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    Plenarprotokoll 9/139 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 139. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Magin und Esters 8692 A Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/2049, 9/2138 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 9/2276, 9/2286 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 8685 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8688 D Dr. Zumpfort FDP 8692 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksachen 9/2074, 9/2140 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 9/2283, 9/2290 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 9/2148, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 9/2163 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 9/2167 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 9/2157, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 9/2149, 9/2281 — in Verbindung mit Beratung des Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Der Finanzplan des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksachen 9/1921, 9/2287 — Dr. Waigel CDU/CSU 8696 B Matthöfer SPD 8701 D Gärtner FDP 8710B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 8713A Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 8723 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8731 D Roth SPD 8741 C Glos CDU/CSU 8746 A Dr. Haussmann FDP 8750 B Dr. Mitzscherling SPD 8751 D Dr. Kreile CDU/CSU 8754 B Gobrecht SPD 8759 B Dr. Hackel CDU/CSU 8762 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 9/2162, 9/2281 — Dr. Rose CDU/CSU 8764 D Zander SPD 8767 D Frau Dr. Engel FDP 8772 B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW . 8774 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 8778A Namentliche Abstimmung 8779 C Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 9/2146, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 9/2166, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 9/2164 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8782 A Kühbacher SPD 8784 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 8786 A Wolfgramm (Göttingen) FDP 8787 C Schäfer (Offenburg) SPD 8789 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 8791 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 8794 C Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8796 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 9/2150, 9/2281 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 8797 A Frau Zutt SPD 8799 B Paintner FDP 8802 A Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8803 D Ertl, Bundesminister BML 8804 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 9/2152, 9/2281 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8806 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 8808 B Dr. Riemer FDP 8811B Dr. Dollinger, Bundesminister BMV . . . 8812 D Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksachen 9/2153, 9/2281 — . . . . 8815C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 9/2159, 9/2281 — Meininghaus SPD 8815 D Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 9/2161, 9/2281 — . . . . 8816 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1983 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1983) — Drucksache 9/2097 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/2239 — Niegel CDU/CSU 8816 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes — Drucksache 9/2172 — Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 III Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/2269 — 8817 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensusgesetz) — Drucksache 9/1970 —Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksachen 9/2261, 9/2326 — . . . . 8817 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 9/1809 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/2262 — 8818 A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Weiß, Kiechle, Funk (Gutenzell), Hartmann, Kolb, Feinendegen, Dr. Olderog, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Riemer, Merker, Rösch, Funke, Frau Noth, Timm, Gattermann, Kleinert und Genossen und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes — Drucksache 9/2201 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/2264 — 8818 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Daubertshäuser, Curdt, Kretkowski, Pauli, Wimmer (Eggenfelden) und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Anderung des Personenbeförderungsgesetzes — Drucksache 9/2128 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/2266 — 8818 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrrechts und des Zivildienstrechts — Drucksache 9/1897 — Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses — Drucksachen 9/2279, 9/2328 — . . . . 8819 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Vierter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/1243, 9/2272, 9/2330 — . 8819 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Situation der Entsorgung der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland (Entsorgungsbericht) — Drucksachen 8/1281, 9/2280, 9/2232 — . 8819C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1979" Bewertung der Strahlenexposition in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken und Vergleich mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke — Drucksachen 9/644, 9/1247, 9/2263 — . 8819 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen über die Erschließung des Zonenrandgebiets im Bereich des Post- und Fernmeldewesens — Drucksachen 9/552, 9/2267 — . . . . 8820A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Mertes (Gerolstein) und Genossen Freilassung der letzten deutschen Kriegsverurteilten — Drucksachen 9/1827, 9/2270 — . . . . 8820 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu dem IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Antrag der Abgeordneten Pfeffermann, Lintner, Bühler (Bruchsal), Linsmeier, Merker, Dr. Riemer, Rösch, Funke, Frau Noth, Timm und der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Bessere Bedingungen für den CB-Funk Antrag der Fraktion der SPD Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksachen 9/2125, 9/2195, 9/2274 — . 8820 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Fischer (Hamburg), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Straßmeir, Sick, Dr. Jobst, Seiters, Feinendegen, Hinsken, Metz, Hanz (Dahlen) und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Duve, Antretter, Curdt, Daubertshäuser, Kretkowski, Wimmer (Eggenfelden), Grobecker, Paterna und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Riemer, Merker, Rösch, Funke, Dr. Zumpfort, Frau Noth und der Fraktion der FDP Zum Bericht des Seeverkehrsbeirats „Führen fremder Flaggen" vom 9. März 1981 — Drucksachen 9/1872 (neu), 9/2273 — . 8820C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Stärkung des Binnenmarktes zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Vollendung des Binnenmarktes zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu den während der belgischen Präsidentschaft im Funktionieren des europäischen Binnenmarktes erzielten Fortschritten zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schwörer, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Frau Dr. Hellwig, Dr. Unland, Dr. van Aerssen und der Fraktion der CDU/CSU Durchsetzung eines mittelfristigen Programms der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft für die kommenden Jahre und Schaffung eines freien EG-Binnenmarktes — Drucksachen 9/1738 (neu), 9/2047, 9/970, 9/1833, 9/1586, 9/2288 — 8820 D Beratung der Übersicht 11 des Rechtsausschusses über die dem deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/2268 — 8821 A Beratung der Sammelübersicht 50 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2207 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 51 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2256 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 52 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2345 — 8821 C Nächste Sitzung 8821 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8823* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8685 139. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 16. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 16. 12. Löffler 17. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rayer 16. 12. Rösch ** 16. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch (Olpe) 17. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kommentatoren dieses Tages werden sich sicher einig sein: Der Wahlkampf hat auch hier im Deutschen Bundestag längst begonnen, und zum Glück ist die Arbeitslosigkeit das Thema 1 auf allen Seiten. Meines Erachtens ist dies wichtig und richtig. Man kann nur hoffen, daß wir uns hier zwischen den demokratischen Parteien nicht über das Ziel, nämlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zerstreiten, sondern daß wir uns auf ein Ringen um die richtigen Wege beschränken, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Denn da hat die evangelische Kirche recht: Beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit geht es um nichts Geringeres als um den inneren Frieden unserer Gesellschaft. Gestern wurde dazu von allen drei Parteien meines Erachtens Wesentliches gesagt.
    Georg Leber hat in seiner großen Rede die gemeinsame Verantwortung aller Bundestagsparteien herausgearbeitet, die auch darin liegt, daß wir alle in guten Zeiten viele gutgemeinte soziale und staatliche Aufgaben mit hoher Haushaltsbelastung gemeinsam verabschiedet haben, ohne daß wir die fetten Jahre zur Haushaltssanierung genutzt hätten. Dies muß auch den Kollegen der Union ins Stammbuch geschrieben werden. Auch Sie waren daran durch aktive Teilnahme, durch Anträge und durch Zustimmung beteiligt und können sich nun
    keinesfalls aus der Mitverantwortung für diese hohe Verschuldung herausstehlen.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir haben nicht regiert, Herr Haussmann!)

    Auch in der Opposition hat man über die Ausschüsse und über den Bundesrat eine Mitverantwortung, Herr Kollege.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das lernen die noch!)

    Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff haben zu Recht darauf hingewiesen, was eigentlich die Marktwirtschaft zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit leisten könnte, wenn sie nicht durch immer stärkere Subventionitis, durch Verbandsegoismen und Besitzstandsdenken in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt würde. Nicht zuletzt hat Norbert Blüm dargetan, daß langfristig soziale Sicherheit in dieser Lage nur durch eine Umstrukturierung unseres Sozialsystems erreichbar ist. Es ist nicht mehr so sehr die Frage der sozialen Gleichheit im Vordergrund, sondern es geht jetzt um die Frage der sozialen Sicherung im Kernbestand.
    In dieser Lage — erlauben Sie mir diese persönliche Bemerkung — finde ich es absurd, und es ist für mich als jüngeren Politiker eigentlich unbegreiflich, daß sich trotz der nicht mehr auszuschließenden Katastrophe von 2,5 Millionen Arbeitslosen im Februar 1983 — ein Schandmal für eine Wohlstandsgesellschaft — dieser Bundestag diese Woche auflöst, ohne daß wir die Verantwortlichen in Regierung, Opposition, Tarifparteien, Bundesbank und Wissenschaft auf einen Beschäftigungspakt eingeschworen hätten.
    Ich möchte daher von dieser Stelle in meiner letzten Rede im alten Bundestag — Herr Kollege, es ist eine liberale Tugend, Optimist zu sein — nochmals den Bundeskanzler, aber auch den Wirtschaftsminister und die Tarifparteien dazu auffordern, im Januar 1983 eine Serie von Konferenzen zum Thema Abbau von Arbeitslosigkeit einzuberufen, die abseits der bisher unverbindlichen Formen des Meinungsaustausches: den Abschluß eines Beschäftigungspakts zum Ziele haben. Ich weiß, trotz der in einer Marktwirtschaft verschiedenen Rollen — Tarifautonomie — muß endlich zwischen Regierung und Tarifparteien präzisiert werden, wer welche konkreten Maßnahmen trifft und wer welche Verantwortlichkeit für Arbeitslosigkeit hat.

    (Zustimmung bei der FDP)

    Für diese Konferenz darf es, Herr Roth, auch keine Vorbedingungen und Tabus geben, so wichtig Mitbestimmungsfragen oder andere Fragen sind. Die waren beim Wirtschaftsminister letztlich nicht umstritten. Sie wissen aus der Geschichte ganz genau, daß Arbeitgeberverbände zu diesem Thema anderer Meinung waren und daß dies der letzte Grund war, warum die Gespräche am runden Tisch damals beendet wurden.
    Lassen Sie mich abseits von diesem Haushalt kurz drei Herausforderungen nennen, die aus libe-
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8751
    Dr. Haussmann
    raler Sicht in den nächsten Jahren für den Abbau von Arbeitslosigkeit entscheidend sind.
    Herausforderung Nummer 1: schleichender Protektionismus. Der schleichende Protektionismus schafft weitere Massenarbeitslosigkeit. Daher reicht es meines Erachtens nicht mehr, diese Frage nur auf speziellen Handelskonferenzen zu behandeln. Die Frage der Handelsschranken muß zum Europathema Nummer 1 gemacht werden. Andere europapolitische Ziele müssen wir zukünftig von konkreten Garantien für eine Freihandelspolitik in Europa und gegenüber Drittländern abhängig machen. Das heißt aber auch für die nationale Wirtschaftspolitik aller europäischen Länder: Die Wiederherstellung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit ist das vorrangige Thema. Bei uns ist daher eine Haushaltspolitik notwendig, die weitere Zinssenkungen ermöglicht. Zu Recht hat Herr Stoltenberg darauf hingewiesen, daß Zinssenkungen durch nationale Haushaltspolitik erspart werden müssen, durch eine Steuerpolitik, die Innovationen begünstigt, und eine Tarifpolitik, die beschäftigungsfreundlich ist.
    Herausforderung Nummer 2: Hier möchte ich auch etwas zur Frage „Grundig" sagen. Ich wundere mich eigentlich, daß hier ein Antrag der SPD vorliegt, ohne daß er beim Haushalt des Bundeswirtschaftsministers bisher eine Rolle gespielt hat. Wo eigentlich soll dieser Antrag behandelt werden? Ist er jetzt vergessen, oder bleibt er in der Versenkung?
    Ich meine dazu: Konzentration und Gigantomanie kann nicht mit Wettbewerbsfähigkeit gleichgesetzt werden. In manchen Unternehmensführungen, aber auch in manchen Landesregierungen und Gewerkschaften zu glauben, man könne Arbeitsplätze gegenüber besseren und kostengünstigeren Produkten aus Fernost oder aus USA nur durch das Zusammenlegen von Produktionskapazitäten und durch die Abschottung des Europamarktes sichern, ist eine unverantwortliche Illusion.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nur ein überlegenes Forschungskonzept, intelligentere Produkte und günstigere Produktionsformen sichern letztlich Arbeitsplätze dauerhaft. Der Zusammenschluß zu europäischen Branchenmonopolisten mit Hilfe von einzelstaatlichen Subventionen sichert auf Dauer weder bei uns noch in unseren europäischen Nachbarländern Arbeitsplätze.
    Daß es auch anders geht, meine Damen und Herren, zeigt im Moment die deutsche Automobilindustrie. Sie hat die europäische und vor allem die japanische Herausforderung ohne weitere nationale Konzentration und ohne Außenschutz gegenüber Drittländern angenommen. Das aktuelle Beispiel zeigt, daß marktwirtschaftlicher Wettbewerb zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Zwei neue PkwModelle treffen zur Zeit im gleichen Marktsegment der kompakten, technisch hochwertigen und teuren Automobilklasse aufeinander und werben um die Verbraucher. Und trotzdem, meine Damen und Herren, führt dies in beiden Automobilwerken zur Schaffung von Tausenden von neuen Arbeitsplätzen, gerade in Problemgebieten wie Bremen und Regensburg. Beiden Unternehmen und ihren Arbeitskräften sei von dieser Stelle aus für dieses in unserer Zeit leider viel zu seltene positive marktwirtschaftliche Beispiel gedankt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Dritte und letzte Herausforderung: die Parallelwirtschaft. Ich verstehe darunter Schwarzarbeit genauso wie neue, alternative Produktionsformen. Meine Damen und Herren, wer glaubt, daß wir dieses Problem, das für viele Arbeitslose in unserem offiziellen Wirtschaftssystem mitverantwortlich ist, nur durch schärfere Gesetze ausmerzen könnten, der täuscht sich hinsichtlich der nächsten Jahre gewaltig. Nur wenn beide Systeme, das offizielle Wirtschaftssystem und die Parallelwirtschaft, voneinander lernen, werden wir Fortschritte erzielen. Das heißt, daß das offizielle Wirtschaftssystem inzwischen zu starr, zu bürokratisch, mit Sozialaufgaben überlastet und daher zu teuer geworden ist und daß Millionen in der Parallelwirtschaft Tätiger — ich sage im Anklang an Dahrendorf bewußt nicht „Arbeitender", sondern „Tätiger" — einen starken Wunsch nach freier, ganzheitlicher, billigerer und zeitlich individuell gestalteter Arbeit zum Ausdruck bringen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn das offizielle Arbeitssystem daraus nicht lernt und sich nicht verändert, indem es auch wieder beweglicher, billiger, unbürokratischer wird, wird diese Kluft unschließbar und führt zu weiterer Massenarbeitslosigkeit in unserem Land.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, dies sind abseits von Haushaltszahlen ganz wenige liberale Perspektiven für die zukünftige Gesellschaft, die dringend einen neuen Pakt benötigt über Löhne, Produktivitätsfortschritt, individuellere Arbeitszeitvereinbarungen — nicht generell verordnete, sondern individuellere Arbeitszeitvereinbarungen —, Vermögensbildung und neue Arbeitsformen.
    Zum Schluß: Wer wie manche SPD-Kollegen glaubt, das Problem reduziere sich auf die Aufrechterhaltung der alten sozialen Besitzstände, der täuscht sich. Aber auch mancher Kollege in der Union greift zu kurz, wenn er meint, die alten Rezepte der Wirtschaftswunderzeit allein könnten uns über die Runden helfen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Mitzscherling.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Haussmann, Sie haben einen Solidarpakt empfohlen, einen Pakt, der sich mit beschäftigungspolitischen Problemen befaßt, und damit ein Angebot aufgegriffen, das Hans-Jochen Vogel der Öffentlichkeit unterbreitet hat. Ich finde es sehr interessant, daß hier Berührungspunkte für eine künftig gemeinsamere Behandlung bestimmter Probleme deutlich werden.
    8752 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
    Dr. Mitzscherling
    Sie haben — und, Herr Kollege Glos, vielleicht darf ich auf Ihre Anmerkungen eingehen — einen gewissen Optimismus sichtbar werden lassen über die künftige Entwicklung der Wirtschaft, die von einem Aufschwung nach diesem Haushalt gekennzeichnet sein werde, einen Optimismus, den ich nicht teilen kann. Einen solchen Aufschwung sehen wir nach dem, was uns an Papieren, an Antworten der Bundesregierung, an Antworten des Kanzlers und der Minister vorliegt, eigentlich mehr denn je in einer weiten, weiten Ferne. Sie werden mit diesen Antworten der Politik die Investitionsschwäche sicherlich nicht beenden. Sie werden sicherlich die Binnennachfrage weiter schwächen, und die Arbeitslosigkeit wird dadurch mit Sicherheit nicht verringert werden. Ob Sie das nun wollen oder nicht, meine Damen und Herren von der Union: eine Politik, die in groben Zügen als die eines wirtschaftspolitischen Attentismus bezeichnet werden kann, der sich nur auf eine Stärkung des Angebots richtet, paßt nicht in die Landschaft. Sie wird den strukturellen und den konjunkturellen Erfordernissen nicht gerecht. Sie konsolidieren, Sie kürzen die verfügbaren Einkommen der meisten Verbraucher und warten darauf, daß die Unternehmen irgendwie etwas veranlassen werden, warten darauf, daß sie investieren und eines Tages irgendwann Arbeitsplätze entstehen könnten.
    Ich fürchte, meine Herren Vorredner, daß Ihre Erwartungen bitter enttäuscht werden. Sie kennen doch die Probleme, die weltweit sind. Sie müssen doch wissen, daß in den westlichen Industrieländern die Zahl der Arbeitslosen auf 35 Millionen zugeht. Sie müssen doch wissen, daß in den Vereinigten Staaten und daß in den EG-Ländern jeweils nunmehr fast 11 Millionen arbeitslos sind. Daran wird doch deutlich, daß wir uns offensichtlich in einer Weltwirtschaftskrise befinden. In fast allen Industrieländern ist ein wirtschaftlicher Aufschwung in weiter Ferne.
    Der Welthandel, meine Damen und Herren von der Union, stagniert. Das verschärft die Konkurrenz und führt zu größerer Bereitschaft der Regierungen, wie das heute ja auch schon mehrfach angeklungen ist, protektionistische Restriktionen zu veranlassen. Wenn aber der Welthandel stagniert, wenn er — wie in diesem Jahr — sogar schrumpft, dann kann sich kein Land Hoffnungen auf einen durch Exportsteigerung ausgelösten Konjunkturaufschwung machen, schon gar nicht die Bundesrepublik als zweitgrößtes Welthandelsland. Denn das, was wir heute mehr exportieren würden, ginge doch zu Lasten anderer Länder, und eine beggar-myneighbour-policy, eine Außenhandelspolitik, die einseitig Außenhandelsüberschüsse erzielen will, läßt sich heute niemand mehr so leicht gefallen. Das gilt auch für den EG-internen Handel, und das gilt, wie schon gesagt wurde, vor allem im Handel mit Frankreich.
    Lassen Sie mich hier ein Wort, Herr Kollege Haussmann, aufgreifen, das Sie eben im Zusammenhang mit dem Fall Thomson-Brandt erwähnten. Der vorliegende Antrag begründet sich selbst. Wir haben böse Erfahrungen machen müssen. Ich
    erinnere nur an Videocolor. Wir sind der Auffassung, daß eine derartige Zusammenführung, wenn sie zustande kommen sollte, einer dringenden Partnerschaft bedarf, daß wir ein Mitspracherecht haben, wenn es um den Bestand und den Erhalt von Arbeitsplätzen geht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich muß an dieser Stelle sagen, daß angesichts der Brisanz dieses Themas das Verständnis dafür, daß der Bundeskanzler in Paris war und dieses Problem dort nicht einmal angesprochen hat, relativ gering ist.
    Nun, meine Damen und Herren, wenn wir eine Exportpolitik, wie dargestellt, nicht mehr haben werden, wenn das heute nicht mehr so funktionieren kann, wie es früher funktioniert hat, dann muß man sich doch vor Augen führen, woran das liegt. Ich vermisse in all den Beiträgen, die von seiten der Regierungsfraktionen, auch von seiten der Minister und des Bundeskanzlers kamen, eine Antwort darauf.
    Früher — daran haben wir uns offenbar gewöhnt — ging es irgendwo in der Welt immer aufwärts. Regelmäßig hat unser Export immer irgendwo Tritt gefaßt und wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung eingeleitet, weil der Konjunkturzyklus der Bundesrepublik nicht mit dem in anderen Ländern übereinstimmte. Jetzt aber verläuft dieser Konjunkturzyklus synchron. Das bedeutet doch, daß zum selben Zeitpunkt alle Industrieländer in der gleichen Misere sind. Deshalb können wir auch nicht länger auf den Export als einen Konjunkturmotor setzen; wir nicht, aber andere Länder ebensowenig.
    Was bleibt als Resultat dieser Überlegungen eines weltweit gedachten Konjunkturstimulans übrig, wenn der Export ausfällt, wenn auch, nicht zuletzt durch die vorliegenden Haushaltsbeschlüsse, der private Verbrauch real nicht mehr wächst und als Wachstumsmotor nicht mehr zur Verfügung steht? In der Tat bleiben ausschließlich die Investitionen. Das ist richtig. Der internationale Zinsrückgang in den letzten zwölf Monaten läßt da zwar hoffen. Zumindest in gewissen Teilen gilt das für den Wohnungsbau. Aber für die Anlageinvestitionen der Unternehmen gilt das doch kaum; denn überall, in allen Industrieländern sind die Kapazitäten unterausgelastet. Überall, in allen Industrieländern sind die Absatzerwartungen pessimistisch.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Leber)

    Warum aber — frage ich Sie — sollte es zu einem weltweiten Aufschwung privater Investitionen kommen, zumal die Zinsen immer noch hoch genug sind? Wir haben größte Zweifel, ob es zu dieser von Ihnen erhofften, von Ihnen erwarteten Entwicklung überhaupt kommen wird. Deshalb sagen wir ja auch, wir brauchen einen gemeinsamen, international abgestimmten Beschäftigungspakt der wirtschaftlich starken Länder. Ich bitte, das nicht als einen billigen Wahlkampfgag zu werten, sondern als das Resultat von Überlegungen, die angesichts der gegenwärtigen schwierigen internationalen Situation andere Wege kaum noch sichtbar werden
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8753
    Dr. Mitzscherling
    lassen. Im übrigen stehen wir mit dieser Forderung ja nicht allein, auch der Sachverständigenrat hat eine parallele Aktion der wirtschaftlich starken Länder gefordert.
    Wenn wir uns dabei vor allem auf öffentliche Investitionen stützen, so deshalb, weil wir der Meinung sind, daß sie schneller wirken. Wenn ich an die Hoffnung denke, die Sie haben, daß durch eine Umschichtung von den konsumtiven zu den investiven Ausgaben Mittel freigesetzt werden, muß ich sagen, daß das allenfalls ein Angebot ist. Wer gibt Ihnen die Zuversicht, daß dieses Angebot angenommen wird? Wer erklärt Ihnen, daß letztlich durch den entstehenden time-lag — Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff hat das in seiner letzten Rede ja zum Ausdruck bringen müssen — nicht eine Bewegung entsteht, die wirtschaftlich eher nach unten gerichtet ist?
    Sie weisen unsere beschäftigungspolitischen Vorschläge zurück. Sie können das offenbar auch nicht anders; denn Sie haben ja Beschäftigungsprogramme jahrelang als Strohfeuer bezeichnet. Sie haben das als eine Entwicklung bezeichnet, die zum Staatsbankrott führe, zu einer Währungsreform. Sie haben die Leute verunsichert. Daß Sie in dieser Situation heute den Vorschlag eines derartigen Beschäftigungshaushalts natürlich nicht begrüßen, liegt bei Ihrem Selbstverständnis auf der Hand.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie wissen doch selbst, daß der nichts taugt!)

    — Sie werden mir abnehmen, daß ich dazu eine andere Meinung habe als Sie. — Ich stelle dazu nur fest, daß eine weitere Untätigkeit der Regierung, wie auch immer motiviert, aus meiner Sicht zusätzliche Arbeitslosigkeit schafft.
    Ich kann nur vor dieser weiteren Untätigkeit warnen. Wir alle wissen nicht — auch Sie nicht, meine Damen und Herren von der Union —, wie sich Erwartungen, wie sich Verhaltensweisen bei langanhaltenden wirtschaftlichen Schwächeperioden verändern. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß das Angstsparen, das heute schon feststellbar ist, um sich greifen kann. Wir alle müssen uns darauf einrichten, daß die Banken größere Sicherheiten für ausgeliehene und auszuleihende Kredite verlangen, daß Unternehmen um jeden Preis konsolidieren und daß sie Investitionen hinausschieben. Diese Gefahr liegt doch auf der Hand.
    Das bedeutet, daß die Übervorsichtigen zunehmend Oberwasser bekommen. Wenn dies so ist, bleibt der kräftige wirtschaftliche Aufschwung, den wir brauchen, den wir dringend brauchen, aus. Er rückt immer weiter in die Ferne; denn die von Ihnen zitierten Gründerjahre brauchen nicht die Übervorsichtigen, sondern sie brauchen die innovativen Elemente: die Techniker, die Ingenieure, die Kaufleute, die wagemutig sind, die früher gezeigt haben, daß man es machen kann. Eine Wirtschafts- und Finanzpolitik muß aber dementsprechend ausgerichtet sein.
    Wir dürfen nicht riskieren — da stimme ich mit dem Wirtschaftsminister überein —, daß sich pessimistische Grundhaltungen immer stärker ausbreiten und künftig der risikoscheue Buchhalter bestimmt, was im Unternehmen investiert wird.
    Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik wird handeln müssen. Sie wird anders, nämlich stärker und entschlossener handeln müssen, als es in dem vorliegenden Haushalt zum Ausdruck kommt. Wir können es uns schließlich auch eher leisten. Wir sind, ob Sie das nun hören wollen oder nicht, stärker als die meisten anderen Industrieländer. Der Bundeswirtschaftsminister hat es ja als einen Erfolg seiner Politik herausgestellt. Wenn aber andere Länder gegenwärtig nicht oder noch nicht zu einem gemeinsamen Beschäftigungspakt bereit sind, dann müssen wir eben zunächst allein beginnen, auch wenn die Wirkung dann zugegebenermaßen geringer sein wird.
    Wir brauchen da nicht auf die Erfahrungen der Jahre 1978 bis 1980 zurückzugreifen oder gar zu erschrecken. Ich darf nämlich daran erinnern — auch das gerät häufig in Vergessenheit —, daß wir 1978 gemeinsam mit den Japanern auf einen Weltwirtschaftsgipfel gedrängt wurden, um dort gleichsam als eine Lokomotive zu wirken, um eine Rolle zu übernehmen, die angesichts der Kraft, die man uns damals zugetraut hat, sicherlich auch eine Zumutung darstellte und nicht etwa eine Vermessenheit von Helmut Schmidt war.
    Wären die Ölpreise 1978/79 nicht zum zweitenmal explodiert, was, wie vielleicht noch in Erinnerung, unsere Leistungsbilanz damals ins Defizit brachte, so wären wir auch nicht zu Gefangenen der amerikanischen Hochzinspolitik geworden.
    Aber diese Situation, meine Damen und Herren, ist heute anders. Eine neue Ölpreisexplosion steht nicht vor der Tür. Wir brauchen auch nicht zu befürchten, daß wir wieder in eine stärkere Abhängigkeit von den amerikanischen Zinsen geraten; denn gerade in den letzten Monaten ist deutlich geworden, daß der Dollar fundamental schwächer geworden ist. Experten rechnen für 1983 mit einem amerikanischen Außenhandelsdefizit von 75 bis 100 Milliarden Dollar und mit einem Leistungsbilanzdefizit von 40 Milliarden Dollar. Das dürfte inzwischen allen bekanntgeworden sein.
    Diese Defizite, meine Damen und Herren, werden auch diesmal wieder einen starken Druck auf den Dollar ausüben. Das gilt allerdings nur dann, diese Einschränkung muß man an dieser Stelle machen, wenn es nicht — und davor ist heute keiner sicher; ich habe auch kein Wort dazu gehört — zu einem unerwarteten und krisenhaft sich zuspitzenden Entwicklungsprozeß kommt, der einen internationalen und schwerwiegenden Bankenkrach auslösen könnte. Wenn dies eintritt, stehen wir vor einer neuen Situation. Bleibt uns das erspart, kann man heute schon feststellen, daß die D-Mark, die jetzt schon zweifellos zu den gesuchten Währungen gehört, diese positive Bewertung beibehalten wird. Das müssen wir ausnutzen. Das muß die Bundesbank bei ihrer Politik berücksichtigen. Sie muß jeden Spielraum, der sich ergibt, nutzen — das wird durch die ausgeglichene Leistungsbilanz erleichtert —, um die Zinsen bei uns noch weiter nach
    8754 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
    Dr. Mitzscherling
    unten zu drücken. Dabei sind wir natürlich auch der Auffassung, daß eine völlige Abkoppelung von den amerikanischen Zinsen angesichts des freien Kapitalverkehrs nicht möglich ist.
    Zwar rechnet augenblicklich jedermann in dieser Welt mit weiter sinkenden Dollarzinsen. Wir können deshalb auch mit weiter sinkenden D-Mark-Zinsen rechnen. Aber — diese Frage muß man einfach stellen — worauf gründet sich eigentlich diese Hoffnung? Doch nicht auf eine vertrauenerweckende amerikanische Wirtschaftspolitik! Dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Die Hoffnung gründet sich doch allein auf ein weiteres Sinken der amerikanischen Zinsen, weil man damit rechnet, daß die Rezession in Amerika anhält und die private Kapitalnachfrage deshalb so schwach bleibt, daß die Zinsen sinken können, obwohl das gigantische amerikanische Haushaltsdefizit finanziert werden muß.
    Das muß man sich einmal vor Augen halten, meine Damen und Herren: Alle Welt hofft auf Zinssenkungen in den USA. Die kann und wird es aber nur geben, weil eine wirtschaftliche Besserung in den USA in weiter Ferne liegt. Kommt es in den Vereinigten Staaten jedoch früher zu einer konjunkturellen Erholung, dann werden dort die Zinsen wieder steigen, wenn es bei der gegenwärtig betriebenen amerikanischen Politik bleibt. Dann wird eine beginnende konjunkturelle Erholung bei uns im Keim erstickt werden.
    Bei dieser Konstellation kann Zuschauen wohl kaum die geeignete Strategie für eine mittelfristig ausgerichtete Wirtschaftspolitik sein. Ich muß deshalb an die Bundesregierung appellieren: Tun Sie alles, um einer weiteren Abschwächung der Binnennachfrage entgegenzuwirken! Tun Sie alles, um sich dem wachsenden Pessimismus entgegenzustellen, bevor die Lage unkontrollierbar wird! Ihr Haushalt reicht dazu nicht aus. Drängen Sie die amerikanische Regierung zu mehr Solidarität, zu einer Wirtschaftspolitik, die auf die Belange der anderen Länder Rücksicht nimmt! Machen Sie sich für diesen internationalen Beschäftigungspakt, wie ihn Hans-Jochen Vogel vorgeschlagen hat, stark!
    Es ist nicht die Zeit für nationale Nabelschau und gegenseitige Schuldzuweisung, meine Damen und Herren.

    (Zustimmung bei der FDP)

    Es ist die Zeit für ein gemeinsames und entschlossenes Handeln, national und international. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)