steuerlichen Begünstigung der Parteispenden haben.
Alle diese dem Chancenausgleich zwischen den Parteien und der verstärkten öffentlichen Kontrolle größerer Spenden dienenden Vorkehrungen hat das Bundesverfassungsgericht nicht kennen und nicht zugrunde legen können, als es wiederholt auf die Unzulässigkeit der steuerlichen Begünstigung solcher Parteispenden hingewiesen hat, die in der Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom Einkommen oder Umsatz gewährt werden. Das Gericht hat diese Hinweise mit Ausführungen zur Chancengleichheit der Parteien und zum Gebot gleicher Teilhaberechte der Bürger auch bei der finanziellen Förderung von politischen Parteien einleuchtend begründet. Ob dem damit ausgesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Prozentabzugsregelung durch die neuen Ausgleichsinstrumente hinreichend Rechnung getragen wird, unterliegt Zweifeln. Ein verfassungsrechtliches Risiko dieser gesetzlichen Neuregelung ist nicht auszuschließen. Das haben uns im Innenausschuß angehörte Sachverständige erklärt; das ist aber insbesondere durch die Haltung der beiden Verfassungsminister des Bundes bei ihrem Auftreten im Innenausschuß deutlich geworden.
Eine besondere Würdigung dieses bemerkenswerten Auftritts kann ich mir nicht ganz versagen. Da wünscht der Innenausschuß des Deutschen Bundestages vom Bundesminister des Innern und vom Bundesminister der Justiz eine verfassungsrechtliche Einschätzung des vorliegenden Entwurfs, die sie selbst abgeben sollen. Beide erscheinen auch, aber nur, um in einer eineinhalbminütigen Erklärung, zu deren Ergänzung sie erkennbar nicht bereit sind, das Bestehen eines verfassungsrechtlichen Risikos zu bestätigen und seine Bewertung als schwierig zu bezeichnen.
Inhaltlich, meine Damen und Herren, ist das für uns nichts Neues. In aufsehenerregender Weise neu aber war, daß die beiden Verfassungsminister, die als Abgeordnete Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen sind, angesichts des verfassungsrechtlichen Risikos demonstrativ in Deckung gehen und jedem Anschein einer Verantwortung ausweichen.
Das somit bekräftigte Risiko ist nicht schicksalhaft. Es ist ausdrücklich gewollt und in den überparteilichen Gesprächen von den beiden Fraktionen durchgesetzt worden, denen die Minister angehören.
Wir räumen ein, daß Sie in der Koalition gewichtige Stimmen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Gesamtsystems neuer Regelungen zur steuerlichen Begünstigung von Parteispenden an-
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Dr. Schmude
führen können. Es wäre auch aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, schlicht die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen zu behaupten. Angesichts der erheblichen und wirkungsvollen Verbesserungen im übrigen steht deshalb das gesamte Gesetz als zwischen den Parteien gefundener Kompromiß für uns nicht in Frage.
Aber das unbestreitbar verbliebene Risiko läßt sich doch mindern oder gar ausschließen. Wir haben deshalb im Innenausschuß Festgeldbeträge als Obergrenzen für steuerbegünstigte Parteispenden gefordert und auch die Streichung des Maßstabes „2 %o der Umsätze usw.", weil er einen besonders bedenklich weiten Spendenrahmen eröffnet. Beides hat die Koalition abgelehnt. Sie nimmt das geschilderte Risiko in vollem Umfang in Kauf und hält daran fest. Sie mag es sich dann bitte auch zurechnen lassen. Wir Sozialdemokraten werden unsere skeptische Einschätzung durch Stimmenthaltung bei der Einzelabstimmung über den neuen § 10 b des Einkommensteuergesetzes unterstreichen.
Meine Damen und Herren, Kritik hat in der Öffentlichkeit auch die vorgesehene Anhebung der Wahlkampfkostenpauschalen gefunden. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erstattung der notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes ist unbestritten. Dennoch werden diese Zahlungen und besonders ihre Erhöhung von vielen Betrachtern mit unverhohlenem Ärger kritisiert. Dieser Kritik liegt oft die erklärte Auffassung zugrunde, Parteien sollten sich durch die Beiträge ihrer Mitglieder und allenfalls durch Spenden finanzieren, den Griff in die öffentlichen Kassen aber gefälligst unterlassen. Ich spreche diesen Kritikern die klare Vorstellung von den Konsequenzen dessen ab, was sie da fordern.
Wer die finanzielle Leistungs- und Lebensfähigkeit der Parteien auch dort, wo es um Wahlkämpfe geht, allein der Privatinitiative überläßt, öffnet — mit und ohne steuerliche Begünstigungen — den wirtschaftlichen Machtverhältnissen in der Gesellschaft die vollständige, spiegelbildliche Wirkungsmöglichkeit auch in der Politik.
Politische Gegenmacht gegen wirtschaftliche Macht kann unter solchen Voraussetzungen kaum mehr entstehen. Durch Beispiele aus dem westlichen Ausland läßt sich das eindrucksvoll belegen. Wer sich dort gründlich umsieht, wird die Vorzüge unseres Systems der Parteienfinanzierung überwiegend durch die Beiträge und Spenden der Bürger, aber auch — zu einem begrenzten Teil — aus öffentlichen Kassen schätzen lernen.
Nur mit diesen letztgenannten Zuwendungen sind die Parteien in der Lage, sich für die Wahrnehmung ihrer in unserem demokratischen Verfassungssystem unverzichtbaren Aufgaben dauerhaft zu konsolidieren und mit ihrem gefestigten organisatorischen Bestand zur politischen Stabilität des
Gemeinwesens maßgeblich beizutragen. Die öffentliche Zuwendung schafft im übrigen einen weiteren Chancenausgleich zwischen den von Spendern begünstigten Parteien und jenen anderen, die den finanzkräftigen Kreisen der Bevölkerung fernstehen.
Die Anhebung der Wahlkampfkostenpauschale nach fast zehn Jahren ihres bisherigen Bestandes ist angesichts der zwischenzeitlichen Preisentwicklung und der damit verbundenen Steigerung der Wahlkampfkosten durchaus angemessen. Mehr als die Wahlkampfkosten selbst, die ja künftig auch besonders ausgewiesen werden, darf ohnehin nicht erstattet werden.
Wir alle wissen, daß die Neuregelung denen zusätzlichen Auftrieb gibt, die sich in der allgemeinen Beschimpfung der Parteien gegenwärtig zu Meisterleistungen aufschwingen. Die Parteien sind, wie ich ausdrücklich eingeräumt habe, mitschuldig an ihrem schlechten Ansehen in der Öffentlichkeit. Aber sie haben auch immer wieder die Kraft zur Selbstkorrektur gefunden und beweisen sie auch in den zahlreichen Regelungen dieses Gesetzentwurfs. Es ist kein Zufall und auch nicht das Ergebnis parteipolitischer Eigenmächtigkeiten, daß die Parteien in der Verfassungswirklichkeit unserer Bundesrepublik eine inzwischen nicht mehr wegzudenkende verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Position gewonnen haben. Es ist vielmehr die Folge ihrer Aufgabenerfüllung in der Demokratie, das Ergebnis des oft lebenslangen Einsatzes zahlloser Parteipolitiker für die Erhaltung und Verwirklichung der Demokratie und gleichermaßen für die staatliche Handlungsfähigkeit zum Besten der Allgemeinheit.
Meine Damen und Herren, wir blicken selbstbewußt auf diese Leistungen, die notwendig gewesen sind und notwendig bleiben. Pauschale Parteibeschimpfungen können uns darin nicht beirren, auch wenn sie, literarisch gestaltet, einen hohen Unterhaltungswert und Gehässigkeitsgrad aufweisen wie im „Spiegel" aus dieser Woche.
Die Ruchlosigkeit der Bösewichter, die dort als Parteipolitiker vorgestellt werden, ihre „rattenhafte Geldgier", ihre Verschwendungssucht, mit deren Auswirkungen sie ihre völlige Inhaltsleere und Überflüssigkeit verschleiern, zwingt doch geradezu die Frage auf, was das wohl für ein Volk ist, das eine solche „Gangsterbande" immer wieder bei denkbar hoher Wahlbeteiligung bestätigt. Und siehe da, das Volk ist auch danach: Mit „uferloser Gutmütigkeit" und „unerhörter Toleranz" erträgt es in „bleierner Gelassenheit" seine parteipolitischen Oligarchien, ja es hat sich schließlich selbst von ihr zu einem „Volk von Trickbetrügern" erziehen lassen. Da ist also jemand in eine schlechte Welt geraten, die er nur angewidert beschimpfen und eigentlich gar nicht ertragen kann. Aber sie erträgt ihn. Sie ernährt ihn nicht nur, auch durch die Bezahlung solcher Kritik; sie gewährleistet ihm auch die Freiheit, diese gehässigen Angriffe ohne die Besorgnis
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Dr. Schmude
irgendwelcher nachteiliger Folgen öffentlich vorzutragen.
Und darauf allerdings sind wir, die vielgescholtenen Politiker und Parteien, stolz:
daß wir in unserem demokratischen Staat das Recht auch zur härtesten Kritik und die Möglichkeit zur verändernden Fortentwicklung gewährleisten, selbst wenn diese uns auf Grund unserer Überzeugung unbequem sind
oder auch peinigen.
Wir selbst wünschen uns als Bürger aus dieser Offenheit unseres demokratischen Systems, die allein seine Lebensfähigkeit auf Dauer erhalten kann, Nutzen und Vorteile. Dabei geht es nicht um Sondervorteile, sondern um das allgemeine Wohl, dem wir in unseren politischen Funktionen dienen: so gut, wie wir es können, und so lange, wie die Wähler es wollen.
Wer meint, dazu gehört kein Geld, der Dienst sei allenfalls kleinste Preise wert, dem empfehle ich in seinem eigenen Interesse dringend, er möge sich nicht billigere Politiker und Parteien, er möge sich bessere wählen und damit die im ganzen sehr maßvollen Kosten unseres Parteiensystems zu einer lohnenden Investition machen.
Schönen Dank.