Rede von
Dr.
Wolfgang
Hackel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege, was wir am Freitag machen, welche Art von Enthaltung und warum wir das machen, werden wir am Freitag begründen. Das wird der Bundeskanzler hier vortragen. Sie brauchen keine Angst zu haben, daß wir uns Ihre Begründung zu eigen machen. Wir haben eine andere und werden aus guten Überlegungen heraus so handeln, wie das die Fraktion beschlossen hat.
Zum Abschluß dieser verbundenen Debatte hier ist es vielleicht einmal angebracht, einige Worte der Zusammenfassung zu sagen. Es ist von SPD-Seite in diesen Tagen einiges Erstaunliches bis Merkwürdiges genannt worden. Ich will nur einen Punkt herausgreifen, den Herr Kollege Roth heute am frühen
Nachmittag angesprochen hat. Er hat davon geredet, daß die Nettoneuverschuldung im Jahre 1983 wahrscheinlich die 50-Milliarden-Grenze übersteigen wird. Herr Kollege Roth, wie wäre es denn gewesen, wenn diese Bundesregierung im Amt geblieben wäre?
28,5 Milliarden Mark, Herr Kollege Walther, hat die alte Bundesregierung in den Haushalt als Nettoneuverschuldung eingestellt. Damit hat sie uns — das wissen Sie ganz genau — im Grunde genommen Potemkinsche Dörfer aufgebaut.
Sie hat sowohl bei der Steuerschätzung wie auch bei der Beurteilung der voraussichtlichen Zahl der Arbeitslosen weit danebengegriffen.
Wir haben beim Kassensturz festgestellt, daß wir etwa eine Größenordnung von 20 Milliarden haben, die nicht gedeckt ist.
Als wir diese Größenordnung klarlegten, als klar war, daß es sich um fast 20 Milliarden handelt, haben Sie sich hier hergestellt und gesagt: Wir wollen wählen, meine Damen und Herren, und zwar jetzt sofort. Offensichtlich wollten Sie damit verhindern, daß diese Zahl in ihrem ganzen Ausmaß dem Bürger bekannt wird.
28,5 Milliarden Nettoneuverschuldung im alten Haushalt plus fehlerhafte Zahlenangabe plus die Nichtverabschiedung der Begleitgesetze, die von Ihnen noch eingebracht werden sollten, in Höhe von 8,5 Milliarden DM, hätten eine Gesamtverschuldung für das Jahr 1983 von 55 Milliarden DM ausgemacht. Von dieser Neuverschuldung von über 55 Milliarden DM mußte diese neue Regierung ausgehen. Sie hat diese Zahlen offengelegt. Meine Damen und Herren, das ist etwas Neues. Zum erstenmal seit Jahren hat eine Regierung wieder klargemacht, wie die Zahlen in einem Haushalt wirklich aussehen.
Ich finde, dies war ein sehr wichtiger Schritt für den Neubeginn einer Politik im Sinne von Glaubwürdigkeit,
im Sinne von Haushaltswahrheit und im Sinne von Haushaltsklarheit — das, was Sie in den letzten fahren bewußt nicht praktiziert haben.
Meine Damen und Herren, die übernommenen Begleitgesetze der alten Regierung und die Begleitgesetze der neuen Bundesregierung zusammen und das, was der Haushaltsausschuß bei den Etatberatungen noch aus den einzelnen Etats herausgequetscht hat, nämlich einen Betrag in der Größenordnung von 580 Millionen DM, haben dieser Regierung die Möglichkeit gegeben, etwa 15 Milliarden
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8763
Dr. Hackel
DM einzusparen. Das ist eine wirklich bemerkenswerte Größenordnung.
Bei diesen 580 Millionen DM ist dem Haushaltsausschuß durchaus zugute gekommen, daß z. B. eine Senkung der Verzinsung bei Bundesschatzbriefen und bei Schulddarlehen möglich war.
Wir haben aber auch etwas durchgesetzt, was die alte Regierung durchzusetzen sich nicht gewagt hat. Wir haben nämlich eine Herabsetzung der Verzinsung der Ausgleichforderung der Bundesbank von 3 % auf 1 % durchgesetzt. Wir wissen, daß der Bundesfinanzminister über diese Maßnahme des Haushaltsausschusses nicht glücklich gewesen ist; aber das Parlament ist souverän. Ich gehe davon aus, daß das gesamte Haus bei der Abstimmung über die Einzeletats entsprechend verfahren wird.
Wesentlich ist, daß dieser neue Haushaltsentwurf der Wirtschaft neue Impulse gegeben hat. Wir haben ein wohnungspolitisches Sofortprogramm eingeleitet; wir haben steuerliche Erleichterungen für den Mittelstand konzipiert; wir haben eine verstärkte Förderung von Existenzgründungen vorgesehen; die Beendigung des Verkabelungsstopps ist abzusehen. Daneben sind gerade die Offenlegung der Haushaltslage und die Einleitung der Haushaltssanierung erste Schritte in Richtung auf eine wirtschaftspolitische Klimaveränderung in der Bundesrepublik Deutschland.
Wir können feststellen, daß sich diese ersten Schritte und Maßnahmen gerade in einer so sensiblen Region wie Berlin ausgewirkt haben. Am letzten Wochenende hat in Berlin eine für diese Stadt sehr bedeutende Wirtschaftskonferenz stattgefunden. Diese Konferenz hatte einen unerwartet großen Erfolg. Voraufgegangen war — das war für die Entscheidungen der Wirtschaftsfachleute wesentlich — eine Aufstockung der Berlin-Hilfe um 50 Millionen Mark, die der Haushaltsausschuß einstimmig beschlossen hat, eine von der neuen Regierung wieder in den Etat eingesetzte Flugpreissubvention sowie die gemeinsame Verabschiedung des Berlinförderungsgesetzes durch das gesamte Haus. Ich möchte von dieser Stelle aus gerade als Berliner Abgeordneter dem Bundesfinanzminister, dem Haushaltsausschuß, allen anderen Ausschüssen, die sich damit beschäftigt haben, und dem gesamten Haus dafür danken, daß Berlin auf diese Art und Weise noch einmal geholfen wurde.
Dies wurde ganz offensichtlich auch von der Wirtschaft so verstanden, wie es gemeint war: als Versuch, die Talfahrt in Berlin nun endlich zu stoppen und wieder nach oben weisende Entwicklungen in Gang zu setzen. Die Zusagen, die in Berlin gemacht worden sind — etwa: zukunftsträchtige Produktionen nach Berlin zu bringen, ca. 3 000 Arbeitsplätze zu schaffen, mehrere hundert Millionen DM in vorwiegend intelligente Produkte zu investieren und Teile des Managements und der Forschung nach Berlin zu verlegen, um damit die Bedeutung Berlins für ganz Deutschland deutlich zu machen —, sind
im Grunde genommen Ausdruck des Zutrauens der Wirtschaft und vieler Teile der Bevölkerung zur neuen Regierung und zum Berliner Senat.
Dabei sind aus meiner Sicht zwei Aspekte besonders festzustellen:
Erstens. Sowohl Vorbereitung als auch Einsatz und Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung einerseits und dem Berliner Senat andererseits haben gezeigt, daß etwas erreicht werden kann, wenn man sich ordnungsgemäß um die Belange einer bestimmten Region — in diesem Falle: um die Belange Berlins — kümmert.
Zweitens. Sowohl die Ausführungen des Bundeskanzlers wie die des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, die Leitung der Konferenz durch Helmut Kohl und die Bildung von vertrauensvoller Atmosphäre während dieser Wirtschaftskonferenz haben gezeigt, daß auch in einem freien und einem der sozialen Marktwirtschaft verpflichteten Gemeinwesen ein Gesamtbild von Führung gezeigt werden kann, wie es in den letzten Jahren in dieser Form von einer Bundesregierung oder von früheren Berliner Senaten nicht gezeigt worden ist.
Auch das ist eine Bemerkung, die deswegen zutreffend und von besonderer Bedeutung ist, weil sich selbst der Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, Herr Vogel, und die Gewerkschaftsführer in Berlin und im DGB einer solchen Beurteilung nicht entziehen konnten.
So möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich der gesamten Bundesregierung, aber insbesondere dem Bundeskanzler, und dem Berlin-Bevollmächtigten im Bundeskanzleramt für die Ergebnisse, die diese Konferenz gezeitigt hat, danken. Ich bin fest davon überzeugt, daß über den Tag hinaus diese Konferenz für die Berliner Wirtschaft von entscheidender und nachhaltiger Bedeutung sein wird.
Ich fasse zusammen. Was wir in Berlin greifbar erlebt haben, ist im Grunde genommen auch für das übrige Bundesgebiet bereits sichtbar geworden. In weniger als 80 Tagen schließt die Bundesregierung eine vorläufige Bilanz, die sich sehen lassen kann. Die Sanierung der Staatsfinanzen ist in Angriff genommen worden. Der Haushalt 1983 steht kurz vor der Verabschiebung. Das begleitende Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung steht vor seiner Verabschiedung. Die Zinsen sinken, und auch die Preissteigerungskurve, Herr Kollege Walther, ist rückläufig.
Dennoch werden wir eine schwere Erblast in diesem Winter haben. Wahrscheinlich 2,5 Millionen Arbeitslose, die wir Ihnen zu verdanken haben, sind eine Erblast, die so schnell, in wenigen Wochen, nicht zu beseitigen ist.
Aber die Weichen sind gestellt, meine Damen und Herren. Wirtschaft und Kapitalmarkt fassen wieder
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Dr. Hackel
Vertrauen. Die Arbeitnehmer sehen erste Leuchtfeuer am Horizont. Ich bin ganz fest davon überzeugt, daß der größte Teil der deutschen Bevölkerung dieser neuen Regierung, dieser Koalition der Mitte, bei den Wahlen im März nächsten Jahres eine entsprechende Bestätigung geben wird, so daß diese Politik auch im Jahre 1983 und in den folgenden Jahren erfolgreich fortgesetzt werden kann.